OLG Nürnberg 24. Juli 2019
15 W 1125/19
GBO §§ 22 Abs. 1 S. 1, 29; BGB § 1061 S. 1; PStG §§ 54 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2, 55 Abs. 1 Nr. 5, 60; SGB X § 64 Abs. 2 S. 3

Unrichtigkeitsnachweis im Grundbuchverfahren durch gebührenfreie Personenstandsurkunden

letzte Aktualisierung: 26.11.2019
OLG Nürnberg, Beschl. v. 24.7.2019 – 15 W 1125/19

GBO §§ 22 Abs. 1 S. 1, 29; BGB § 1061 S. 1; PStG §§ 54 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2, 55 Abs. 1 Nr. 5,
60; SGB X § 64 Abs. 2 S. 3
Unrichtigkeitsnachweis im Grundbuchverfahren durch gebührenfreie Personenstandsurkunden

1. Zum Nachweis gemäß § 29 GBO, dass ein Nießbrauch gemäß § 1061 Satz 1 BGB wegen
Versterbens des Berechtigten erloschen ist, genügt die Vorlage der notariell beglaubigten Abschrift
einer Sterbeurkunde beim Grundbuchamt auch dann, wenn diese vom Standesamt mit dem
Vermerk „Nur für Rente – gebührenfrei –“ versehen worden ist.

2. Die einer Personenstandsurkunde im Sinne des § 55 Abs. 1 PStG zukommende Beweiskraft (§ 54
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 PStG) wird nicht dadurch eingeschränkt, dass sie gemäß § 64 Abs. 2 Satz 3
SGB X gebührenfrei erteilt wurde.

3. Aus der Grundbuchordnung ergibt sich nicht, dass das Grundbuchamt die Gebühreninteressen
des Standesamts zu wahren hätte und deshalb gebührenfrei erteilte Sterbeurkunden zurückweisen
dürfte.

Gründe

Gründe: i.

Im Grundbuch des Amtsgerichts Hersbruck von Neunkirchen am Sand ist in Blatt 439 die Beteiligte J als
Eigentümerin eingetragen.

Das Grundstück ist mit einem Nießbrauch zugunsten C, geb. S, belastet. Mit Schreiben des Notars vom
21.03.2019 beantragt die Eigentümerin unter anderem die Löschung dieses Nießbrauchs wegen
Gegenstandslosigkeit infolge Ablebens der Berechtigten. Beigefügt ist die vom Notar hergestellte und mit
dem von ihm am 04.02.2019 unterschriebenen Vermerk, dass die Übereinstimmung mit der Urschrift
bestätigt wird, versehene beglaubigte Abschrift einer mit dem Siegel des Standesamts der Stadt N
versehenen und von der Standesbeamtin S unterschriebenen Sterbeurkunde vom 30. 04.2015, in der
bescheinigt wird, dass C, geb. S, am 29.03.2015, 18:15 Uhr verstorben ist. Die Sterbeurkunde trägt den
(offenbar aufgestempelten) Vermerk „Nur für Rente - gebührenfrei -“.

Das Amtsgericht Hersbruck - Grundbuchamt - erließ am 03.04.2019 eine Zwischenverfügung unter
Fristsetzung bis 03.05.2019, wonach der beantragten Eintragung entgegenstehe, dass es an einem
geeigneten Nachweis des Versterbens der Frau C fehle. Durch den Vermerk „Nur für Rente - gebührenfrei -“
sei ausgedrückt, dass die Urkunde nur in Rentenangelegenheiten Beweiskraft haben soll. Den
Hinterbliebenen soll die Erledigung bestimmter rechtlicher Angelegenheiten um den Sterbefall erleichtert,
aber gleichzeitig das Kosteninteresse der Stadt N geschützt werden. Durch die Anerkennung der Urkunde
als Nachweis würde dieses Interesse der Stadt N verletzt werden. Sie habe daher keine Gültigkeit außerhalb
des Verfahrens über die Rente.

Gegen diesen am 08.04.2019 zugestellten Beschluss legte der Urkundsnotar mit Schreiben vom 08.04.2019
im Namen der Antragstellerin Beschwerde ein, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 10.04.2019 nicht
abhalf.
ii. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache auch Erfolg. Der Beschwerdeführer hat den Nachweis des
Versterbens der Frau C in grundbuchrechtlicher Form geführt.

1. Gemäß § 1061 Satz 1 BGB erlischt der Nießbrauch einer natürlichen Person mit dem Tod des
Nießbrauchers. Die aufgrund des Todes des Nießbrauchers eintretende Unrichtigkeit der Eintragung des
Nießbrauchs im Grundbuch muss gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO nachgewiesen werden (vgl. Demharter,
GBO, 31. Aufl. § 22 Rn. 18). Die Löschung gegenstandsloser Eintragungen, wie etwa des Nießbrauchs beim
Tod des Berechtigten (vgl. Demharter a.a.O. § 84 Rn.. 6 f.) kann gemäß § 84 Abs. 1 Satz 1 GBO auch von
Amts wegen 15 w 1125/19 - Seite 3 erfolgen, wenn sich aus Tatsachen, die in einer den Anforderungen der
GBO entsprechenden Weise festgestellt sind, ergibt, dass die Eintragung gegenstandslos ist (§ 87 lit. a
GBO). Auch diese Tatsachen müssen entsprechend den Anforderungen der GBO festgestellt, d.h. in der
Form des § 29 GBO nachgewiesen sein (Demharter, a.a.O., § 87 Rn. 2 f.). In beiden Verfahrensarten muss
somit der Tod des Berechtigten durch eine Sterbeurkunde nachgewiesen werden.

