Auslegung einer Gemeinschaftsordnung; dynamische Verweisung auf gesetzliche Regelung; Gestattungsbeschluss zu baulicher Veränderung; Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs durch Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
letzte Aktualisierung: 26.4.2023
BGH, Urt. v. 17.3.2023 – V ZR 140/22
WEG §§ 10 Abs. 1 S. 2, § 20 Abs. 1 u. 3
Auslegung einer Gemeinschaftsordnung; dynamische Verweisung auf gesetzliche
Regelung; Gestattungsbeschluss zu baulicher Veränderung; Geltendmachung eines
Unterlassungsanspruchs durch Gemeinschaft der Wohnungseigentümer
1. Der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen schlichten Verweisung auf die Gesetzeslage oder
der bloßen Wiederholung des Gesetzes lässt sich in Ermangelung anderer Anhaltspunkte nicht
entnehmen, dass es auch nach einer Gesetzesänderung bei der Anwendung alten Rechts verbleiben
soll. Vielmehr ist dies grundsätzlich als dynamische Verweisung auf die jeweils aktuellen gesetzlichen
Regelungen zu verstehen.
2. Es ist Sache des Wohnungseigentümers, der eine nicht in der Gemeinschaftsordnung gestattete
bauliche Veränderung beabsichtigt, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im Wege der
Beschlussersetzungsklage herbeizuführen, ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Handelt er
dem zuwider, haben die übrigen Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch, der durch die
Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeübt wird. Diesem Unterlassungsanspruch kann der
bauwillige Wohnungseigentümer nicht unter Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten, dass
ihm ein Gestattungsanspruch zusteht.
Entscheidungsgründe:
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Anspruch
auf Unterlassung der beabsichtigten baulichen Veränderung des Gemeinschaftseigentums
nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB schon deshalb zu, weil es an einem
gestattenden Beschluss gemäß § 20 Abs. 1 WEG fehlt. Das Beschlusserfordernis
sei weder in der Gemeinschaftsordnung nebst Ergänzung noch durch konkludentes
Verhalten der Wohnungseigentümer abbedungen worden. Vielmehr
werde (nur) die auf die jeweils an das Haus anschließende Grundstückshälfte
bezogene Nutzung geregelt und klargestellt, dass sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer
nach dem Gesetz bestimme. Auch sei der Bau eines Swimmingpools
weder eine Reparatur noch eine Instandsetzung.
Dahinstehen könne, ob die Beklagten einen Anspruch auf einen gestattenden
Beschluss gemäß § 20 Abs. 3 WEG hätten. Selbst wenn ein Gestattungsanspruch
unterstellt werde, führe dieser nicht dazu, dass der Klägerin die Geltendmachung
des Unterlassungsanspruchs nach Treu und Glauben verwehrt
wäre. Denn nach der Neufassung des Wohnungseigentumsgesetzes bedürfe
jede nicht durch Vereinbarung gestattete bauliche Veränderung eines Beschlusses.
Dadurch werde sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen
Veränderungen informiert würden; der legitimierende Beschluss diene der
Rechtssicherheit und entfalte gegenüber Sondernachfolgern Bindungswirkung.
Dieser Wille des Gesetzgebers dürfe nicht dadurch unterlaufen werden, dass der
bauwillige Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch seinen Anspruch
auf Gestattung gemäß § 242 BGB entgegenhalten könne, weil der Verstoß gegen
Beschlusszwang und Vorbefassungsgebot dann folgenlos bliebe. Ob dies in eindeutig
gelagerten Fällen, in denen ganz offensichtlich kein anderer Wohnungseigentümer
beeinträchtigt werde, anders sei, könne offenbleiben, denn das Fehlen
jedweder Beeinträchtigung sei bei dem Bau eines Swimmingpools gerade nicht
offenkundig.
Rechtsanwaltskosten stünden der Klägerin unter dem Gesichtspunkt des
Verzugs zu. Die Klägerin habe vor Beauftragung ihres Rechtsanwalts mehrfach
darauf hingewiesen, dass sie dem Poolbau nicht zustimme.
II.
Die Revision hat keinen Erfolg.
