AG Bad Berleburg 16. Januar 2018
4 VI 261/17
BGB §§ 1960, 2139

Keine Anordnung der Nachlassverwaltung bei nicht feststehender Erbenstellung

letzte Aktualisierung: 7.7.2021
AG Bad Berleburg, Beschl. v. 16.1.2018 – 4 VI 261/17

BGB §§ 1960, 2139
Keine Anordnung der Nachlassverwaltung bei nicht feststehender Erbenstellung

Die Anordnung der Nachlassverwaltung kommt bei nicht feststehender Erbenstellung nicht in
Betracht. Ein Bedürfnis für die Bestellung eines Nachlasspflegers besteht auch dann, wenn der
Vorerbe eine notariell beurkundete Vollmacht erteilt hat, aber der Vorerbe zwischenzeitlich
verstorben ist.

Gründe:

Gemäß § 1981 Abs. 1 BGB ist die Nachlassverwaltung anzuordnen, wenn der Erbe die
Anordnung beantragt.

Der Beteiligte zu 1. hat gemäß § 1981 Abs. 1 BGB mit Schriftsatz vom 31.05.2017 den
Antrag auf Anordnung der Nachlassverwaltung gestellt. Dem Antrag müsste entsprochen
werden, wenn der Beteiligte zu 1. seine Erbenstellung nachgewiesen hätte. Die ist aber
nicht der Fall. Die Vorlage eines Erbscheins ist zwar keine unerlässliche Voraussetzung.
Auch hier gilt das Offizialprinzip des § 26 FamFG.

Dem Landwirtschaftsgericht Bad Berleburg liegen aber zwei widersprechende
Erbscheinsanträge der Beteiligten zu 1. und 2. vor. Die Frage der Erbenstellung ist höchst
streitig. Eine endgültige Klärung der Erbfolge dürfte noch geraume Zeit in Anspruch
nehmen. Daraus folgt, dass die Erbenstellung des Antragstellers nicht feststeht. Im
Verfahren nach § 1981 BGB kann nach Auffassung des Nachlassgerichts die streitige
Frage der Erbfolge nicht vorweg entschieden werden.

Der Antrag gemäß § 1981 Abs. 1 BGB auf Anordnung einer Nachlasspflegschaft war
daher zurückzuweisen.

Eine Kostenentscheidung nach § 81 Abs. 2 FamFG war nicht zu treffen, da ein Fall des §
81 Abs. 2 Ziffer 2. FamFG nach Auffassung des Nachlassgerichts nicht vorliegt.
Weiterhin hat der Beteiligte zu 1. für den Fall, dass eine Nachlassverwaltung nicht
angeordnet werden kann, die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB
angeregt.

Gemäß § 1960 BGB kann das Nachlassgericht unter folgenden Voraussetzungen einen
Nachlasspfleger bestellen:

I.
Die Erben müssen unbekannt sein. Der Erbe ist unbekannt, wenn über die Person des
Erben Unklarheit besteht. Diese Voraussetzung liegt im vorliegenden Fall, wie bereits oben
ausgeführt wurde, vor. Sowohl der Beteiligte zu 1. als auch der Beteiligte zu 2. hat bei dem
Landwirtschaftsgericht Bad Berleburg einen Erbscheinsantrag gestellt. Selbst wenn alle in
Frage kommenden Erben bekannt sind und die Erbschaft angenommen haben, ist der
Erbe im Sinne des § 1960 BGB unbekannt, solange sich das Nachlassgericht nicht davon
überzeugen kann, wer von diesen der wahre Erbe ist (so Münchener Kommentar, 5.
Auflage, RdNr. 15 zu § 1960 BGB mit weiteren Nachweisen).

II.
Neben der Unklarheit über den endgültigen Erben muss ein Bedürfnis für die gerichtliche
Fürsorge bestehen. Sein Vorliegen beurteilt das Nachlassgericht nach pflichtgemäßem
Ermessen. Es hat sich an den Interessen des endgültigen Erben an Sicherung und
Erhaltung des Nachlasses zu orientieren.

Nach Palandt, 76. Auflage, RdNr. 5 zu § 1960 BGB kann ein Sicherungsbedürfnis fehlen,
wenn nach der Zusammensetzung des Nachlasses missbräuchliche Verfügungen vor
Erbscheinserteilung ausgeschlossen sind und die dringlichen Nachlassangelegenheiten
bereits von einer neutralen, vertrauenswürdigen und hierzu befähigten Person wie
Testamentsvollstrecker, Erblasserbevollmächtigten oder ggf. auch Erbprädetent erledigt
werden, sofern deren wirksame Ernennung bzw. Neutralität nicht zweifelhaft ist.
Zunächst muss insoweit im vorliegenden Fall darauf abgestellt werden, dass der Nachlass
nach Art und Umfang eine als außergewöhnlich schwierig und bedeutsam einzustufende
Verwaltung erfordert.

