Nachweis der Erbenstellung des Fiskus im Grundbuchverfahren
letzte Aktualisierung: 3.3.2021
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 28.2.2020 – 3 Wx 12/19
GBO §§ 29, 35; BGB §§ 1936, 1964
Nachweis der Erbenstellung des Fiskus im Grundbuchverfahren
1. Ein vorhandener Feststellungsbeschluss über das Fiskus-Erbrecht gemäß § 1964 BGB erübrigt im
Grundbuchverfahren nicht den gemäß
Nachweis der Erbfolge nach dem eingetragenen Berechtigten.
2. Gibt der um Löschung einer Sicherungshypothek nachsuchende Antragsteller ernsthaft und
endgültig zu erkennen, dass er nicht gewillt ist, die vom Grundbuchamt hierzu für erforderlich
gehaltenen Voraussetzungen zu erfüllen, so darf das Grundbuchamt nicht durch
Zwischenverfügung entscheiden, sondern muss – auf der Basis seiner eigenen Rechtsauffassung –
über den Eintragungsantrag entscheiden (Bestätigung der Senatsrechtsprechung zuletzt FGPrax
2019, 102).
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind in Erbengemeinschaft Eigentümer des eingangs genannten
Grundbesitzes.
Der Grundbesitz ist u.a. belastet mit einer Sicherungshypothek in Höhe von 22.817,60 €
für Sophie W. (Abt. III Nr. 3). Sie ist am 18. Okt. 2006 gestorben und nach dem Erbschein
des Nachlassgerichtes Duisburg-Ruhrort vom 27. Nov. 2012 – 130 VI 170/07 – von F.
beerbt worden. Dieser ist am 19. Jan. 2008 verstorben. Für seinen Nachlass hat das
Nachlassgericht Duisburg-Ruhrort mit Beschluss vom 19. Sept. 2014 – 130 VI 296/12 –
festgestellt, dass ein anderer Erbe als der Beteiligte zu 3 nicht vorhanden ist.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben den Grundbesitz mit notariellem Kaufvertrag vom 19.
Juni 2018 verkauft und die Parteien des Kaufvertrages haben die Löschung der in
Abteilung III eingetragenen Grundpfandrechte bewilligt und beantragt.
Der Notar hat dem Grundbuchamt am 9. Nov. 2018 die Löschungsbewilligung des
Beteiligten zu 3 (ohne Datum) überreicht und die Löschung der Sicherungshypothek
beantragt.
Das Grundbuchamt hat daraufhin am 15. Nov. 2018 darum gebeten, die Erbnachweise
nach der eingetragenen Gläubigerin jeweils in Ausfertigung einzureichen. Dem hat der
Notar entgegnet, es sei als Nachweis der Erbfolge ausreichend, dass der Beteiligte zu 3 in
amtlicher Eigenschaft die Rechtsnachfolge nach der als Gläubigerin eingetragenen
Erblasserin bestätigt habe.
Mit der angefochtenen Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt den Beteiligten zu 1
und 2 aufgegeben, die Erbfolge der eingetragenen Gläubigerin sowie ihres eventuellen,
ebenfalls bereits verstorbenen Erben in der Form des
Erbscheine seien in Ausfertigung vorzulegen. Auch zum Nachweis des Fiskus-Erbrechtes
bedürfe es eines Erbscheins, der Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts nach §
1964 BGB allein genüge nicht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2. Es gehe nicht um die
Eintragung des Fiskus als gesetzlicher Erbe, sondern nur um die Bewilligung der
Löschung eines Grundpfandrechtes. Sollte der Fiskus hier rechtswidrig die Löschung
bewilligen, könnten Berechtigte ihn in Anspruch nehmen. Ein Schutzbedürfnis bestehe
nach ihrer Auffassung nicht.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch weiteren Beschluss vom 9. Jan. 2019 nicht
abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Nach der
zwischenzeitlich eingegangenen Nachlassakte sei die eingetragene Gläubigerin von F.
beerbt und die Erbfolge durch den dort nunmehr eingesehenen Erbschein ordnungsgemäß
nachgewiesen. Da auch der Erbe bereits verstorben sei, sei auch die Erbfolge nach ihm in
geeigneter Form nach §§ 29, 35 GBO nachzuweisen. Ein Erbschein liege nicht vor. Aus
der ihn betreffenden ebenfalls eingegangenen Nachlassakte ergebe sich lediglich, dass
das Fiskus-Erbrecht festgestellt worden sei. Diese Feststellung begründe jedoch nur die
Vermutung, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe sei und ersetze im Grundbuchverfahren
nicht den Erbschein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundbuchakten und der
beigezogenen Nachlassakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß
nach der vom Amtsgericht erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO.
