Geschäftswert für Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung
1. Der Geschäftswert der Beurkundung einer Vollmacht ist gem.
2. Bei einer persönlichen Vollmacht, die sich nicht auf Vermögensangelegenheiten bezieht, ist hinsichtlich des Geschäftswerts in der Regel auf den Auffangwert des
3. Der Geschäftswert der Patientenverfügung ist gem.
ohne Vermögensbezug. Der Wunsch nach würdevollem Sterben ist nicht vermögensabhängig zu bewerten.
LG Bremen, Beschl. v. 11.09.2018 – 4 T 524/17
Zum Sachverhalt
Die Antragstellerin (Ast.) wendet sich mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die im Tenor dieser Entscheidung genannte Kostenrechnung des Antraggegners (Ag.) vom 28.11.2016 in der Gestalt der Korrekturrechnung des beteiligten Notariatsverwalters vom 06.02.2018, mit der der Ag. gegenüber der Ast. die Fertigung von Entwürfen für eine Generalvollmacht sowie eine persönliche Vorsorgevollmacht mit Patientenverfügung berechnet hat. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde: Die Ast. teilte im Jahr 2014 Herrn Rechtsanwalt V mit, dass sie für sich eine Patientenverfügung und eine Vorsorgevollmacht benötige. V wandte sich daraufhin per E-Mail an den Ag. und bat ihn, der Ast. die Entwürfe direkt zukommen zu lassen und mit dieser einen Termin zu vereinbaren. Nach einem Telefonat mit der Ast. am 05.03.2014 übersandte der Ag. dieser die Entwürfe für eine Generalvollmacht zugunsten beider Söhne der Ast., jeweils einzeln für jeden Sohn sowie den Entwurf einer Betreuungsvollmacht mit Betreuungsverfügung und Patientenverfügung. Mit dem zugehörigen Anschreiben teilte er der Ast. mit, dass sich die Entwürfe als Diskussionsgrundlage verstünden und jederzeit ihren Wünschen angepasst werden könnten. In einem folgenden Telefonat wurden die Entwürfe zwischen dem Ag. und der Ast. erörtert. Diese teilte mit, dass sie noch Änderungswünsche habe und Zeit brauche, um weitere Erkundigungen einzuziehen. Mit Schreiben vom 07.03.2014 bat der Ag. um Rückmeldung ob noch Interesse an der Beurkundung bestehe. Die Ast. meldete sich daraufhin bei dem Ag. mit Schreiben vom 18.05.2014 und teilte mit, sie habe „Land unter“, so dass sie noch keinen Kopf für die korrekten Formulierungen habe, und bat um Geduld bis Juli. Dann wolle sie einen Termin mit dem Ag. machen. Mit Schreiben vom 03.07.2014 bat der Ag. erneut um Mitteilung, ob die Angelegenheit fortgeführt werden solle und teilte mit, dass er spätestens nach Ablauf von sechs Monaten eine Rechnung für die übersandten Entwürfe stellen müsse. Am 11.09.2014 übersandte er das Schreiben erneut als Erinnerung. Mit Schreiben vom 12.02.2015 teilte er erneut mit, dass er auch für Entwürfe, die er erstellt habe, Rechnung nach dem GNotKG stellen müsse und bat um Mitteilung des Wertes des Vermögens der Ast., da der zu bestimmende Geschäftswert die Hälfte des Vermögens des Auftraggebers nicht übersteigen dürfe. Sollte er von ihr keine Auskunft erhalten, müsse er den Wert des Vermögens schätzen, gehe aber davon aus, dass das nicht erforderlich sein werde. Mit Schreiben vom 22.07.2016 bat er letztmalig um Mitteilung des Vermögenswerts bis zum 29.07.2016 unter Vorlage geeigneter Nachweise und teilte mit, dass er andernfalls den Wert ihres Vermögens auf 1.000.000 € schätzen werde. Wie angekündigt erstellte der Ag. seine Rechnung vom 28.11.2016 auf dieser Schätzgrundlage. Die Ast. wendete gegen die Kostenberechnung ein, dass sie den Ag. nie persönlich getroffen habe. Ihr Kenntnisstand sei, dass ein Notar erst bei Beurkundung eine Rechnung erstellen dürfe. Bei den ihr hier übersandten Entwürfen handele es sich um eine Kopie der Ärztekammer. Diese habe sie schon gehabt und brauche dafür keinen Notar. Sie habe ein differenziertes Dokument gewünscht, zu dem es leider nicht gekommen sei. Aus ihrer Sicht fehle es deshalb an einer Beauftragung des Ag. Darüber hinaus sei ihr Vermögen vom Ag. zu hoch geschätzt worden. Sie sei zum damaligen Zeitpunkt Eigentümerin eines Hauses mit Verkehrswert i.H.v. 165.000 € und 100.000 € Schulden gewesen. Die Praxis habe sie geführt, ohne Eigentümerin der Praxisimmobilie zu sein und habe in diesem Zusammenhang weitere 350.000 € Schulden. Des Weiteren sei sie Eigentümerin einer Wohnung im Wert von 100.000 € mit einer Belastung in gleicher Höhe gewesen. Sie habe außerdem über eine Lebensversicherung von 35.000 € verfügt. Nach einer „bösen“ Scheidung habe sie allein ihren Kindern das Studium finanziert. Sie habe inzwischen anderweitig eine Generalvollmacht für ihre Söhne erstellen lassen, bei der ihr Vermögen auf 320.000 € angesetzt worden sei.
