Hemmung der Verjährung bei Fiskalerbschaft
letzte Aktualisierung: 7.1.2021
LG Freiburg, Beschl. v. 14.10.2020 – 4 T 135/20
BGB §§ 211, 1964 Abs. 2, 1966
Hemmung der Verjährung bei Fiskalerbschaft
1. Der Gesetzgeber hat lediglich den Fall der Annahme der Erbschaft geregelt, nicht aber den Fall
der Feststellung einer Fiskalerbschaft nach
2. Die Interessenlage eines Nachlassgläubigers ist vergleichbar. Die durch
Ablaufhemmung soll den Gläubiger vor solchen Verzögerungen bewahren, die sich aus der
Notwendigkeit der Feststellung von Erben ergeben.
3. Wird aber kein Erbe festgestellt und - aus welchen Gründen auch immer - kein Nachlasspfleger
bestellt, sondern endet die Erbenermittlung mit der Feststellung der Fiskalerbschaft nach § 1964
BGB, kann der Gläubiger bis zu diesem Zeitpunkt seine Forderungen gegen den Nachlass nicht
durchsetzen und auch keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergreifen.
4. Die durch
BGB. Wie
Hier wie dort wird der Eintritt der Verjährung im Umfang der Ablaufhemmung hinausgeschoben.
Auch wenn die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen sein sollte, tritt die
Verjährung erst ein, wenn sechs Monate nach dem Zeitpunkt verstrichen sind, in dem die
„Handlungsfähigkeit“ des Nachlasses wiederhergestellt ist.
5. Die Möglichkeit der Staatskasse, beim Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB
zu beantragen, schließt die analoge Anwendung von
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 3) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Staufen
im Breisgau vom 28.04.2020, mit welchem das Amtsgericht die Erinnerung des Beteiligten zu 3) gegen
mehrere Kostenansätze, mit denen die Jahresgebühr für 2013 (AS IV), 2014 und 2015 (AS V) bei dem
Beteiligten erhoben wurde, zurückgewiesen hat.
Für die Betroffene war seit dem 13.08.2009 (AS 47) eine rechtliche Betreuung mit den Aufgabenkreisen
Vermögen, Gesundheit, Aufenthaltsbestimmung, Entgegennahme und Öffnen der offensichtlich nicht
privaten Post und Organisation ambulanter Hilfen angeordnet. Mit Beschluss vom 05.02.2013 wurde die
Betreuung auf den Aufgabenkreis der Wohnungsangelegenheiten erweitert und ein neuer Betreuer
bestellt.
Am 15.05.2015 verstarb die Betroffene. Mit Beschluss des Amtsgerichts Freiburg - Nachlassgericht - vom
02.10.2017 wurde Fiskalerbschaft des Landes Baden-Württemberg, vertreten durch den Beteiligten zu 3) -
festgestellt und mit Beschluss des Nachlassgerichts vom 11.05.2018 (AS 585 ff.) diese Feststellung
beschränkt auf den in Deutschland belegenen Nachlass, da Nachlassspaltung mit Blick auf in Frankreich
belegenen Grundbesitz eingetreten sei.
Das Amtsgericht erstellte für die Jahre 2013 bis 2015 zwei Kostenansätze vom 17.12.2019 (AS IV und V)
und stellte dem Beteiligten zu 3) insgesamt Kosten von 50 € (Kostenrechnung für 2013; AS IV a) und
2.536,92 € (AS Va) in Rechnung. Mit Fax-Schreiben vom 03.04.2018 (AS 573) wurde die Rechnung dem
Amt für Vermögen und Bau übersandt, das hierauf mit Schreiben vom 06.04.2018 (AS 581) geantwortet
hat.
Mit Schreiben vom 14.02.2020 (AS 615) hat der Beteiligte zu 3) gegen diese Kostenansätze Erinnerung
eingelegt und im Wesentlichen damit begründet, dass er nur Erbe der beweglichen Sachen in
Deutschland geworden sei, nicht aber des Grundstücks in Frankreich und der Nachlass demgemäß
mittellos sei.
Mit Schreiben vom 12.03.2020 (AS 619) hat die Staatskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor beim
Landgericht Freiburg, die Zurückweisung der Erinnerung beantragt und im Wesentlichen ausgeführt, die
beschränkte Erbenhaftung könne nicht im Kostenerinnerungsverfahren geltend gemacht werden.
Mit Beschluss vom 28.04.2020 (AS 621) hat das Amtsgericht die Erinnerung der Beteiligten zu 3)
zurückgewiesen und sich die Begründung des Bezirksrevisors zu eigen gemacht.
