Prüfungsrecht des Nachlassgerichts bzgl. Beendigung der Testamentsvollstreckung
letzte Aktualisierung: 28.1.2021
OLG Saarbrücken, Beschl. v. 17.2.2020 – 5 W 8/20
BGB §§ 2200 Abs. 1, 2227
Prüfungsrecht des Nachlassgerichts bzgl. Beendigung der Testamentsvollstreckung
Besteht nach der Entlassung des vom Erblasser eingesetzten Testamentsvollstreckers zwischen den
beteiligten Erben Streit darüber, ob das Amt des Testamentsvollstreckers erloschen oder die
Testamentsvollstreckung durch Erledigung der dem Testamentsvollstrecker zugewiesenen Aufgaben
beendet ist, so hat hierüber zwar grundsätzlich das Prozessgericht zu entscheiden. Das
Nachlassgericht hat sich jedoch mit einem solchen Streit dann als Vorfrage zu befassen, wenn die
Fortdauer des Amts Voraussetzung für eine im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu
treffende Entscheidung ist – hier: Entscheidung über die Einsetzung eines neuen
Testamentsvollstreckers durch das Nachlassgericht.
Gründe:
I.
Die Beteiligten zu 1), 3), 4) und 5) sind Geschwister und Miterben nach der am 4.
September 2003 verstorbenen Erblasserin. Diese hatte mit privatschriftlichen
Testamenten vom 3. März 1994 nebst Ergänzung vom 19. Oktober 1994 und vom 6.
Oktober 1995 (Bl. 21, 42, 48 in 3 IV 812/88 AG Saarlouis) Testamentsvollstreckung
angeordnet; zum Testamentsvollstrecker war der Steuerberater Dipl. Kfm. D. U.
bestimmt worden, der das Amt angenommen hatte. Mit Beschluss des Amtsgerichts –
Nachlassgericht – Saarlouis vom 20. Dezember 2017 wurde der
Testamentsvollstrecker – nach vorangegangener Beschwerde gegen die Ablehnung
eines entsprechenden Antrages des Beteiligten zu 1), über die der Senat mit
Beschluss vom 30. Oktober 2017 – 5 W 31/17, Bl. 805 ff. d.A., entschieden hat –
entlassen (Bl. 883 d.A.). In einem den Beteiligten mitgeteilten „Vermerk“ vom 27. März
2018 vertrat das Nachlassgericht sodann die Auffassung, dass mit der Entlassung des
Testamentsvollstreckers zugleich die Beendigung der Testamentsvollstreckung
eingetreten sei, weil die Erblasserin für diesen Fall keine Vorkehrungen getroffen habe
(Bl. 899 d.A.).
In einem an das Nachlassgericht gerichteten Schreiben vom 25. Februar 2019 teilte
der Beteiligte zu 2) mit, als Enkel der Erblasserin bei Vollendung des 21. Lebensjahres
am 17. August 2019 mit einem Vermächtnis im Gegenwert von 10.000,- DM bedacht
worden zu sein, zu dessen Erfüllung er mit Blick auf das Testament anregte, einen
neuen Testamentsvollstrecker zu bestimmen (Bl. 902 d.A.). Mit Schreiben vom 2. Mai
2019 stellte auch der Beteiligte zu 1) einen „Antrag zur Einsetzung eines (neuen)
Testamentsvollstreckers“ mit der Begründung, der letzte Wille der Verstorbenen sei
noch nicht beendet, weil das Vermächtnis an den letzten Enkel der Erblasserin noch
nicht erfüllt sei und darüber hinaus vorhandene Nachlasswerte verteilt werden
müssten (Bl. 920 GA). Mit Verfügung vom 30. Mai 2019 bat das Amtsgericht den
Beteiligten zu 2) unter Hinweis auf seinen „Vermerk“ vom 27. März 2018 und den
Antrag des Beteiligten zu 1) um Mitteilung, ob auch er einen förmlichen Antrag auf
Einsetzung eines Ersatztestamentsvollstreckers stellen wolle (Bl. 949 d.A). Der
Beteiligte zu 2) beantwortete diese Anfrage mit Schreiben vom 7. Juni 2019 dahin,
dass wenn gewährleistet sei, dass er sein Vermächtnis zum 21. Geburtstag erhalte, er
seinen Antrag auch gerne zurückziehen könne (Bl. 958 d.A.).
