OLG Hamm 25. Juni 2015
I-22 U 166/14
BGB §§ 117; 125; 133; 311b

Zur Heilung eines Kaufvertrags mit Schwarzgeldabrede bei falscher Grundstücksbezeichnung

Zur Heilung eines Kaufvertrags mit Schwarzgeldabrede bei falscher Grundstücksbezeichnung

(OLG Hamm, Urteil von 25. 6. 2015 – I-22 U 166/14)

BGB §§ 117; 125; 133; 311b

1. Die Heilung eines wegen einer sogenannten Schwarzgeldabrede unwirksamen Grundstückskaufvertrages aufgrund Auflassung und Eintragung gem. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB setzt voraus, dass sich die Eintragung im Grundbuch auf das gesamte veräußerte und aufgelassene Grundstück bezieht.

2. Der Grundsatz der falsa demonstratio non nocet (§ 133 BGB) gilt nicht bei Grundbucheintragungen.

3. Wenn sich die Parteien des notariellen Vertrages ge­mäß den Grundsätzen der falsa demonstratio non nocet über den Verkauf und die Auflassung eines Grundstücks geeinigt haben, welches einen größeren Umfang hat, als das nach dem objektiven Erklärungsgehalt im notariellen Vertrag aufgelassene und im Grundbuch eingetragene Grundstück, tritt nach alledem eine Heilung des formnichtigen Grundstückskaufvertrages gem. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB nicht ein.

Zur Einordnung

Erkennt der Notar, dass im Rahmen eines Grundstückskaufvertrags der Kaufpreis niedriger angegeben wird als tatsächlich vereinbart (sog. Schwarzgeldabrede), hat er seine Mitwirkung nach § 4 BeurkG, § 14 Abs. 2 BNo­tO zu verweigern. In der Praxis sind solche Abreden oft­mals jedoch nur schwer zu identifizieren. Das OLG Hamm hatte sich in dem nachfolgend abgedruckten Urteil mit einem Vertrag zu beschäftigen, der über die Schwarzgeldabrede hinaus noch eine versehentliche Falschbezeichnung des veräußerten Grundstücks enthielt.

Unter welchen Voraussetzungen ein zur Steuerhinterziehung geschlossener Vertrag nach § 134 BGB nichtig ist, wird in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unter­schiedlich bewertet (grundsätzlich nichtig: BGH NJW 2013, 3157; BGH NJW-RR 2008, 1050; nichtig nur, wenn Steuerhinterziehung alleiniger oder hauptsächlicher Zweck: BGH NJW-RR 2002, 1527; BGH NJW-RR 1995, 1481). Vereinbaren die Parteien eines Grundstückskaufvertrags, dass ein Teil des Kaufpreises „schwarz“ gezahlt wird, ist der beurkundete Vertrag mit dem niedrigeren Kaufpreis als Scheingeschäft aber zumindest gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Der tatsächlich gewollte Vertrag mit dem höheren Kaufpreis ist zudem mangels wirksamer Beurkundung nach §§ 117 Abs. 2, 311b Abs. 1, 125 S. 1 BGB formunwirksam. Seine Unwirksamkeit kann jedoch gemäß § 311b Abs. 1 S. 2 BGB durch Auflassung des Grundstücks und Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch geheilt werden (vgl. zur Schwarzgeldabrede Staudinger/Singer, BGB, Neubearbeitung 2012, § 117 Rn. 26 mwN). Die Eintragung muss sich dabei auf das (formunwirksam) veräußerte und aufgelassene Grundstück beziehen und bei mehreren Grundstücken sämtliche Grundstücke erfassen (Staudinger/Schumacher, BGB, Neubearbeitung 2012, § 311b Rn. 291, 305).

