BGH 26. Oktober 2018
V ZR 328/17
WEG § 10 Abs. 6 S. 3; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1

Zur Vergemeinschaftung von Individualansprüchen des Wohnungseigentümers aus § 1004 BGB

letzte Aktualisierung: 29.3.2019
BGH, Urt. v. 26.10.2018 – V ZR 328/17

WEG § 10 Abs. 6 S. 3; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1
Zur Vergemeinschaftung von Individualansprüchen des Wohnungseigentümers aus § 1004 BGB

a) Für Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützt
werden, besteht ausnahmsweise keine geborene, sondern lediglich eine gekorene Ausübungsbefugnis
der Wohnungseigentümergemeinschaft, wenn und soweit sie in Anspruchskonkurrenz zu
Beseitigungsansprüchen der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an dem Grundstück
gemäß § 1004 Abs. 1 BGB stehen; das gilt auch, soweit der Beseitigungsanspruch die
Wiederherstellung des vorherigen Zustands umfasst (insoweit Aufgabe von Senat, Urteil vom
7. Februar 2014 – V ZR 25/13, NJW 2014, 1090 Rn. 17).

b) In Ausnahmefällen kann ein Beschluss, mit dem Individualansprüche der Wohnungseigentümer
vergemeinschaftet werden, als rechtsmissbräuchlich und deshalb als nichtig anzusehen sein; das
kommt etwa dann in Betracht, wenn ein einzelner Wohnungseigentümer seinen Individualanspruch
bereits gerichtlich geltend gemacht hat, eine Rechtsverfolgung durch die
Wohnungseigentümergemeinschaft nicht beabsichtigt ist und die Beschlussfassung allein dazu
dienen soll, den laufenden Individualprozess zu beenden.

c) Zieht die Gemeinschaft auf § 1004 BGB gestützte Individualansprüche der Wohnungseigentümer
durch Beschluss an sich, nachdem ein Wohnungseigentümer seinen Individualanspruch gerichtlich
geltend gemacht hat, und hält das Gericht den Beschluss nicht für nichtig, so kann es das Verfahren
in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO bis zur Erledigung eines auf die Vergemeinschaftung
bezogenen Beschlussmängelverfahrens aussetzen; in der Regel wird das Ermessen dahingehend
reduziert sein, dass die Aussetzung erfolgen muss.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Urteil unter anderem in
ZfIR 2018, 201 ff. veröffentlicht ist, sind die Klagen unzulässig, weil die Kläger
nicht prozessführungsbefugt sind. Zwar stehe ihnen ein Wiederherstellungsanspruch
zu, weil die fünf Dachflächenfenster den optischen Gesamteindruck des
Gebäudes erheblich veränderten und ihr Einbau mangels Zustimmung aller
übrigen Wohnungseigentümer als unzulässige bauliche Änderung gemäß § 22
Abs. 1 Satz 1 WEG anzusehen sei. Aber für einen auf Naturalrestitution gerichteten
Schadensersatzanspruch gemäß § 823 Abs. 1 BGB bestehe eine geborene
Ausübungsbefugnis der teilrechtsfähigen Wohnungseigentümergemeinschaft.
Dies gelte auch für den konkurrierenden Anspruch gemäß § 1004 BGB
mit dem Inhalt der Beseitigung und Wiederverschließung des Dachs. Grundsätzlich
dürfe ein Wohnungseigentümer Beseitigungsansprüche gemäß § 15
Abs. 3 WEG oder § 1004 BGB zwar ohne Ermächtigung der übrigen Wohnungseigentümer
geltend machen. Aber im Falle einer Anspruchskonkurrenz
müsse die Prozessführungsbefugnis einheitlich beurteilt werden. Um das Recht
der Wohnungseigentümer, zwischen Naturalrestitution und Geldersatz zu wählen,
nicht durch Individualklagen zu vereiteln, müssten die Ansprüche insgesamt
durch die Wohnungseigentümergemeinschaft geltend gemacht werden.
Infolgedessen stehe die Prozessführungsbefugnis hier nicht den Klägern, sondern
der Gemeinschaft zu. Die geborene Ausübungsbefugnis der Gemeinschaft
sei entscheidungserheblich, obwohl die Wohnungseigentümergemeinschaft die
Ansprüche durch Beschluss vom 25. Juli 2017 an sich gezogen habe. Es spreche
vieles für die Nichtigkeit dieses Beschlusses aus dem Gesichtspunkt des
Rechtsmissbrauchs, da er in Kenntnis der erhobenen Individualklagen und oh-
ne die Absicht zur Durchsetzung der Ansprüche seitens der Gemeinschaft gefasst
worden sei. Sollten Nichtigkeitsgründe nicht vorliegen, fehle es an der
Entscheidungsreife, weil das Verfahren bis zu einem rechtskräftigen Urteil in
dem Anfechtungsverfahren gemäß § 148 ZPO ausgesetzt werden müsste.

