Kammergericht 12. August 2021
1 W 305/21
GBO §§ 18, 35; BGB §§ 80, 84, 1923, 2096, 2101, 2106

Unmöglicher Nachweis der Rechtsfähigkeit einer Stiftung – Aufhebung einer Zwischenverfügung

letzte Aktualisierung: 29.12.2021
KG, Beschl. v. 12.8.2021 – 1 W 305/21

GBO §§ 18, 35; BGB §§ 80, 84, 1923, 2096, 2101, 2106
Unmöglicher Nachweis der Rechtsfähigkeit einer Stiftung – Aufhebung einer
Zwischenverfügung

1. Stellt sich nach Erlass einer Zwischenverfügung heraus, dass mit den darin aufgezeigten
Abhilfemitteln der Nachweis der Beseitigung eines der Eintragung entgegen stehenden Hindernisses
nicht erbracht werden kann – hier Anerkennung einer als Erbin eingesetzten Stiftung durch die
Stiftungsaufsicht im Zeitpunkt des Erbfalls –, ist die Zwischenverfügung aufzuheben; erscheinen
nun andere Mittel zur Beseitigung des Eintragungshindernisses geeignet, ist dem Antragsteller mit
einer weiteren Zwischenverfügung Gelegenheit zu geben, die Beseitigung nachzuweisen.
2. Hat der Erblasser in einem öffentlichen Testament für den Fall, dass eine von ihm als Erbin
bestimmte Stiftung im Erbfall noch nicht anerkannt sein sollte, einen Dritten – hier den Stifter –
zum Ersatzerben bestimmt, ist eine Auslegung dahin, die Stiftung solle tatsächlich Nacherbin sein
und der Nacherbfall im Zeitpunkt der Anerkennung der Stiftung eintreten, zwar nicht
ausgeschlossen. Müssen hierzu aber weitere Ermittlungen erfolgen, kann zum Nachweis der
Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins erforderlich sein.

Gründe

I.
Der am 7. Februar 2020 verstorbene eingetragene Eigentümer (im Folgenden: Erblasser)
war als solcher seit dem x 2002 mit seiner Ehefrau je zur Hälfte im Grundbuch eingetragen.
Seit dem x 2017 ist er als Alleineigentümer eingetragenen, nachdem seine Ehefrau gestorben
war.

Am x 2019 errichtete der Erblasser zur UR-Nr. x des Notars x ein Testament. Darin setzte
er die von der Beteiligten zu 3 „noch zu errichtende“ Beteiligte zu 2 als Erben ein. Weiter
heißt es in der Urkunde: „Sollte die vorgenannte Stiftung noch nicht gegründet sein, setze
ich zu meinem Ersatzerben den [Beteiligten zu 2] ein.“ Er machte „Dem Erben“ zur
Auflage, „eine nicht rechtsfähige gemeinnützige Stiftung zu gründen“. Den Beteiligten zu 1
bestimmte er zum Testamentsvollstrecker.

Die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung erkannte den
Beteiligten zu 2 am 7. Juli 2020 an.

Unter dem 16. April 2021 hat der Beteiligte zu 1 die Berichtigung des Grundbuchs durch
Eintragung des Beteiligten zu 2 als Eigentümer anstelle des Erblassers beantragt. Das
Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 29. Juni 2021 den Nachweis erfordert,
„dass zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers diese Stiftung bereits als rechtsfähige
Stiftung von der zuständigen Senatsverwaltung anerkannt war.“ Darauf hat der Beteiligte zu
1 mit Schriftsatz vom 14. Juli 2021 auf die Anerkennung vom 7. Juli 2020 hingewiesen. Er
hat die Auffassung vertreten, die Beteiligte zu 2 sei Nacherbin geworden und der
Nacherbfall mit ihrer Anerkennung eingetreten. Für den Fall, dass das Grundbuchamt
trotzdem eine Grundbuchberichtigung zugunsten der Beteiligten zu 2 nicht veranlassen
wolle, lege er Beschwerde ein. Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 28. Juli 2021
dieser Beschwerde nicht abgeholfen.

II.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Beschwerdeführer ist der Beteiligte zu 1 in seiner
Eigenschaft als Testamentsvollstrecker über den Nachlass des Erblassers. Insoweit ist er zur
Erhebung der Beschwerde auch im eigenen Namen befugt (Schmidt-Räntsch, in: Meikel,
GBO, 12. Aufl., § 71, Rdn. 143).

2. In der Sache führt die Beschwerde zu einem vorläufigen Erfolg.

a) Steht einer beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen, so hat das Grundbuchamt
dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Hebung des Hindernisses zu bestimmen,
wenn es den Antrag nicht sofort zurückweist, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO. Den Antrag des
Beteiligten zu 1 vom 16. April 2021 hat das Grundbuchamt bislang nicht zurückgewiesen.
Es hat lediglich die Zwischenverfügung vom 29. Juni 2021 erlassen, die deshalb auch nur
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens sein kann (Senat, Beschluss vom 26. April 1965 – 1
W 1027/95 – OLGZ 1965, 92, 96; Demharter, GBO, 32. Aufl., § 71, Rdn. 34).

b) Gegen die Zwischenverfügung war im Ergebnis zunächst nichts zu erinnern. Erbe kann
nur werden, wer zur Zeit des Erbfalls lebt, § 1923 Abs. 1 BGB. Die Erbfähigkeit beruht auf
der allgemeinen Rechtsfähigkeit, § 1 BGB. Deshalb können auch juristische Personen, die
im Zeitpunkt des Erbfalls bestehen und Rechtsfähigkeit besitzen, ebenfalls Erbe werden
(Leipold, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., § 923, Rdn. 36).