Wird im Kaufvertrag irrtümlich der falsche Grundbesitz aufgeführt und an den Käufer aufgelassen, kommt nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ sowohl der Verpflichtungsvertrag gemäß § 311b Abs. 1 BGB als auch die Auflassung gemäß §§ 873, 925 BGB formgültig mit dem Inhalt zustande, von dem die Parteien übereinstimmend ausgegangen sind (BGH NJW 2008, 1658; BGH DNotZ 2001, 846 [848]). Bei der Grundbucheintragung findet der Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ dagegen keine Anwendung (Bergermann RNotZ 2002, 557 [566]; Staudinger/Schumacher, BGB, Neubearbeitung 2012, § 311b Rn. 291; vgl. OLG München, FGPrax 2009, 11 [12]). Es ist also das maßgeblich, was im Grundbuch eingetragen wird (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 293)

Das OLG Hamm konnte in seiner Entscheidung offen lassen, ob der Grundstückskaufvertrag aufgrund der Schwarzgeldabrede (auch) gemäß § 134 BGB nichtig war. Da sich die erfolgte Grundbucheintragung aufgrund der versehentlichen Falschbezeichnung des Grundbesitzes im Kaufvertrag (hier: Fehlen eines mitveräußerten Teilgrundstücks) nicht auf den gesamten veräußerten und aufgelassenen Grundbesitz bezog, konnte keine Heilung des aufgrund der Schwarzgeldabrede formnichtigen Vertrags eintreten.

Während sich die Auflassung nach dem Grundsatz „falsa demonstratio non nocet“ auf den nach dem Willen der Parteien tatsächlich veräußerten Vertragsgegenstand (mit Teilgrundstück) bezog, erfasste die Grundbucheintragung lediglich das im Vertrag aufgeführte Grundstück. Eine Berufung auf die Formnichtigkeit war dem Verkäufer auch nicht ausnahmsweise nach § 242 BGB verwehrt.

Fällt eine Schwarzgeldabrede mit einer „falsa demonstratio“ zusammen, scheidet eine Heilung gemäß § 311b Abs. 1 S. 2 BGB somit grundsätzlich aus, sodass der Erwerber keinen Anspruch auf Eigentumsübertragung in Bezug auf den tatsächlich veräußerten Grundbesitz hat. Die durch Eintragung beim falschen Grundbesitz entstehende Unrichtigkeit des Grundbuchs kann entweder durch Berichtigungsbewilligung gemäß § 19 GBO oder durch Nachweis der Unrichtigkeit des Grundbuchs gemäß § 22 GBO erfolgen (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. 2012, Rn. 360).

Die Schriftleitung (DH)

Zum Sachverhalt

I. Die Parteien streiten um die Eigentumsübertragung einer Teilfläche des Grundstücks G3, Flur X, Flurstück X.

Die Eltern des Beklagten waren Eigentümer mehrerer zunächst landwirtschaftlich genutzter Flächen, u.a. der Grundstücke G3, Flur X, Flurstück …[4], 657 m2 groß, T-Straße, und – unmittelbar angrenzend – Flurstück …[6]. Zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt vor dem Jahr 2002 errichteten sie auf ihrem neben dem Flurstück X gelegenen Grundstück mit der Parzellenbezeichnung ...6 einen Wall aus Holz und mit Büschen bewachsen. Nach dem äußeren Eindruck diente dieser Wall als Abgrenzung der beiden Parzellen ...4 und ...6. Auf der Parzelle ...4 […] errichteten die Eltern des Beklagten im Jahr 2002/2003 ein Einfamilienhaus. Am 31.1.2006 er­folgte die Auflassung der beiden streitgegenständlichen Grundstücke an den Beklagten.

Zum 1. Juli 2007 schlossen die Parteien einen Mietvertrag über das Einfamilienhaus T2. Im Jahr 2009 verhandelten sie über den Ankauf des gemieteten Objektes durch den Kläger. Unter dem 26.11.2009 kam es sodann zum Abschluss eines notariellen Kaufvertrages über das Grundstück T-Straße (Urkunden-Rolle Nr. 266/2009 des Notars M, J). § 1 des Kaufvertrages bezeichnete den Kaufgegenstand wie folgt:

„G3 8, Flurstück …[4], Gebäude- und Freifläche, T-Straße, groß 657 m2. Als Kaufpreis wurde in § 2 des Vertrages ein Betrag von 130.000,00 EUR beurkundet.

