Keine Anwendbarkeit des § 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft
letzte Aktualisierung: 14.4.2022
BGH, Beschl. v. 15.2.2022 – II ZR 235/20
AktG § 179a
Keine Anwendbarkeit des § 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft
§ 179a AktG ist auf die Kommanditgesellschaft nicht analog anwendbar (Aufgabe von BGH, Urteil
vom 9. Januar 1995 – II ZR 24/94,
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin hat keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit
für das Revisionsverfahren von Bedeutung, ausgeführt:
Die Klägerin sei nicht mehr Kommanditistin der V. und könne
auch nicht Rückübertragung des Kommanditanteils und der Anteile an der Verwaltungs-
GmbH verlangen, denn der Kauf- und Übertragungsvertrag vom 2. April
1998 sei wirksam.
Der Kauf- und Übertragungsvertrag sei nicht analog § 179a Abs. 1 Satz 1
AktG nichtig. Es könne offenbleiben, ob beim Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrags
von einer Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens im
Sinne der Vorschrift ausgegangen werden könne. Auch habe die im Sinne der
Vorschrift erforderliche Zustimmung der Gesellschafterversammlung gefehlt, weil
diese sich auf den vollständigen schriftlich ausformulierten Vertragsentwurf beziehen
müsse, der zum Zeitpunkt der Fassung des Sanierungsbeschlusses am
23. Februar 1998 nicht vorgelegen habe. Hierauf komme es aber nicht an, weil
eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die Kommanditgesellschaft abzulehnen
sei, was sich aus der zur GmbH ergangenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs
vom 8. Januar 2019 ergebe, mit der dessen frühere zur Kommanditgesellschaft
ergangene Rechtsprechung aufgegeben worden sei.
Es liege auch kein zur Unwirksamkeit des Kauf- und Übertragungsvertrags
führender erkennbarer Missbrauch der Vertretungsmacht durch die Streithelfer
als Vertreter der Klägerin vor. Es könne offenbleiben, ob die Beschlussfassung
vom 23. Februar 1998 über den Verkauf der Beteiligungen und Grundstücke als
Zustimmung zum späteren Kauf- und Übertragungsvertrag vom 2. April 1998 genügt
habe. Offenbleiben könne auch, ob die Beklagte oder der sie bei den Vertragsverhandlungen
vertretende Rechtsanwalt Dr. F. das Erfordernis
und das Fehlen einer Beschlussfassung erkannt habe oder habe erkennen müssen.
Denn die Klägerin habe das Rechtsgeschäft mit dem Liquidationsbeschluss
vom 27. April 1998 genehmigt, dem vier von fünf Gesellschaftern zugestimmt
hätten. Den Beteiligten sei bei der Beschlussfassung bekannt gewesen, dass der
Liquidationsbeschluss zwingend die Wirksamkeit des Kauf- und Übertragungsvertrags
vorausgesetzt habe, weshalb in dem Beschluss eine konkludente Genehmigung
zu sehen sei.
Da weder in Bezug auf den Kommanditanteil an der V. noch
auf den Geschäftsanteil an der Verwaltungs-GmbH Ansprüche der Klägerin bestünden,
seien auch Ansprüche auf Auskunftserteilung über daraus gezogene
Nutzungen und daraus folgende Zahlungsansprüche zu verneinen.
Der Fortbestand des Druckvertrags zwischen den Parteien könne nicht
festgestellt werden, weil mit dem Kauf- und Übertragungsvertrag eine Vertragsübernahme
vorliege und die V. an dem Abschluss des Vertrags
jedenfalls insoweit beteiligt gewesen sei, auch wenn sie im Rubrum nicht erwähnt
werde. Außerdem habe im nachvertraglichen Verhalten der V. eine
konkludente Genehmigung der von der Klägerin vorgenommenen Verfügung gelegen.