1. Zutreffend ist das Berufungsgericht von der im hier gegebenen Übergangsfall
fortbestehenden Prozessführungsbefugnis der Klägerin in Anwendung
des Rechtsgedankens des
vom 7. Mai 2021 - V ZR 299/19,
2. Ebenso nimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei an, dass der Klägerin
ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 20
WEG zusteht. Denn es fehlt an einem Beschluss gemäß § 20 Abs. 1 WEG.
a) § 20 Abs. 1 WEG ist anwendbar.
aa) Zwar ist, worauf die Revision zutreffend hinweist, diese durch das
Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz neu gefasste Vorschrift erst am
1. Dezember 2020 und damit während des laufenden Verfahrens in Kraft getreten.
Da es aber bezogen auf das materielle Recht an einer Übergangsvorschrift
fehlt, ist die Neuregelung grundsätzlich auch in bereits laufenden Prozessen anzuwenden
(vgl. Senat, Urteil vom 16. Juli 2021 - V ZR 284/19,
Rn. 15; Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 48 Rn. 37; Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl.,
§ 48 Rn. 17). Anders kann es bei bereits abgeschlossenen Sachverhalten sein
(vgl. Senat, Urteil vom 10. Dezember 2021 - V ZR 32/21,
Urteil vom 16. Januar 2009 - V ZR 74/08,
abgedruckt in
Rn. 24).
bb) Ein abgeschlossener Sachverhalt liegt hier indes nicht vor. Der Bau
des Swimmingpools ist infolge der von der Klägerin erwirkten einstweiligen Verfügung
gestoppt worden. Folgerichtig begehrt die Klägerin nicht dessen Beseitigung,
sondern die Unterlassung des Baus. Dieses auf § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB
gestützte Unterlassungsbegehren ist in die Zukunft gerichtet.
b) Gemäß § 20 Abs. 1 WEG können Maßnahmen, die über die ordnungsmäßige
Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen (bauliche
Veränderungen), beschlossen oder einem Wohnungseigentümer durch Beschluss
gestattet werden. Fehlt ein entsprechender Beschluss, darf die bauliche
Veränderung durch einen einzelnen Wohnungseigentümer nicht vorgenommen
werden und stellt eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung dar, auf deren
Unterlassung ein Anspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB besteht (vgl. Senat,
Urteil vom 20. Juli 2018 - V ZR 56/17,
die Wohnungseigentümer hätten das Beschlusserfordernis gemäß § 10 Abs. 1
Satz 2 WEG abbedungen.
aa) Unzweifelhaft handelt es sich bei dem von den Beklagten beabsichtigten
Bau eines - wie hier - 5 x 3 x 1,55 Meter großen Pools um eine bauliche
Veränderung im Sinne der in § 20 Abs. 1 WEG enthaltenen Legaldefinition, da
dies über die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgeht.
Hiergegen erinnert auch die Revision nichts. Damit bedarf es grundsätzlich
eines Beschlusses gemäß § 20 Abs. 1 WEG.
bb) Entgegen der Auffassung der Revision haben die Parteien das in § 20
Abs. 1 WEG geregelte Erfordernis einer Gestattung durch Beschluss weder in
der - ergänzten - Gemeinschaftsordnung noch konkludent abbedungen.
(1) Die Gemeinschaftsordnung ist Bestandteil der Grundbucheintragung.
Maßgebend sind ihr Wortlaut und Sinn, wie er sich aus unbefangener Sicht als
nächstliegende Bedeutung der Eintragung ergibt, weil sie auch die Sonderrechtsnachfolger
der Wohnungseigentümer bindet (vgl. Senat, Urteil vom 20. November
2020 - V ZR 196/19,
- V ZR 275/16,
Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Gemeinschaftsordnung, die
vollen Umfangs der Nachprüfung durch das Revisionsgericht unterliegt, ist nicht
zu beanstanden.
(a) Die Gemeinschaftsordnung von 1971 regelt die alleinige Nutzung der
an das jeweilige Wohnhaus anschließenden Hälfte des Grundstücks, begründet
also (nur) ein Sondernutzungsrecht unter anderem an dem jeweiligen Teil des
Gartens; sie enthält insbesondere keine Bestimmung dahingehend, dass die
Sondernutzungsflächen wie real geteiltes Eigentum behandelt werden sollen
(vgl. zu einer solchen Regelung Senat, Urteil vom 26. Juni 2020 - V ZR 199/19,
Zuweisungsgehalt des Sondernutzungsrechts nicht umfasst. Aus der bloßen Einräumung
eines Sondernutzungsrechts folgt nämlich nicht ohne Weiteres die Berechtigung
zu grundlegenden Umgestaltungen der jeweiligen Sondernutzungsfläche,
die über die nach dem Inhalt des Sondernutzungsrechts übliche Nutzung
hinausgehen und der Anlage ein anderes Gepräge geben. So hat der Senat etwa
in der Zuweisung eines Sondernutzungsrechts an einer Terrasse nicht auch die
Ermächtigung gesehen, die Terrasse zu überdachen und die Überdachung an
einer im Gemeinschaftseigentum stehenden angrenzenden Wand zu befestigen
(Urteil vom 7. Februar 2014 - V ZR 25/13,
Urteil vom 18. November 2016 - V ZR 49/16,
Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 447G). So verhält es sich auch hier.