Zur Entstehung einer rechtsfähigen Stiftung sind das Stiftungsgeschäft und die
Anerkennung durch die zuständige Behörde des Landes erforderlich, in dem die Stiftung
ihren Sitz haben soll, § 80 Abs. 1 BGB. Die Beteiligte zu 2 bedurfte danach der
Anerkennung durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und
Antidiskriminierung, § 2 Abs. 1 StiftG Bln, um als Erbin im Grundbuch eingetragen werden
zu können. Die Anerkennung wirkt konstitutiv.

Entgegen der Beschwerde rechtfertigte allein die Veröffentlichung der Bekanntmachung der
Anerkennung der Beteiligten zu 2 noch nicht die Annahme einer Offenkundigkeit dieser
Umstände. Der Beteiligte zu 1 hat mit Schriftsatz vom 14. Juli 2014 auf die Anerkennung
der Beteiligten zu 2 durch die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und
Antidiskriminierung vom 7. Juli 2020 hingewiesen. Erst damit lagen genügend
Anhaltspunkte vor, um die bereits in der Antragsschrift erwähnte Veröffentlichung im
Amtsblatt für Berlin nachvollziehen zu können. Die Bekanntmachung vom x über die
Anerkennung der Beteiligten zu 2 ist im Amtsblatt für Berlin vom x veröffentlicht worden.

c) Damit steht allerdings auch fest, dass dem Beteiligten zu 1 der von dem Grundbuchamt
mit der Zwischenverfügung erforderte Nachweis der Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 2 im
Zeitpunkt des Erbfalls unmöglich ist.

Aus § 84 BGB folgt nichts Anderes. Danach gilt eine Stiftung für eine Zuwendung des
Stifters als schon vor dessen Tod entstanden, wenn die Stiftung erst nach dem Tode des
Stifters als rechtsfähig anerkannt wird. Das Bestehen der Stiftung bereits vor dem Tod des
Stifters wird danach fingiert. Hingegen ist der eingetragene Eigentümer nicht Stifter der
Beteiligten zu 2. § 84 BGB bezieht sich aber nur auf Zuwendungen des Stifters,
Zuwendungen Dritter, wie hier dem eingetragenen Eigentümer, werden von der Regelung
nicht erfasst (Palandt/Ellenberger BGB, 80. Aufl., § 84, Rdn. 1, Lehmann/Hahn, in: Feick,
Stiftung als Nachfolgeinstrument, § 16, Rdn. 4).

d) Erlässt das Grundbuchamt eine Zwischenverfügung, hat es darin die zur Beseitigung der
Hindernisse geeigneten Mittel anzugeben (Demharter, a.a.O., § 18, Rdn. 31). Das hat das
Grundbuchamt vorliegend nicht getan, was ihm zunächst nicht vorzuwerfen war. Hingegen
sind im Beschwerdeverfahren – auch von dem Grundbuchamt, § 75 GBO – neue
Tatsachen und Beweise zu berücksichtigen, § 74 GBO. Der Beteiligte zu 1 kann den von
dem Grundbuchamt erforderten Nachweis der Rechtsfähigkeit der Beteiligten zu 2 zum
Zeitpunkt des Erbfalls nicht erbringen. Auf seine Beschwerde war die Zwischenverfügung
deshalb aufzuheben.

3. Für das weitere Verfahren weist der Senat ohne Bindungswirkung auf das Folgende hin:

a) Die Berichtigung einer unrichtigen Grundbucheintragung erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1
GBO, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden, § 29 GBO, nachgewiesen wird,
§ 20 Abs. 1 GBO. Ist das Grundbuch durch Tod eines Berechtigten unrichtig geworden, ist
der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen, § 35 Abs. 1 S. 1
GBO.

Beruht die Erbfolge aber auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen
Urkunde enthalten ist, genügt es in der Regel, wenn anstelle des Erbscheins die Verfügung
und die Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 S. 2
HS 1 GBO. Das Grundbuchamt hat eine solche Verfügung von Todes wegen dahin zu
überprüfen, ob sich aus ihr das von dem Antragsteller behauptete Erbrecht ergibt. Es hat
die Verfügung in eigener Verantwortung auszulegen, auch wenn es sich um die Klärung
rechtlich schwieriger Fragen handelt. Die Pflicht zu eigener Auslegung entfällt allerdings
dann, wenn für diese erst zu ermittelnde tatsächliche Umstände maßgebend sind (vgl. Senat,
Beschluss vom 23. Juni 2020 – 1 W 1276/20 – DNotZ 2021, 195, 196).

