Testamentsvollstreckerzeugnis; Vermutung fehlender Abweichung vom gesetzlichen Umfang der Befugnisse des Testamentsvollstreckers
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 9.12.2015
OLG München, 16.11.2015 - 34 Wx 178/15
BGB §§ 2205, 2208, 2216, 2217, 2368;
Testamentsvollstreckerzeugnis; Vermutung fehlender Abweichung vom gesetzlichen Umfang
der Befugnisse des Testamentsvollstreckers
Sind im Testamentsvollstreckerzeugnis keine Abweichungen vom gesetzlichen Umfang der
Befugnisse angegeben, hat das Grundbuchamt in aller Regel ohne eigene Sachprüfung davon
auszugehen, dass Einschränkungen der gesetzlichen Verfügungsbefugnis des
Testamentsvollstreckers nicht bestehen.
Gründe
I.
Im Grundbuch ist Anna B. aufgrund Erbscheins als Eigentümerin eines Miteigentumsanteils, verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung, eingetragen. Anna B. ist am 17.7.2014 verstorben und wurde laut Erbschein vom 28.10.2014 beerbt von dem Beteiligten zu 1 und der Beteiligten zu 2 zu je 1/2. Zum Testamentsvollstrecker über den Nachlass der Anna B. wurde der Beteiligte zu 3 ernannt.
Zu notarieller Urkunde vom 18.12.2014 setzten die Beteiligten zu 1 und 2, vertreten durch den Beteiligten zu 3, die zwischen ihnen bestehende Erbengemeinschaft nach Anna B. (teilweise) auseinander, indem sie Grundbesitz der Erbmasse untereinander verteilten. Die gegenständliche Wohnung wiesen sie dem Beteiligten zu 1 zu (Abschnitt 1.2.5. der Urkunde). Die Beteiligten erklärten urkundlich, die Auseinandersetzung erfolge teilweise in Erfüllung der in der letztwilligen Verfügung vom 10.12.1999 bestimmten Vermächtnisse. Die Erfüllung der übrigen Vermächtnisse sei nicht gewünscht. An deren Stelle solle die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft in der beurkundeten Weise treten. Sie gaben an, sämtliche in der letztwilligen Verfügung berufenen Nachvermächtnisnehmer und deren Ersatznachvermächtnisnehmer hätten ihre Vermächtnisansprüche schriftlich ausgeschlagen (Abschnitt 2.3.).
Die Urkunde enthält sodann die Erklärung, der Beteiligte zu 3 entlasse bestimmte „heute auseinandergesetzte Nachlassgegenstände“, unter anderem die gegenständliche Immobilie, „hiermit aus der Testamentsvollstreckung“ (Abschnitt 6.1.).
Die Beteiligten erklärten die Einigung über den Eigentumsübergang. Sie bewilligten und beantragten die Eintragung der Auflassung im Grundbuch ohne Zwischeneintrag der Erbengemeinschaft sowie des Testamentsvollstreckervermerks.
Testamentsvollstreckerzeugnis und Erbschein wurden je in Ausfertigung dem Grundbuchamt vorgelegt. Dieses erlangte nach Einsicht in die nicht bei demselben Amtsgericht geführten Nachlassakten Kenntnis vom Inhalt des am 10.12.1999 privatschriftlich errichteten gemeinschaftlichen Testaments der Anna B. und ihres vorverstorbenen Ehemannes. Darin hatten die Eheleute für den Schlusserbfall die Beteiligten zu 1 und 2 als Erben zu gleichen Teilen eingesetzt und unter anderem verfügt, dass die Beteiligte zu 2 die gegenständliche Wohnung als Vorausvermächtnis erhalte. Insoweit sei sie nicht befreite Vorvermächtnisnehmerin. Zu Nachvermächtnisnehmern wurden deren Abkömmlinge zu gleichen Teilen eingesetzt. Für den Schlusserbfall wurde Testamentsvollstreckung angeordnet.
Mit fristsetzender Zwischenverfügung vom 12.5.2015 hat das Grundbuchamt beanstandet, dass die Art und Weise der Erbauseinandersetzung hinsichtlich des gegenständlichen Grundbesitzes im Widerspruch stehe zu der in der letztwilligen Verfügung getroffenen und die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers beschränkenden Bestimmung. Die Auflassung bedürfe zu ihrer Wirksamkeit deshalb zusätzlich zur Zustimmung der beiden Erben auch der der Nachvermächtnisnehmer sowie eines noch zu bestellenden Ergänzungspflegers für die unbekannten Nachvermächtnisnehmer nebst betreuungsgerichtlicher Genehmigung. Letzteres gelte auch für die Entlassung des Grundbesitzes aus der Testamentsvollstreckung.
Hiergegen wendet sich die vom Urkundsnotar eingelegte Beschwerde, mit der vorgetragen wird, testamentarische Weisungen des Erblassers gegenüber dem Testamentsvollstrecker hätten nur im Innenverhältnis schuldrechtliche Wirkung, würden jedoch die Rechtsmacht des Testamentsvollstreckers im Außenverhältnis nicht einschränken.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II.