Die Beschwerde hat in der Sache deshalb – allerdings nur vorläufigen – Erfolg, weil die
Zwischenverfügung nicht hätte ergehen dürfen.
Die Zwischenverfügung ist schon deshalb inhaltlich unzulässig, weil die Beteiligten zu 1
und 2 durch ihre Antwort auf die Bitte des Grundbuchamtes vom 15. Nov. 2018 ernsthaft
und endgültig zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht gewillt waren, die vom
Grundbuchamt erbetenen Erbnachweise beizubringen. Schon aus diesem Grunde hätte
das Grundbuchamt – auf Basis seiner eigenen Rechtsauffassung – nicht erneut durch
Zwischenverfügung vom 4. Dez. 2018 entscheiden dürfen, sondern über den
Löschungsantrag entscheiden müssen (ständige Rechtsprechung des Senates, zuletzt
Vorsorglich sei – ohne Bindungswirkung – bemerkt:
In der Sache erachtet der Senat die angefochtene Entscheidung für zutreffend und danach
hätte die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO kann – grundbuchrechtlich – der Nachweis der Erbfolge nur
durch einen Erbschein oder (seit dem 17. Aug. 2015) ein europäisches Nachlasszeugnis
geführt werden, es sei denn die Erbfolge beruht auf einer Verfügung von Todes wegen, die
in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist (Satz 2 der Vorschrift). Daher kann bei einem
vererblichen Grundpfandrecht eine Registeränderung nach dem Tod des eingetragenen
Berechtigten nur unter Vorlage eines Erbnachweises im Sinne von
(Hügel in BeckOK GBO, Stand 15. Dez. 2019, § 35, RdNr. 23). Aus
Nachweistypenzwang, so dass andere Beweismittel zum Nachweis der Erbfolge
ausgeschlossen sind (ders., a.a.O., RdNr. 24).
Der Erbschein bekundet, wer Erbe ist und welchen Verfügungsbeschränkungen er
unterliegt. Er dient dem Rechtsverkehr als Zeugnis über die erbrechtlichen Verhältnisse,
damit Dritte bei Rechtsgeschäften mit der als Erbe auftretenden Person Sicherheit über
dessen Rechtsstellung haben. Mit dem Erbschein wird also dem Erben ein Ausweis für
seine Verfügungen über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände und Rechte an die
Hand gegeben, der Legitimations- und Schutzwirkung entfaltet und mit besonderer
Beweiskraft und öffentlichem Glauben ausgestattet ist. Seine Funktion ist damit der Art
nach die gleiche wie eine Eintragung im Grundbuch: Er begründet die widerlegbare
Rechtsvermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit seines Inhalts für und gegen den
darin ausgewiesenen Erben, § 2365 BGB, und schützt durch öffentlichen Glauben den
gutgläubigen Dritten beim Erwerb vom Erben oder bei Leistungen an diesen, §§ 2366,