Es könne nicht festgestellt werden, dass die Klägerin den Kommanditanteil
an der Beklagten noch halte oder diese zu einer Rückübertragung verpflichtet
sei. Die dingliche Übertragung sei wirksam, wobei offenbleiben könne, ob die
Sicherungsabtretung der Klägerin vom 25./27. Februar 1998 an Dr. F.
als Treuhänder wirksam sei. Denn jedenfalls habe dieser aufgrund der in der Zustimmungsvereinbarung
vom 2. April 1998 zu sehenden Anweisung der Klägerin
wirksam über die Anteile an der Beklagten verfügt. Die für den Anteilsübergang
auf die V. erforderliche Zustimmung der Gesellschafter der Beklagten
habe vorgelegen, was sich aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung
vom 30. März 1998 ergebe.
II. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung stand.
1. Ohne Erfolg macht die Revision geltend, der Kauf- und Übertragungsvertrag
vom 2. April 1998 sei unwirksam, weil es an einer analog § 179a Abs. 1
Satz 1 AktG erforderlichen Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung
der Klägerin über den Vertrag fehle, weshalb die Abtretung des Kommanditanteils
an der V. unwirksam sei, die Klägerin Rückübertragung der in
Umsetzung des Vertrags übertragenen weiteren Gesellschaftsanteile verlangen
könne und Partei des Druckvertrags geblieben sei. § 179a Abs. 1 Satz 1 AktG ist
auf die Kommanditgesellschaft nicht analog anwendbar.
a) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob mit dem Abschluss des
Kauf- und Übertragungsvertrags von einer Übertragung des gesamten Gesellschaftsvermögens
im Sinne von § 179a AktG ausgegangen werden müsse. Für
die Revisionsinstanz ist das zu unterstellen.
b) Nachdem der Bundesgerichtshof zunächst offengelassen hatte, ob
§ 361 Abs. 1 AktG aF als Vorgängervorschrift von § 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft
entsprechende Anwendung findet (BGH, Urteil vom 8. Juli 1991
- II ZR 246/90,
auf eine Kommanditgesellschaft, die das von ihr betriebene, ihr gesamtes
Vermögen darstellende Unternehmen veräußerte, erstreckt (BGH, Urteil vom
9. Januar 1995 - II ZR 24/94,
Berufungsgerichts hat der Senat diese Rechtsprechung in seinem Urteil vom
8. Januar 2019 (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18,
nicht aufgegeben, sondern lediglich entschieden, dass § 179a AktG nicht auf die
GmbH anwendbar ist. Mit der Frage, was bei der Kommanditgesellschaft gilt, befasst
sich die Entscheidung nicht.
Die entsprechende Anwendung von § 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft
wird in Teilen der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung und des
Schrifttums befürwortet (OLG Düsseldorf,
Hüren,
Stoeckle,
§ 126 Rn. 4; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 126
Rn. 9; Staub/Habersack, HGB, 5. Aufl., § 126 Rn. 16; Heidel/Wagner, AktG,
5. Aufl., § 179a Rn. 20; aA OLG Stuttgart,
Nach der Ablehnung der entsprechenden Anwendung des § 179a AktG
auf die GmbH durch den Senat mehrten sich die Stimmen, die eine Analogie
auch für die Kommanditgesellschaft verneinen (Bergmann, Festschrift Vetter,
2019, 79, 86 f.; Berkefeld,
Heckschen,
1078, 1079; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 179a Rn. 1; BeckOGK AktG/Holzborn,
Stand: 1. September 2021, § 179a Rn. 14; MünchKommAktG/Stein, 5. Aufl.,
§ 179a Rn. 14).
c) Der Senat hält an seiner Rechtsprechung nicht fest. § 179a AktG ist auf
die Kommanditgesellschaft nicht analog anwendbar.
aa) Die Gesetzgebungsgeschichte von § 179a AktG gibt keinen Anhaltspunkt
für eine analoge Anwendung der Norm auf die Kommanditgesellschaft. Die
aktienrechtliche Gesetzesentwicklung zeigt lediglich einen auf die Aktionäre ausgerichteten
Schutzzweck der Vorschrift (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019
- II ZR 364/18,
bb) Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke
aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht
soweit mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist,
dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwägung,
bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei
dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis
gekommen (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18,
liegt nicht vor.