Mit zunächst an die Landesoberkasse adressiertem Schreiben hat der Beteiligte zu 3) Beschwerde
eingelegt, die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses erhoben und sich hinsichtlich der Kostenrechnung
vom 18.12.2019 für das Jahr 2013 (AS IVa) auf die Einrede der Verjährung berufen. Mit Schreiben vom
08.07.2020 (AS 647) hat der Beteiligte zu 3) auf Nachfrage des Amtsgerichts klarstellend gegen den
Beschluss vom 28.04.2020 Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht mit Beschluss vom 09.07.2020
(AS 649) nicht abgeholfen und die Akten der Kammer zur Entscheidung vorgelegt hat.
Die Kammer hat die Staatskasse, vertreten durch den Bezirksrevisor um Stellungnahme zur erhobenen
Verjährungseinrede gebeten, die der Bezirksrevisor am 14.08.2020 abgegeben hat. Der Beteiligte zu 3)
hatte Gelegenheit zur Kenntnis- und Stellungnahme.
Wegen des Verfahrensgangs im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Kostenansätze sind rechtmäßig und verletzten den
Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten. Die erhobenen Einwendungen des Beteiligten zu 3) greifen
nicht durch.
1)
Die Festsetzung der Jahresgebühr für das Jahr 2013 richtet sich gemäß
§ 92 KostO in der Fassung bis 31.07.2013. Die Gebühr wurde nach § 92 Abs. 1 Satz 6 KostO am
01.01.2013 fällig. Inhaltliche Einwendungen gegen die Richtigkeit der Kostenrechnung werden nicht
erhoben und sie sind auch nicht ersichtlich.
2)
Erfolglos erhebt der Beteiligte zu 3) die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses. Die Einrede hat das
Amtsgericht zu Recht nicht berücksichtigt. Mit der Erinnerung können grundsätzlich nur Verletzungen des
Kostenrechts oder solche Einwendungen gerügt werden, die nach Maßgabe von § 8 Abs. 1 Satz 1 JBeitrG
im Erinnerungswege geltend gemacht werden dürfen. Die Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses hat
ihren Grund jedoch weder im Kostenrecht (BGH, Beschluss vom 13. Januar 2004 – XI ZR 35/01 –, Rn. 2,
juris), noch ist nach § 8 JBeitrG berücksichtigungsfähig.
3)
Die vom Beteiligten erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Die dem Kostenansatz zu Grunde
liegende Gebührenforderung der Staatskasse gegen den Beschwerdeführer ist nicht verjährt.
a)
Zwar konnte der Beteiligte zu 3) die Einrede der Verjährung nach Erlass des Kostenansatzes gemäß § 8
Abs. 1 Satz 1 JBeitrG im Erinnerungswege auch noch im Beschwerdeverfahren erheben (vgl. BeckOK/von
Selle, GNotKG, 30. Ed. 1.6.2020, § 81 Rn. 48). Allerdings hat die Staatskasse dem Beteiligten zu 3) noch
unverjährter Zeit die Kostenrechnung übersandt und dadurch einen Neubeginn der Verjährung nach § 17
Abs. 3 Satz 2, 1. Hs. KostO bewirkt.
b)
Die Verjährung begann abweichend von
Jahresgebühr für das Jahr 2013 (
damit grundsätzlich am 31.12.2016 ab. Allerdings trat Verjährung gemäß § 17 Abs. 3 Satz 1 KostO, § 211
BGB analog in Verbindung mit § 193 BGB analog erst mit Ablauf des 03.04.2018 ein, sodass die am
gleichen Tage per Fax an den Beteiligten zu 3) gerichtete Kostenrechnung noch in unverjährter Zeit
gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2, 1. Hs. KostO zu einem Neubeginn der Verjährung führte.
aa)
Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 KostO sind die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf die Verjährung
anzuwenden, mithin auch die Vorschriften über die Hemmung. Dazu zählt auch
Hamm, Beschluss vom 08. März 2016 – I-15 W 307/15 –, Rn. 5, juris). Der Anwendungsbereich der
Vorschrift ist nicht direkt eröffnet. Denn nach dieser Vorschrift tritt die Verjährung eines Anspruchs, der zu
einem Nachlass gehört oder sich gegen einen Nachlass richtet, nicht vor dem Ablauf von sechs Monaten
nach dem Zeitpunkt ein, in dem die Erbschaft von dem Erben angenommen wird oder von dem an der
Anspruch von einem oder gegen einen Vertreter geltend gemacht werden kann.
Die Vorschrift ist aber analog anzuwenden. Die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung liegen vor.
(1)
Der Gesetzgeber hat lediglich den Fall der Annahme der Erbschaft geregelt, nicht aber den Fall der
Feststellung einer Fiskalerbschaft nach
in
Ansprüchen, die gegen den Nachlass erhoben werden, an den §§ 1959, 2039 BGB vergleichbaren
Erleichterungen der Anspruchsdurchsetzung (vgl. (Staudinger/Peters/Jacoby, BGB, Neubearbeitung 2019,
§ 211 Rn. 6).