Solche Ermittlungen erscheinen hier erforderlich. Der Erblasser hat ausweislich seiner
letztwilligen Verfügung vom 25. Oktober 2019 die Möglichkeit gesehen, dass die Beteiligte
zu 2 im Zeitpunkt seines Todes noch nicht entstanden sein könnte („sollte die vorgenannte
Stiftung noch nicht gegründet sein“). In einem solchen Fall ist im Zweifel anzunehmen,
dass die juristische Person als Nacherbe eingesetzt ist, § 2101 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB. Der
Nacherbfall tritt dann mit der Entstehung der juristischen Person ein, § 2106 Abs. 2 S. 2
BGB (Lieder, in: Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl., § 2101, Rdn. 14).

Allerdings gilt die Auslegungsregel des § 2101 Abs. 2, Abs. 1 S. 1 BGB lediglich „im
Zweifel“. Sie gilt also dann nicht, wenn der Erblasser etwas Anderes bestimmen wollte und
bestimmt hat. Gegen die Anwendung der genannten Zweifelsregel spricht hier der von dem
Erblasser gewählte Wortlaut. Er hat die Beteiligte zu 2 für den Fall ihrer erst nach dem
Erbfall erfolgenden Anerkennung nicht als Nacherbin bestimmt, sondern den Beteiligten zu
3 für diesen Fall ausdrücklich als Ersatzerben bezeichnet. Ersatzerbe ist derjenige, der von
dem Erblasser für den Fall als Erbe bestimmt worden ist, dass der eigentlich vorgesehene
Erbe vor oder nach dem Eintritt des Erbfalls wegfällt, § 2096 BGB. Die Regelung findet
auch dann Anwendung, wenn die Einsetzung des zunächst berufenen Erben nichtig oder
unwirksam ist (vgl. OLG Hamburg, NJW-RR 2015, 1419, 1421).

Im Hinblick auf die ausdrückliche Verwendung des Begriffs „Ersatzerbe“ bei notarieller
Beratung, § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG, liegt zunächst die Annahme nahe, dass der Erblasser
genau das wollte, was er ausdrücklich erklärt hat. Dann wäre für die Annahme der
genannten Zweifelsregel kein Raum. Hinzu kommt, dass, wenn der Erblasser die Beteiligte
zu 2 tatsächlich wenigstens als Nacherbin hätte einsetzen wollen, die ausdrückliche
Bestimmung eines Vorerben nicht fernliegend gewesen wäre. Gerade das ist aber
unterblieben. Im Falle des § 2101 BGB werden in der Regel die gesetzlichen Erben des
Erblassers als Vorerben in Betracht kommen (Lieder, a.a.O., Rdn. 9). Ob dies aber – „im
Zweifel“ – gewollt war, erscheint fraglich. Ausweislich der letztwilligen Verfügung vom x
waren Abkömmlinge erster und zweiter Ordnung nicht - mehr - vorhanden. Der Erblasser
war zudem verwitwet. Ob gesetzliche Erben dritter oder weiterer Ordnung vorhanden
waren, ist nicht ersichtlich. Wiederum wäre im Hinblick auf § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG zu
erwarten gewesen, dass der Erblasser hier eindeutige Regelungen getroffen hätte, wären sie
gewollt gewesen. Deshalb kann auch nicht ohne weiteres angenommen werden, der als
Ersatzerbe bezeichnete Beteiligte zu 3 habe Vorerbe werden sollen.

Danach ist zur Ermittlung des Willens des Erblassers eine Auslegung des Testaments vom x
erforderlich, die sich aber nicht auf eine Analyse des Wortlauts beschränken kann. Vielmehr
müssen bei einer solchen Auslegung alle zugänglichen Umstände außerhalb des Testaments
ausgewertet werden, die zur Aufdeckung des Erblasserwillens beitragen können (BGH,
FamRZ 1993, 318). Eine somit gebotene Berücksichtigung der Gesamtumstände ist im
Verfahren auf Berichtigung des Grundbuchs regelmäßig aber nicht möglich. Das
Grundbuchamt darf im Hinblick auf § 29 Abs. 1 GBO nur das – öffentliche – Testament,
in der Form des § 29 Abs. 1 GBO abgegebene Erklärungen der Beteiligten und
offenkundige Umstände berücksichtigen, nicht jedoch andere Umstände, die nach dem
materiellen Erbrecht bei der Ermittlung des Erblasserwillens aber zu berücksichtigen sind
(BGH, DNotZ 2016, 934, 935). Solche Ermittlungen sind hingegen dem Nachlassgericht im
Erbscheinsverfahren möglich. Dessen Erkenntnisse sind dann gegenüber dem
Grundbuchamt durch den Erbschein nachzuweisen, § 35 Abs. 1 S. 1 GBO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

12.08.2021

Aktenzeichen:

1 W 305/21

Rechtsgebiete:

Stiftung
Beurkundungsverfahren
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Gesetzliche Erbfolge

Normen in Titel:

GBO §§ 18, 35; BGB §§ 80, 84, 1923, 2096, 2101, 2106