Das Rechtsmittel hat Erfolg und führt zur Aufhebung der Zwischenverfügung.
1. Gegen die ergangene Zwischenverfügung (
2. Auf die Beschwerde ist die Zwischenverfügung aufzuheben, denn die Eintragung darf nicht von der Behebung der dort aufgezeigten Hindernisse abhängig gemacht werden.
a) Gemäß
Zum Nachweis ist regelmäßig die Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlich, § 35 Abs. 2 Halbs. 1 GBO (Demharter § 35 Rn. 57, 59, 61 sowie § 52 Rn. 19), aber auch ausreichend. Ist ein Testamentsvollstreckerzeugnis erteilt, wird im Grundbucheintragungsverfahren die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers allein durch das Zeugnis nachgewiesen. Auch Beschränkungen seiner Verfügungsbefugnis infolge von Anordnungen des Erblassers (§§ 2208 bis 2210, §§ 2222 bis 2224 Abs. 1 Satz 3 BGB) ergeben sich aus dem Zeugnis, denn im Gegensatz zu nur schuldrechtlich bindenden Verwaltungsanordnungen (vgl.
Sind im Testamentsvollstreckerzeugnis jedoch - wie hier - keine Abweichungen vom gesetzlichen Umfang der Befugnisse (§§ 2203 bis 2206 BGB) angegeben, hat das Grundbuchamt in der Regel vom Nichtbestehen solcher Einschränkungen und somit von der gesetzlichen Verfügungsbefugnis gemäß
b) Eine Ausnahme gilt allerdings, wenn dem Grundbuchamt konkrete, vom Nachlassgericht nicht berücksichtigte Tatsachen bekannt sind, welche die Unrichtigkeit des Zeugnisses erweisen und demzufolge seine Einziehung,
Ein solcher Ausnahmefall, in dem Rücksprache mit dem Nachlassgericht zu nehmen wäre, liegt hier jedoch nicht vor. Testamentarische Anordnungen des Erblassers in Bezug auf die Verwaltung des Nachlasses können zwar mit dinglicher und dann die Verfügungsbefugnis des Testamentsvollstreckers beschränkender Wirkung erfolgen,
c) Die Einsetzung von Nachvermächtnisnehmern,
d) Für einen Missbrauch der dem Testamentsvollstrecker eingeräumten Rechtsmacht (vgl. Staudinger/Reimann § 2205 Rn. 85; MüKo/Zimmermann § 2205 Rn. 68) ergeben sich aus dem beurkundeten Rechtsgeschäft keine Anhaltspunkte. Sie folgen insbesondere nicht schon daraus, dass sich die Zuordnung der Nachlassgegenstände nicht vollständig mit den letztwilligen Anordnungen deckt.
e) Zudem kann der Testamentsvollstrecker mit Zustimmung aller Erben (und etwaiger Nacherben) über einen zum Nachlass gehörenden Gegenstand selbst dann wirksam verfügen, wenn damit einer anderslautenden Erblasseranordnung widersprochen wird (BGHZ 40, 115/119; BGH NJW 1984, 2464; Rpfleger 1971, 349). Der Zustimmung von Vermächtnisnehmern, die gemäß
Zusätzlich zum Testamentsvollstreckerzeugnis dürfen deshalb weitere Nachweise für die Wirksamkeit der Eintragungsbewilligung nicht verlangt werden (Schöner/Stöber Rn. 3463 f.).
2. Ein Testamentsvollstreckervermerk ist im Grundbuch nicht einzutragen, weil dessen Eintragung das Grundbuch unrichtig machen würde.
Gibt ein Testamentsvollstrecker nach Amtsantritt ein Nachlassgrundstück gemäß
Die Freigabeerklärung als einseitiges abstrakt dingliches Rechtsgeschäft kommt durch empfangsbedürftige Willenserklärung des Testamentsvollstreckers zustande (Senat vom 27.5.2011, 34 Wx 93/11 = FGPrax 2011, 228 f.; OLG Frankfurt MittBayNot 2007, 511/512; Palandt/Weidlich § 2217 Rn. 5). Die zu notarieller Urkunde abgegebene Erklärung des Testamentsvollstreckers, hiermit die gegenständliche Immobilie aus der Testamentsvollstreckung zu entlassen, kann nur als Freigabeerklärung verstanden werden, wenngleich sie weder diesen Begriff verwendet noch gar die gesetzliche Norm nennt. An der Überlassung dieses Nachlassgegenstands an den Beteiligten zu 1 kann angesichts der verlautbarten Erklärung kein Zweifel bestehen.
Die Freigabebefugnis des Testamentsvollstreckers ist ausweislich des Testamentsvollstreckerzeugnisses, § 2368 Abs. 3 i. V. m.
III.
Eine Kostenentscheidung und die Festsetzung des Geschäftswerts sind nicht veranlasst.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:16.11.2015
Aktenzeichen:34 Wx 178/15
Rechtsgebiete:
Testamentsvollstreckung
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Grundbuchrecht
BGB §§ 2205, 2208, 2216, 2217, 2368; GBO § 35 Abs. 2