In der Folgezeit zahlte der Beklagte an den Kläger für das Grundstück neben dem beurkundeten Betrag von 130.000 EUR absprachegemäß als zusätzlichen Kaufpreis mindestens weitere 13.000 EUR („schwarz“). Am 11.1.2010 wurde der Kläger als Eigentümer ins Grundbuch (G3 8, Flurstück …[4]) eingetragen.

Im Jahr 2013 plante der Beklagte, auf dem ihm verbliebenen Flurstück …[6] eine Seniorenwohnanlage zu errichten. Zu diesem Zwecke beauftragte er eine Vermessung des Grundstücks. Hierbei stellte der Vermesser fest, dass der als Einfriedung des klägerischen Grundstücks dienende Wall nicht auf der Grundstücksgrenze zum Flurstück …[4] verläuft, sondern auf einer Länge von ca. 26 m und einer Breite von ca. 1,40 m bereits auf eben dieser Parzelle ...6. Zudem verläuft danach die Grenze in westlicher Richtung entlang der Zufahrt zu dem Grundstück des Klägers.

Der Kläger hat erstinstanzlich behauptet, er hätte sich mit dem Beklagten darüber geeinigt, dass das Grundstück so wie die Parteien es aufgrund der vorhandenen Grundstückseinfriedung mit dem Wall gekannt hätten, hätte übereignet werden sollen. Dazu gehöre zum einen der Bereich seines Gartens bis zum Wall, also der Bereich an der nördlichen Grenze seines Grundstücks, sowie ein parallel zur westlichen Grundstücksgrenze verlaufender Grundstücksstreifen von ca. 34 x 4 m. Diese Flächen seien bereits infolge der tatsächlichen Grundstückseinfriedung mit seinem Grundstück verbunden. Die Parteien seien während sämtlicher Verhandlungen davon ausge­gangen, dass die tatsächliche Grundstücksgrenze entlang der Einfriedung des Grundstücks verlaufe, mithin die in dem notariellen Kaufvertrag angegebene Parzelle G3, Flur X, Flurstück X die gesamte Grundstücksfläche umfasse, die dort nach den tatsächlichen Verhältnissen als eingefriedet anzusehen gewesen sei. Dem Beklagten sei auch nicht bewusst gewesen, dass die tatsächliche Grenze nicht mit dem eingefriedeten Grundstücksverlauf übereinstimme. So habe er, nachdem er den ausgemessenen Grenzverlauf anhand der dort verlegten Seile gesehen habe, gesagt: „Das habe ich nicht gewusst!“ Der notarielle Kaufvertrag sei auch nicht aufgrund der Schwarzgeldabrede nichtig. Der dadurch entstandene Formfehler sei infolge der Eintragung des Klägers als Eigentümer in das Grundbuch geheilt. Auch eine Nichtigkeit wegen Steuerhinterziehung sei nicht gegeben, denn diese sei nicht Hauptzweck des Vertrages gewesen. Schließlich stehe der Nichtigkeit des Vertrags der Einwand der unzu­lässigen Rechtsausübung entgegen. Der Beklagte sei nicht in der Lage, im Falle einer Rückabwicklung des Vertrags dem Kläger den Kaufpreis zurückzuerstatten.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt, den Beklagten zu verurteilen, eine Teilfläche des Grundstücks, eingetragen beim Amtsgericht U im Grundbuch von M Blatt 80 eingetragene Parzelle, G3, Flur X, Flurstück …[6], Ge­bäude- und Freifläche, Waldfläche, T, zur Größe von 172,4 qm entsprechend der mit dieser Klageschrift verbundenen Anlage K4 (rote Umrandung auf dem Grundstücksplan) zu vermessen, abzuschreiben und die Teilung zu bewilligen sowie das hierdurch entstehende Teilstück an den Kläger lastenfrei aufzulassen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat behauptet, es habe keine Einigung über eine Eigentumsübertragung der Grundstücksfläche, wie sie sich aus der Einfriedung ergebe, gegeben. Der Wall habe bei seiner Errichtung durch seine Eltern – damals Eigentümer beider Grundstücke – gerade nicht als Grundstückseinfriedung, sondern lediglich als Sichtschutz zum Mietobjekt gedient. Eine Einfriedung sei seinerzeit angesichts der Eigentumsverhältnisse nicht erforderlich gewesen. Der Kläger habe schlicht die Größe des Grundstücks überschätzt. Es sei Aufgabe des Klägers gewesen, sich über die vorhandenen tatsächlichen Grenzverläufe zu informieren.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, und zwar im Wesentlichen mit dem Argument, der Kläger könne aus dem notariellen Vertrag vom 26.11.2009 keine Rechte herleiten, da dieser aufgrund der „Schwarzgeldabrede“ gem. § 134 BGB i. V. m. § 370 AO, 263 StGB nichtig sei. Diese Nichtigkeit sei auch unabhängig von der Eintragung des Klägers als Eigentümer im Grundbuch. Denn eine Heilung gem. § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB umfasse nur Formmängel und setze voraus, dass der Formmangel der allei­nige Ungültigkeitsgrund sei. Der Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot führe zur Nichtigkeit des gesamten Vertrages. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass sich die Absicht der Steuerhinterziehung nur auf einen Teil des vereinbarten Kaufpreises bezogen habe. Bei dem von den Parteien geschlossenen notariellen Kaufvertrag handele es sich um ein einheitliches Rechtsgeschäft. Dieses könnte allenfalls dann als teilwirksam angesehen werden, wenn die Parteien den einzelnen Teilbeträgen einzelne zu übereignende Grundstücksteile zugeordnet hätten, was jedoch nicht der Fall gewesen sei. Der Nichtigkeit des Vertrags stehe auch nicht der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung gem. § 242 BGB entgegen. Eine nach § 134 BGB im öffentlichen Interesse und zum Schutz des allgemeinen Rechtsverkehrs angeordnete Nichtigkeit könne allenfalls in ganz engen Grenzen durch eine Berufung auf Treu und Glauben überwunden werden (vergl. BGH, Urt. v. 24.04.2008, Az.: VII ZR 42/07). Es könne insbesondere nicht davon ausgegangen werden, der Be­klagte sei nicht in der Lage, dem Kläger im Falle einer Rückabwicklung den Kaufpreis zu erstatten.

