LG Bremen 11. Februar 18
4 T 524/17

Geschäftswert für Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung

1. Der Geschäftswert der Beurkundung einer Vollmacht ist gem. § 98 Abs. 3 GNotKG nach billigem Ermessen zu bestimmen, wobei der Umfang der erteilten Vollmacht und das Vermögen des Vollmachtgebers angemessen zu berücksichtigen sind. Die Beurkundung einer Generalvollmacht ohne inhaltliche oder zeitliche Einschränkung, wirksam über den Tod hinaus, rechtfertigt es, die Höchstgrenze des § 98 Abs. 3 Satz 1 GNotKG auszuschöpfen.

2. Bei einer persönlichen Vollmacht, die sich nicht auf Vermögensangelegenheiten bezieht, ist hinsichtlich des Geschäftswerts in der Regel auf den Auffangwert des § 98 Abs. 3 Satz 3 GNotKG abzustellen. Ein materieller Wert ist der Entscheidung über höchstpersönliche An-gelegenheiten, wie die medizinische Behandlung im Krankheitsfall, nicht beizumessen. Auch das Vermögen des Bevollmächtigenden hat keinen Einfluss auf die Bewertung einer solchen persönlichen Entscheidung und bleibt deshalb außer Betracht.

3. Der Geschäftswert der Patientenverfügung ist gem. § 36 Abs. 3 GNotKG regelmäßig mit dem Auffangwert von 5.000 € anzusetzen. Bei der Patientenverfügung handelt es sich um eine höchstpersönliche Angelegenheit

ohne Vermögensbezug. Der Wunsch nach würdevollem Sterben ist nicht vermögensabhängig zu bewerten.

