BGH 29. März 2023
IV ZB 20/22
EuErbVO Art. 46 Abs. 3

Antragsbefugnis einer polnischen Notarin Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 lit. b EuErbVO

letzte Aktualisierung: 5.5.2023
BGH, Urt. v. 29.3.2023 – IV ZB 20/22

EuErbVO Art. 46 Abs. 3
Antragsbefugnis einer polnischen Notarin für die Erteilung einer Bescheinigung nach
Art. 46 Abs. 3 lit. b EuErbVO

Zur Antragsbefugnis für Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b EuErbVO
(hier: Antrag einer mit der Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses betrauten Notarin in
Polen).

Gründe:

I. Am 5. Juni 2019 verstarb an ihrem letzten Wohnsitz in S.
Frau Irene W. (im Folgenden: Erblasserin). Das Nachlassgericht erteilte
einen Erbschein, der ihre Schwester Margareta L. als Miterbin
zu einem Viertel ausweist. Margareta L. verstarb am 9. Dezember
2019 in Polen. Bezüglich der Erbfolge nach ihr wurde von einem ihrer Neffen
bei der antragstellenden polnischen Notarin (im Folgenden: Beteiligte)
ein Europäisches Nachlasszeugnis (im Folgenden: ENZ) beantragt. Die
Beteiligte hat in der Folge beim Nachlassgericht eine Bescheinigung über
eine Entscheidung in einer Erbsache nach Art. 66 Abs. 5, Art. 46 Abs. 3
Buchst. b) der Verordnung (EU) Nr. 650/2012 des Europäischen Parlaments
und des Rates vom 4. Juli 2012 über die Zuständigkeit, das anzuwendende
Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen
und die Annahme und Vollstreckung öffentlicher Urkunden in Erbsachen
sowie zur Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses (ABl.
L 201 S. 107; im Folgenden: EuErbVO), Anhang 1 der Durchführungsverordnung
(EU) Nr. 1329/2014 der Kommission vom 9. Dezember 2014 zur
Festlegung der Formblätter nach Maßgabe der EuErbVO (ABl. L 359
S. 30; im Folgenden: DurchführungsVO) zum Erbschein nach der Erblasserin
beantragt.

Ihr Antrag ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Hiergegen
richtet sich die vom Oberlandesgericht zugelassene Rechtsbeschwerde
der Beteiligten.

II. Nach Ansicht des Beschwerdegerichts - soweit für die Rechtsbeschwerdeinstanz
noch von Bedeutung - ist die Beschwerde zulässig, aber
nicht begründet. Die Beschwerde richte sich nicht nach §§ 58 ff. FamFG,
sondern es handele sich um eine sofortige Beschwerde gemäß §§ 567 ff.
ZPO, modifiziert durch §§ 10 f. Internationales Erbrechtsverfahrensgesetz
(im Folgenden: IntErbRVG). Die Beschwerde sei in der Sache zurückzuweisen,
weil die Beteiligte nicht antragsberechtigt sei. Sie sei nicht Partei
bzw. Beteiligte des Verfahrens oder deren Vertreter, sondern werde als
für die Erteilung eines ENZ zuständige polnische Behörde tätig, welche
die beantragte Bescheinigung für die Erfüllung ihrer Amtsgeschäfte benötige.
Aus Art. 47 EuErbVO folge, dass die Bescheinigung vom Antragsteller
des Anerkennungsverfahrens im Vollstreckungsmitgliedsstaat vorzulegen
sei. Das sei jedenfalls nicht das für das dortige Verfahren zuständige
Gericht bzw. die dort sonst befugte Stelle. Auch aus dem Recht der Bundesrepublik
Deutschland ergebe sich nicht, dass das zuständige Gericht
des Vollstreckungsmitgliedsstaates im eigenen Namen die Erteilung der
Bescheinigung beantragen dürfe. Aus Art. 66 EuErbVO folge ebenfalls
nichts anderes. Ob die beantragte Bescheinigung gemäß Formblatt 1 oder
nicht eher nach Formblatt 2 zur DurchführungsVO zu erteilen wäre, könne
offenbleiben.

III. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig.

a) Sie ist aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht insgesamt
statthaft.

aa) Allerdings ist die Rechtsbeschwerde nur eröffnet, wenn zuvor
die eingelegte Beschwerde statthaft war. Ist dies nicht der Fall, ist eine
gegen die Beschwerdeentscheidung eingelegte Rechtsbeschwerde selbst
dann unstatthaft, wenn das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. War
die Beschwerde unstatthaft, fehlt es für das Verfahren vor dem Rechtsbeschwerdegericht
an einer Grundlage. Ein für den Beschwerdeführer vom
Gesetz nicht vorgesehener Rechtsmittelzug kann auch durch eine Fehlentscheidung
des ersten Rechtsmittelgerichts nicht eröffnet werden. Die
Statthaftigkeit der Beschwerde hat das Rechtsbeschwerdegericht von
Amts wegen zu prüfen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. September 2022
- IV ZB 34/21, ErbR 2023, 38 Rn. 13 m.w.N.).

bb) Im Streitfall ist die Rechtsbeschwerde eröffnet.

(1) Dahinstehen kann hier, ob gegen die Entscheidung des Amtsgerichts
- entsprechend dem mit § 58 Abs. 1 FamFG und § 64 Abs. 1 Satz 1
FamFG übereinstimmenden Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung im Zurückweisungsbeschluss
und dem Verweis auf § 68 FamFG im Nichtabhilfebeschluss
- die Beschwerde nach §§ 58 ff. FamFG oder, wie es das Beschwerdegericht
angenommen hat, die sofortige Beschwerde gemäß
§§ 567 ff. ZPO statthaft war. Nach dem sogenannten Grundsatz der Meistbegünstigung
dürfen die Prozessparteien dadurch, dass das Gericht seine
Entscheidung in einer falschen Form erlässt, keinen Rechtsnachteil erleiden.
Ihnen steht deshalb sowohl das Rechtsmittel zu, das nach der Art der
tatsächlich ergangenen Entscheidung statthaft ist, als auch das Rechtsmittel,
das bei einer in der richtigen Form erlassenen Entscheidung zulässig
wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Februar 2018 - XII ZR 87/17, NJWRR
2018, 451 Rn. 13 m.w.N.). Der Grundsatz der Meistbegünstigung führt
allerdings nicht dazu, dass das Rechtsmittelgericht auf dem vom erstinstanzlichen
Gericht eingeschlagenen falschen Weg weitergehen müsste;
vielmehr hat das Rechtsmittelgericht das Verfahren so weiter zu betreiben,
wie dies im Falle einer formell richtigen Entscheidung durch die Vorinstanz
und des danach gegebenen Rechtsmittels geschehen wäre (vgl. Senatsbeschluss
vom 14. September 2022 - IV ZB 34/21, ErbR 2023, 38 Rn. 14
m.w.N.).

(2) Hier hat das Amtsgericht den Antrag auf Ausstellung einer
Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO zurückgewiesen
unter Hinweis auf das Rechtsmittel der Beschwerde. Im Ergebnis zutreffend
hat das Beschwerdegericht hiergegen die sofortige Beschwerde nach
§ 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO als statthaft angesehen (vgl. OLG Köln ErbR 2022,
509 unter II [juris Rn. 6]; MünchKomm-FamFG/Rauscher, 3. Aufl. § 27
IntErbRVG Rn. 3; Dutta/Weber/Dutta, Internationales Erbrecht 2. Aufl.
§ 27 IntErbRVG Rn. 2; wohl auch Gierl in Gierl/Köhler/Kroiß/Wilsch,
Internationales Erbrecht 3. Aufl. § 2 Anerkennung und Vollstreckung
ausländischer Titel (§§ 3 bis 30 IntErbRVG) Rn. 151; a.A. Hüßtege/
Mansel/Makowsky, BGB, Rom-Verordnungen - EuErbVO-HUP 3. Aufl.
§ 27 IntErbRVG Rn. 4: "Beschwerde").

Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts folgte die Statthaftigkeit
allerdings nicht aus §§ 10 f. IntErbRVG und einem Verständnis der
dort vorgesehenen Beschwerde als sofortige Beschwerde. Für die Anfechtbarkeit
der Entscheidung des Amtsgerichts gelten gemäß § 27 Abs. 2
Satz 3 IntErbRVG die Vorschriften über die Anfechtbarkeit der Entscheidung
über die Erteilung der Vollstreckungsklausel entsprechend. Die Auslegung
von § 27 Abs. 2 Satz 3 IntErbRVG ergibt, dass mit diesen Vorschriften
nicht die Regelungen zur Beschwerde nach §§ 10 f. IntErbRVG
gemeint sind, sondern die über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über
eine Vollstreckungsklausel gemäß §§ 724 ff. ZPO (vgl. OLG Köln aaO;
MünchKomm-FamFG/Rauscher, 3. Aufl. aaO; Dutta/Weber/Dutta, Internationales
Erbrecht 2. Aufl. aaO), hier also die sofortige Beschwerde gegen
die Nichterteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung durch einen Rechtspfleger
des Gerichts erster Instanz, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, § 11 Abs. 1
RPflG (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB 46/18, NJW-RR
2020, 934 Rn. 9; OLG Köln aaO).

