Kein Versorgungsausgleich bei grober Verletzung der verfahrensrechtlichen Mitwirkungspflichten
letzte Aktualisierung: 19.11.2020
OLG Brandenburg, Beschl. v. 3.4.2020 – 9 UF 181/19
Kein Versorgungsausgleich bei grober Verletzung der verfahrensrechtlichen
Mitwirkungspflichten
Ein besonders krasses Fehlverhalten eines Ehegatten in der Zeit nach der Aufhebung der ehelichen
Lebensgemeinschaft kann den Ausschluss des Versorgungsausgleichs unter
Billigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen. Auch die Verletzung verfahrensrechtlicher
Mitwirkungspflichten kann ein solches Fehlverhalten sein.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners ist gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässig. In der Sache bleibt das
Rechtsmittel aber ohne Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Recht den Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Es ist zutreffend
davon ausgegangen, dass der Antragsgegner seinen Mitwirkungspflichten nach §§ 27, 220
FamFG in schwerwiegender Weise nicht nachgekommen ist.
Gemäß
grob unbillig wäre. Eine solche grobe Unbilligkeit liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall unter
Abwägung aller Umstände die rein schematische Durchführung des Ausgleichs dem
Grundgedanken des Versorgungsausgleichs, nämlich eine dauerhaft gleichmäßige Teilhabe
beider Ehegatten an den in der Ehezeit insgesamt erworbenen Versorgungsanrechten zu
gewährleisten, in unerträglicher Weise widersprechen würde (st. Rspr. des
Bundesgerichtshofs, vgl. etwa BGH,
Das persönliche Fehlverhalten eines Ehegatten in der Zeit nach der Aufhebung der ehelichen
Lebensgemeinschaft kann - selbst wenn es ohne wirtschaftliche Relevanz geblieben ist - den
Ausschluss des Versorgungsausgleichs unter Billigkeitsgesichtspunkten rechtfertigen. Dies gilt
aber nur dann, wenn das Fehlverhalten besonders krass ist oder sonst unter den anderen
(ausgleichspflichtigen) Ehepartner belastenden Umständen geschieht und die Durchführung des
Versorgungsausgleichs deshalb unerträglich erscheint (vgl. BGH,
Johannsen/Henrich/Holzwarth, Familienrecht, 6. Aufl.,
außergewöhnlichen Fällen kann auch die Verletzung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten
(
führen (vgl. hierzu OLG Naumburg,
Versorgungsausgleichsrecht, 3. Aufl., § 27 Rn. 63; Borth, Versorgungsausgleichsrecht, 8. Aufl.,
Kapitel 6 Rn. 56). So liegt der Fall hier.
Der Antragsgegner hat in schwerwiegender Weise gegen seine Mitwirkungspflichten im
Versorgungsausgleichsverfahren verstoßen.
Gemäß
Personen, also auch bei den Ehegatten, Auskünfte über Grund und Höhe der
Versorgungsanrechte einholen. Es kann die Ehegatten gemäß
dem Versorgungsträger zu Mitwirkungshandlungen verpflichten, die für die Feststellung der in den
Versorgungsausgleich einzubeziehenden Anrechte erforderlich sind. Die Ehegatten haben
gerichtliche Ersuchen und Anordnungen zu befolgen (
Antragsgegner vorliegend beharrlich nicht getan. Das Versorgungsausgleichsverfahren läuft
bereits seit fast sechs Jahren.
Mit Schriftsatz vom 20.05.2014 stellte die Antragstellerin Antrag auf Scheidung der Ehe der
Beteiligten. Die Formulare zum Versorgungsausgleich übersandte das Amtsgericht den
Ehegatten am 18.08.2014. Der ausgefüllte Fragebogen des Antragsgegners zum
Versorgungsausgleich ging am 02.02.2015 bei Gericht ein. Vorausgegangen war eine gerichtliche
Erinnerung vom 19.09.2014; die gesetzte Frist war - auf Antrag des damaligen
Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners - allerdings nur bis zum 17.11.2014 verlängert
worden. Mit Schreiben vom 13.02.2015 und 16.03.2015 forderte die Deutsche
Rentenversicherung Bund den Antragsgegner auf, näher bezeichnete Lücken im
Versicherungsverlauf zu klären und bestimmte Unterlagen vorzulegen. Der Antragsgegner
reagierte darauf nicht. Es erfolgte sodann unter dem 19.03.2015 eine entsprechende gerichtliche
Auflage. Nach fruchtlosem Fristablauf setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 17.04.2015 ein
Zwangsgeld fest. Gleiches geschah nochmals unter dem 02.09.2015. Der Antragsgegner zahlte
das (zuletzt) festgesetzte Zwangsgeld, ohne die geforderten Mitwirkungshandlungen
vorzunehmen. In der Folgezeit beraumte das Amtsgericht einen Anhörungstermin im
Versorgungsausgleichsverfahren auf den 09.03.2016 an; der Antragsgegner erschien nicht. Zu
dem neuerlich, auf den 20.04.2016 festgesetzten Termin wurde die Vorführung des
Antragsgegners durch den Gerichtsvollzieher angeordnet. Die Vorführung scheiterte, weil der
Antragsgegner weder Schreiben des Gerichtsvollziehers beantwortete noch zu Hause anzutreffen
war. Mit Verfügung vom 23.11.2016 bestimmte das Amtsgericht sodann Termin zur Anhörung auf
den 18.01.2017 und erteilte bestimmte Auflagen. Nachdem der Antragsgegner zu diesem Termin
nicht erschienen war, ordnete das Amtsgericht am 16.02.2017 gegen ihn Zwangshaft an. Mit
Schriftsatz vom 15.12.2017 stellte die Antragstellerin Antrag, den Versorgungsausgleich wegen
grober Unbilligkeit gemäß
Anhörungstermin vom 08.08.2018 versprach der Antragsgegner, die fehlenden Unterlagen
beizubringen. Die bis zum 15.08.2018 verlängerte Beibringungsfrist hielt er nicht ein. Der
Sozialversicherungsausweis der DDR und die Kopie eines Aufhebungsvertrages wurden erst mit
Schreiben vom 29.08.2018 zu den Akten gereicht. Das Amtsgericht hob daraufhin mit Beschluss
vom 20.09.2018 die Zwangsmaßnahmen (Haftbefehl vom 16.02.2017) auf. Mit Schreiben vom
27.11.2018 und 03.01.2019 forderte die Deutsche Rentenversicherung Bund den Antragsgegner
erneut vergeblich auf, Angaben zu bestimmten Lücken im Versicherungsverlauf (01.01.1992 bis
19.07.1993 und 01.10.1995 bis 31.12.1998) zu machen sowie das Abiturzeugnis und ggfs. die
Gehaltsbescheinigung für August 2000 vorzulegen. Unter dem 08.02.2019 erging eine
entsprechende Anordnung des Amtsgerichts, der der Antragsgegner - trotz mehrerer
stillschweigend gewährter Fristverlängerungen - nicht nachkam.
