BFH 05. März 2003
XI R 46/01
EStG § 18

Gewinnerzielungsabsicht eines Künstlers aus selbstständiger Arbeit

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 11r46_01
letzte Aktualisierung: 13.05.2003
11r46_01
BFH
XI R 46/01
06.03.2003
EStG § 18

Langjährige Verluste aus selbständiger Arbeit lassen bei
einem bildenden Künstler, der als solcher sowohl selbständig als auch
nichtselbständig tätig ist und aus seiner künstlerischen Tätigkeit
insgesamt positive Einkünfte erzielt, noch nicht auf eine fehlende
Gewinnerzielungsabsicht schließen.
G r ü n d e
I.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein an Hochschulen ausgebildeter Maler und
Graphiker. Er war als solcher durchgehend selbständig tätig; darüber hinaus war er über
längere Zeiten im Angestelltenverhältnis bei gemeinnützigen Vereinen mit der Durchführung
künstlerischer Projekte u.ä. befasst. In der Zeit von 1984 bis 1995 erzielte er Einnahmen aus
nichtselbständiger Tätigkeit von insgesamt rd. 616 000 DM (ohne Arbeitslosengeld) und aus
selbständiger Tätigkeit von rd. 59 800 DM (netto). Seine Einkünfte aus selbständiger
Tätigkeit waren --mit Ausnahme eines Gewinns im Veranlagungszeitraum 1988 von
1 322 DM-- negativ. Im Streitjahr 1995 betrugen der Verlust aus selbständiger Arbeit
22 593 DM und seine Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit 89 561 DM.
Im Streitjahr erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) den
Verlust aus selbständiger Tätigkeit nicht mehr an. Diese sei eine steuerlich irrelevante
Liebhaberei.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Der Verlust aus der selbständig ausgeübten Tätigkeit sei
mangels Gewinnerzielungsabsicht steuerlich nicht anzuerkennen. Der Kläger habe bis zum
Streitjahr schwankende, tendenziell eher steigende Verluste erwirtschaftet. Für die folgenden
Jahre habe der Kläger keine grundsätzliche Änderung mitgeteilt. Erfolg versprechende
Maßnahmen zur Reduzierung der Verluste seien nicht vorgetragen worden. Die Struktur der
Aufwendungen sei durchweg gleich geblieben, der Mietaufwand für das Atelier sogar
gestiegen. Der Kläger selbst habe dargetan, dass er von seinen Einnahmen aus selbständiger
künstlerischer Tätigkeit nicht habe leben können. Der Verlust könne auch nicht als
Werbungskosten bei den Einkünften aus der nichtselbständigen Tätigkeit anerkannt werden.
Anders als in dem vom Bundesfinanzhof (BFH) im Urteil vom 22. Juli 1993 VI R 122/92
(BFHE 171, 558, BStBl II 1994, 510) entschiedenen Fall, sei Hauptberuf des Klägers die
selbständige Tätigkeit. Schließlich sei er als selbständig Tätiger durchgehend tätig gewesen.
Seine nichtselbständige Tätigkeit habe er immer wieder unterbrochen.