2. Dem Formerfordernis des § 29 GBO - Nachweis durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden -
ist die Antragstellerin durch Vorlage der notariell beglaubigten Abschrift (vgl. § 42 Abs. 1 BeurkG; s. hierzu
Demharter, a.a.O., § 29 Rn. 57 f.) der Sterbeurkunde vom 30.04.2015 nachgekommen. Hierbei handelt sich
um eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 415 Abs. 1 ZPO, durch die der Tod der Nießbrauchsberechtigten
bewiesen wird.

Dem steht nicht entgegen, dass die Originalurkunde den Vermerk „Nur für Rente - gebührenfrei -„trägt.
Entgegen der Ansicht des Grundbuchamts beeinflusst dieser Vermerk nicht die Beweiskraft der
Sterbeurkunde für die Tatsache des Versterbens der Nießbrauchsberechtigten.

a) Gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 PStG beweisen die Beurkundungen in den Personenstandsregistern unter
anderem den Tod und die darüber gemachten näheren Angaben sowie die sonstigen Angaben über den
Personenstand der Personen, auf die sich der Eintrag bezieht. Gemäß § 54 Abs. 2 PStG haben die
Personenstandsurkunden (§ 55 Abs. 1 PStG) dieselbe Beweiskraft wie die Beurkundungen in den
Personenstandsregistern.

Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 5 PStG stellt das Standesamt aus dem Sterberegister Sterbeurkunden aus. Nach §
60 PStG werden in die Sterbeurkunde aufgenommen
Nr. 1: die Vornamen und der Familienname des Verstorbenen, Ort und Tag seiner Geburt sowie seine
rechtliche Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft, sofern sich die Zugehörigkeit aus dem
Registereintrag ergibt,
Nr. 2: der letzte Wohnsitz und der Familienstand des Verstorbenen,
Nr. 3: die Vornamen und der Familienname des Ehegatten oder Lebenspartners, wenn der Verstorbene im
Zeitpunkt seines Todes verheiratet war oder eine Lebenspartnerschaft führte; war die Ehe oder
Lebenspartnerschaft durch Tod aufgelöst oder war der Ehegatte oder Lebenspartner für tot erklärt oder war
seine Todeszeit gerichtlich festgestellt worden, sind die Vornamen und der Familienname des letzten
Ehegatten oder Lebenspartners anzugeben,
Nr. 4: Sterbeort und Zeitpunkt des Todes.

Alle diese Voraussetzungen erfüllt die in beglaubigter Abschrift vorgelegte Sterbeurkunde.
b) Das Personenstandsgesetz selbst kennt keine Beschränkung der Verwendungsmöglichkeit von
Personenstandsurkunden. Diese sind nach § 62 Abs. 1 Satz 1 PStG auf Antrag den Personen zu erteilen,
auf die sich der Registereintrag bezieht, sowie unter anderem deren 15 w 1125/19 S it 4 Abkömmlingen.
c) Die Verwendungsmöglichkeit wird auch nicht durch die Frage bestimmt, ob die Personenstandsurkunde
gebührenpflichtig oder gebührenfrei erteilt wurde.

Für die Erteilung von Personenstandsurkunden durch ein bayerisches Standesamt wird nach laufender
Nummer 2.II.8 Tarifstelle 4.1. des auf der Grundlage des Art. 5 des bayerischen Kostengesetzes (KG) vom
20. Februar 1998 (GVBl. S. 43) in Form einer Rechtsverordnung vom 12. Oktober 2001 (GVBl. S. 766)
erlassenen Kostenverzeichnisses grundsätzlich eine Gebühr von 12 € erhoben. Als Ausnahme hiervon
befreit § 64 Abs. 2 Satz 3 SGB X Urkunden, die in der Sozialversicherung bei den Versicherungsträgern und
Versicherungsbehörden erforderlich werden, um die Rechtsverhältnisse zwischen den Versicherungsträgern
einerseits und u.a. den Hinterbliebenen andererseits abzuwickeln, von Beurkundungs- und
Beglaubigungskosten Diese Regelung ordnet zwar die Gebührenfreiheit der Erteilung von Sterbeurkunden
unter anderem für Rentenzwecke an, beschränkt aber nicht die Verwendung der auf dieser Grundlage als
Nachweis für den Tod der bezeichneten Person erteilten Sterbeurkunde. Auch wenn somit für bestimmte
Verwendungszwecke kostenlose Abdrucke erteilt werden, hindert dies die Empfänger nicht daran, diese für
andere Zwecke zu verwenden, zumal sie unabhängig vom konkreten Verwendungszweck immer denselben
Umstand, nämlich den Tod der darin bezeichneten Person beweist. Sie verliert diese Beweiskraft nicht mit
ihrer Verwendung. Demgemäß besteht - anders als es das Grundbuchamt andeutet - auch keine Parallelität
mit der Verwendbarkeit einer erteilten vollstreckbaren Ausfertigung einer Urkunde.

d) Aus der Grundbuchordnung ergibt sich auch nicht, dass das Grundbuchamt die Gebühreninteressen des
Standesamts zu wahren hätte und deshalb gebührenfrei erteilte Sterbeurkunden zurückweisen dürfte.

III.
1. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf § 22 Abs. 1, § 25 Abs. 1 GNotKG nicht veranlasst.

2. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 FamFG) liegen nicht vor, da
die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordern.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Nürnberg

Erscheinungsdatum:

24.07.2019

Aktenzeichen:

15 W 1125/19

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
Dingliches Vorkaufsrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Sozialrecht

Erschienen in:

ZEV 2019, 740

Normen in Titel:

GBO §§ 22 Abs. 1 S. 1, 29; BGB § 1061 S. 1; PStG §§ 54 Abs. 1 S. 1 u. Abs. 2, 55 Abs. 1 Nr. 5, 60; SGB X § 64 Abs. 2 S. 3