Mit dem angefochtenen Beschluss (Bl. 995 d.A.) hat das Amtsgericht den Antrag des
Beteiligten zu 1) als vor dem Nachlassgericht unstatthaft zurückgewiesen. Da unter
den Beteiligten streitig sei, ob die Testamentsvollstreckung insgesamt oder nur das
Amt eines bestimmten Testamentsvollstreckers erloschen sei, habe darüber das
Prozessgericht und nicht das Nachlassgericht zu entscheiden. Die Entlassung eines
bestimmten Testamentsvollstreckers könne praktisch zur Folge haben, dass die
Vollstreckung überhaupt endige, nämlich wenn der Erblasser nicht für die Ersetzung
eines wegfallenden Vollstreckers gesorgt habe; das sei hier auch der Fall, da die
Erblasserin in ihrem Testament keine Vorkehrung durch Benennung eines
Ersatztestamentsvollstreckers getroffen habe. Dem Beteiligten zu 1) wurde der
Beschluss am 3. August 2019 zugestellt; dem Beteiligten zu 2) wurde er laut Verfügung
vom 31. Juli 2019 lediglich formlos übersandt mit dem Hinweis, dass, weil er keinen
förmlichen Antrag gestellt habe, das Gericht davon abgesehen habe, auf seine
Anregung hin einen förmlichen Ablehnungsbeschluss zu erlassen (Bl. 999 d.A.).
Gegen diesen Beschluss wendet sich der Beteiligte zu 1) mit seiner Beschwerde vom
27. August 2019 (Bl. 1001 d.A.), in der er erneut – auch – darauf hinweist, dass die
Aufgaben des Testamentsvollstreckers nicht abschließend erledigt seien, und der das
Amtsgericht mit Beschluss vom 11. Dezember 2019 (Bl. 1049 d.A.) nicht abgeholfen
hat.
II.
Die gemäß
eingelegte Beschwerde des Beteiligten zu 1) gegen den Beschluss vom 29. Juli 2019
hat in der Sache einen vorläufigen Erfolg und führt unter Aufhebung dieses
Beschlusses zur Zurückweisung der Sache an das Nachlassgericht. Die allein auf
verfahrensrechtliche Erwägungen gestützte Ablehnung, einen (neuen)
Testamentsvollstrecker zu ernennen, war rechtsfehlerhaft mit der Folge, dass eine
Entscheidung in der Sache bislang nicht getroffen wurde. Die erforderliche
Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 1) folgt daraus, dass er als Miterbe durch
die reine Auswahlentscheidung bzw. die Ablehnung, eine solche gemäß § 2200 Abs.
1 BGB vorzunehmen, in seiner eigenen Rechtsposition betroffen ist (vgl. BGH,
Beschluss vom 13. Juli 1961 – V ZB 9/61,
155).
1.
unter den dort genannten Voraussetzungen dem Nachlassgericht zu. Bei diesem
Verfahren handelt es sich um eine Nachlasssache im Sinne des § 342 Abs. 1 Nr. 7
FamFG, die als Angelegenheit der Freiwilligen Gerichtsbarkeit kraft Gesetzes dem
Amtsgericht als Nachlassgericht zugewiesen ist (§ 23a Abs. 2 Nr. 2 GVG; s. nur
Heckschen, in: Burandt/Rojahn, Erbrecht 3. Aufl., Vor §§ 2197-2228 BGB Rn. 21 ff.).
Ob das Nachlassgericht einen oder mehrere Testamentsvollstrecker ernennen soll,
richtet sich nach dem Inhalt des Ersuchens des Erblassers; dieses erstreckt sich
regelmäßig auch auf die Ernennung eines Nachfolgers, wenn der Ernannte vor der
Erledigung aller Verwaltungsaufgaben stirbt, kündigt oder entlassen wird
(Zimmermann, in: MünchKomm-BGB, a.a.O., § 2200 Rn. 3; Kregel, in: BGB-RGRK,
a.a.O., § 2200 Rn. 1). Ein wirksames Ersuchen kann nach dem ausdrücklichen
Gesetzeswortlaut nur der „Erblasser in dem Testament“ stellen (
vgl. OLG Düsseldorf,
insbesondere die Erben, die zum Verfahren hinzugezogen werden können und auf
ihren Antrag hinzugezogen werden müssen (§ 345 Abs. 3 FamFG). Besteht – wie
offenbar auch hier – zwischen den Beteiligten Streit darüber, ob das Amt des
Testamentsvollstreckers erloschen oder die Testamentsvollstreckung durch
Erledigung der dem Testamentsvollstrecker zugewiesenen Aufgaben beendet ist, so
hat hierüber zwar grundsätzlich das Prozessgericht zu entscheiden (vgl. BGH, Urteil
vom 22. Januar 1964 – V ZR 37/62,
ZR 275/06,
Nachlassgericht hat sich jedoch mit einem solchen Streit dann als Vorfrage zu
befassen, wenn die Fortdauer des Amtes – wie hier ebenfalls – Voraussetzung für eine
im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu treffende Entscheidung ist (BayObLG,
Weidlich, in: Palandt, BGB 79 Aufl. § 2225 Rn. 5 und § 2227 Rn. 10; Zimmermann, in:
MünchKomm-BGB 8. Aufl., § 2227 Rn. 13; Staudinger/Wolfgang Reimann (2012) BGB
§ 2227, Rn. 37; Kregel, in: BGB-RGRK 12. Aufl. § 2227 Rn. 3). Dies folgt aus der
Rechtspflicht, den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln (
das Ersuchen ohne Beschränkung auf die von den Beteiligten vorgebrachten Gründe
zu entscheiden. Wenn daher wie im vorliegenden Fall die Entscheidung über die
Einsetzung eines neuen Testamentsvollstreckers von dieser Vorfrage abhängt, so
ändert das nichts daran, dass das Nachlassgericht gehalten ist, diese Entscheidung
gemäß
Die in der Ablehnung des „Antrages“ des Beteiligten zu 1) liegende Weigerung, dem
nachzukommen, war daher rechtsfehlerhaft.
