OLG Celle 31. Januar 2020
10 UF 10/20
FamFG § 156 Abs. 2

Vollstreckbarkeit einer Elternvereinbarung zum paritätischen Wechselmodell

letzte Aktualisierung: 10.06.2020
OLG Celle, Beschl. v. 31.1.2020 – 10 UF 10/20

FamFG § 156 Abs. 2
Vollstreckbarkeit einer Elternvereinbarung zum paritätischen Wechselmodell

Haben die Kindeseltern die Fortführung eines Wechselmodels vereinbart, nach dem die Kinder sich
wöchentlich abwechselnd in ihren Haushalten aufhalten sollten, und zwar beginnend mit der 2.
Kalenderwoche bei der Kindesmutter und mit anschließendem Wechsel „jeweils montags nach der
Kita bzw. der Schule durch Abholung des dann betreuenden Elternteils“, bestehen keine Zweifel an
der Vollstreckbarkeit dieser Regelung. Vielmehr war jeder Elternteil zur entsprechenden Herausgabe
der Kinder durch Zulassung der Abholung durch den anderen am entsprechenden Montag sowie
dazu verpflichtet, sich in der dem anderen Elternteil zugewiesenen Betreuungszeit jeglicher
Einflussnahme auf die Kinder wie auch des Umgangs mit diesen zu enthalten. (vgl. in diesem
Zusammenhang auch die weiteren zur Veröffentlichung bestimmten Senatsentscheidungen in den
Verfahren 10 UF 270/19, 10 UF 16/20 und 10 WF 186/19)

Gründe

I.
Die Kindeseltern streiten vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Hannover in einer Vielzahl von Verfahren
um verschiedene, ihre gemeinsamen Kinder betreffende Angelegenheiten. Die elterliche Sorge wurde bis
zuletzt gemeinsam ausgeübt; hinsichtlich des streitigen Aufenthalts der Kinder hatten die Kindeseltern –
unter Mitwirkung ihres sie auch im Beschwerdeverfahren vertretenden Verfahrensbevollmächtigten seitens
der Kindesmutter sowie mit Zustimmung von Jugendamt und für die Kinder jeweils bestelltem
Verfahrensbeistand – in zwei Verfahren betreffend die elterliche Sorge am 10. Januar 2019 sowie am 5.
Dezember 2019 jeweils zu Protokoll Vereinbarungen über einen wöchentlichen Wechsel der Kinder
abgeschlossen, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 9. Dezember 2019 familiengerichtlich gebilligt hat;
zugleich hat es die Beteiligten auf die Folgen etwaiger Zuwiderhandlungen hingewiesen.
Gegen diesen Billigungsbeschluss richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der
Kindesmutter, die die Vereinbarung nicht für billigungsfähig hält und für das Beschwerdeverfahren um
Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachsucht.

Nach Anfall des Beschwerdeverfahrens beim Senat hat die Kindesmutter erneut bewusst gegen die vom
Amtsgericht gebilligte und damit wirksame Vereinbarung verstoßen und – wie bereits wiederholt in der
jüngeren Vergangenheit – die nach der Vereinbarung seit dem Montag der dritten Kalenderwoche 2020,
d.h. seit dem 13. Januar 2020 nach Kita bzw. Schule dem Kindesvater zu überlassenden Kinder
eigenmächtig abgeholt und „einbehalten“. In einem durch Antrag des Kindesvaters eingeleiteten weiteren
Verfahren einstweiliger Anordnung hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Januar 2020 das
Aufenthaltsbestimmungsrecht für beide Kinder allein dem Kindesvater übertragen und deren Herausgabe
an den Kindesvater sowie die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses angeordnet. Seit dem 16. Januar
2020 befinden sich die Kinder auch tatsächlich in der Obhut des Kindesvaters. Eine gegen die mit
Ergänzungsbeschluss vom 16. Januar 2020 vom Amtsgericht gebilligte Anwendung von Gewalt bei der
Vollstreckung der Herausgabeanordnung sowie weitere Teile des Beschlusses vom 14. Januar 2020
eingelegte Beschwerde hat der Senat mit parallelem Beschluss zurückgewiesen bzw. verworfen.