II.
Die Revision hat Erfolg. Mit der von dem Berufungsgericht gegebenen
Begründung lässt sich die Prozessführungsbefugnis der Kläger nicht verneinen.
Die Kläger meinen, dass die Beklagte eine eigenmächtige Veränderung des
gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 14
Nr. 1 WEG vorgenommen hat; mit der Klage wollen sie erreichen, dass diese
Veränderung beseitigt und der zuvor bestehende Zustand wiederhergestellt
wird. Für Klagen dieser Art besteht, anders als das Berufungsgericht meint, keine
geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft.
1. Das Berufungsgericht geht im Grundsatz von der ständigen Rechtsprechung
des Senats aus, wonach eine geborene Ausübungsbefugnis des
Verbands gemäß § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG für Ansprüche aus dem
Miteigentum an dem Grundstück dann besteht, wenn diese auf Schadensersatz
gerichtet sind, nicht aber für Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche. Deshalb
können Schadensersatzansprüche von vornherein nur durch den Verband
geltend gemacht werden. Dagegen kann die Wohnungseigentümergemeinschaft
Beseitigungs- oder Unterlassungsansprüche wegen Störungen des Gemeinschaftseigentums
gemäß § 1004 Abs. 1 BGB (oder § 15 Abs. 3 WEG) nur
dann durchsetzen, wenn sie diese durch Mehrheitsbeschluss gemäß § 10
Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG an sich gezogen hat (vgl. Senat, Beschluss vom
30. März 2006 - V ZB 17/06, NJW 2006, 2187 Rn. 12; Urteil vom
7. Februar 2014 - V ZR 25/13, NJW 2014, 1090 Rn. 6, 17; Urteil vom
4. Juli 2014 - V ZR 183/13, NJW 2014, 2861 Rn. 22; Urteil vom 5. Dezember
2014 - V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 6; Urteil vom 13. Oktober 2017
- V ZR 45/17, NZM 2018, 231 Rn. 7 ff.). Durch einen solchen Beschluss begründet
sie ihre alleinige Zuständigkeit für die gerichtliche Geltendmachung
(vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2014 - V ZR 5/14, BGHZ 203, 327
Rn. 13 ff.).

2. Das Berufungsgericht meint aber, für einen Anspruch auf Beseitigung
einer baulichen Veränderung bestehe insgesamt eine geborene Ausübungsbefugnis,
wenn er sowohl auf § 1004 Abs. 1 BGB als auch auf § 823 Abs. 1 BGB
gestützt werden könne. Sind die Voraussetzungen beider Normen erfüllt, handelt
es sich nämlich um einen Fall der Anspruchskonkurrenz, bei dem sämtliche
Rechtsfolgen gleichrangig nebeneinander stehen (vgl. zur Anspruchskonkurrenz
Senat, Urteil vom 6. April 2001 - V ZR 394/99, NJW 2001, 2875, 2876;
BGH, Urteil vom 17. März 1987 - VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190, 201, jeweils
mwN). Eine solche Anspruchskonkurrenz kann, wie das Berufungsgericht richtig
sieht, bei dem Verlangen nach Beseitigung einer rechtswidrig und schuldhaft
herbeigeführten baulichen Veränderung und Wiederherstellung des vorherigen
Zustands bestehen. Denn ein solches Begehren lässt sich einerseits aus § 823
Abs. 1 BGB herleiten; andererseits umfasst auch der Beseitigungsanspruch aus
§ 1004 Abs. 1 BGB sowohl die isolierte Beseitigung des störenden Zustands als
auch die anschließende Wiederherstellung des vorherigen Zustands (st. Rspr.,
vgl. Senat, Urteil vom 7. März 1986 - V ZR 92/85, BGHZ 97, 231, 236 f.; Urteil
vom 18. April 1997 - V ZR 28/96, BGHZ 135, 235, 238 f.; zur Wiederherstellung
einer Anpflanzung vgl. Senat, Urteil vom 15. Oktober 1999 - V ZR 77/99, BGHZ
143, 1, 5 f.). Letzteres verwischt nicht die Grenze zwischen Beseitigungsanspruch
und Schadensersatzanspruch, sondern führt nur zu einer partiellen
Überlappung beider Ansprüche (Senat, Urteil vom 28. November 2003
- V ZR 99/03, NZM 2004, 154, 155).