(1) Dem Schutzanliegen von § 179a AktG, die gesellschaftsinterne Kontrolle
der Geschäftsführung bei Gesamtvermögensgeschäften durch die Beteiligung
der Gesellschafter zu gewährleisten, wird bei der Kommanditgesellschaft
auch ohne entsprechende Anwendung der Norm durch einen gesetzlich verankerten
Beschlussvorbehalt Rechnung getragen. Deshalb fehlt es an einer planwidrigen
Regelungslücke und eine systemfremde Beschränkung der Vertretungsmacht
des Geschäftsführers mit Außenwirkung und die damit einhergehende
Beeinträchtigung des redlichen Rechtsverkehrs, mit der Rechtsunsicherheit
hervorgerufen und Haftungsrisiken geschaffen werden, verbietet sich.
Zur Vornahme eines über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes
der Gesellschaft hinausgehenden Geschäfts muss die Geschäftsleitung gemäß
§ 116 Abs. 2,
einen zustimmenden Beschluss sämtlicher Gesellschafter unter Einschluss
der Kommanditisten einholen, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrag
eine Mehrheitsentscheidung zulässig ist (
vom 11. Februar 1980 - II ZR 41/79,
2016 - II ZR 123/15,
- II ZR 307/16,
Gesellschafter wird dadurch sichergestellt, dass die Geschäftsleitung das Geschäft
den Kommanditisten gegenüber vor dem Abschluss offenzulegen und deren
Stellungnahme abzuwarten hat (BeckOGK HGB/Notz/Zinger,
Stand: 15. Januar 2021, § 164 Rn. 24; Eberl in Heidel/Schall, HGB, 3. Aufl.,
§ 164 Rn. 7; Oetker/Oetker, HGB, 7. Aufl., § 164 Rn. 12; Weipert in Ebenroth/
Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 9; MünchKommHGB/Grunewald,
4. Aufl., § 164 Rn. 11; Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 12).
Außergewöhnlich im Sinne des
dann, wenn sie nach ihrem Inhalt und Zweck oder nach ihrer Bedeutung und den
mit ihnen verbundenen Gefahren über den gewöhnlichen Rahmen des Geschäftsbetriebs
der Gesellschaft hinausgehen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar
1954 - II ZR 6/53,
einer Kommanditgesellschaft erfüllt in aller Regel diese
Voraussetzungen (
91; Eschwey,
Festschrift Lutter, 2000, 851, 861; Mack,
Nichts anderes würde gelten, wenn man ein Gesamtvermögensgeschäft
als Grundlagengeschäft einordnen würde (so Weipert in Ebenroth/
Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 164 Rn. 10 f.; Staub/Schäfer, HGB,
5. Aufl., § 116 Rn. 8; ablehnend Bergmann, Festschrift Vetter, 2019, 79, 87;
Eschwey,
861; Meier,
setzt einen Beschluss aller Gesellschafter voraus, sofern nicht
nach dem Gesellschaftsvertrag eine Mehrheitsentscheidung zulässig ist (vgl.
BGH, Urteil vom 11. Februar 1980 - II ZR 41/79,
491, 495; BeckOGK HGB/Scholl/Fischer, Stand: 15. Juli 2021, § 114 Rn. 24,
§ 116 Rn. 7; Drescher in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 4. Aufl., § 116
Rn. 2).
Das Beschlusserfordernis sichert nicht nur das Kontrollrecht der Gesellschafterversammlung
in ihrer Gesamtheit, sondern schützt zudem Minderheitsgesellschafter
vor einer unangemessenen Vertragsgestaltung oder einer Selbstbedienung
des Mehrheitsgesellschafters. Der Minderheitsgesellschafter kann
einen vom Mehrheitsgesellschafter gefassten Beschluss durch Klage gerichtlich
überprüfen lassen und versuchen, den Vollzug eines nachteiligen Geschäfts zu
verhindern.