LG Bremen, Beschl. v. 11.09.2018 – 4 T 524/17

Zum Sachverhalt

Die Antragstellerin (Ast.) wendet sich mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die im Tenor dieser Entscheidung genannte Kostenrechnung des Antraggegners (Ag.) vom 28.11.2016 in der Gestalt der Korrekturrechnung des beteiligten Notariatsverwalters vom 06.02.2018, mit der der Ag. gegenüber der Ast. die Fertigung von Entwürfen für eine Generalvollmacht sowie eine persönliche Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung berechnet hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Ast. teilte im Jahr 2014 Herrn Rechtsanwalt V mit, dass sie für sich eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht benötige. V wandte sich daraufhin per E-Mail an den Ag. und bat ihn, der Ast. die Entwürfe direkt zukommen zu lassen und mit dieser einen Termin zu vereinbaren. Nach einem Telefonat mit der Ast. am 05.03.2014 übersandte der Ag. dieser die Entwürfe für eine Generalvollmacht zugunsten beider Söhne der Ast., jeweils einzeln für jeden Sohn sowie den Entwurf einer Betreuungsvollmacht mit Betreuungsverfügung und Patientenverfügung. Mit dem zugehörigen Anschreiben teilte er der Ast. mit, dass sich die Entwürfe als Diskussionsgrundlage verstünden und jederzeit ihren Wünschen angepasst werden könnten. In einem folgenden Telefonat wurden die Entwürfe zwischen dem Ag. und der Ast. erörtert. Diese teilte mit, dass sie noch Änderungswünsche habe und Zeit brauche, um weitere Erkundigungen einzuziehen. Mit Schreiben vom 07.03.2014 bat der Ag. um Rückmeldung ob noch Interesse an der Beurkundung bestehe. Die Ast. meldete sich daraufhin bei dem Ag. mit Schreiben vom 18.05.2014 und teilte mit, sie habe „Land unter“, so dass sie noch keinen Kopf für die korrekten Formulierungen habe, und bat um Geduld bis Juli. Dann wolle sie einen Termin mit dem Ag. machen. Mit Schreiben vom 03.07.2014 bat der Ag. erneut um Mitteilung, ob die Angelegenheit fortgeführt werden solle und teilte mit, dass er spätestens nach Ablauf von sechs Monaten eine Rechnung für die übersandten Entwürfe stellen müsse. Am 11.09.2014 übersandte er das Schreiben erneut als Erinnerung. Mit Schreiben vom 12.02.2015 teilte er erneut mit, dass er auch für Entwürfe, die er erstellt habe, Rechnung nach dem GNotKG stellen müsse und bat um Mitteilung des Wertes des Vermögens der Ast., da der zu bestimmende Geschäftswert die Hälfte des Vermögens des Auftraggebers nicht übersteigen dürfe. Sollte er von ihr keine Auskunft erhalten, müsse er den Wert des Vermögens schätzen, gehe aber davon aus, dass das nicht erforderlich sein werde. Mit Schreiben vom 22.07.2016 bat er letztmalig um Mitteilung des Vermögenswerts bis zum 29.07.2016 unter Vorlage geeigneter Nachweise und teilte mit, dass er andernfalls den Wert ihres Vermögens auf 1.000.000 € schätzen werde. Wie angekündigt erstellte der Ag. seine Rechnung vom 28.11.2016 auf dieser Schätzgrundlage. Die Ast. wendete gegen die Kostenberechnung ein, dass sie den Ag. nie persönlich getroffen habe. Ihr Kenntnisstand sei, dass ein Notar erst bei Beurkundung eine Rechnung erstellen dürfe. Bei den ihr hier übersandten Entwürfen handele es sich um eine Kopie der Ärztekammer. Diese habe sie schon gehabt und brauche dafür keinen Notar. Sie habe ein differenziertes Dokument gewünscht, zu dem es leider nicht gekommen sei. Aus ihrer Sicht fehle es deshalb an einer Beauftragung des Ag. Darüber hinaus sei ihr Vermögen vom Ag. zu hoch geschätzt worden. Sie sei zum damaligen Zeitpunkt Eigentümerin eines Hauses mit Verkehrswert i.H.v. 165.000 € und 100.000 € Schulden gewesen. Die Praxis habe sie geführt, ohne Eigentümerin der Praxisimmobilie zu sein und habe in diesem Zusammenhang weitere 350.000 € Schulden. Des Weiteren sei sie Eigentümerin einer Wohnung im Wert von 100.000 € mit einer Belastung in gleicher Höhe gewesen. Sie habe außerdem über eine Lebensversicherung von 35.000 € verfügt. Nach einer „bösen“ Scheidung habe sie allein ihren Kindern das Studium finanziert. Sie habe inzwischen anderweitig eine Generalvollmacht für ihre Söhne erstellen lassen, bei der ihr Vermögen auf 320.000 € angesetzt worden sei.

Die Ast. beantragt sinngemäß, im Wege der gerichtlichen Entscheidung die Kostenberechnung des Ag. vom 28.11.2016 in Gestalt der Korrekturrechnung des weiteren Beteiligten vom 06.02.2018 aufzuheben. Die Kammer hat gem. § 128 Abs. 1 GNotKG Stellungnahmen der Dienstaufsicht zur Kostenrechnung und zur Korrekturrechnung eingeholt und diese den Beteiligten (Bet.) übermittelt und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Der Antrag war erfolglos.

Aus den Gründen

[11] II. 1. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung und Grundlage des Verfahrens ist dabei die im laufenden Verfahren erteilte Korrekturrechnung (OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2013, 1084; Korintenberg, GNotKG, 20. Aufl., § 127 Rn. 22). Die Einwendungen, welche die Ast. mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Rechnung in ursprünglicher Gestalt erhoben hat, wenden sich auch gegen die Rechnung in jetziger Gestalt, da sich diese durch die Berichtigung nicht erledigt haben. Die Ast. hat ihre Einwendungen ausdrücklich aufrecht erhalten und vertieft.