3. Nur bezüglich der Wiederherstellung hat der Senat eine geborene
Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft angenommen (Senat,
Urteil vom 7. Februar 2014 - V ZR 25/13, NJW 2014, 1090 Rn. 17; vgl.
auch LG Hamburg, ZWE 2016, 24, 25). Daran hält er nicht fest. Richtigerweise
besteht für Schadensersatzansprüche, die auf die Verletzung des Gemeinschaftseigentums
gestützt werden, ausnahmsweise keine geborene Ausübungsbefugnis
(§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG), sondern lediglich eine
gekorene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft (§ 10
Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG), wenn und soweit sie in Anspruchskonkurrenz
zu Beseitigungsansprüchen der Wohnungseigentümer aus dem Miteigentum an
dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB stehen; das gilt auch, soweit der
Beseitigungsanspruch die Wiederherstellung des vorherigen Zustands umfasst.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend legt das Berufungsgericht seinen Überlegungen
zugrunde, dass von vornherein feststehen muss, wem die Prozessführungsbefugnis
für einen einheitlichen Anspruch zusteht (aA Abramenko, ZfIR
2018, 205, 206). Besteht die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers
- solange eine Vergemeinschaftung nicht erfolgt ist - für den
Anspruch aus § 1004 Abs. 1 BGB, kann er aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt
Beseitigung und Wiederherstellung des vorherigen Zustands verlangen.
Gleichzeitig könnte auch der Verband aufgrund der geborenen Ausübungsbefugnis
für Schadensersatzansprüche Ersatz des Substanzschadens gemäß
§ 823 Abs. 1 BGB verlangen; insoweit hätte er - jedenfalls im Grundsatz - die
Wahl zwischen Wiederherstellung des vorherigen Zustands im Wege der Naturalrestitution
(§ 249 Abs. 1 BGB) und Geldersatz (§ 249 Abs. 2 BGB). Betroffen
ist aber jeweils derselbe prozessuale Streitgegenstand. Deshalb kann die
Rechtsverfolgung nur entweder gebündelt durch den Verband oder durch die
einzelnen Wohnungseigentümer erfolgen (eingehend Senat, Urteil vom
5. Dezember 2014 - V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 13 ff.).

b) In wertender Betrachtung muss die Prozessführungsbefugnis des einzelnen
Wohnungseigentümers den Beseitigungsanspruch aus dem Miteigentum
an dem Grundstück gemäß § 1004 Abs. 1 BGB insgesamt umfassen, und zwar
auch, soweit der Beseitigungsanspruch die anschließende Wiederherstellung
des vorherigen Zustands umfasst; infolgedessen besteht für die in diesem Bereich
konkurrierenden Schadensersatzansprüche ausnahmsweise nur eine gekorene
Ausübungsbefugnis des Verbands.

aa) Nach der Rechtsprechung des Senats ist bei der Abgrenzung zwischen
der geborenen (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG) und der gekorenen
Ausübungsbefugnis (§ 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 2 WEG) der Wohnungseigentümergemeinschaft
eine wertende Betrachtung geboten. Eine geborene Ausübungsbefugnis
kommt nur dann in Betracht, wenn schutzwürdige Belange der
Wohnungseigentümer oder des Schuldners an einer einheitlichen Rechtsverfolgung
das grundsätzlich vorrangige Interesse des Rechtsinhabers, seine Rechte
selbst und eigenverantwortlich auszuüben und prozessual durchzusetzen, deutlich
überwiegen (vgl. Senat, Urteil vom 24. Juli 2015 - V ZR 167/14, NJW 2015,
2874 Rn. 13). Nach der Interessenlage muss ein gemeinschaftliches Vorgehen
erforderlich sein. Dagegen genügt es bei der gekorenen Ausübungsbefugnis,
dass die Rechtsausübung durch den Verband förderlich ist (vgl. Senat, Urteil
vom 17. Dezember 2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 9).