Gegen dieses Urteil des Landgerichts Münster hat der Kläger form- und fristgemäß Berufung eingelegt. Er verfolgt in der Sache sein erstinstanzliches Begehren weiter.

Zur Begründung macht er unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vorbringens im Wesentlichen geltend, der notarielle Kaufvertrag vom 26.11.2009 sei nicht nichtig, sondern es sei eine Heilung durch die Eintragung im Grundbuch eingetreten.
Der Kläger beantragt, unter Abänderung des angefochte­nen Urteils den Beklagten zu verurteilen, eine Teilfläche des Grundstücks, eingetragen beim Amtsgericht U im Grundbuch von M, Blatt 80 eingetragene Parzelle, G3, Flur X, Flurstück …[6], Gebäude- und Freifläche, Wald­fläche, T, entsprechend der mit diesem Schriftsatz ver­bundenen Anlage KB 2, rot umrandet und schraffiert, aus der sich die zeichnerische Bezeichnung der zu über­eignenden Flächen ergibt, zu vermessen, abzuschreiben und die Teilung zu bewilligen sowie das hierdurch entstehende Teilstück an den Kläger aufzulassen und die Eintragung im Grundbuch zu bewilligen, sowie, die grundsätzliche Bedeutung des Rechtsstreits festzustellen und die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt die angefochtene Entscheidung. Dem Kläger drohe keine Rückabwicklung des Kaufvertrages, zumal er wirksam Eigentümer des Grundstücks geworden sei.

Mit nicht nachgelassenem Schriftsatz vom 5.6.2015 hat der Kläger die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, hilfsweise die Aussetzung des Verfahrens beantragt.

Aus den Gründen:

II. 1. Die zulässige, namentlich form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen.

Dem Kläger steht kein Anspruch gegen den Beklagten auf Übereignung der streitgegenständlichen Grundstücksteilfläche zu

Dem Kläger steht gegen den Beklagten der geltend gemachte Anspruch auf Übereignung der streitgegenständlichen Grundstücksteilfläche nicht zu.

Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht aus dem zwischen den Parteien geschlossenen notariellen Kaufvertrag vom 26.11.2009.

Ob der Grundstückskaufvertrag aufgrund der Schwarzgeldabrede gemäß § 134 BGB nichtig ist, bedarf keiner Entscheidung

a) Das Landgericht hat angenommen, der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag sei aufgrund dessen, dass unstreitig ein Teil des Grundstückskaufpreises „schwarz“ gezahlt worden ist, wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot, nämlich §§ 370 AO, 263 StGB, insgesamt nichtig (§ 134 BGB).

Der Senat verkennt nicht, dass nach der Rechtsprechung des für Grundstückskaufverträge zuständigen 5. Zivilsenates des Bundesgerichtshofes die Absicht einer Steuerhinterziehung einen Vertrag nur dann nichtig sein lässt, wenn diese Absicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäftes ist; dies ist dann nicht der Fall, wenn zwar der Grundstückskaufvertrag fehlerhafte Kaufpreisangaben enthält, die Begründung der Verpflichtung zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung zur Bezahlung des Kaufpreises allerdings ernstlich gewollt sind (vgl. BGH, Urteil vom 05. Juli 2002 – V ZR 229/01 – NJW-RR 2002, 1527 = DNotZ 2003, 123; BGH, Urteil vom 4. März 1993 – V ZR 121/92 – zitiert nach juris; Urteil vom 17. Dezember 1965 – V ZR 115/63 – NJW 1966, 588; in diesem Sinne auch Senat, Urteil vom 24. April 1995 – 22 U 138/94 – NJW-RR 1995, 1481 = DNotZ 1996, 451).

Demgegenüber geht allerdings der 7. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes für das Werkvertragsrecht davon aus, eine sog. Ohne-Rechnung-Abrede sei – da der Steuerhinterziehung dienend – gemäß §§ 134, 138 BGB nichtig, was über die Vorschrift des § 139 BGB regelmäßig zur Gesamtnichtigkeit des Vertrages führe (vgl. etwa BGH, Urteil vom 01. August 2013 – VII ZR 6/13 – NJW 2013, 3157; Urteil vom 24. April 2008 – VII ZR 42/07 – NJW­RR 2008, 1050). Diese trete – so der 7. Zivilsenat weiter – nur dann nicht ein, wenn angenommen werden könne, dass ohne die Ohne-Rechnung-Abrede bei ordnungsgemäßer Rechnungslegung und Steuerabführung der Vertrag zu denselben Konditionen, insbesondere mit derselben Vergütungsregelung, abgeschlossen worden wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2008, a.a.O.). Entsprechendes nimmt der 12. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes für Ohne-Rechnung-Abreden im Mietvertragsrecht an (vgl. etwa Urteil vom 2. Juli 2003 – XII ZR 74/01 – NJW 2003, 2742).

b) Der Senat kann die Frage der Nichtigkeit des notariellen Kaufvertrages nach § 134 i.V.m. § 370 AO, 263 StGB bzw. § 139 BGB allerdings im Ergebnis offen lassen:

Aufgrund der Schwarzgeldabrede war der Grundstückskaufvertrag jedenfalls formnichtig

Der Vertrag ist nämlich auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens jedenfalls nach §§ 117 Abs. 1 und 2 , 311 b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 BGB nichtig, und zwar ohne dass diese Nichtigkeit durch die Eintragung des Klägers im Grundbuch geheilt worden wäre:

aa) Da der beurkundete Kaufpreis von nur 130.000 EUR gerade nicht dem Willen beider Vertragsparteien entspricht, ist der Notarvertrag als sog. Scheingeschäft gem. § 117 Abs. 1 BGB nichtig. Der hierdurch „verdeckte“ (§ 117 Abs. 2 BGB) Vertrag über den höheren Kaufpreis (mindestens 143.000 EUR) ist allerdings nur mündlich geschlossen und demgemäß nach §§ 311b Abs. 1 S. 1, 125 S. 1 BGB wegen Formmangels nichtig (vgl. allgemein zur Problematik der sog. Schwarzbeurkundung etwa Singer, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 117 Rdn. 26 m.w.N.).