Zwar ist § 27 IntErbVG ebenso in Abschnitt 3 des IntErbRVG über
die Zulassung der Zwangsvollstreckung aus ausländischen Titeln und die
Anerkennungsfeststellung geregelt wie § 10 IntErbRVG. Die Bescheinigung
nach § 27 IntErbRVG bezieht sich aber - schon nach dessen amtlicher
Überschrift und der Bezeichnung des Unterabschnitts 6 in Abschnitt 3
- anders als die
Vollstreckbarerklärung gemäß §§ 3 ff. IntErbRVG auf inländische Titel,
wie das Beschwerdegericht selbst erkannt hat. Die "Entscheidung über die
Erteilung der Vollstreckungsklausel" bei solchen Titeln bestimmt sich - wie
§ 27 Abs. 3 IntErbRVG zeigt - nach § 724 ZPO. Da die Bescheinigung
ebenso wie die Vollstreckungsklausel die Funktion hat, Bestand und Vollstreckbarkeit
des Titels zu dokumentieren, regelt § 27 Abs. 1 IntErbRVG
die Zuständigkeit für die Erteilung der Bescheinigung entsprechend der für
die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung (vgl. BT-Drucks. 18/4201,
S. 46). Nach § 27 Abs. 2 Satz 3 IntErbRVG gelten auch für die Anfechtbarkeit
der Entscheidung über die Ausstellung der Bescheinigung die Vorschriften
über die Anfechtbarkeit der Entscheidung über die Erteilung der
Vollstreckungsklausel entsprechend. Die Ansicht des Beschwerdegerichts,
in dieser Regelung fehle anders als in § 27 Abs. 3 IntErbRVG ein
ausdrücklicher Verweis auf ein anderes anzuwendendes Gesetz, ist schon
deshalb nicht zutreffend, weil sich die Anfechtbarkeit nach § 27 Abs. 2
Satz 3 IntErbRVG - wie hier gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO und § 11
RPflG - aus mehreren Gesetzen ergeben kann.

b) Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der den Senat bindenden
Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig.

Die Rechtsbeschwerde ist nach zutreffender Ansicht der Beschwerdebegründung
auch unbeschränkt zugelassen worden. Soweit das Beschwerdegericht
zur Zulassung ausgeführt hat, dass die Bestimmung des
richtigen Rechtsmittels nach nationalem Recht grundsätzliche Bedeutung
im Hinblick auf den gesetzlichen Richter habe und das Interesse an einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
erfordere, weil die nationalen Gerichte die Frage der Erteilung
einer Bescheinigung nach Formblatt 1 unterschiedlich handhaben, liegen
darin lediglich Begründungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde
(vgl. Senatsurteil vom 31. März 2021 - IV ZR 221/19, BGHZ 229, 266
Rn. 19).

2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Das Beschwerdegericht
hat ohne Rechtsfehler ein Recht der Beteiligten auf Erteilung einer
Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO verneint.

a) Ein solches Recht ergibt sich nicht aus der EuErbVO.

aa) Die einheitliche Anwendung des Unionsrechts und der Gleichheitssatz
verlangen, dass die Begriffe einer unionsrechtlichen Vorschrift,
die für die Ermittlung ihres Sinns und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich
auf das Recht der Mitgliedsstaaten verweist, in der Regel in der gesamten
Union autonom und einheitlich auszulegen sind, wobei diese Auslegung
unter Berücksichtigung nicht nur des Wortlauts der Bestimmung, sondern
auch ihres Regelungszusammenhangs und des mit ihr verfolgten Zwecks
zu erfolgen hat (EuGH, Urteil vom 23. Mai 2019, WB, C-658/17,
EU:C:2019:444, ZEV 2019, 647 Rn. 50 m.w.N.; Senatsbeschluss vom
24. Februar 2021 - IV ZR 33/20, ZEV 2021, 313 Rn. 18).
bb) Nach diesem Maßstab sprechen bereits der Wortlaut und die
Systematik der EuErbVO gegen ein Antragsrecht der Beteiligten.