bb) Seine Auffassung, wonach für Schadensersatzansprüche, die auf die
Verletzung des Gemeinschaftseigentums gestützt werden, eine geborene Ausübungsbefugnis
des Verbandes besteht, hat der Senat auf die Überlegung gestützt,
dass diese Ansprüche im Interesse einer geordneten Verwaltung des
Gemeinschaftseigentums einheitlich geltend zu machen sind (Senat, Urteil vom
17. Dezember 2010 - V ZR 125/10, NJW 2011, 1351 Rn. 9 f.). Es bedarf nämlich
einer Wahl zwischen Naturalrestitution (§ 249 Abs. 1 BGB) und Geldersatz
(§ 249 Abs. 2 BGB), und die Verfolgung von Zahlungsansprüchen sowie die
Entgegennahme von und Abrechnung über Zahlungen muss sinnvollerweise
gebündelt erfolgen. Dagegen ist bei Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen
ein gemeinschaftliches Vorgehen nicht erforderlich (eingehend Senat, Urteil
vom 13. Oktober 2017 - V ZR 45/17, NZM 2018, 231 Rn. 9 f.).

cc) Dann aber muss geklärt werden, wer die Ansprüche der Wohnungseigentümer
bei einer Anspruchskonkurrenz von § 1004 Abs. 1 BGB und Schadensersatzansprüchen
geltend machen darf.

(1) Dafür, dass insoweit nur eine gekorene Ausübungsbefugnis des Verbands
besteht, spricht entscheidend, dass andernfalls die an sich erwünschte
Möglichkeit der Rechtsverfolgung des einzelnen Wohnungseigentümers erheblich
beeinträchtigt wäre. Bauliche Veränderungen oder ein rechtswidriger Gebrauch
des gemeinschaftlichen Eigentums werden häufig nicht alle Wohnungseigentümer
gleichermaßen betreffen. Deshalb ist es nicht erforderlich und auch
nicht wünschenswert, dass von vornherein der Verband mit der Durchsetzung
solcher Ansprüche und dem damit verbundenen Kostenrisiko belastet wird.
Vielmehr ist es interessengerecht, dass einzelne Wohnungseigentümer die
ihnen zustehenden Ansprüche solange durchsetzen können, wie eine gemeinschaftliche
Rechtsverfolgung nicht mehrheitlich beschlossen worden ist (vgl.
auch Abramenko, ZfIR 2018, 205, 206; Paetzold/Zschieschack, NZM 2018,
220, 223).

(2) Anders als es der Senat in seinem Urteil vom 7. Februar 2014
(V ZR 25/13, NJW 2014, 1090 Rn. 17) entschieden hat, ist der einzelne Wohnungseigentümer
auch insoweit prozessführungsbefugt, als er die (von § 1004
Abs. 1 BGB umfasste) Wiederherstellung des vorherigen Zustands erreichen
will. Andernfalls könnte er nicht die vollständige Beseitigung der Beeinträchtigung
oder - mit anderen Worten - die „spurenlose” Beseitigung der tatsächlichen
Störungsquelle (Wenzel, NJW 2005, 241, 243) erreichen, sondern müsste
sich gewissermaßen mit der „halben“ Beseitigung begnügen und wäre im Übrigen
darauf angewiesen, einen Mehrheitsbeschluss - ggf. mit gerichtlicher Hilfe -
herbeizuführen. Eine solche gespaltene Zuständigkeit ist nicht sinnvoll und entspricht
nicht den Interessen der Wohnungseigentümer.

(3) Dagegen lässt sich nicht einwenden, dass insoweit das grundsätzlich
von dem Verband auszuübende Wahlrecht zwischen Naturalrestitution und
Geldersatz vereitelt wird. Für den Anspruch aus § 1004 BGB besteht ein solches
Wahlrecht nicht; geschuldet ist die Beseitigung der Beeinträchtigung (vgl.
Senat, Urteil vom 22. Oktober 1976 - V ZR 36/75, BGHZ 67, 252, 253; Urteil
vom 24. Februar 1978 - V ZR 95/75, NJW 1978, 1584 f.). Im Hinblick auf die
konkurrierenden Schadensersatzansprüche ist es hinzunehmen, dass der Verband
insoweit nicht ohne weiteres Geldersatz wählen kann. Ob und inwieweit
es (insbesondere im Hinblick auf die in § 22 Abs. 1 und Abs. 2 WEG geregelten
Zustimmungs- bzw. Mehrheitserfordernisse) mit dem Gebot ordnungsmäßiger
Verwaltung ohnehin unvereinbar ist, gegen eine finanzielle Kompensation von
der Durchführung der Beseitigung abzusehen (vgl. dazu AG Reutlingen, ZWE
2013, 408), kann dahinstehen, weil die bereits genannten gewichtigen Gründe
für die Prozessführungsbefugnis des einzelnen Wohnungseigentümers streiten.
Dies gilt auch hinsichtlich der Wiederherstellung; insoweit kommt dem Wahlrecht
des § 249 Abs. 1 BGB schon deshalb keine Bedeutung zu, weil es in der
Regel ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen wird, nach der von einem einzelnen
Wohnungseigentümer erstrittenen Beseitigung der baulichen Veränderung
den vorherigen Zustand wiederherzustellen (vgl. Abramenko, ZfIR 2018,
205, 206). Im Übrigen bleibt den übrigen Wohnungseigentümern die Möglich-
keit, ihr Zugriffsermessen ordnungsgemäß auszuüben und ggf. durch Beschluss
die Zuständigkeit des Verbands begründen.