2.
Die Sache ist unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das
Nachlassgericht zurückzuverweisen, damit dieses nach Durchführung der gebotenen
Ermittlungen (
Testamentsvollstreckung nach Entlassung des bisherigen Testamentsvollstreckers
fortbesteht, eine eigene Sachentscheidung über die Ernennung eines (neuen)
Testamentsvollstreckers treffen kann. Nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG darf das
Beschwerdegericht eine Sache an das Gericht des ersten Rechtszuges
zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat; diese
Voraussetzung ist immer dann erfüllt, wenn eine Entscheidung über das
verfahrensgegenständliche Rechtsverhältnis – gleich aus welchen Gründen – noch
nicht in der gebotenen Weise umfassend getroffen wurde; denn anderenfalls würde
den Beteiligten eine Tatsacheninstanz genommen (Sternal, in: Keidel, a.a.O., § 69 Rn.
14; vgl. OLG München,
Amtsgericht bislang nur mit der Statthaftigkeit des Antrages des Beteiligten zu 1)
befasst und in der Sache nicht umfassend geprüft hat, ob im Übrigen die
Voraussetzungen für die Ernennung eines neuen Testamentsvollstreckers vorliegen.
Die in diesem Zusammenhang erforderliche Klärung der vom Nachlassgericht bereits
angerissenen Vorfrage, ob infolge der Entlassung des bisherigen
Testamentsvollstreckers auch der Grund für die Testamentsvollstreckung insgesamt
entfallen ist, kann nur auf der Grundlage einer erschöpfenden, alle Umstände in
Betracht ziehenden Auslegung des Testaments getroffen werden, die bislang nicht
einmal ansatzweise erfolgt ist. Entscheidend ist insoweit auch nicht allein der Wortlaut,
sondern ob die Gesamtheit der testamentarischen Verfügungen den Willen des
Erblassers erkennen lässt, dass die Testamentsvollstreckung bis zur Erledigung der
Aufgaben durch- bzw. weitergeführt werden soll. Dazu sind die Gründe zu ermitteln (§
26 FamFG), die den Erblasser zu seiner Anordnung bestimmt haben und ob diese
Gründe von seinem Standpunkt auch dann noch fortbestehen, wenn die benannte
Person wegfällt; dazu muss der gesamte Inhalt der Erklärung einschließlich aller
Nebenumstände, auch solcher, die außerhalb der Testamentsurkunde liegen, als
Ganzes gewürdigt werden; auch die allgemeine Lebenserfahrung ist zu
berücksichtigen (vgl. BayObLG,
891; OLG Hamm,
Düsseldorf,
bislang nicht geschehen und wird vom Ausgangsgericht nachzuholen sein. Eine
Zurückverweisung erscheint nicht zuletzt auch deshalb geboten, weil die Ernennung
eines neuen Testamentsvollstreckers nur durch das Nachlassgericht vorgenommen
werden kann, der Senat die Ernennung mithin selbst nicht vornehmen dürfte (§ 2200
Abs. 1 BGB; vgl. Zimmermann, in: Keidel, a.a.O., § 345 Rn. 46).
4.
Eines Ausspruchs über die Gerichtskosten bedurfte es nicht (§ 25 Abs. 1, § 22 Abs. 1
GNotKG). Über die Frage, ob eine Erstattung der zur Durchführung des
Beschwerdeverfahrens notwendigen Aufwendungen der Beteiligten stattfinden soll
und wer diese gegebenenfalls zu tragen hat, wird das Amtsgericht zu befinden haben
(vgl. Sternal, in: Keidel a.a.O. § 69, Rn. 16, 39a).
Die Rechtsbeschwerde war mangels Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (§
70 FamFG) nicht zuzulassen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens ist mit 10 Prozent des Nachlasswertes
anzusetzen (§ 65 GNotKG; vgl. Senat, Beschluss vom 30. Oktober 2017 – 5 W 31/17,
Bl. 805 ff. d.A.; Beschluss vom 30. Januar 2018 – 5 W 95/17, NJW-RR 2018; OLG
Frankfurt,
Anhaltspunkte – wie schon im Rahmen des vorangegangenen Beschwerdeverfahrens
– auf 50.000,- Euro.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Saarbrücken
Erscheinungsdatum:17.02.2020
Aktenzeichen:5 W 8/20
Rechtsgebiete:
Testamentsvollstreckung
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
FGPrax 2020, 144-145
NJW-RR 2020, 655-656
BGB §§ 2200 Abs. 1, 2227