(1) Wie die Rechtsbeschwerde zutreffend erkennt, folgt ein Antragsrecht
nicht aus Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO. Soweit danach einem
Antrag eine Bescheinigung, die von dem Gericht oder der zuständigen Behörde
des Ursprungsmitgliedsstaats unter Verwendung des Formblatts
ausgestellt wurde, beizufügen ist, regelt dies nicht das Recht auf Erteilung
dieser Bescheinigung selbst.

(2) Ein Antragsrecht ergibt sich auch nicht daraus, dass es sich bei
dem Antrag nach Art. 46 EuErbVO gemäß der Verweisung in Art. 39
Abs. 2 EuErbVO auf das Verfahren nach den Art. 45 bis 58 EuErbVO um
den Antrag einer Partei handelt, welche die Anerkennung einer in einem
Mitgliedsstaat ergangenen Entscheidung in einem anderen Mitgliedsstaat
geltend macht. Die Beteiligte begehrt keine Anerkennung des Erbscheins
in Polen durch ein Gericht oder eine andere nach Art. 45 Abs. 1 EuErbVO
zuständige Behörde. Soweit sie geltend macht, sie entscheide gemäß
Art. 39 Abs. 3 EuErbVO selbst inzident über die Anerkennung, kommt es
nicht darauf an, ob überhaupt ein "Rechtsstreit" im Sinne dieser Regelung
vorliegt und die Beteiligte, wie die Rechtsbeschwerde vorträgt, in diesem
Zusammenhang als "Gericht" tätig wird. Jedenfalls muss die Anerkennung,
über welche die Beteiligte entscheiden würde, auf Antrag eines Beteiligten
des jeweiligen Verfahrens auf Anerkennung der Entscheidung oder Erteilung
der Vollstreckbarerklärung gestellt werden, das heißt von einer dritten
Person, nicht aber auf einen im eigenen Namen gestellten Antrag der über
das Anerkennungsverfahren entscheidenden Stelle (vgl. Art. 39 Abs. 3
EuErbVO; vgl. auch OLG Köln ErbR 2022, 509 unter II [juris Rn. 10]).

(3) Da hier schon kein Verfahren gemäß Art. 45 bis 58 EuErbVO
vorliegt, kann sich entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde auch kein
Antragsrecht der Beteiligten aus dem nach Art. 46 Abs. 1 EuErbVO für das
Verfahren der Antragstellung maßgebenden Recht des Vollstreckungsmitgliedsstaates,
das heißt hier dem polnischen Recht, ergeben. Zudem wäre
gemäß Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO nur die Beifügung des vom Gericht
oder der zuständigen Behörde des Ursprungsmitgliedsstaates ausgestellten
Formblatts Bestandteil dieses Verfahrens, nicht aber die Ausstellung
dieses Formblatts selbst.

(4) Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde folgt ein Recht der
Beteiligten auf Erteilung der beantragten Bescheinigung auch weder aus
Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO noch aus Art. 66 Abs. 5 EuErbVO.
Offenbleiben kann im Streitfall, ob die Durchführung eines Verfahrens
zur Ausstellung eines ENZ überhaupt ein Recht auf Erteilung einer
Bescheinigung nach Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO begründet.
Jedenfalls ergibt sich weder aus Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO noch aus
Art. 66 Abs. 5 EuErbVO ein eigenes Recht der Beteiligten auf Erteilung
der beantragten Bescheinigung.

(a) Gemäß Art. 66 Abs. 1 Satz 1 EuErbVO überprüft die Ausstellungsbehörde,
das heißt hier die Beteiligte, von Amts wegen die für die
Überprüfung der vom Antragsteller des ENZ übermittelten Angaben,
Erklärungen, Schriftstücke und sonstigen Nachweise und führt nach
Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO die erforderlichen Nachforschungen durch,
soweit ihr eigenes Recht dies vorsieht oder zulässt, oder fordert den Antragsteller
auf, weitere Nachweise vorzulegen, die sie für erforderlich erachtet.
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde handelt es sich bei
der beantragten Bescheinigung nicht um einen Nachweis zum Erbrecht
der Erblasserin, deren Erteilung die Beteiligte aufgrund ihres Rechts zur
Nachforschung von Amts wegen fordern könnte. Selbst wenn unter "Nachforschung"
bei weiter Auslegung des Wortlauts der Vorschrift auch das
Recht auf Erteilung einer Bescheinigung zu verstehen wäre, verwendet die
EuErbVO diesen Begriff nicht in diesem Sinne. Art. 47 EuErbVO regelt die
Folgen der Nichtvorlage einer Bescheinigung - nach Art. 46 Abs. 3
Buchst. b) EuErbVO - im Einzelnen. Gemäß Art. 47 Abs. 1 EuErbVO kann
das Gericht oder die sonst befugte Stelle nicht selbst die Erteilung einer
Bescheinigung verlangen, sondern lediglich eine Frist bestimmen, innerhalb
derer die Bescheinigung vorzulegen ist. Es ist nicht ersichtlich, dass
der Beteiligten trotz dieser ausdrücklichen gegenteiligen Regelung nach
Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO weitergehende Befugnisse zustehen sollen,
und zwar sogar gegenüber dem Gericht des Ursprungsmitgliedsstaates.
Dagegen spricht insbesondere auch, dass die Rechte der Ausstellungsbehörde
gegenüber den zuständigen Behörden eines anderen Mitgliedsstaates
nach Art. 66 EuErbVO explizit in dessen Abs. 5 geregelt
sind.