[12] 2. Ein Verstoß gegen das Zitiergebot aus § 19 GNotKG war nicht anzunehmen. Grundsätzlich sind nach dem GNotKG strenge Anforderungen an das Zitiergebot in der Rechnung zu stellen (Korintenberg, § 19 GNotKG Rn. 21). Zu beachten ist allerdings, dass das Zitiergebot nicht um seiner selbst willen besteht und daher auch nicht von seinem Zweck gelöst werden kann (vgl. BGH, NJW 2008, 2192). Nach § 19 Abs. 2 Nr. 2 GNotKG sind die Nr. des Kostenverzeichnisses zu nennen und nach § 19 Abs. 3 Nr. 2 GNotKG sollen die Wertvorschriften genannt werden. Dies ist in der angegriffenen Kostenrechnung insoweit der Fall, dass der Zweck des Zitiergebots, dem Rechnungsempfänger eine Prüfung zu ermöglichen, erreicht ist.

[13] 3. Die Ast. hat gem. § 29 Nr. 1 GNotKG die nach §§ 92 Abs. 1, 97, 98 Abs. 3, 36, 119 Abs. 1 GNotKG i.V.m. Nr. 21303 nebst Nebengebühren entstandenen Kosten der Entwurfsfertigung zu tragen, da sie den Ag. mit der Fertigung einer Patientenverfügung und von Generalvollmachten zugunsten ihrer Söhne beauftragt hat.

[14] Gem. § 29 GNotKG schuldet Notarkosten, wer den Auftrag erteilt oder den Antrag gestellt hat (§ 29 Nr. 1 GNotKG), die Kostenschuld gegenüber dem Notar übernommen hat

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(§ 29 Nr. 2 GNotKG) oder für die Kostenschuld eines anderen kraft Gesetzes haftet (§ 29 Nr. 3 GNotKG). Die notarielle Tätigkeit wird grundsätzlich durch einen Beurkundungsauf-trag oder einen Antrag (z.B. auf Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung) ausgelöst. Auftraggeber ist im Wesentlichen derjenige, welcher dem Notar durch Wort oder Schrift zu erkennen gegeben hat, dass in seinem Interesse eine bestimmte Beurkundung bzw. Entwurfserstellung vorgenommen werden soll (Korintenberg/Gläser, § 29 GNotKG Rn. 1–37). Das Verhalten des Kostenschuldners muss für den Notar nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte den Schluss zulassen, es sei ihm ein Auftrag mit Kostenfolge erteilt worden (BGH, NJW-RR 2017, 631 = BWNotZ 2017, 103 Rn. 6; Fackelmann/Heinemann, GNotKG, 1. Aufl., § 29 Rn. 16). Die Auftragserteilung braucht aber weder schriftlich noch durch ausdrückliche Erklärung zu geschehen, sondern kann auch durch schlüssige Handlung erfolgen (OLG Köln, JurBüro 1997, 604).

[15] Im vorliegenden Fall hatte zunächst Rechtsanwalt S mit E-Mail vom 04.03.2014 den Ag. mit der Erstellung der streitgegenständlichen Dokumente im Namen der Ast. beauftragt. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Ast. Herrn Rechtsanwalt S zuvor gem. § 164 Abs. 1 BGB bevollmächtigt hatte, in Namen einen Notarauftrag zu erteilen. Jedenfalls hat sie mit dem nachfolgenden Telefonat und dem Schreiben vom 18.05.2014 die Beauftragung gem. § 177 Abs. 1 BGB nachträglich genehmigt. Sie hat damit unzweifelhaft zu erkennen gegeben, dass der Ag. in dem beauftragten Umfang für sie tätig werden soll. Auch im Verfahren hat sie bestätigt, dass der Ag. für sie wie von Herrn Rechtsanwalt S beauftragt tätig werden sollte; die Differenzen der Parteien betreffen Berechtigung und Höhe der streitgegenständlichen Rechnung.

[16] 4. Der hieraus dem Ag. erwachsene Gebührenanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen Sachbehandlung nach § 21 GNotKG bzw. wegen entgegenstehen-der Ansprüche unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes wegen unzureichender Aufklärung entfallen.