Nach unbestrittenem Vortrag des Beteiligten zu 1. gehört zu dem der Erbschaft
unterliegenden Vermögen ein Schloss, ein forstwirtschaftlicher Betrieb mit einer Fläche
von mehr als 13.000 Hektar und mehr als 60 Beschäftigten.

Davon ausgehend ist zu prüfen, ob bereits eine neutrale, vertrauenswürdige und hierzu
befähigte Person vorhanden ist, welche den Nachlass verwaltet und deren Ernennung
bzw. Neutralität nicht zweifelhaft ist.

Hierzu haben die Antragsgegner zunächst vorgetragen, der Nachlass werde aufgrund
einer notariell beurkundeten postmortalen Vollmacht vom 02.06.2001, welche der am
13.03.2017 verstorbene Vorerbe mit Zustimmung des Nacherben und der
Testamentsvollstrecker erteilt habe, durch den Leiter der pp verwaltet.

Diese vom Vorerben erteilte Vollmacht erlischt aber mit dem Eintritt der Nacherbfolge
gemäß § 2139 BGB, da der Nacherbe nicht Rechtsnachfolger des Vorerben ist. (so auch
Palandt, 76. Auflage, RdNr. 4 zu § 2139 BGB, Münchner Kommentar, 5. Auflage, RdNr. 5
zu § 2139 BGB). Daran ändert auch nicht die Tatsache, dass der Beteiligte zu 2. der
Vollmacht vom 02.06.2001 zugestimmt hat, denn die Frage, ob der Beteiligte zu 2.
tatsächlich Nacherbe des Erblassers geworden ist, ist höchst streitig.

Weiterhin haben die damaligen Testamentsvollstrecker der Vollmachtserteilung vom
02.06.2001 zugestimmt. Diese sind aber nach Auffassung des Nachlassgerichts nicht zur
Verwaltung des Nachlasses befugt, so dass sie insoweit auch keine Vollmacht zur
Verwaltung des Nachlasses erteilen bzw. einer solchen Vollmacht zustimmen konnten.
Zur mangelnden Verwaltungsbefugnis der Testamentsvollstrecker werden im
Nachfolgenden noch Ausführungen gemacht.

Weiterhin haben die Beteiligten zu 3. bis 5. als die jetzigen Testamentsvollstrecker gestützt
auf ein Rechtsgutachten vorgetragen, dass die Testamentsvollstreckung nach dem Tod
des Vorerben fortbesteht und dass die Testamentsvollstrecker noch die Aufgabe haben,
den Nachlass abzuwickeln. Zu dieser Abwicklung des Nachlasses sollen nach Auffassung
der Beteiligten zu 3. bis 5. die Inbesitznahme und Verwaltung des Nachlasses und
Übergabe des Nachlasses an den Nacherben gehören, sobald der Nacherbe im
Erbscheinsverfahren festgestellt ist.

Demgemäß haben die Testamentsvollstrecker den Besitzer des Nachlasses, den
Beteiligten zu 2., mit Schreiben vom 05.10.2017 aufgefordert den Nachlass an die
Testamentsvollstrecker herauszugeben. Gleichzeitig haben die Testamentsvollstrecker
jedoch den Nachlass durch Vereinbarung eines Besitzmittlungsverhältnisses dem
Beteiligten zu 2. überlassen.

Das Nachlassgericht hat jedoch erhebliche Zweifel daran, dass das Testament des
Erblassers vom 26.11.1943 dahin ausgelegt werden kann, dass die Testamentsvollstrecker
nach Eintritt des Nacherbfalls zur Verwaltung des Nachlasses berechtigt sind.
Im Testament vom 26.11.1943 heißt es dazu:

„Die Einsetzung dauernder Testamentsvollstrecker soll das Verwaltungsrecht des Vor- bzw.
Nacherben nicht etwa ausschließen. Vor- und Nacherbe verwalten nach ihrer Mündigkeit
unter Berücksichtigung der sonstigen im Testament aufgeführten Beschränkungen im
Rahmen der ihnen zustehenden Befugnisse den Besitz. Bei beabsichtigten Abverkäufen ,
ungerechtfertigt ungünstigem Tausch, Belastungen, Raubbau im Wald und allen
Maßnahmen, die den Wert des Besitzes herabzumindern drohen, haben sich die
Testamentsvollstrecker einzuschalten und zu prüfen, ob diese Maßnahmen notwendig
sind. Zur besseren Klarheit des Überblicks hat vor- bzw. Nacherben den T. V. jedes Jahr
einen Abschluss vorzulegen und bei angeführten außergewöhnlichen Maßnahmen zuvor
Zustimmung der T. V. einzuholen. Die Testamentsvollstrecker haben nach soliden
kaufmännischen Gesichtspunkten zu entscheiden (z. B. Ankauf und Inbetriebnahme eines
Sägewerks bei zeitweiser Belastung des Besitzes u. U. nicht ablehnen).“

Nach Auffassung des Nachlassgerichts bedeutet dies, dass der Erbe den Nachlass selbst
verwaltet und die Testamentsvollstrecker lediglich bei außergewöhnlichen
Verwaltungshandlungen zustimmen müssen.