(b) Soweit die Gemeinschaftsordnung im Übrigen auf das Gesetz verweist,
führt dies entgegen der Auffassung der Revision zu keinem anderen Ergebnis.
Hierbei kann dahinstehen, ob, wie die Revision meint, der Bau eines Swimmingpools
unter den hier gegebenen Umständen im Jahr 1971 zustimmungsfrei gewesen
wäre. Denn der in der Gemeinschaftsordnung enthaltenen schlichten Verweisung
auf die Gesetzeslage oder der bloßen Wiederholung des Gesetzes lässt
sich in Ermangelung anderer Anhaltspunkte nicht entnehmen, dass es auch nach
einer Gesetzesänderung bei der Anwendung alten Rechts verbleiben soll. Vielmehr
ist dies grundsätzlich - und so auch hier - als dynamische Verweisung auf
die jeweils aktuellen gesetzlichen Regelungen zu verstehen; hierfür spricht auch
der Gedanke des § 47 WEG (vgl. Bärmann/Göbel, WEG, 15. Aufl., § 47 Rn. 7).
(2) Nichts Anderes folgt aus der späteren ergänzenden Regelung der Gemeinschaftsordnung.
Dieser lässt sich allenfalls entnehmen, dass bauliche Veränderungen
im Zusammenhang mit Reparaturen oder Instandsetzungsarbeiten
an der jeweiligen Sondernutzungsfläche ohne Beschluss möglich wären. Hierzu
gehört der erstmalige Bau eines Swimmingpools offensichtlich nicht.
(3) Anhaltspunkte für eine konkludente, von dem vorbezeichneten grundsätzlichen
Beschlusserfordernis bei baulichen Veränderungen abweichende Vereinbarung
bestehen nicht. Entgegen der Revision lässt sich dies insbesondere
nicht etwaigen von den Beklagten behaupteten baulichen Veränderungen entnehmen,
die die Klägerin selbst ohne das Einverständnis der Beklagten beziehungsweise
ihrer Rechtsvorgänger vorgenommen haben soll. Denn eventuellen
eigenen Rechtsverstößen durch die Klägerin kommt, wie das Berufungsgericht
zutreffend ausgeführt hat, kein Erklärungswert dahin zu, dass die Klägerin auch
künftig und in Bezug auf jegliche bauliche Veränderung durch die Beklagten auf
das Erfordernis ihres Einverständnisses verzichten wollte. Hierin liegt kein Verhalten,
das zumindest mittelbar (vgl. hierzu Staudinger/Singer, BGB [2021],
Vorbem. zu §§ 116-124 Rn. 53) den Schluss auf einen solchen Rechtsfolgewillen
ermöglichte.
3. Dem Unterlassungsanspruch der Klägerin können die Beklagten einen
eventuellen Anspruch auf Gestattung der baulichen Veränderung gemäß § 20
Abs. 3 WEG nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) entgegenhalten.
a) Gemäß § 20 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer verlangen,
dass ihm eine bauliche Veränderung gestattet wird, wenn alle Wohnungseigentümer,
deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten
Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden, einverstanden
sind. Es besteht also ein Anspruch auf einen die geplante bauliche
Veränderung gestattenden Beschluss, wenn entweder kein anderer Wohnungseigentümer
im Sinne des Gesetzes beeinträchtigt wird oder wenn alle beeinträchtigten
Wohnungseigentümer einverstanden sind.
aa) Das Berufungsgericht hat - aus seiner Sicht folgerichtig - keine Feststellungen
dazu getroffen, ob die Rechte der Klägerin durch den beabsichtigten
Bau des Swimmingpools über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche
Maß hinaus beeinträchtigt werden. Insbesondere fehlen Feststellungen
zu der Grundstücksgröße und den konkreten baulichen Verhältnissen vor
Ort. Aus diesem Grund ist für die Revisionsinstanz zu unterstellen, dass die
Rechte der Klägerin durch die beabsichtigte bauliche Veränderung über das bei
einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus nicht beeinträchtigt
sind und die Beklagten demnach grundsätzlich einen Anspruch auf Gestattung
gemäß § 20 Abs. 3 WEG haben.
bb) Auch diese Gestattung hat aber durch Beschluss der Wohnungseigentümer
zu erfolgen.