2367 BGB (Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl., § 2353, 2).
Diese Wirkungen kommen einem Feststellungsbeschluss über das Fiskus-Erbrecht gem. §
1964 BGB nicht zu. Wegen der materiell-rechtlichen Subsidiarität des Staatserbrechts
nach
Prinzips andererseits sehen die §§ 1964 f. BGB ein besonderes Verfahren zur Feststellung
des Erbrechts des Fiskus vor. Verfahrensrechtlich bestimmt§ 1964 Abs. 1 BGB, dass –
wenn der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt wird –
das Nachlassgericht festzustellen hat, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht
vorhanden ist. Diese Feststellung begründet die Vermutung, dass der Fiskus gesetzlicher
Erbe ist, § 1964 Abs. 2 BGB. Im Hinblick darauf, dass die Erbfolgeordnungen der
gesetzlichen Erbfolge nicht beschränkt sind (vgl.§ 1929 BGB), ist das festgestellte
Erbrecht des Fiskus fast immer nur ein vermutetes Erbrecht, denn es existiert fast immer
ein Verwandter, der den Fiskus ausschließen würde, denn bei entsprechend intensiver
Suche nach Verwandten des Verstorbenen könnte nahezu immer eine natürliche Person
als Erbe ermittelt werden (Mayer,
Der Feststellungsbeschluss hat keine rechtsgestaltende Wirkung dahingehend, dass nun
der Fiskus mit Wirkung für alle Zeiten gegenüber jedermann Erbe ist. Etwaige unbekannte
Erben verlieren dadurch nicht ihre Rechte. Der Feststellungsbeschluss begründet vielmehr
nur eine Vermutung, dass der Fiskus Erbe ist, § 1964 Abs. 2 BGB. Der Beweis des
Gegenteils ist zulässig,
Erbscheinsverfahren erbracht werden. Daher wird der wirkliche Erbe durch den Beschluss
nicht gehindert, seine Rechte geltend zu machen. Deshalb darf auch das Nachlassgericht
einen entsprechenden Erbscheinsantrag nicht im Hinblick auf diesen
Feststellungsbeschlusses ablehnen, sondern muss ein entsprechendes Verfahren
einleiten und u. U. aufgrund neuer Nachweise dem Erben den beantragten Erbschein
erteilen. Dann ist der Feststellungsbeschlusses nach § 48 Abs. 1 FamFG wegen
Unrichtigkeit aufzuheben. Der Feststellungsbeschlusses hat jedoch nicht die
Publizitätswirkungen eines Erbscheins, §§ 2365 ff. BGB. Er entfaltet keinen den §§ BGB §
2366 f. entsprechenden Gutglaubensschutz. Hierzu bedarf es der zusätzlichen Erteilung
eines Erbscheins oder eines europäischen Nachlasszeugnisses. (Heinemann in
BeckOGK, Stand 1. Juli 2019, BGB, § 1964, RdNr. 77).
Der Feststellungsbeschluss stellt nach herrschender Meinung auch keinen tauglichen
Nachweis der Erbfolge für das Grundbuchregisterverfahren dar. Diese kann nach § 35
Abs. 1 GBO nur durch Vorlage eines Erbscheins bewiesen werden (Heinemann in
BeckOGK, Stand 1. Juli 2019, BGB, § 1964, 75 m.N.). Das ist zwingende Folge der das
Grundbuchverfahren beherrschenden Formenstrenge (OLG Frankfurt, Beschluss vom 5.
Sept. 1983, 20 W 515/83,
Dies hat das Oberlandesgericht Köln ausführlich und eingehend dargelegt (Beschluss vom
6. Aug. 1965, 2 Wx 117/65,
Argumente hinzugefügt und das Bayerische Oberste Landesgericht hat sich beiden
Entscheidungen in vollem Umfang angeschlossen (Beschluss vom 1. April 1987, BReg 2 Z
28/87,
Literatur (vgl. nur Hügel, a.a.O.,
RdNr. 9; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1964, 3; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl.,
RdNr. 781; Mayer, a.a.O., 453).
Der Senat schließt sich dem aufgrund eigener Prüfung an. Die hierfür maßgebenden
Gründe sind bereits in den genannten Entscheidungen (vor allem OLG Frankfurt, a.a.O.)
herausgearbeitet und seien hier nur kurz angerissen:
Dem Feststellungsbeschluss nach § 1964 BGB kommen nicht die
Verkehrsschutzwirkungen des Erbscheines zu. Auch wenn dieser Gesichtspunkt im
Grundbuchverfahren keine unmittelbare Bedeutung hat, belegt er das besondere Gewicht,
das der Gesetzgeber dem Erbschein beimisst. Der Feststellungsbeschluss mag zwar eine
öffentliche Urkunde im Sinne von
durch die
Erbfolge eine vorrangige Sonderregelung. Dass der Gesetzgeber bei Abfassung des § 35
GBO den Fall übersehen habe, dass die Erbfolge bereits gem. § 1964 BGB festgestellt
worden sei, und diese Lücke so geschlossen werden müsse, wie ein optimaler
Gesetzgeber entschieden hätte (AG Lüneburg, RPfleger 1971, 23), kann bereits deshalb
nicht angenommen werden, weil der Feststellungsbeschluss nach § 1964 BGB bei
Schaffung des
Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1
GNotKG. Die Wertfestsetzung berücksichtigt die voraussichtlichen Kosten des vom
Grundbuchamt verlangten Nachweises.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Düsseldorf
Erscheinungsdatum:28.02.2020
Aktenzeichen:3 Wx 12/19
Rechtsgebiete:
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Grundbuchrecht
Gesetzliche Erbfolge
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
FGPrax 2020, 109-110
Normen in Titel:GBO §§ 29, 35; BGB §§ 1936, 1964