[17] Der Notar ist grundsätzlich nicht verpflichtet, über die Entstehung gesetzlich festgelegter Gebühren zu belehren. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass jedermann bekannt ist, dass der Notar für seine Tätigkeiten Gebühren erhebt (vgl. BGH, NJW 2010, 2218 Rn. 17; OLG Naumburg, NJW-RR 2012, 1009 Rn. 16). Demgemäß kann die Ast. kein Gehör damit finden, dass sie davon ausgegangen sei, dass nur bei erfolgter Beurkundung Gebühren anfielen.

[18] Es liegen auch keine besonderen Umstände vor, die es hier hätten geboten erscheinen lassen, dass der Ag. einen Hinweis auf den entwurfsbedingten Anfall besonderer Gebühren erteilt. Zwar erhöhte die Fertigung eines Entwurfs die Gebühr gegenüber derjenigen, die der Ag. für eine ausschließliche Beratungstätigkeit nach Nr. 24200 ff. KV hätte erheben dürfen. Indes begründet dies noch keinen besonderen Umstand, da es dem Notar nicht zugemutet werden kann, von sich aus die Bet. über die Einzelheiten der Staffelung von Gebühren nach GNotKG aufzuklären. An einen besonderen Umstand ließe sich nur dann denken, wenn für den Ag. erkennbar gewesen wäre, dass die (höhere) Gebühren auslösende Tätigkeit für die Ast., und sei es auch nur um der Kosten willen, sinnlos sein würde. Ein solcher Fall war jedoch nicht gegeben. Grundsätz- lich ist das Vorgehen, zunächst einen allgemeinen Entwurf als Diskussionsgrundlage zu erstellen und diesen dann in einem zweiten Schritt den individuellen Bedürfnissen anzupassen, nicht erkennbar sinnlos.

[19] Der Umstand, dass es zur Durchführung des Beurkun-dungsauftrags nicht mehr gekommen ist, ändert an alldem nichts. Dies hat nur Einfluss auf die Gebührentatbestände, die an die Stelle derjenigen für die Beurkundung treten, berührt jedoch die Frage der Kostenschuldnerschaft im Rahmen des § 29 Nr. 1 GNotKG nicht.

[20] Die abgerechneten Gebühren entsprechen nach Grund und Höhe dem GNotKG.

[21] Gem. § 3 Abs. 2 GNotKG werden die Kosten (Gebühren und Auslagen) nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 des GNotKG erhoben.

[22] Gem. § 3 Abs. 1 GNotKG richten sich die Gebühren nach dem Wert, den der Gegenstand des Verfahrens oder des Geschäfts hat (Geschäftswert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

[23] Der allgemeine Geschäftswert einer Angelegenheit ist gem. § 36 Abs. 1 GNotKG in einer vermögensrechtlichen Angelegenheit, soweit sich der Geschäftswert nicht aus besonderen Vorschriften des GNotKG ergibt und er auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Soweit sich in einer nichtvermögensrechtlichen Angelegenheit der Geschäftswert aus den Vorschriften dieses Gesetzes nicht ergibt, ist er gem. § 36 Abs. 2 GNotKG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Bet., nach billigem Ermessen zu bestimmen, jedoch nicht über 1 Million Euro. Bestehen in den Fällen der Abs. 1 und 2 keine genügenden Anhaltspunkte für eine Bestimmung des Werts, ist gem. § 36 Abs. 3 GNotKG von einem Geschäftswert von 5.000 € auszugehen.

[24] Der Geschäftswert bei der Beurkundung einer allgemeinen Vollmacht ist gem. § 98 Abs. 3 GNotKG (i.d.F. vom 01.08.2013) nach billigem Ermessen zu bestimmen; dabei sind der Umfang der erteilten Vollmacht und das Vermögen des Vollmachtgebers angemessen zu berücksichtigen. Der zu bestimmende Geschäftswert darf die Hälfte des Vermögens des Auftraggebers nicht übersteigen.