Der Formmangel wurde auch nicht gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt

bb) Grundsätzlich tritt allerdings in derartigen Fällen durch die Auflassung und Eintragung des Käufers im Grundbuch Heilung des Formmangels ein (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB; vgl. dazu allgemein etwa auch Senat, Urteil vom 21. Januar 1985 – 22 U 283/84 – NJW 1986,136 = DNotZ 1986, 745 (m. Anm. Kanzleiter); Wendtland, in: Beck'scher Online-Kommentar BGB, Hrsg: Bamberger/Roth, Stand: 01.02.2015, § 117 Rdn. 21).

Insofern fehlt es an einer wirksamen Eintragung als Eigentümer des verkauften und aufgelassenen Grundstücks im Grundbuch

Vorliegend ist dies jedoch nicht der Fall, denn es fehlt bereits unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens des Klägers an einer wirksamen Eintragung im Hinblick auf das verkaufte und aufgelassene Grundstück:

(1) Nach dem Rechtsstandpunkt des Klägers sind neben der Parzelle ...4 auch die streitgegenständlichen Teilflächen der Parzelle ...6 Gegenstand des mit dem Beklagten geschlossenen Kaufvertrages geworden, waren also von der Einigung der Parteien umfasst.

Zwar haben die Parteien den Kaufgegenstand im notariellen Vertrag eindeutig und ausdrücklich mit „Flurstück …[4]groß 657 m2“ bezeichnet. Grundsätzlich ist auch davon auszugehen, dass Kaufvertragsparteien, wenn sie das Grundstück nach dem Grundbuch bezeichnen, dieses mit dem sich aus dem Grundbuch und dem Liegenschaftskataster ersichtlichen Zuschnitt und Um­fang übereignen wollen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Januar 2008 – V ZR 174/06, NJW 2008, 1658 = DNotI-Report 2008, 51).

Wird das Grundstück im Kaufvertrag versehentlich falsch bezeichnet, gilt auch bei einem formbedürftigen Vertrag das tatsächlich Gewollte

Anders ist die Sachlage allerdings, wenn die Vertragsparteien das Grundstück so veräußern wollen, wie es sich ihnen nach seiner Umgrenzung in der Natur darstellt – etwa wenn auf Grund der tatsächlichen Situation, beispielsweise durch die Abtrennung einer größeren zusammenhängenden Fläche mit einer Mauer, einem Erwerbsinteressenten bei der Besichtigung klar vor Augen geführt wird, welche Flächen (vermeintlich) zu dem Grundstück gehören und welche (vermeintlich) Teil des Nachbargrundstücks sind (vgl. allgemein BGH, Urteil vom 12. Oktober 2012 – V ZR 187/11 – NJW-RR 2013, 789; ebenso OLG Hamm, Urteil vom 13. Juni – 5 U 60/91 – NJW-RR 1992, 152). Die Bezugnahme in dem Vertrag auf die Bezeichnungen im Grundbuch stellt sich in diesen Fällen als eine versehentliche Falschbezeich­nung dar, mit der Folge, dass nach § 133 BGB auch bei einem formbedürftigen Vertrag das wirklich Gewollte gilt („falsa demonstratio non nocet“, vgl. auch BGH, Ur­teile vom 7. Dezember 2001 – V ZR 65/01 – NJW 2002, 1038 und vom 18. Januar 2008 – V ZR 174/06 – NJW 2008, 1658 = DNotI-Report 2008, 51).

Ob eine solche Falschbezeichnung tatsächlich vorlag, bedarf keiner Entscheidung

(2) Ob der Kläger vorliegend nach den äußeren Umständen zu Recht davon ausgehen durfte, dass Kaufgegenstand das Grundstück war, wie es sich aus der tatsächlichen Einfriedung (Wall und Zaun) ergibt, mithin eine versehentliche Falschbezeichnung des Kaufgegenstandes vorlag, braucht allerdings letztlich nicht entschieden zu werden.