(2) Die Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft
auf die Geschäftsleitung sind für die Beantwortung der Frage nach der
analogen Anwendung von § 179a AktG nachrangig. Selbst wenn man dies anders
sehen wollte, sind die strukturellen Unterschiede zur Aktiengesellschaft derart
ausgeprägt, dass dies ebenfalls gegen eine entsprechende Anwendung von
§ 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft spricht. Im Unterschied zu der auf
Machtbalance der einzelnen Organe abzielenden und die Aktionäre von der unmittelbaren
Einflussnahme auf die Geschäftsführung der Gesellschaft ausschließenden
Verfassung der Aktiengesellschaft ist der unmittelbare Einfluss der Kommanditisten
auf die Geschäftsführung erheblich. Im Hinblick auf die hieraus folgende
geringere Schutzbedürftigkeit der Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft
ist eine Analogie abzulehnen.
Bei einem Vergleich der Kontroll- und Informationsrechte der Gesellschafter
lässt sich allerdings keine geringere Schutzbedürftigkeit der Kommanditisten
feststellen. Das Kontroll- und Informationsrecht des Aktionärs beschränkt sich im
Wesentlichen auf die Hauptversammlung und die Gegenstände der Tagesordnung
(BGH, Beschluss vom 6. März 1997 - II ZB 4/96,
Auskunftsrecht wird unter anderem durch das Kriterium der Erforderlichkeit in
§ 131 Abs. 1 Satz 1 AktG und durch das Auskunftsverweigerungsrecht des Vorstands
aus
14. Januar 2014 - II ZB 5/12,
vom 5. November 2013 - II ZB 28/12,
ist es aber umfassend und bezieht sich auch auf Angelegenheiten der laufenden
Geschäftsführung. Dem Kommanditisten steht neben seinem gegenständlich
beschränkten Informationsrecht nach
nach
umfasst zwar neben den Auskünften, die der Prüfung des Jahresabschlusses
dienen oder zum Verständnis des Jahresabschlusses erforderlich sind, auch
Auskünfte über die Geschäftsführung des Komplementärs allgemein und die damit
im Zusammenhang stehenden Unterlagen (BGH, Beschluss vom 14. Juni
2016 - II ZB 10/15,
Auskunfts- und Einsichtsrecht des Kommanditisten, sondern rechtfertigt
von vornherein nur die Zuerkennung solcher Informations- und Aufklärungsrechte,
die zur Durchsetzung gesellschaftsvertraglicher Rechte bzw. zur Wahrung
berechtigter Interessen des Kommanditisten geeignet und angemessen
sind. Das außerordentliche Informationsrecht wird insoweit durch das Informationsbedürfnis
des Kommanditisten begrenzt, das sich aus dem wichtigen Grund
ergibt (BGH, Beschluss vom 14. Juni 2016 - II ZB 10/15,
mwN).
Gegen die entsprechende Anwendung von § 179a AktG spricht aber die
stärkere Einflussmöglichkeit von Gesellschaftern einer Kommanditgesellschaft
auf die Geschäftsführung und die hieraus folgende geringere Schutzbedürftigkeit.