II.
Der Kindesmutter kann die für das Beschwerdeverfahren nachgesuchte VKH nicht bewilligt werden, weil
ihre Rechtsverfolgung keine hinreichende Erfolgsaussicht aufweist. Insofern kommt es auf die einer VKHBewilligung
gleichermaßen entgegenstehende Mutwilligkeit ihres Verhaltens nicht einmal weiter
entscheidend an.

III.
Die – entsprechend der jüngsten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes – zulässige Beschwerde der
Kindesmutter gegen den amtsgerichtlichen Billigungsbeschluss kann in der Sache keinen Erfolg haben.
Dabei kann der Senat unmittelbar in der – ohnehin ihrer Natur nach eilbedürftigen – Sache entscheiden, da
das Amtsgericht auf der Grundlage eines nicht zu beanstandenden Verfahrens entschieden hat und von
einer Wiederholung von Verfahrenshandlungen, insbesondere einer erneuten Anhörung der Beteiligten
kein entscheidungserheblicher weiterer Erkenntnisgewinn zu erwarten ist.

Die Kindeseltern haben im vorliegenden Verfahren einstweiliger Anordnung betreffend die elterliche Sorge,
in dem der Kindesvater angesichts wiederholter Verstöße der Kindesmutter gegen eine am 10. Januar
2019 im anhängigen Hauptsacheverfahren betreffend die elterliche Sorge geschlossene Vereinbarung die
vorläufige Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes erstrebte, mit Billigung durch Jugendamt und
Verfahrensbeistand am 5. Dezember 2019 ihre Vereinbarung vom 10. Januar 2019 erneuert und darin mit
einer Modifikation des Übergabezeitpunktes die Fortführung eines Wechselmodels vereinbart, nach dem
die Kinder sich wöchentlich abwechselnd in ihren Haushalten aufhalten sollten. Diese – ausdrücklich zur
vorläufigen Regelung auch der streitigen elterlichen Sorge – geschlossenen Elternvereinbarung entsprach
im Zeitpunkt ihrer Billigung durch das Amtsgericht noch dem – auch vom Jugendamt wie dem
Verfahrensbeistand – so wahrgenommenen Interesse beider Kinder an einem Erhalt der zu beiden
Elternteilen bestehenden engen Beziehungen und diente insbesondere dem Ziel, einer in der Hauptsache
bereits durch amtsgerichtlichen Beschluss angeordneten, aufgrund der Obstruktion durch die Kindesmutter
bislang aber noch nicht begonnenen sachverständigen Begutachtung zur Vorbereitung einer
Hauptsacheentscheidung zur elterlichen Sorge nicht vorzugreifen. An der – von der Beschwerde in Abrede
genommenen – Vollstreckungsfähigkeit der Regelung, die – beginnend mit der 2. Kalenderwoche 2019 bei
der Kindesmutter – eine Fortsetzung des seit Januar 2019 bestehenden wöchentlichen Wechsels des
Aufenthalts der Kinder bei ihren beiden Eltern mit nunmehrigem Wechsel „jeweils montags nach der Kita
bzw. der Schule durch Abholung des dann betreuenden Elternteils“ umfasste, bestehen keine vernünftigen
Zweifel; vielmehr war jeder Elternteil zur entsprechenden Herausgabe der Kinder durch Zulassung der
Abholung durch den anderen am entsprechenden Montag sowie dazu verpflichtet, sich in der dem anderen
Elternteil zugewiesenen Betreuungszeit jeglicher Einflussnahme auf die Kinder wie auch des Umgangs mit
diesen zu enthalten.

Durch die – auf einem erneuten eklatanten Verstoß der Kindesmutter gegen die getroffene und vom
Amtsgericht gebilligte Elternvereinbarung beruhende und nach wie vor wirksame – vorläufige Übertragung
des Aufenthaltsbestimmungsrechtes im nachfolgenden Verfahren einstweiliger Anordnung ist im Übrigen
die Wirkung des hier in Rede stehenden Billigungsbeschlusses seit dem 14. Januar 2020 entfallen. Auf die
Frage, ob dadurch nicht zugleich auch die Beschwerdebefugnis der Kindesmutter entfallen ist, kommt es
hier nicht einmal weiter an, da die Beschwerde jedenfalls insgesamt unbegründet ist.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Celle

Erscheinungsdatum:

31.01.2020

Aktenzeichen:

10 UF 10/20

Rechtsgebiete:

Testamentsvollstreckung
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

NJW-RR 2020, 460-461

Normen in Titel:

FamFG § 156 Abs. 2