In diesem Fall würde eine Heilung des Formmangels an der fehlenden Eintragung in Bezug auf das (tatsächlich) veräußerte und aufgelassene Grundstück scheitern

Selbst wenn dies nämlich der Fall wäre, sich die vertragliche Einigung und Auflassung der Parteien unter Zugrundelegung des Grundsatzes „falsa demonstratio non nocet“ mithin nicht nur auf die Parzelle ... 4, sondern zugleich auf die in Rede stehenden Teilflächen der Nachbarparzelle ...6 bezogen hätte – wie es dem eigenen Vortrag des Klägers entspricht –, fehlte es an dessen wirksamer Eintragung als weitere Voraussetzung der Heilung (§ 311b Abs. 1 S. 2 BGB) des Formmangels des geschlossenen Vertrages:

Eingetragen wurde der Kläger nur im Hinblick auf die Parzelle ...4, nicht aber auch im Hinblick auf die streitgegenständlichen, nach dem Vorbringen des Klägers mitverkauften und -übereigneten Teilflächen des Flurstücks ...6. Dies reicht jedoch nicht aus:

Bei der Eintragung im Grundbuch gilt der Grundsatz der „falsa demonstratio non nocet“ nicht

Wie bereits das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa Urteil vom 01. April 1905 – V 448/04 –, RGZ 60, 338; Urteil vom 20. September 1905 – V 58/05 –, RGZ 61, 264) angenommen hat, muss sich die Eintragung im Grundbuch auf das gesamte veräußerte und aufgelassene Grundstück beziehen; Auflassung und Eintragung müssen sich daher entsprechen – der Satz „falsa demonstratio non nocet“ gilt hier nicht, und zwar wegen der andersartigen, nämlich rechtsbegründenden Rechtsnatur der Grundbucheintragung (vgl. etwa auch OLG München, Beschluss vom 23. September 2008 – 34 Wx 76/08 – FGPrax 2009, 11; Kanzleiter, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6.Auflage 2012, §311b Rdn. 78; Schuhmacher, in: Stau­dinger, BGB, Neubearbeitung 2012, § 311b Rdn. 291; Grziwotz, in Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 311b Rdn. 74; Ludwig in: Herberger/ Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK-BGB, 7.Aufl. 2014, § 311b BGB, Rdn. 291).

Ist mithin eine Heilung des Formmangels (§§ 125 S. 1, 311 b Abs. 1 S. 1, 2 BGB) des zwischen den Parteien geschlossenen Grundstückskaufvertrages nicht eingetreten, so kann der Kläger aus diesem Vertrag auch nicht die Übereignung der streitgegenständlichen Teilflächen der Parzelle ...6 verlangen.

Eine Berufung auf die Formnichtigkeit ist auch nicht ausnahmsweise nach § 242 BGB ausgeschlossen

c) Der Kläger kann schließlich auch nicht mit Erfolg geltend machen, eine Berufung auf die Formnichtigkeit des Kaufvertrages stelle sich vorliegend als unzulässige Rechtsausübung dar und sei dementsprechend nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ausnahmsweise ausgeschlossen.