(2)
Die Interessenlage eines Nachlassgläubigers ist in beiden Fällen vergleichbar. Die durch
bewirkte Ablaufhemmung soll den Gläubiger vor solchen Verzögerungen bewahren, die sich aus der
Notwendigkeit der Feststellung von Erben ergeben (Erman/Schmidt-Räntsch, BGB, 16. Aufl. 2020, § 211
Rn. 1; Lakkis, in: jurisPK-BGB, 9. Aufl. 2020, § 211 Rn. 1; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB,
Neubearbeitung 2019, § 211 Rn. 1). Der Vorschrift liegt die gesetzliche Wertung zugrunde, dass der
Gläubiger, der sich infolge eines Erbfalls mit einer rechtlichen Unsicherheit hinsichtlich der
Rechtsnachfolge konfrontiert sieht, schutzwürdig ist, solange ihm die Rechtsverfolgung unmöglich oder im
Hinblick auf die Unsicherheit eines nur vorläufigen Erbschaftsanfalls unzumutbar ist (OLG Hamm,
Beschluss vom 08. März 2016 – I-15 W 307/15 –, Rn. 5, juris).
Der Nachlassgläubiger ist nämlich so lange an der Geltendmachung von Forderungen gegen den
Nachlass gehindert, bis ein Erbe die Erbschaft angenommen oder ein Vertreter des Nachlasses bestellt
wurde. Wird aber kein Erbe festgestellt und - aus welchen Gründen auch immer - kein Nachlasspfleger
bestellt, sondern endet die Erbenermittlung mit der Feststellung der Fiskalerbschaft nach
kann der Gläubiger bis zu diesem Zeitpunkt seine Forderungen gegen den Nachlass nicht durchsetzen
und auch keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergreifen. Das ist erst möglich, wenn das
Nachlassgericht nach erfolglosem Versuch der Erbenermittlung einen Beschluss nach
sodass das Erbrecht des Fiskus gemäß § 1964 Abs. 2 BGB widerleglich vermutet wird
(Staudinger/Mešina, BGB, Neubearbeitung 2017, § 1964 Rn. 13). Gemäß
gegen den Fiskus als Erben nämlich erst dann geltend gemacht werden. Vorher ist eine Klage gegen den
Fiskus unzulässig (Erman/J. Schmidt, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1966 Rn. 2). Die Situation des Gläubigers ist
jedenfalls hier wie dort identisch, sodass die analoge Anwendung von
Die Möglichkeit der Staatskasse, beim Nachlassgericht eine Nachlasspflegschaft nach § 1961 BGB zu
beantragen, schließt die analoge Anwendung von
auch, bis ein Erbe die Erbschaft annimmt, ohne dass der Gesetzgeber deswegen die Wirkungen von
Nachlasspflegschaft bereits angeordnet war, liegt hier ausweislich der Nachlassakten nicht vor.
bb)
Die durch
der Eintritt der Verjährung im Umfang der Ablaufhemmung hinausgeschoben. Auch wenn die
Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen sein sollte, tritt die Verjährung erst ein, wenn
sechs Monate nach dem Zeitpunkt verstrichen sind, in dem die „Handlungsfähigkeit“ des Nachlasses
wiederhergestellt ist (Schmidt-Räntsch, in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 211 Rn. 3; im Ergebnis auch
BeckOGK/Meller-Hannich, BGB, 1.9.2020, § 211 Rn. 10: Verjährung könne vor Annahme der Erbschaft
usw. nicht eintreten). Das bedeutet hier, dass Verjährung zwar am 31.12.2016 eingetreten war. Der Tod
der Betroffenen hemmte den Lauf der Verjährungsfrist nicht. Allerdings war die Handlungsfähigkeit des
Nachlasses erst am 02.10.2017 wiederhergestellt, als der Fiskus als Erbe festgestellt wurde. Die
Verjährung trat nach §§ 187, 188 BGB daher sechs Monate nach diesem Zeitpunkt, nämlich am
02.04.2018 ein.
cc)
Gemäß § 193 BGB analog (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 06. Dezember 2007 – III ZR 146/07 –, Rn. 13,
juris) tritt an die Stelle des 02.04.2018, der ein gesetzlicher Feiertag (Ostermontag) war, der 03.04.2018.
Die an diesem Tage veranlasste Überwendung der Kostenrechnung bewirkte gemäß § 17 Abs. 3 Satz 2,
1. Hs. KostO einen Neubeginn der Verjährung.
III.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet, § 81 Abs. 8 GNotKG. Gründe für
die Zulassung der weiteren Beschwerde (
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Freiburg
Erscheinungsdatum:14.10.2020
Aktenzeichen:4 T 135/20
Rechtsgebiete:
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Kostenrecht
Erbengemeinschaft, Erbauseinandersetzung
BGB §§ 211, 1964 Abs. 2, 1966