III.
1. Die Entscheidung erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig.
Ob die Prozessführungsbefugnis der Kläger durch den Beschluss vom
25. Juli 2017 entfallen ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen; daher hat
es insoweit keine Feststellungen getroffen. Infolgedessen ist das Urteil aufzuheben
und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Richtig ist, dass der Beschluss vom 25. Juli 2017 eine Vergemeinschaftung
der Beseitigungsansprüche zum Inhalt hat. Dies entspricht seinem
eindeutigen Wortlaut; wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, setzt eine
Vergemeinschaftung nicht voraus, dass der Beschluss zugleich zu prozessualem
Vorgehen ermächtigt. Durch einen solchen Beschluss wird die alleinige Zuständigkeit
der Wohnungseigentümergemeinschaft für die gerichtliche Geltendmachung
begründet (vgl. Senat, Urteil vom 5. Dezember 2014 - V ZR 5/14,
BGHZ 203, 327 Rn. 13 ff.), wenn er nicht nichtig und nicht rechtskräftig für ungültig
erklärt ist.

b) Infolgedessen wird das Berufungsgericht zunächst zu prüfen haben,
ob der Beschluss nichtig ist.

aa) Diese Prüfung kann es ungeachtet der gegen den Beschluss gerichteten
Anfechtungsklage vornehmen. Denn die Nichtigkeit eines Beschlusses
wirkt für und gegen alle, bedarf keiner Geltendmachung und ist in jedem ge-
richtlichen Verfahren von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, die
Nichtigkeit nach § 43 Nr. 4 WEG feststellen zu lassen, ändert daran nichts; eine
solche Entscheidung hat nur deklaratorische Bedeutung (vgl. Senat, Beschluss
vom 18. Mai 1989 - V ZB 4/89, BGHZ 107, 268, 270).

bb) In der Sache ist bei der Annahme der Nichtigkeit allerdings Zurückhaltung
geboten. Ob sich die beabsichtigte Verfolgung von Unterlassungs- und
Beseitigungsansprüchen im Rahmen des grundsätzlich bestehenden Ermessens
der Wohnungseigentümer (vgl. dazu: Senat, Urteil vom 5. Dezember 2014
- V ZR 5/14, BGHZ 203, 327 Rn. 18) hält, muss in aller Regel in einem Anfechtungsverfahren
geklärt werden (vgl. BeckOK WEG/Müller [1.9.2018], § 10
Rn. 552.2; Dötsch, ZWE 2016, 149, 151; stets für Anfechtbarkeit: Skauradszun,
ZMR 2015, 515, 517; vgl. auch Briesemeister, ZMR 2018, 163 ff.). Nur in Ausnahmefällen
kann ein Beschluss, mit dem Individualansprüche der Wohnungseigentümer
vergemeinschaftet werden, als rechtsmissbräuchlich und deshalb
als nichtig anzusehen sein; das kommt etwa dann in Betracht, wenn ein einzelner
Wohnungseigentümer seinen Individualanspruch bereits gerichtlich geltend
gemacht hat, eine Rechtsverfolgung durch die Wohnungseigentümergemeinschaft
nicht beabsichtigt ist und die Beschlussfassung allein dazu dienen soll,
den laufenden Individualprozess zu beenden. Das widerspräche Sinn und
Zweck der Vergemeinschaftung, die die Rechtsverfolgung nicht verhindern,
sondern die Möglichkeit zu einer gemeinschaftlichen Rechtsverfolgung eröffnen
soll, und bezweckte eine treuwidrige Benachteiligung des klagenden Wohnungseigentümers.
Die Rechtsprechung des Senats zu den Voraussetzungen
einer rechtsmissbräuchlichen Stimmabgabe (dazu Senat, Urteil vom
14. Juli 2017 - V ZR 290/16, ZfIR 2017, 709 Rn. 14 ff.) ist insoweit nicht heranzuziehen;
es geht nämlich nicht um die Frage, ob einzelne Stimmen nicht gewertet
werden dürfen und deshalb ein formeller Beschlussmangel vorliegt, sondern
um den Inhalt eines mehrheitlich gefassten Beschlusses (unzutreffend in-
soweit daher Abramenko, ZfIR 2018, 205). Ob ein Nichtigkeitsgrund vorliegt,
hat das Berufungsgericht - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - nicht
abschließend geprüft.