(1) Vor Inkrafttreten des Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetzes
zum 1. Dezember 2020 war umstritten, ob bauliche Veränderungen eines Beschlusses
bedurften. Der Senat hat dies zu § 22 WEG aF offengelassen (vgl.
zum Streitstand u.a. Senat, Urteil vom 7. Februar 2014 - V ZR 25/13, NJW 2014,
1090 Rn. 9 mwN).
(2) Der Gesetzgeber hat sich in Kenntnis dieses bis zur Neufassung des
Wohnungseigentumsgesetzes bestehenden Streits für den in § 20 Abs. 1 WEG
normierten sogenannten Beschlusszwang entschieden, um Auslegungsschwierigkeiten
zu vermeiden und die vielfältigen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit
baulichen Veränderungen zu beseitigen (vgl. BT-Drucks. 19/18791 S. 62, 65).
Klargestellt wird, dass jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte
bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden
Beschlusses bedarf, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich
relevanter Weise beeinträchtigt wird. Auf diese Weise wird sichergestellt,
dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums
informiert werden. Für den bauwilligen Wohnungseigentümer
hat der legitimierende Beschluss den Vorteil, dass er - ebenso wie eventuelle
Rechtsnachfolger - durch dessen Bestandskraft Rechtssicherheit hat (vgl. BTDrucks.
19/18791 S. 62).
b) Damit ist das Verfahren bei beabsichtigter baulicher Veränderung durch
einen einzelnen Wohnungseigentümer vorgezeichnet. Es ist Sache des Wohnungseigentümers,
der eine nicht in der Gemeinschaftsordnung gestattete bauliche
Veränderung beabsichtigt, einen Gestattungsbeschluss gegebenenfalls im
Wege der Beschlussersetzungsklage (§ 44 Abs. 1 Satz 2 WEG) herbeizuführen,
ehe mit der Baumaßnahme begonnen wird. Handelt er dem zuwider, haben die
übrigen Wohnungseigentümer einen Unterlassungsanspruch, der seit dem
1. Dezember 2020 durch die GdWE ausgeübt wird (§ 9a Abs. 2 WEG). Diesem
Unterlassungsanspruch kann der bauwillige Wohnungseigentümer nicht unter
Berufung auf Treu und Glauben entgegenhalten, dass ihm ein Gestattungsanspruch
zusteht.
aa) Für diese Sichtweise spricht bereits das nunmehr gesetzlich eindeutig
geregelte Verfahren. Soweit ersichtlich, wird auch nicht vertreten, dass der diese
Vorgaben missachtende bauwillige Wohnungseigentümer dem Unterlassungsanspruch
seinen Gestattungsanspruch im Wege des § 242 BGB entgegenhalten
könnte.
bb) Darin liegt entgegen der Auffassung der Revision keine bloße Förmelei.
Es ist gerade Sache des bauwilligen Wohnungseigentümers, den gesetzlich
geforderten Beschluss über die bauliche Veränderung herbeizuführen; dies kann
er gegebenenfalls auch ohne Durchführung einer Eigentümerversammlung im
Umlaufverfahren erreichen (
muss er Beschlussersetzungsklage erheben. Dass die Beschlussfassung im Einzelfall
angesichts der eindeutigen Mehrheitsverhältnisse ausgeschlossen sein
mag, ändert daran nichts; dies kann nur dazu führen, dass die Vorbefassung der
Eigentümerversammlung entbehrlich ist (vgl. Senat, Urteil vom 5. Juli 2019
- V ZR 149/18,
- V ZR 69/21,
nicht in die Rolle gedrängt werden, auf die Erhebung einer
Klage durch die GdWE hinwirken zu müssen (so bereits für den Anspruch auf
Änderung der Gemeinschaftsordnung Senat, Urteil vom 23. März 2018
- V ZR 307/16,
geregelten Verfahrens ist außerdem, dass mit Bestandskraft eines gestattenden
Beschlusses (bzw. Rechtskraft eines den Beschluss ersetzenden Urteils) die Zulässigkeit
der baulichen Veränderung zwischen den Wohnungseigentümern
ebenso wie im Verhältnis zu jeweiligen Rechtsnachfolgern feststeht.