[25] Bei der Ermessensausübung sind das durch die Vollmacht betroffene Rechtsgut ohne Schuldenabzug, d.h. bei Generalvollmachten das Aktivvermögen, bei allgemeiner Vollmacht bezüglich eines bestimmten Rechtsguts (Sache, Recht, Nachlass) der Wert desselben oder der mehreren, bei Hausverwaltervollmachten der Mietertrag und der Umfang der erteilten Ermächtigung in zeitlicher Hinsicht (auf bestimmte Zeit widerruflich, unwiderruflich, über den Tod des Vollmachtgebers hinaus) wie sachlicher Hinsicht (Übertragungsbefugnis, Befreiung von § 181 BGB, Vollmacht zu allen oder nur zu bestimmten Arten von Geschäften zu berücksichtigen [Korintenberg/Tiedtke, § 98 GNotKG Rn. 17]).

[26] Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Ag. hinsichtlich der entworfenen Generalvollmacht die Grenze der Hälfte des Vermögenswerts zu Recht ausgeschöpft. Eine

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umfassende Generalvollmacht ohne jede zeitliche Einschränkung, wirksam über den Tod hinaus stellt eine äußerst umfassende Bevollmächtigung dar, die es rechtfertigt, die Höchstgrenze des § 98 Abs. 3 GNotKG auszuschöpfen.

[27] Die Wertfestsetzung des Ast. beruht hinsichtlich des Vermögens der Ast. auf einer Schätzung gem. § 95 Satz 3 GNotKG. Im Verfahren nach § 127 GNotKG muss das Gericht von Amts wegen prüfen, ob der Notar zur Festsetzung nach § 95 Satz 3 GNotKG berechtigt war. Ist dies der Fall, ist die Rechtmäßigkeitsprüfung auf die Ermittlung von Ermessensfehlern beschränkt. Es ist dann nicht mehr relevant, ob der im gerichtlichen Verfahren möglicherweise feststellbare wirkliche Wert mit der notariellen Festsetzung übereinstimmt (Bormann/Diehn/Sommerfeldt/Diehn, GNotKG § 95 Rn. 9 – 13; Korintenberg/Hey’l, § 95 GNotKG Rn. 5–9).

[28] Der Ag. durfte bei der Erstellung der Kostenberechnung das Vermögen der Ast. Gem. § 95 Satz 3 GNotKG schätzen. Gem. § 95 Satz 1 GNotKG war die Ast. zur Mitwirkung bei der Wertermittlung verpflichtet. Dieser Verpflichtung ist sie trotz wiederholter Aufforderung des Ag. und seines Hinweises auf die Folgen nicht nachgekommen. Der Ag. hat die Ast. wiederholt und unter angemessener Fristsetzung zur Mitwirkung bei der Wertfestsetzung aufgefordert. Auch nach Ankündigung der beabsichtigten Schätzung ihres Vermögens auf einen Betrag von 1.000.000 € erfolgte keine Reaktion der Ast. Unterlässt es der Bet. trotz Aufforderung zur Mitwirkung und Hinweis auf die Folgen, die für die Wertermittlung erforderlichen Angaben zu machen, so ist der Notar zu weitergehenden Amtsermittlungen nicht mehr verpflichtet und kann sofort auf § 95 Satz 3 GNotKG zurückgreifen (Schnei-der/Volpert/Fölsch, Gesamtes KostenR, GNotKG, § 95 Rn. 4).

[29] Auch hinsichtlich des Ergebnisses der Schätzung sind keine Ermessensfehler des Ag. erkennbar. Die Wertbestimmung nach billigem Ermessen erfolgt zunächst anhand der dem Notar ohne größeren Aufwand zugänglichen Anhaltspunkte. Fehlen solche oder sind sie nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erlangen, ist der Notar zu einer rein subjektiven, naturgemäß groben Schätzung berechtigt, wobei der Charakter des § 95 Satz 3 GNotKG als Sanktion einer Pflichtverletzung keinen milden Ansatz erfordert (Korinten-berg/Hey’l, § 95 GNotKG Rn. 5–9). Diesen Anforderungen wird die Schätzung des Ag. gerecht. Der Ag. hat die ihm zugänglichen Anhaltspunkte angemessen berücksichtigt. Er legte bei seiner Schätzung die ihm bekannte Praxis der Ast. samt Immobilie zugrunde. Mangels Mitwirkung der Ast. hatte er keine Kenntnis darüber, dass die Praxisimmobilie, wie die Ast. nunmehr angibt, nicht in deren Eigentum steht. Des Weiteren berücksichtigte er (zutreffend), dass die Ast. Eigentümerin von zwei weiteren Immobilien ist und recherchierte das durchschnittliche Einkommen einer Zahnärztin. Damit hat der Ag. die ihm ohne größeren Aufwand zugänglichen Anhaltspunkte erschöpfend und angemessen berücksichtigt. Zu weiteren Nachforschungen war er nicht verpflichtet.