In Anbetracht dieser Gegebenheiten bleibt nur festzustellen, dass der Antragsgegner seinen
Mitwirkungswirkungspflichten im Versorgungsausgleichsverfahren (
besonders schwerwiegender Weise nicht nachkommt. Er entzieht sich seit nunmehr fast sechs
Jahren der Aufklärung seiner in der Ehezeit (01.10.1977 bis zum 31.07.2014, § 3 Abs. 1
VersAusglG) erworbenen Versorgungsanrechte. Das Amtsgericht hat diverse Anordnungen
getroffen, Zwangsmaßnahmen angeordnet und auch zahlreiche Anhörungstermine anberaumt,
um das Versorgungsausgleichsverfahren zu fördern und zu einem Abschluss zu bringen. Der
Antragsgegner zeigte bzw. zeigt sich hierdurch wenig beeindruckt, obwohl er selbst davon
ausgeht, ausgleichsberechtigt zu sein. Dies ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift vom
08.08.2018. In diesem Termin wurde der Antrag der Antragstellerin, den Versorgungsausgleich
wegen grober Unbilligkeit nach
ausweislich des Protokolls - auch rechtliche Hinweise erteilt. Der Antragsgegner hat in dem
Termin Verständnis für den Antrag seiner geschiedenen Ehefrau geäußert und versprochen,
nunmehr die erforderlichen Unterlagen beizubringen. Der Antragsgegner wusste also um die
rechtlichen Konsequenzen einer fehlenden Mitwirkung im Versorgungsausgleichsverfahren.
Ungeachtet dessen hat er weiterhin nicht im erforderlichen Umfang mitgewirkt. Außer der mit
Schreiben vom 29.08.2018 erfolgten Vorlage des Sozialversicherungsausweises der DDR und
der Kopie eines Aufhebungsvertrages ist er weiterhin untätig geblieben. Unter dem 03.07.2019
hat das Amtsgericht den Antragsgegner nochmals auf die rechtlichen Konsequenzen seines
Verhaltens (Untätigkeit) hingewiesen und einen Ausschluss des Versorgungsausgleichs wegen
grober Unbilligkeit angekündigt. Der gerichtliche Hinweis ist seiner Verfahrensbevollmächtigten
auch zugegangen, wie der Beschwerdebegründung vom 23.09.2019 entnommen werden kann.
Entgegen der Ansicht der Beschwerde war eine Zustellung des Hinweises an den Antragsgegner
persönlich bei anwaltlicher Vertretung - die Vertretungsanzeige datiert vom 07.09.2018 - nicht
geboten. Abgesehen davon ist der geschiedene Ehemann in der Sitzung vom 08.08.2018 - wie
bereits ausgeführt - bereits hinlänglich belehrt worden. Wie seine Einlassung im Termin und auch
sein späteres Verhalten, das Übersenden von Unterlagen, zeigt, hatte er durchaus die Brisanz der
Lage erkannt. Für das Vorliegen kognitiver Einschränkungen gibt der Akteninhalt nichts her.
Der gerichtlichen Anordnung vom 08.02.2019, Angaben zu bestimmten Lücken im
Versicherungsverlauf (01.01.1992 bis 19.07.1993 und 01.10.1995 bis 31.12.1998) zu machen
sowie das Abiturzeugnis und die Gehaltsbescheinigung für August 2000 vorzulegen, ist der
Antragsgegner bis heute nicht nachgekommen. Er ist offenbar nicht gewillt, bei der Ermittlung des
Sachverhalts mitzuwirken. Anderenfalls hätte er spätestens in der Beschwerdeschrift oder auch
noch im laufenden Beschwerdeverfahren die erforderlichen Angaben zu den oben näher
bezeichneten Lücken im Versicherungsverlauf gemacht und die fehlenden Unterlagen vorgelegt.
In Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände im vorliegenden Fall hat das Amtsgericht zu
Recht von der Durchführung des Versorgungsausgleichs abgesehen. Dieser wäre aus den
zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses grob unbillig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Die Wertfestsetzung folgt aus
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) sind nicht gegeben.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Brandenburg
Erscheinungsdatum:03.04.2020
Aktenzeichen:9 UF 181/19
Rechtsgebiete:
Versorgungsausgleich
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
VersAusglG § 27