cc) Ob dies auch für eine ohne vorherigen Beschluss bereits fertig gestellte
bauliche Veränderung, die nach dem Vorgesagten einen Beseitigungsanspruch
gemäß § 1004 Abs. 1 BGB auslöst, durchgängig gilt, ist hier nicht zu entscheiden
(vgl. zum dolo-agit-Einwand gegen Beseitigungsansprüche nach altem Recht
Senat, Urteil vom 20. Juli 2018 - V ZR 56/17,
vom 21. Oktober 2011 - V ZR 265/10,
des dolo-agit-Einwands nach neuem Recht AG Paderborn, ZMR 2022,
1018 Rn. 155; Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 427; BeckOGK/
Kempfle, WEG [15.12.2022], § 20 Rn. 273; MüKoBGB/Rüscher, 9. Aufl., § 20
WEG Rn. 14 f.; dafür aber Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 20 Rn. 182; Hogenschurz
in Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 20 Rn. 120). Denn die Beklagten haben den
Bau gegen den erklärten Willen der Klägerin begonnen und - nicht zuletzt wegen
der von der Klägerin erwirkten einstweiligen Verfügung - nicht vollendet.
dd) Ebenso kann dahinstehen, wie in völlig eindeutig gelagerten Fällen, in
denen - anders als hier - ganz offensichtlich kein anderer Wohnungseigentümer
ernsthaft beeinträchtigt ist, zu verfahren ist. Allerdings werden innerhalb des
räumlichen Bereichs des Sondereigentums übliche Veränderungen des dort befindlichen
gemeinschaftlichen Eigentums - wie etwa das Bohren von Dübellöchern
in tragende Wände (vgl. Bärmann/Dötsch, WEG, 15. Aufl., § 20 Rn. 69,
429) - ohne weiteres als gestattet anzusehen sein.
c) Zutreffend verneint das Berufungsgericht auch ein rechtsmissbräuchliches
Verhalten der Klägerin mit Blick auf von ihr selbst in der Vergangenheit angeblich
ohne Einverständnis vorgenommene bauliche Veränderungen. Zwar können
Unterscheidungen zwischen einzelnen Wohnungseigentümern bei der Geltendmachung
von Unterlassungsansprüchen ohne sachlichen Grund eine unzulässige
Rechtsausübung (§ 242 BGB) darstellen (vgl. Senat, Urteil vom 30. November
2012 - V ZR 234/11,
Motive mögen im Einzelfall zu berücksichtigen sein (vgl. Hogenschurz in
Jennißen, WEG, 7. Aufl., § 20 Rn. 119). Solches ist aber weder festgestellt noch
wird es von der Revision aufgezeigt und folgt, wie das Berufungsgericht zutreffend
ausführt, nicht allein aus eventuellen eigenen Rechtsverstößen der Klägerin,
die jedenfalls keinen Pool in der von ihr genutzten Gartenhälfte gebaut hat.
d) Einer Entscheidung, wie zu verfahren ist, wenn der bauwillige Wohnungseigentümer
während des Unterlassungsprozesses eine Beschlussersetzungsklage
gegen die GdWE erhebt, bedarf es nicht. Die Beklagten haben eine
solche Klage nicht erhoben. Entgegen der Revision war mit Rücksicht auf die
richterliche Pflicht zur Neutralität auch kein auf die Erhebung einer solchen Klage
gerichteter Hinweis des Berufungsgerichts im Rahmen materieller Prozessleitung
gemäß
- V ZB 22/03,
1999, 2890, 2892).
4. Die Klägerin hat außerdem einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten gemäß
verbindet ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem auch Nebenpflichten
folgen (vgl. Senat, Urteil vom 23. Februar 2018 - V ZR 101/16, NJW
2018, 2550 Rn. 36). Jeder Wohnungseigentümer ist zudem gemäß § 14 Abs. 1
Nr. 1 WEG verpflichtet, die gesetzlichen Regelungen, Vereinbarungen und Beschlüsse
einzuhalten. Danach ist die Missachtung des Beschlusserfordernisses
vor Beginn einer baulichen Veränderung pflichtwidrig im Sinne von § 280 Abs. 1
Satz 1,
Es war auch, unabhängig von der Frage des Beschlusserfordernisses
nach altem und nach neuem Recht, zumindest fahrlässig, darauf zu vertrauen,
mit einer baulichen Veränderung am Gemeinschaftseigentum auch und gerade
gegen den erklärten Willen der Klägerin letztlich folgenlos beginnen zu dürfen;
ein solcher Rechtsstandpunkt wäre nicht plausibel (vgl. zu diesem Gesichtspunkt
Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 233/10, juris Rn. 21 ff., insoweit nicht
abgedruckt in
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:17.03.2023
Aktenzeichen:V ZR 140/22
Rechtsgebiete:
Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
WEG §§ 10 Abs. 1 S. 2, 20 Abs. 1 u. 3