Aber selbst wenn die Testamentsvollstrecker noch zur Abwicklung des Nachlasses im
Sinne des vorgelegten Rechtsgutachtens berechtigt sein sollten, bestehen spätestens seit
Vereinbarung des Besitzmittlungsverhältnisses mit dem Beteiligten zu 2. Zweifel an der
Neutralität der Testamentsvollstrecker.

Diese Auffassung vertritt auch das OLG Karlsruhe in seinem Beschluss vom 02.05.2003
(FamRZ 2004, Seite 222ff). Das OLG Karlsruhe erachtet eine Nachlasspflegschaft dann
für notwendig, wenn der Nachlass nach Art und Umfang eine als ungewöhnlich schwierig
und bedeutsame Verwaltung erfordert und eine den Belangen des noch unbekannten
Erben gerecht wertende Verwaltung nicht als gewährleistet angesehen werden kann, die
Verwaltung vielmehr der Kontrolle durch einen neutralen und keinerlei Interessenkonflikten
ausgesetzten Dritten bedarf.

Die Testamentsvollstrecker sind hier auch deshalb Interessenkonflikten ausgesetzt, da sie
ihr Amt auch schon zu Lebzeiten des Vorerben inne hatten und die schon zu Lebzeiten
des Vorerben erforderliche Trennung des Nachlasses vom privaten Vermögen des
Vorerben bisher nicht genügend dargelegt wurde.

Nach alledem besteht nach der Überzeugung des Nachlassgerichts ein
Sicherungsbedürfnis im Sinne von § 1960 BGB, da der Nachlass nach Art und Umfang
eine als ungewöhnlich schwierig und bedeutsam Verwaltung erfordert und die Verwaltung
der Kontrolle durch einen neutralen und keinerlei Interessenkonflikten ausgesetzten Dritten
bedarf.

Herr pp wurde von dem Beteiligten zu 1. als Nachlasspfleger vorgeschlagen.
Einwendungen gegen seine Person wurden von den weiteren Beteiligten nicht erhoben.
Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde gegeben, wenn der Wert
des Beschwerdegegenstandes 600 Euro übersteigt oder wenn das Gericht des ersten
Rechtszugs die Beschwerde zugelassen hat. Beschwerdeberechtigt ist derjenige, dessen
Rechte durch den Beschluss beeinträchtigt sind.

Die Beschwerde ist bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht – Bad Berleburg, Im
Herrengarten 5, 57319 Bad Berleburg schriftlich in deutscher Sprache oder zur
Niederschrift der Geschäftsstelle einzulegen. Die Beschwerde kann auch zur Niederschrift
der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichtes abgegeben werden. Die Beschwerde muss
die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass
Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Sie ist zu unterzeichnen und soll
begründet werden.

Die Beschwerde muss spätestens innerhalb eines Monats nach der schriftlichen
Bekanntgabe des Beschlusses bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht – Bad Berleburg
eingegangen sein. Dies gilt auch dann, wenn die Beschwerde zur Niederschrift der
Geschäftsstelle eines anderen Amtsgerichtes abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der
schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach
Erlass des Beschlusses. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen
Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.
Übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht 600 Euro, ist der Rechtsbehelf
der Erinnerung gegeben. Sie steht jedem zu, dessen Rechte durch die Entscheidung
beeinträchtigt sind.

Die Erinnerung ist schriftlich in deutscher Sprache bei dem Amtsgericht - Nachlassgericht
– Bad Berleburg, Im Herrengarten 5, 57319 Bad Berleburg einzulegen. Die Erinnerung
kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts abgegeben
werden und soll begründet werden.

Die Erinnerung muss binnen einer Frist von zwei Wochen bei dem zuständigen
Amtsgericht - Nachlassgericht – Bad Berleburg eingegangen sein. Das gilt auch dann,
wenn die Erinnerung zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines anderen als dem nach
dieser Belehrung zuständigen Amtsgerichts abgegeben wurde. Die Frist beginnt mit der
Zustellung der Entscheidung. Fällt das Ende der Frist auf einen Sonntag, einen
allgemeinen Feiertag oder Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten
Werktages.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

AG Bad Berleburg

Erscheinungsdatum:

16.01.2018

Aktenzeichen:

4 VI 261/17

Rechtsgebiete:

Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Erbenhaftung
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

BGB §§ 1960, 2139