BGH 19. Mai 2015
II ZR 176/14
AktG §§ 130, 241 Nr. 2, 242 Abs. 2 S. 1, 71 Abs. 1 Nr. 8; BGB § 139

Notarielles Hauptversammlungsprotokoll bei nicht börsennotierter AG nur für Beschluss-gegenstände nötig, die qualifizierte Mehrheit verlangen; Teilbeurkundung; Gesamtnichtigkeit eines zusammenfassenden Beschlusses über mehrere Satzungsänderungen; Fristangabe bei Ermächti-gung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien erforderlich

AktG §§ 130, 241 Nr. 2, 242 Abs. 2 S. 1, 71 Abs. 1 Nr. 8; BGB § 139
Notarielles Hauptversammlungsprotokoll bei nicht börsennotierter AG nur für Beschlussgegenstände nötig, die qualifizierte Mehrheit verlangen; Teilbeurkundung; Gesamtnichtigkeit eines zusammenfassenden Beschlusses über mehrere Satzungsänderungen; Fristangabe bei Ermächtigung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien erforderlich

a) Wenn auf einer Hauptversammlung ein Beschluss gefasst wird, für den das Gesetz eine Dreiviertel- oder größere Mehrheit bestimmt und der damit stets durch eine notariell aufgenommene Niederschrift zu beurkunden ist, muss ein anderer, nicht diesen Mehrheitserfordernissen unterliegender Beschluss nicht in der vom Notar aufgenommenen Niederschrift beurkundet sein, sondern genügt dafür eine vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete Niederschrift.

b) Werden in einem Beschluss mehrere Satzungsänderungen zusammengefasst und ist eine der Satzungsänderungen nichtig, sind die weiteren Sat-zungsänderungen ebenfalls nichtig, wenn ein innerer Zusammenhang zwischen den Änderungen gegeben ist.

BGH, Urt. v. 19.5.2015 – II ZR 176/14
Problem
Fasst die Hauptversammlung einer nicht börsennotierten Aktiengesellschaft einen Beschluss, der die qualifizierte Mehrheit verlangt, so fragt sich, ob nach § 130 Abs. 1 S. 3 AktG die gesamte Niederschrift notariell zu beurkunden ist oder ob die Niederschrift in beurkundete und nicht beurkundete (vom Aufsichtsratsvorsitzenden unterzeichnete) Abschnitte aufgeteilt werden kann. Diese Frage ist bisher sehr streitig gewesen. Das OLG Jena (Urt. v. 16.4.2014 – 2 U 608/13, DNotI-Report 2014, 167) hat insoweit angenommen, dass die gesamte Hauptversammlung zu beurkunden ist.

Entscheidung
1. Teilbeurkundung des Hauptversammlungsprotokolls
Der BGH hält die Beurkundung nur eines Teils der Niederschrift für genügend. Dies begründet er mit dem Wortlaut des § 130 AktG, seiner Entstehungsgeschichte und dem systematischen Aufbau der Norm. Auch der Zweck der notariellen Niederschrift, bei Beschlüssen mit qualifizierter Mehrheit für eine erhöhte Rechtssicherheit zu sorgen, sage wenig darüber aus, ob eine einheitliche Beurkundung erforderlich sei oder nicht. Die durch eine doppelte Protokollierung möglicherweise auftretenden Schwierigkeiten seien in der Regel überwindbar und könnten ebenso bei der Beurkundung durch einen oder mehrere Notare auftreten. Es gebe nämlich kein Verbot, eine Hauptversammlung mehrfach zu beurkunden (Verw. auf BGH DNotZ 2009, 688 – Kirch/Deutsche Bank).

2. Teilnichtigkeit eines Satzungsänderungsbeschlusses
Im Rahmen der erhobenen Nichtigkeitsklage erörtert der BGH des Weiteren, ob die Nichtigkeit eines von mehreren Satzungsänderungsbeschlüssen über § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Beschlusses führt. Konkret geht es um eine nichtige Satzungsänderung betreffend die Ermächtigung des Vorstands zur Kapitalerhöhung (genehmigtes Kapital nach § 202 AktG).

Vorliegend waren die mehreren Satzungsänderungen in einem Beschluss zusammengefasst. Entgegen der Auffassung des OLG Jena hält es der BGH insoweit nicht für entscheidend, dass in der Tagesordnung eine einheitliche Beschlussvorlage angekündigt war und einheitlich abgestimmt wurde. Dies sei nur die Voraussetzung dafür, dass überhaupt die Gesamtnichtigkeit des Beschlusses nach § 139 BGB infrage stehe. Maßgebliches Auslegungskriterium für die Ermittlung des mutmaßlichen Willens gem. § 139 BGB sei, ob nach dem Beschlussinhalt ein innerer Zusammenhang zwischen den Beschlussgegenständen bestehe oder hergestellt sei. Dies verneint der BGH für die Erweiterung des Unternehmensgegenstands, die Umstellung von DM-Beträgen auf Euro und die Regelung zum Ankauf und Verkauf von Namensaktien.

3. Frist für Ermächtigung zum Erwerb eigener Aktien nötig
Darüber hinaus stellt der BGH die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses über die Ermächtigung des Vorstands zum Erwerb eigener Aktien nach § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG fest. Ein Ermächtigungsbeschluss, der keine konkrete Frist enthalte, sei nach § 241 Nr. 3 AktG nichtig, denn die Vorschrift des § 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG diene dem Gläubigerschutz.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

19.05.2015

Aktenzeichen:

II ZR 176/14

Rechtsgebiete:

Aktiengesellschaft (AG)

Erschienen in:

DNotI-Report 2015, 126-127
MittBayNot 2016, 252-258

Normen in Titel:

AktG §§ 130, 241 Nr. 2, 242 Abs. 2 S. 1, 71 Abs. 1 Nr. 8; BGB § 139