Ob ein Antragsrecht der Beteiligten aus Art. 66 Abs. 1 Satz 2
EuErbVO auch deshalb zu verneinen ist, weil sie - wie das Beschwerdegericht
angenommen hat - nicht dargetan hat, dass ihr das polnische
Recht entsprechende Nachforschungen auferlegt, bedarf keiner Entscheidung.

(b) Gemäß Art. 66 Abs. 5 EuErbVO stellt die zuständige Behörde
eines Mitgliedsstaates der Ausstellungsbehörde eines anderen Mitgliedsstaates
"für die Zwecke dieses Artikels" auf Ersuchen, soweit sie innerstaatlich
hierzu befugt ist, die Angaben zur Verfügung, die insbesondere
im Grundbuch, in Personenstandsregistern und in Registern enthalten
sind, in denen Urkunden oder Tatsachen erfasst werden, die unter anderem
für die Rechtsnachfolge von Todes wegen erheblich sind. Anders als
die Rechtsbeschwerde meint, folgt aus der nur beispielhaften Aufzählung
in dieser Regelung ("insbesondere") ebenfalls kein eigenes Antragsrecht
der Beteiligten. Auch in dieser Vorschrift wird der Begriff "Bescheinigung"
anders als in sonstigen Artikeln der EuErbVO nicht ausdrücklich verwendet.
Erneut ist - wie schon im Hinblick auf Art. 66 Abs. 1 Satz 2 EuErbVO -
nicht ersichtlich, warum der Beteiligten mehr Rechte in Bezug auf die Vorlage
einer Bescheinigung zustehen sollen als nach Art. 47 Abs. 1
EuErbVO vorgesehen. Jedenfalls hat das Beschwerdegericht die beantragte
Bescheinigung zu Recht schon nicht als vom Wortlaut der Regelung
umfasst angesehen. Die Bescheinigung als solche ist keine Angabe, "die
insbesondere im Grundbuch, in Personenstandsregistern und in Registern
enthalten" ist (vgl. Art. 66 Abs. 5 EuErbVO). Während sich der von ihr gemäß
Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO umfasste Inhalt zudem auf
ein konkretes Verfahren, nach Ansicht der Rechtsbeschwerde hier eine
Entscheidung nach Art. 39 Abs. 1 EuErbVO bezieht, ist dieses bei den Angaben
in einem Grundbuch, in Personenstandsregistern und Registern sowie
vergleichbaren Quellen nicht der Fall. Diese ermöglichen erst die
Durchführung eines Verfahrens, hier das der Ausstellung eines ENZ.
Darauf, ob der Antrag auf Erteilung der Bescheinigung im Übrigen
- wie es das Beschwerdegericht gemeint hat - nicht beim Nachlassgericht,
sondern bei der Gerichtsverwaltung zu stellen gewesen wäre, weil die Beteiligte
Amtshilfe in Anspruch habe nehmen wollen, kommt es im Streitfall
nicht an.