Das Aktienrecht enthält in §§ 76 ff. und 111 ff. AktG Kompetenzzuweisungen
hinsichtlich der Wahrnehmung der Leitungs- und der Überwachungsaufgaben
der Gesellschaft, auf die die Aktionäre in sehr beschränktem Maße Einfluss nehmen
können (vgl. BGH, Beschluss vom 6. März 1997 - II ZB 4/96,
53 f.; Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18,
über Fragen der Geschäftsführung kann die Hauptversammlung für den Vorstand
bindend nach § 119 Abs. 2 AktG nur entscheiden, wenn der Vorstand es verlangt
(BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18,
Ob der Vorstand dies verlangt, steht grundsätzlich in seinem Ermessen (BGH,
Urteil vom 25. Februar 1982 - II ZR 174/80,
Henssler/Strohn, GesR, 5. Aufl., § 119 AktG Rn. 9; BeckOGK AktG/Hoffmann,
Stand: 1. September 2021, § 119 Rn. 17; Hüffer/Koch, AktG, 15. Aufl., § 119
Rn. 13; Spindler in K. Schmidt/Lutter, AktG, 4. Aufl., § 119 Rn. 17; MünchKomm-
AktG/Kubis, 5. Aufl., § 119 Rn. 22; KK-AktG/Tröger, 3. Aufl., § 119 Rn. 62;
Mülbert in Großkomm. AktG, 5. Aufl., § 119 Rn. 119). Demgegenüber hat die
Komplementärin stets nach
zu Fragen der Geschäftsführung einzuholen, wenn ein Geschäft über den gewöhnlichen
Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft hinausgeht. Darüber
hinaus kann der Gesellschaftsvertrag der Gesellschafterversammlung die Befugnis
einräumen, der Geschäftsführung Weisungen in Angelegenheiten der Geschäftsführung
zu erteilen (BGH, Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16,
cc) Gegen eine Analogie spricht auch bei der Kommanditgesellschaft zudem,
dass diese ohne unmittelbare gesetzliche Grundlage ein tragendes Prinzip
des Rechts der Handelsgesellschaften gefährden würde. § 126 Abs. 2 HGB, der
die Unbeschränktheit und Unbeschränkbarkeit der Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers
im Außenverhältnis statuiert, ist wie die parallelen Vorschriften
§ 37 Abs. 2 GmbHG, § 82 Abs. 1 AktG, § 27 Abs. 2 GenG oder
Ausdruck des Prinzips, dass der Handelsverkehr auf dem Gebiet der rechtsgeschäftlichen
und organschaftlichen Vertretungsbefugnis klare Verhältnisse erfordert.
Für den Dritten, der mit einem Vertreter einer Handelsgesellschaft ein
Rechtsgeschäft abschließt oder Erklärungen entgegennimmt, ist es, wenn nicht
praktisch undurchführbar, so jedenfalls unzumutbar, sich in jedem Einzelfall über
den Umfang der Vertretungsbefugnis des anderen Teils zu informieren. Aus diesem
Grund hat der Gesetzgeber gerade bei den Handelsgesellschaften den Umfang
der organschaftlichen Vertretungsbefugnis zwingend festgelegt (BGH, Urteil
vom 20. September 1962 - II ZR 209/61,
1997 - II ZR 353/95,
- I ZR 6/16,
2019 - II ZR 364/18,
Dieser Gedanke erlangt bei der Kommanditgesellschaft besonderes Gewicht,
weil der jeweilige Vertragspartner der Gesellschaft das Vorliegen eines
Gesamtvermögensgeschäfts in der Regel nicht zuverlässig beurteilen kann. Eine
quantitative Abgrenzung nach dem Wertverhältnis des zu übertragenden und des
verbleibenden Vermögens der Gesellschaft ist erschwert, weil die Vermögenssituation
der Personengesellschaft und der Wert ihrer Vermögensgegenstände
aufgrund der geringeren Bilanzpublizität nur eingeschränkt offengelegt wird.
Hinzu kommt, dass der Rechtsverkehr bei den Personengesellschaften typischerweise
von einer engeren internen Abstimmung zwischen Geschäftsführern
und Gesellschaftern als bei einer Aktiengesellschaft ausgehen kann, was in die
Abwägung mit dem Schutzbedürfnis der Gesellschafter einzustellen ist
(Eschwey,
dd) Ob eine entsprechenden Anwendung von § 179a AktG auf die Kommanditgesellschaft
auch bei Publikumspersonengesellschaften ausscheidet, bei
denen die Struktur einer Aktiengesellschaft angenähert ist und die Einwirkungsmöglichkeiten
des Kommanditisten denjenigen eines Aktionärs vergleichbar gering
sind, bedarf keiner Entscheidung.
2. Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht die Unwirksamkeit des
Kauf- und Übertragungsvertrags nach den Grundsätzen des Missbrauchs der
Vertretungsmacht verneint, weil die Gesellschafter der Klägerin den Vertrag mit
dem Liquidationsbeschluss vom 27. April 1998 genehmigt haben.
a) Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass ein unter
Missbrauch der Vertretungsmacht abgeschlossenes Rechtsgeschäft in entsprechender
Anwendung des
vom 6. Mai 1999 - VII ZR 132/97,
2007 - IV ZR 288/06,
- I ZR 6/16,
Vertretung (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2007 - IV ZR 288/06,
214 Rn. 24 - media control). Missachtet ein Geschäftsführer einen Zustimmungsvorbehalt,
ist die Person bzw. das Gremium zur Erteilung der Genehmigung befugt,
in dessen Kompetenz die übergangene Zustimmung fällt (vgl. BGH, Urteil
vom 30. März 1953 - IV ZR 176/52,
19. Dezember 1988 - II ZR 74/88,
2004 - II ZR 364/02,
wirkende Genehmigung kann auch konkludent erteilt werden (BGH, Urteil vom
2. April 2004 - V ZR 107/03,
2014 - I ZR 97/13,
- VIII ZR 125/14,
- XI ZR 17/15,
b) Das Berufungsgericht hat eine konkludente Genehmigung des allen
Gesellschaftern bekannten Kauf- und Übertragungsvertrags durch den mit qualifizierter
Mehrheit allein gegen die Stimme des A. S. gefassten
Liquidationsbeschluss angenommen. Die Auslegung des Berufungsgerichts ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Ob konkludent genehmigt wurde, ist
durch eine im Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüfbare Auslegung der
Umstände zu ermitteln (BGH, Urteil vom 7. November 2001 - VIII ZR 13/01,
Rn. 25).
Eine Genehmigung schwebend unwirksamer Geschäfte durch schlüssiges
Verhalten setzt allerdings regelmäßig voraus, dass der Genehmigende die
Unwirksamkeit kennt oder zumindest mit ihr rechnet und in seinem Verhalten der
Ausdruck des Willens zu sehen ist, das bisher als unverbindlich angesehene Geschäft
verbindlich werden zu lassen (BGH, Urteil vom 16. September 2003
- XI ZR 74/02,
- II ZR 364/02,
187 Rn. 36; Urteil vom 14. Januar 2016 - III ZR 107/15,
Urteil vom 9. Januar 2018 - XI ZR 17/15,
BGH, Urteil vom 19. Dezember 1988 - II ZR 74/88,
der Auffassung der Revision weicht das Berufungsgericht von dieser Rechtsprechung
nicht ab, wenn es ausführt, der Liquidationsbeschluss habe zwingend
die Wirksamkeit des Kauf- und Übertragungsvertrags vorausgesetzt und dies sei
den Beteiligten bekannt gewesen. Die von der Revision in diesem Zusammenhang
erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend
erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).
3. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler den Antrag auf Feststellung,
dass der Druckvertrag vom 10. Februar 1949 zwischen den Parteien fortbestehe,
zurückgewiesen, weil die V. durch die Vereinbarung im
Kauf- und Übertragungsvertrag wirksam an Stelle der Klägerin in den Vertrag
eingetreten ist.
Dabei kann dahinstehen, ob, was die Revision in Abrede stellt, die V. -
bei Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrags wirksam vertreten
war. Das Berufungsgericht hat angenommen, dass im nachvertraglichen Verhalten
der V. jedenfalls eine konkludente Genehmigung der Übertragung
der Rechte und Pflichten aus dem Druckvertrag auf die V. lag.
Diese Auslegung des Berufungsgerichts darf vom Revisionsgericht nur eingeschränkt
daraufhin überprüft werden, ob gesetzliche oder allgemein anerkannte
Auslegungsregeln, die Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt
sind, wesentlicher Auslegungsstoff außer Acht gelassen worden ist oder die Auslegung
auf mit der Revision gerügten Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom
13. Januar 2021 - VIII ZR 66/19,
- XII ZR 92/19,
Erfolg ein, es fehle an Feststellungen zum Genehmigungsbewusstsein der V. -
.