An derartige Ausnahmen sind strenge Maßstäbe zu stellen

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes kann ein an sich formnichtiges Rechtsgeschäft aus Gründen der Rechtssicherheit nicht schon aufgrund von bloßen Billigkeitserwägungen als wirksam behandelt werden. Denn andernfalls würde der Schutzzweck der einzelnen Formvorschriften ausgehöhlt (vgl. etwa BGH, Urteil vom 09. Dezember 1998 – IV ZR 306/97 – BGHZ 140, 167; Urteil vom 28. Januar 1993 – IX ZR 259/91 – BGHZ 121, 224 = DNotZ 1994, 440; Urteil vom 29. Februar 1996 – IX ZR 153/95 – NJW 1996, 1467, 1469 = DNotZ 1997, 616; Olzen/Looschelder, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2015, § 242, Rn. 445 ff.). Ausnahmen sind hiernach nur zulässig, wenn es nach den Beziehungen der Parteien und den gesamten Umständen mit Treu und Glauben unvereinbar wäre, das Rechtsgeschäft am Formmangel scheitern zu lassen, wobei strenge Maßstäbe anzulegen sind. Das Ergebnis darf die betroffene Partei nicht bloß hart treffen, sondern es muss schlechthin untragbar sein (vgl. etwa BGH, Urteil vom 27. Oktober 1967 – V ZR 153/64 – BGHZ 48, 396; Ur­teil vom 10. Oktober 1986, V ZR 247/85, NJW 1987, 1069 = DNotZ 1987, 350). In diesem Zusammenhang sind zwei Fallgruppen als Ausnahmen anerkannt wor­den: die Fälle der Existenzgefährdung des einen Teils und die Fälle einer besonders schweren Treupflichtverletzung des anderen Teils (näher Olzen/ Looschelders, a.a.O. Rdn. 446 m.w.N.).

Keine der Fallkonstellationen sieht der Senat vorliegend indes als gegeben an. Insbesondere ergibt sich eine Existenzgefährdung des Klägers nicht aus seinem – zumal bestrittenen – Vorbringen, der Beklagte sei finanziell nicht in der Lage, im Falle einer Rückabwicklung des Vertrags ihm den Kaufpreis zurückzuerstatten: Eine Rückabwicklung des nichtigen Kaufvertrages und die Rückgewähr der beiderseitigen Leistungen (§ 812 Abs. 1 S. 1 1.Alt. BGB) hat Zug um Zug (§ 274 Abs. 1 BGB) zu erfolgen; dem Kläger stünde bis zur Bewirkung des Gegenleistung durch den Beklagten – hier der Rückzahlung des Kaufpreises – ein Zurückbehaltungsrecht (§ 273 Abs. 1 BGB) im Hinblick auf die von ihm geschuldete Rückübereig­nung der Immobilie zu.

Wer einen Vertrag in Kenntnis der Formbedürftigkeit ohne Einhaltung der Form abschließt, kann sich grundsätzlich nicht auf § 242 BGB berufen

Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf das weitere Argument des Klägers, es sei schließlich der Beklagte und nicht er selbst gewesen, der den überschießenden, nicht beurkundeten Kaufpreis gefordert habe: Die Entscheidung, einen Teil des Kaufpreises trotz strafrechtlicher Relevanz (§§ 370 AO, 263 StGB) „schwarz“ zu zahlen, um Steuern und Notargebühren zu sparen, ist offensichtlich von beiden Parteien getragen worden. Wer aber einen Vertrag in Kenntnis der Formbedürftigkeit abschließt, ohne die Formvorschriften einzuhalten, kann sich grundsätzlich nicht auf § 242 BGB berufen. Denn in einem solchen Fall ist der durch die Formnichtigkeit Benachteiligte nicht schutzwürdig (vgl. bereits RG, Urteil vom 21. Mai 1927 – V 476/26 –, RGZ 117, 121; BGH, Urteil vom 21. März 1969 – V ZR 87/67 – NJW 1969, 1167; Olzen/Looschelders, a.a.O. Rdn. 446).

2.
Ob, wie der Kläger in seinem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 5.6.2015 behauptet, das zuständige Finanzamt J gegen den Beklagten die Vollstreckung wegen eines angeblichen Betrages von 130.000 EUR betreibt und der Beklagte diesbezüglich im Verfahren vor dem Landgericht Münster falsche Angaben gemacht hat, spielt für das vorliegende Verfahren aus den vorgenannten Gründen keine Rolle. Der Senat hat dementsprechend keinen Anlass gesehen, gemäß dem Antrag des Klägers die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen oder – hilfsweise – das Verfahren auszusetzen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§ 156 ZPO bzw. § 149 ZPO) liegen nicht vor.

3.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

4.
Die Revision lässt der Senat nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind: Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. •

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

25.06.2015

Aktenzeichen:

I-22 U 166/14

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht

Erschienen in:

RNotZ 2016, 41-46

Normen in Titel:

BGB §§ 117; 125; 133; 311b