Die Ast. beantragt sinngemäß, im Wege der gerichtlichen Entscheidung die Kostenberechnung des Ag. vom 28.11.2016 in Gestalt der Korrekturrechnung des weiteren Beteiligten vom 06.02.2018 aufzuheben. Die Kammer hat gem.
Aus den Gründen
[11] II. 1. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung und Grundlage des Verfahrens ist dabei die im laufenden Verfahren erteilte Korrekturrechnung (OLG Frankfurt am Main, NJW-RR 2013, 1084; Korintenberg, GNotKG, 20. Aufl., § 127 Rn. 22). Die Einwendungen, welche die Ast. mit ihrem Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die Rechnung in ursprünglicher Gestalt erhoben hat, wenden sich auch gegen die Rechnung in jetziger Gestalt, da sich diese durch die Berichtigung nicht erledigt haben. Die Ast. hat ihre Einwendungen ausdrücklich aufrecht erhalten und vertieft.
[12] 2. Ein Verstoß gegen das Zitiergebot aus
[13] 3. Die Ast. hat gem.
[14] Gem.
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(
[15] Im vorliegenden Fall hatte zunächst Rechtsanwalt S mit E-Mail vom 04.03.2014 den Ag. mit der Erstellung der streitgegenständlichen Dokumente im Namen der Ast. beauftragt. Es kann insoweit dahinstehen, ob die Ast. Herrn Rechtsanwalt S zuvor gem.
[16] 4. Der hieraus dem Ag. erwachsene Gebührenanspruch ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unrichtigen Sachbehandlung nach
[17] Der Notar ist grundsätzlich nicht verpflichtet, über die Entstehung gesetzlich festgelegter Gebühren zu belehren. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass jedermann bekannt ist, dass der Notar für seine Tätigkeiten Gebühren erhebt (vgl. BGH, NJW 2010, 2218 Rn. 17; OLG Naumburg, NJW-RR 2012, 1009 Rn. 16). Demgemäß kann die Ast. kein Gehör damit finden, dass sie davon ausgegangen sei, dass nur bei erfolgter Beurkundung Gebühren anfielen.
[18] Es liegen auch keine besonderen Umstände vor, die es hier hätten geboten erscheinen lassen, dass der Ag. einen Hinweis auf den entwurfsbedingten Anfall besonderer Gebühren erteilt. Zwar erhöhte die Fertigung eines Entwurfs die Gebühr gegenüber derjenigen, die der Ag. für eine ausschließliche Beratungstätigkeit nach Nr. 24200 ff. KV hätte erheben dürfen. Indes begründet dies noch keinen besonderen Umstand, da es dem Notar nicht zugemutet werden kann, von sich aus die Bet. über die Einzelheiten der Staffelung von Gebühren nach GNotKG aufzuklären. An einen besonderen Umstand ließe sich nur dann denken, wenn für den Ag. erkennbar gewesen wäre, dass die (höhere) Gebühren auslösende Tätigkeit für die Ast., und sei es auch nur um der Kosten willen, sinnlos sein würde. Ein solcher Fall war jedoch nicht gegeben. Grundsätz- lich ist das Vorgehen, zunächst einen allgemeinen Entwurf als Diskussionsgrundlage zu erstellen und diesen dann in einem zweiten Schritt den individuellen Bedürfnissen anzupassen, nicht erkennbar sinnlos.
[19] Der Umstand, dass es zur Durchführung des Beurkun-dungsauftrags nicht mehr gekommen ist, ändert an alldem nichts. Dies hat nur Einfluss auf die Gebührentatbestände, die an die Stelle derjenigen für die Beurkundung treten, berührt jedoch die Frage der Kostenschuldnerschaft im Rahmen des
[20] Die abgerechneten Gebühren entsprechen nach Grund und Höhe dem GNotKG.