Mit seiner Revision rügt der Kläger unrichtige Rechtsanwendung. Nach nunmehr gefestigter
Rechtsprechung reichten laufende Verluste allein nicht für eine Liebhaberei aus. Aus weiteren
Beweisanzeichen müsse die Feststellung möglich sein, der Steuerpflichtige habe die
verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden persönlichen
Gründen oder Neigungen ausgeübt (BFH-Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984
GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Der Kläger betreibe seine selbständige
Tätigkeit nicht als Hobby, sondern er sei von Berufs wegen ausschließlich Künstler. Dass er
seine künstlerische Tätigkeit nicht ausschließlich als Selbständiger, sondern nach Maßgabe
der Gewährung öffentlicher Fördergelder als Angestellter gemeinnütziger Vereine erziele,
mache aus seiner selbständigen Tätigkeit keine steuerlich irrelevante Liebhaberei. In jedem
Fall aber sei sein Verlust als Werbungskosten bei seiner nichtselbständigen Tätigkeit
anzuerkennen. Der enge Förderzusammenhang zwischen der verlustbringenden selbständigen
Tätigkeit und der Tätigkeit als Arbeitnehmer stehe außer Zweifel. Das Wirken als Künstler
werde nur zufällig durch die steuerliche Einkünftesystematik auseinander gerissen. Die
Annahme des FG, ein Abzug von Verlusten als Werbungskosten komme nur in Betracht,
wenn die selbständige Tätigkeit eine Nebentätigkeit sei, sei rechtsirrig. Das FG habe den
Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör dadurch verletzt, dass es überraschenderweise
angebliche Schreibfehler des Gerichtsbescheids im Urteil korrigiert habe.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 1995 vom 6. Januar 1998 in Gestalt der Einspruchsentscheidung
vom 6. Juli 1998 dahin gehend zu ändern, dass die Einkommensteuer für 1995 auf 14 744 DM
herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Selbständige und nichtselbständige Tätigkeit seien steuerlich getrennt zu beurteilen. Die
Erzielung von Verlusten über einen Zeitraum von mehr als 12 Jahren indiziere das Fehlen der
Gewinnerzielungsabsicht. Die Grundsätze der Entscheidung des BFH in BFHE 171, 558,
BStBl II 1994, 510 erlaubten nur eine Verlustverrechnung bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Tätigkeit, wenn sich die selbständige Tätigkeit als Nebenberuf darstelle.
Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liege nicht vor.
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache ist an
das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG hat zu Unrecht allein aus der langjährigen Verlustphase der selbständigen
künstlerischen Tätigkeit auf eine steuerrechtlich irrelevante Liebhaberei geschlossen.
1. Dem Kläger steht dem Grunde nach der Ausgleich seines Verlustes aus selbständiger
Arbeit mit seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu.
Bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) sind positive und negative Einkünfte anzusetzen, wenn im
Rahmen der jeweiligen Einkunftsart die Absicht besteht, auf Dauer gesehen nachhaltig
Überschüsse zu erzielen. Die Einkunftserzielungsabsicht ist eine innere Tatsache, die --wie
alle sich in der Vorstellung von Menschen abspielenden Vorgänge-- nur anhand äußerer
Merkmale beurteilt werden kann. Aus objektiven Umständen muss auf das Vorliegen oder
Fehlen der Absicht geschlossen werden, wobei einzelne Umstände einen Anscheinsbeweis
liefern können, der vom Steuerpflichtigen entkräftet werden kann. Dauernde Verluste sind
unbeachtliche Liebhaberei zu schließen, ist aber nur gerechtfertigt, wenn der Steuerpflichtige
die verlustbringende Tätigkeit nur aus im Bereich seiner Lebensführung liegenden
persönlichen Gründen oder Neigungen ausübt (sog. subjektiver Liebhabereibegriff seit
Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C. IV.
3. c bb (1); BFH-Urteile vom 22. April 1998 XI R 10/97, BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663;
vom 31. Mai 2001 IV R 81/99, BFHE 195, 382, BStBl II 2002, 276; vgl. auch z.B. Hutter,
Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1998, 344; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz,