[30] Bei der persönlichen Vollmacht, die sich nicht auf Vermögensangelegenheiten bezieht, liegt eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit vor. Ein materieller Wert ist der Entscheidung über höchstpersönliche Angelegenheiten, wie die medizinische Behandlung im Krankheitsfall, nicht beizumessen. Auch das Vermögen des Bevollmächtigenden hat keinen Einfluss auf die Bewertung einer solchen persönlichen Entscheidung und bleibt deshalb außer Betracht. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung sah § 98 Abs. 3 GNotKG i.d.F. vom 01.08.2013 noch keinen Auffangwert vor. Bei einer Vollmacht für ausgewählte persönliche Angelegenheiten kann aber auf den Auffangwert von 5.000 € nach § 36 Abs. 3 GNotKG zurückgegriffen werden.

[31] Gleiches gilt für die Patientenverfügung. Eine Patientenverfügung enthält Entscheidungen über (den Abbruch von) Behandlungsmaßnahmen für zukünftig eintretende Fälle und richtet sich an die behandelnden Ärzte, einen Betreuer oder Bevollmächtigten. Ihr Sinn und Zweck ist nicht die Sicherung der Interessen der Erben; vielmehr soll durch sie ein selbstbestimmter und würdiger Sterbevorgang gewährleistet werden. Der Wunsch nach würdevollem Sterben ist nicht vermögensabhängig zu bewerten. Somit hat eine Patientenverfügung grundsätzlich keinen vermögensrechtlichen Bezug und ist nach § 36 Abs. 2 zu bewerten. Mangels tatsächlicher Anhaltspunkte ist der Wert der Verfügung gem. § 36 Abs. 3 regelmäßig mit 5.000 € anzusetzen (Korintenberg/Bormann, § 36 GNotKG Rn. 25–119).

[32] Während Patienten- und Betreuungsverfügung zueinander gegenstandsidentisch sind, sind diese jedoch – im Gegensatz zu der früher überwiegend vertretenen Auffassung – im Verhältnis zu einer Vorsorgevollmacht gegenstandsverschieden gem. § 110 Nr. 3 GNotKG. Durch die Anhebung des Gebührensatzes für eine Vorsorgevollmacht auf 1,0 (KV 21200) fällt allerdings für diese derselbe Gebührensatz an wie für eine Patienten- und/oder Betreuungsverfügung; eine Ver-gleichsberechnung, wie sie nach früherem Recht teilweise erforderlich war, erübrigt sich demnach jetzt (BeckOK KostR/ Bachmayer, GNotKG, § 109 Rn. 64–67a).

[33] Hier ist die persönliche Vollmacht gegenstandsgleich mit der Generalvollmacht, die als solche auch die Entscheidung über persönliche Angelegenheiten ermöglicht. Gegenstands-verschieden ist die gesondert berechnete Betreuungs- und Patientenverfügung.

[34] Die mit der Korrekturrechnung abrechneten Gebühren sind auf Grundlage der Geschäftswerte zutreffend ermittelt.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

LG Bremen

Erscheinungsdatum:

11.02.18

Aktenzeichen:

4 T 524/17

Rechtsgebiete:

Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
In-sich-Geschäft
Kostenrecht

Erschienen in:

ZNotP 2020, 182-185