Ein Genehmigungsbewusstsein ist indes nicht stets erforderlich. Nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt eine, auch schlüssige, Willenserklärung
trotz fehlenden Erklärungsbewusstseins vor, wenn der Erklärende bei
Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen und vermeiden
können, dass seine Äußerung oder sein Verhalten nach Treu und Glauben
und der Verkehrssitte als Willenserklärung aufgefasst werden durfte, und wenn
der Empfänger sie auch tatsächlich so verstanden hat (BGH, Urteil vom 7. Juni
1984 - IX ZR 66/83,
129, 136; Urteil vom 14. Mai 2002 - XI ZR 155/01,
vom 16. September 2003 - XI ZR 74/02,
16. Dezember 2009 - XII ZR 146/07,
17. November 2014 - I ZR 97/13,
nach
2. November 1989 - IX ZR 197/88,
Dies vorausgesetzt, hat das Berufungsgericht auf der Grundlage seiner
Feststellungen ohne Rechtsfehler die Genehmigung der Vertragsübernahme
durch die V. angenommen. Es ist anerkannt, dass eine Zustimmung
durch schlüssiges Handeln in der Regel dann anzunehmen ist, wenn der Zustimmungsberechtigte
das Rechtsgeschäft als gültig behandelt (BGH, Urteil vom
15. Mai 1990 - X ZR 82/88,
BGB, 81. Aufl., § 182 Rn. 3; Maier-Reimer/Finkenauer in Erman, BGB, 16. Aufl.,
§ 182 Rn. 11; MünchKommBGB/Bayreuther, 9. Aufl., § 182 Rn. 15). In dem Umstand,
dass die V. seit Abschluss des Kauf- und Übertragungsvertrags,
mithin seit über zwanzig Jahren, den Druckvertrag mit der Beklagten als
Vertragspartner durchführt, diesen entsprechend abrechnet und dies in ihren
Jahresabschlüssen ausweist, durfte das Berufungsgericht daher jedenfalls eine
schlüssige Genehmigung der Übertragung der Rechte und Pflichten aus dem
Druckvertrag sehen.
4. Das Berufungsgericht hat ohne Rechtsfehler den Antrag auf Feststellung,
dass die Klägerin weiterhin den Kommanditanteil im Nennwert von
15.600 DM an der Beklagten halte, einschließlich der Hilfsanträge zurückgewiesen.
Entgegen der Auffassung der Revision ist die dingliche Übertragung dieses
Kommanditanteils auf die V. wirksam.
a) Im Kauf- und Übertragungsvertrag vom 2. April 1998 wurde der Kommanditanteil
der Klägerin an der Beklagten an die Beklagte verkauft. Nach den
Feststellungen des Berufungsgerichts wurde der Kommanditanteil parallel zum
Abschluss dieses Vertrags mit der Zustimmungsvereinbarung vom selben Tag
übertragen. Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann seinen Gesellschaftsanteil
mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter auf einen Mitgesellschafter
oder auf eine dritte Person durch Verfügungsgeschäft (§ 413 BGB) mit
der Wirkung übertragen, dass der Erwerber, wenn nichts anderes geregelt ist,
ohne weiteres in die Rechtsstellung eintritt, die bis dahin der Veräußerer innehatte
(BGH, Urteil vom 29. Juni 1981 - II ZR 142/80,
21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
2020 - II ZR 20/19,
wurde jedenfalls mit Wirkung ex tunc genehmigt, so dass die Übertragung des
Kommanditanteils mit Rechtsgrund erfolgte.
Ausgehend davon, dass Dr. F. den Anteil an der Beklagten
nach einer Sicherungsabtretung zum Zeitpunkt der Zustimmungsvereinbarung
zunächst als Treuhänder für die Klägerin hielt, wurde in dieser Vereinbarung bestimmt,
dass der Kommanditanteil vom Treuhänder auf Weisung der Beklagten
als neuer Treugeberin unter Beendigung dieses Treuhandverhältnisses an die
V. abgetreten werden soll. Dr. F. trat den Kommanditanteil
an die V. ab, diese nahm die Abtretung an.
b) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht die Übertragung des Kommanditanteils
auf die V. auch für den Fall als wirksam erachtet, dass
die Sicherungsabtretung an Dr. F. unwirksam gewesen sein sollte. In
diesem Fall hätte Dr. F. mit Einwilligung der Klägerin über den Anteil
verfügt.