21. Aufl., § 2 Rdnr. 22, m.w.N.). Dabei sind alle Umstände des Einzelfalles, insbesondere
auch die Eigenart der zu beurteilenden Tätigkeit, zu berücksichtigen (Großer Senat des BFH
in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteile vom 14. März 1985 IV R 8/84, BFHE
143, 355, BStBl II 1985, 424; in BFHE 186, 206, BStBl II 1998, 663; vom 19. Juli 1990
IV R 82/89, BFHE 161, 144, BStBl II 1991, 333). Dementsprechend können die Grundsätze,
die für land- und forstwirtschaftliche Betriebe oder gewerbliche Tierzucht oder Tierhaltung
gelten, nicht unbesehen auf eine künstlerische Tätigkeit übertragen werden. Denn der
Ausübung des Künstlerberufs sind eine planmäßige Betriebsführung, Marktpreise oder eine
nachprüfbare Kalkulation nicht wesensmäßig.
2. Übt ein Steuerpflichtiger eine künstlerische Tätigkeit (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG) aus und
erzielt er hieraus über einen längeren Zeitraum Verluste, widerlegt dies --der Eigenart
künstlerischen Schaffens entsprechend-- allein noch nicht die Einkünfteerzielungsabsicht.
Verluste können ebenso Ausdruck eines kritischen, zurückhaltenden Kunstmarktes sein, wie
bekannte Beispiele aus der Kunstgeschichte belegen. In die gebotene Gesamtwürdigung sind
daher weitere Gesichtspunkte einzubeziehen, so insbesondere:
Niedersächsisches FG, Urteil vom 19. Januar 1989 VI 344/87 - juris),
Familie (vgl. z.B. Blümich/Hutter, Einkommensteuergesetz, § 18 Rdnr. 45, m.w.N.;
Steinhauff in Littmann/Bitz/Pust, Einkommensteuerrecht, § 18 EStG Rdnr. 25, m.w.N.;
BFH-Urteil vom 22. Juli 1982 IV R 74/79, BFHE 136, 459, BStBl II 1983, 2),
VI R 39/90, BFH/NV 1993, 652),
München, Urteil vom 20. Oktober 2000 13 K 2414/95 - juris),
BFH-Urteil vom 22. November 1979 IV R 88/76, BFHE 129, 269, BStBl II 1980, 152),
daher bei entsprechender Marktnachfrage verkauft werden können (in Abgrenzung zu
BFH-Urteil vom 23. Mai 1985 IV R 84/82, BFHE 144, 49, BStBl II 1985, 515; Kirchhof,
Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1985, 225, 230).
3. Danach kann dem Kläger nicht die Absicht abgesprochen werden, auch mit seiner
selbständigen künstlerischen Tätigkeit Gewinne zu erzielen.
Der Kläger hat ein Kunststudium an Hochschulen abgeschlossen. Seither ist er auf dem
Gebiet der Malerei und Graphik selbständig und nichtselbständig als Künstler tätig gewesen
und erzielte daraus seine Einkünfte, die seine alleinige Existenzgrundlage waren. Darüber
hinaus war er bemüht durch Teilnahme an mehr als 100 Ausstellungen in einer für eine
wird er in einschlägigen Kunstlexika erwähnt.
Im Streitfall stellt es sich eher zufällig dar, dass der Kläger mit seiner selbständigen Tätigkeit
keinen Totalgewinn erwirtschaftete. Er erzielte insgesamt aus seiner selbständig und
nichtselbständig ausgeübten künstlerischen Tätigkeit positive Einkünfte. Die steuerrechtliche
Einstufung seiner Einnahmen hing davon ab, ob seine Auftraggeber ihn als selbständig oder
nichtselbständig Tätigen mit der Durchführung der Projekte beauftragten. Die Absicht des
Klägers, auch mit seiner selbständigen Tätigkeit einen Totalgewinn zu erzielen, bleibt davon
unberührt. Der Senat weicht insoweit nicht vom BFH-Urteil in BFHE 171, 558, BStBl II
1994, 510 ab, weil dort der Steuerpflichtige selbst nicht mehr geltend gemacht hatte, seine
selbständige Tätigkeit mit Gewinnerzielungsabsicht zu betreiben.
4. Das FG hat --von seinem Standpunkt aus zu Recht-- bisher keine Feststellungen zur Höhe
des geltend gemachten Verlustes aus selbständiger Arbeit getroffen. Die Sache wird deshalb
zum Zweck der Überprüfung der Gewinnermittlung an das FG zurückverwiesen.
5. Auf die Frage, ob das FG mit der Korrektur der "Schreibfehler" den Anspruch des Klägers
auf rechtliches Gehör verletzt hat, kommt es aus den o.g. Gründen unter keinen Umständen
mehr an.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BFH

Erscheinungsdatum:

05.03.2003

Aktenzeichen:

XI R 46/01

Rechtsgebiete:

Einkommens- und Körperschaftssteuer

Normen in Titel:

EStG § 18