[21] Gem.
[22] Gem.
[23] Der allgemeine Geschäftswert einer Angelegenheit ist gem.
[24] Der Geschäftswert bei der Beurkundung einer allgemeinen Vollmacht ist gem.
[25] Bei der Ermessensausübung sind das durch die Vollmacht betroffene Rechtsgut ohne Schuldenabzug, d.h. bei Generalvollmachten das Aktivvermögen, bei allgemeiner Vollmacht bezüglich eines bestimmten Rechtsguts (Sache, Recht, Nachlass) der Wert desselben oder der mehreren, bei Hausverwaltervollmachten der Mietertrag und der Umfang der erteilten Ermächtigung in zeitlicher Hinsicht (auf bestimmte Zeit widerruflich, unwiderruflich, über den Tod des Vollmachtgebers hinaus) wie sachlicher Hinsicht (Übertragungsbefugnis, Befreiung von
[26] Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Ag. hinsichtlich der entworfenen Generalvollmacht die Grenze der Hälfte des Vermögenswerts zu Recht ausgeschöpft. Eine
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umfassende Generalvollmacht ohne jede zeitliche Einschränkung, wirksam über den Tod hinaus stellt eine äußerst umfassende Bevollmächtigung dar, die es rechtfertigt, die Höchstgrenze des
[27] Die Wertfestsetzung des Ast. beruht hinsichtlich des Vermögens der Ast. auf einer Schätzung gem.
[28] Der Ag. durfte bei der Erstellung der Kostenberechnung das Vermögen der Ast. Gem.
[29] Auch hinsichtlich des Ergebnisses der Schätzung sind keine Ermessensfehler des Ag. erkennbar. Die Wertbestimmung nach billigem Ermessen erfolgt zunächst anhand der dem Notar ohne größeren Aufwand zugänglichen Anhaltspunkte. Fehlen solche oder sind sie nur mit unverhältnismäßigem Aufwand zu erlangen, ist der Notar zu einer rein subjektiven, naturgemäß groben Schätzung berechtigt, wobei der Charakter des
[30] Bei der persönlichen Vollmacht, die sich nicht auf Vermögensangelegenheiten bezieht, liegt eine nicht vermögensrechtliche Angelegenheit vor. Ein materieller Wert ist der Entscheidung über höchstpersönliche Angelegenheiten, wie die medizinische Behandlung im Krankheitsfall, nicht beizumessen. Auch das Vermögen des Bevollmächtigenden hat keinen Einfluss auf die Bewertung einer solchen persönlichen Entscheidung und bleibt deshalb außer Betracht. Zum Zeitpunkt der Auftragserteilung sah
[31] Gleiches gilt für die Patientenverfügung. Eine Patientenverfügung enthält Entscheidungen über (den Abbruch von) Behandlungsmaßnahmen für zukünftig eintretende Fälle und richtet sich an die behandelnden Ärzte, einen Betreuer oder Bevollmächtigten. Ihr Sinn und Zweck ist nicht die Sicherung der Interessen der Erben; vielmehr soll durch sie ein selbstbestimmter und würdiger Sterbevorgang gewährleistet werden. Der Wunsch nach würdevollem Sterben ist nicht vermögensabhängig zu bewerten. Somit hat eine Patientenverfügung grundsätzlich keinen vermögensrechtlichen Bezug und ist nach § 36 Abs. 2 zu bewerten. Mangels tatsächlicher Anhaltspunkte ist der Wert der Verfügung gem. § 36 Abs. 3 regelmäßig mit 5.000 € anzusetzen (Korintenberg/Bormann,
[32] Während Patienten- und Betreuungsverfügung zueinander gegenstandsidentisch sind, sind diese jedoch – im Gegensatz zu der früher überwiegend vertretenen Auffassung – im Verhältnis zu einer Vorsorgevollmacht gegenstandsverschieden gem.
[33] Hier ist die persönliche Vollmacht gegenstandsgleich mit der Generalvollmacht, die als solche auch die Entscheidung über persönliche Angelegenheiten ermöglicht. Gegenstands-verschieden ist die gesondert berechnete Betreuungs- und Patientenverfügung.
[34] Die mit der Korrekturrechnung abrechneten Gebühren sind auf Grundlage der Geschäftswerte zutreffend ermittelt.
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Bremen
Erscheinungsdatum:11.02.18
Aktenzeichen:4 T 524/17
Rechtsgebiete:
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
In-sich-Geschäft
Kostenrecht