cc) Der mit den Vorschriften über die Erteilung einer Bescheinigung
über eine Entscheidung in einer Erbsache gemäß Art. 1 Abs. 1, Anhang 1
DurchführungsVO verfolgte Zweck spricht ebenfalls gegen ein Antragsrecht
der Beteiligten. Ziel der EuErbVO, darunter auch der Regelungen
über die gegenseitige Anerkennung ergangener Entscheidungen in Erbsachen,
ist es, Hindernisse für den freien Verkehr von Personen, denen die
Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem
Bezug Schwierigkeiten bereitet, auszuräumen. Den
Bürgern soll es in einem europäischen Rechtsraum möglich sein, ihren
Nachlass im Voraus zu regeln. Die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer
sowie der anderen Personen, die dem Erblasser nahestehen, und
der Nachlassgläubiger sollen effektiv gewahrt werden (vgl. Erwägungsgründe
7, 8 und 59 EuErbVO). Für eine zügige, unkomplizierte und effizi-
ente Abwicklung einer Erbsache sollen Erben, Vermächtnisnehmer, Testamentsvollstrecker
oder Nachlassverwalter in der Lage sein, ihren Status
und/oder ihre Rechte und Befugnisse in einem anderen Mitgliedstaat
einfach nachzuweisen (vgl. Erwägungsgrund 67 EuErbVO; EuGH, Urteil
vom 16. Juli 2020, C-80/19, EU:C:2020:569, ErbR 2020, 710 Rn. 35).
Die Beteiligte zählt nicht zu dem genannten Personenkreis und verfolgt
keine eigenen Rechte im Zusammenhang mit dem Ableben der Erblasserin.
Selbst wenn angenommen wird, dass die Durchführung eines
Verfahrens auf Ausstellung eines ENZ ein Recht auf Erteilung einer
Bescheinigung nach Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO begründet,
wäre eine zügige und unkomplizierte Abwicklung der Erbsache auch
dadurch möglich, dass die nach Art. 65 Abs. 1 EuErbVO in Verbindung mit
Art. 63 Abs. 1 EuErbVO zum Antrag eines ENZ berechtigte Person zugleich
die Erteilung dieser Bescheinigung beantragt. Entgegen der Ansicht
der Rechtsbeschwerde folgt ein Antragsrecht auch nicht aus Erwägungsgrund
21 Satz 1 EuErbVO. Soweit es danach allen für Erbsachen in den
Mitgliedsstaaten zuständigen Notaren ermöglicht werden soll, diese Zuständigkeit
auszuüben, ergibt sich daraus keine Aussage zu ihren Befugnissen,
sondern - wie die Erwägungsgründe 20 bis 22 EuErbVO zeigen -
nur zu ihrer Zuständigkeit und Bindung an die Zuständigkeitsregeln der
EuErbVO.

dd) Der Senat hat keine Veranlassung, den Gerichtshof der Europäischen
Union gemäß Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV um eine Vorabentscheidung
zu ersuchen. Es liegt ein sogenannter "acte clair" vor, der eine Vorlagepflicht
ausschließt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982, CILFIT,
C-283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 16; Senatsurteil vom 30. November 2022
- IV ZR 143/21, VersR 2023, 178 Rn. 24 m.w.N.; BGH, Urteil vom 24. Februar
2021 - VIII ZR 36/20, BGHZ 229, 59 Rn. 22 m.w.N.; BVerfG NJW
2022, 2828 Rn. 13). Dass die Beteiligte jedenfalls selbst nicht die beantragte
Erteilung einer Bescheinigung verlangen kann, ist derart offenkundig,
dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt.

b) Nach zutreffender Ansicht des Beschwerdegerichts folgt ein Antragsrecht
der Beteiligten schließlich auch nicht aus deutschem Recht,
insbesondere § 27 IntErbRVG. Diese Vorschrift regelt die Berechtigung zu
einem Antrag auf Erteilung einer Bescheinigung nach Art. 46 Abs. 3
Buchst. b) EuErbVO nicht. Ob das Beschwerdegericht im Hinblick auf § 28
IntErbRVG zutreffend davon ausgegangen ist, dass auch der Antrag nach
§ 27 IntErbRVG nur durch eine Partei des Ausgangsverfahrens gestellt
werden kann, braucht hier nicht entschieden zu werden. Den Regelungen
zum ENZ in §§ 33 bis 44 IntErbRVG lässt sich ebenfalls kein Antragsrecht
der Beteiligten entnehmen.

c) Da das Beschwerdegericht rechtsfehlerfrei ein eigenes Antragsrecht
der Beteiligten abgelehnt hat, konnte es offenlassen, ob es sich bei
dem vom Nachlassgericht erteilten Erbschein um eine Entscheidung
gemäß Art. 46 Abs. 3 Buchst. b) EuErbVO, Art. 1 Abs. 1, Anhang 1 DurchführungsVO
handelt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

29.03.2023

Aktenzeichen:

IV ZB 20/22

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Erschienen in:

Zerb 2023, 218-221

Normen in Titel:

EuErbVO Art. 46 Abs. 3