Das Berufungsgericht ist aufgrund seiner aus revisionsrechtlicher Sicht
nicht zu beanstandenden Auslegung der zwischen den Parteien, der V. -
und Dr. F. geschlossenen Zustimmungsvereinbarung vom
2. April 1998 zu dem Ergebnis gelangt, dass die Klägerin für den Fall der Unwirksamkeit
der Abtretung an Dr. F. als Inhaberin des Kommanditanteils
diesen zum Zweck des Vollzugs des Kauf- und Übertragungsvertrags angewiesen
hat, den Anteil zunächst als Treuhänder für die Beklagte zu halten, um dann
unter Beendigung des Treuhandverhältnisses die Inhaberschaft der V. -
zu begründen. Die Anweisung an Dr. F. hat das Berufungsgericht
unmittelbar dem in der Zustimmungsvereinbarung zum Ausdruck kommenden
Willen der Beteiligten entnommen, der darauf gerichtet war, den Kommanditanteil
unter Aufgabe sämtlicher Berechtigungen der Klägerin auf die V. als
künftiger Tochter der Beklagten zu übertragen. Es hat sich dabei erkennbar und
zutreffend von dem Gedanken leiten lassen, Erklärungen der Parteien nach Möglichkeit
so auszulegen, dass deren Vorstellungen Wirksamkeit erlangen können,
sofern sich ein übereinstimmender wirklicher Wille der Parteien mit hinreichender
Sicherheit feststellen lässt (vgl. BGH, Urteil vom 4. Juli 1988 - II ZR 370/87, juris
Rn. 4).
c) Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht die Zustimmung der Gesellschafter
der Beklagten zur Übertragung des Kommanditanteils auf die V. -
festgestellt.
Hierzu hat es ausgeführt, auf der Gesellschafterversammlung der Beklagten
vom 30. März 1998 habe Einvernehmen bestanden, dass der "Lokalverlag
S. übernommen" werden solle, wozu ausdrücklich auch gehört habe,
dass die Beklagte die Beteiligung der Klägerin an der V. übernehmen
solle. Die V. habe als neue Tochter der Beklagten den Kommanditanteil
an der Beklagten halten sollen. Damit habe eine Einwilligung der Gesellschafter
der Beklagten zur Übertragung des Gesellschaftsanteils auf die V. -
als neuer Gesellschafterin vorgelegen. Die Beklagte habe durch Vorlage
des Protokollauszugs vom 30. März 1998 nachgewiesen, dass es sich dabei um
einen einstimmigen Gesellschafterbeschluss gehandelt habe. Die Klägerin habe
dies nur pauschal bestritten, aber nicht in erheblicher Weise den detaillierten Vortrag
der Beklagten zur Beteiligung und Abstimmung der Gesellschafter in dieser
Versammlung in Abrede gestellt. Diese Ausführungen sind aus revisionsrechtlicher
Sicht nicht zu beanstanden. Die von der Revision in diesem Zusammenhang
erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft und nicht für durchgreifend
erachtet. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 564 ZPO).
Daneben weist die Beklagte zutreffend darauf hin, dass sich die Klägerin
nicht mehr auf einen fehlenden Beschluss der Gesellschafter der Beklagten berufen
könnte, weil die Übertragung des Kommanditanteils mit der einstimmigen
Feststellung der Jahresabschlüsse der Beklagten zum 31. Dezember 1998 und
zum 31. Dezember 1999 bestätigt wurde. Dem ist die Revision nicht entgegengetreten.
Die Zustimmung der Mitgesellschafter zur Übertragung eines Kommanditanteils
kann durch schlüssiges Verhalten, wie etwa einer entsprechenden Anmeldung
zum Handelsregister erfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 17. September
1984 - II ZR 208/83,
einstimmig den die Übertragung ausweisenden Jahresabschluss der Gesellschaft
billigen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.02.2022
Aktenzeichen:II ZR 235/20
Rechtsgebiete:
Unternehmenskauf
Genossenschaft
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kommanditgesellschaft (KG)
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Allgemeines Schuldrecht
OHG
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
AktG § 179a