c) Sollte ein Nichtigkeitsgrund zu verneinen sein, wird das Berufungsgericht
- seinen zutreffenden Ausführungen im Zusammenhang mit der Entscheidungserheblichkeit
entsprechend - das Verfahren bis zur Entscheidung über die
gegen den Beschluss gerichtete Beschlussmängelklage auszusetzen haben.
Zieht die Gemeinschaft - wie hier - auf § 1004 BGB gestützte Individualansprüche
der Wohnungseigentümer durch Beschluss an sich, nachdem ein Wohnungseigentümer
seinen Individualanspruch gerichtlich geltend gemacht hat,
und hält das Gericht den Beschluss nicht für nichtig, so kann es das Verfahren
nämlich in entsprechender Anwendung von § 148 ZPO bis zur Erledigung eines
auf die Vergemeinschaftung bezogenen Beschlussmängelverfahrens aussetzen.
aa) Eine direkte Anwendung von § 148 ZPO kommt allerdings nicht in
Betracht. Denn ein (nicht nichtiger) Beschluss ist gemäß § 23 Abs. 4 Satz 2
WEG wirksam, solange er nicht durch rechtskräftiges Urteil für ungültig erklärt
ist, und die Beschlussmängelklage hat keine aufschiebende Wirkung (vgl. Senat,
Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 167/13, WuM 2014, 364 Rn. 6). Daher ist
das Ergebnis des Beschlussmängelverfahrens nicht vorgreiflich für die Beseitigungsklage
(vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2014 - V ZR 167/13, WuM 2014, 364
Rn. 7).

bb) In solchen Fallkonstellationen muss § 148 ZPO aber entsprechend
angewendet werden, weil die Abweisung der Klage mit dem Gebot effektiven
Rechtsschutzes unvereinbar wäre (so auch BeckOK WEG/Müller [1.9.2018],
§ 10 Rn. 552.3; BeckOGK/Karkmann, WEG [1.7.2018], § 22 Rn. 153; Dötsch,
ZWE 2016, 149, 151; aA LG Stuttgart, ZWE 2014, 190 f.; Abramenko ZfIR
2018, 205, 206). Denn nach erfolgreicher Anfechtung des auf die Vergemeinschaftung
bezogenen Beschlusses müsste der Kläger erneut in erster Instanz
Beseitigungsklage erheben, und zwar selbst dann, wenn er - wie hier - im Zeitpunkt
der Beschlussfassung in erster Instanz bereits obsiegt hatte. Die erneut
erhobene Klage könnte wiederum durch einen Beschluss über die Vergemeinschaftung
torpediert werden. Diesen gravierenden Nachteilen für den individuell
klagenden Wohnungseigentümer muss durch die analoge Anwendung von
§ 148 ZPO Rechnung getragen werden. Sie bewirkt, dass das Verfahren bei
einem Erfolg der Beschlussmängelklage wieder aufgenommen werden kann.
Infolgedessen können die bisherigen Prozessergebnisse verwertet werden; weitere
Kosten durch ein neues Verfahren werden vermieden, und die Verjährung
des Individualanspruchs bleibt während der Aussetzung weiterhin gehemmt
(vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 1989 - XI ZR 75/88, BGHZ 106, 295, 297 f.;
Urteil vom 6. Mai 2004 - IX ZR 205/00, NJW 2004, 3418; Palandt/Ellenberger,
BGB, 77. Aufl., § 204 Rn. 48 mwN). Aus diesen Gründen wird das Ermessen
des Gerichts in Fallkonstellationen wie der vorliegenden regelmäßig dahingehend
reduziert sein, dass die Aussetzung erfolgen muss, sofern der Beschluss
nicht ohnehin als nichtig angesehen wird.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

26.10.2018

Aktenzeichen:

V ZR 328/17

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZNotP 2019, 69-73
NJW 2019, 1216-1218
ZWE 2019, 210-211

Normen in Titel:

WEG § 10 Abs. 6 S. 3; BGB §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1