Grundbuchberichtigung: Voraussetzungen für die Einleitung eines Berichtigungszwangsverfahrens
letzte Aktualisierung: 22.10.2020
OLG Nürnberg, Beschl. v. 7.1.2020 – 15 W 4395/19
GBO §§ 82 S. 1, 82a
Grundbuchberichtigung: Voraussetzungen für die Einleitung eines
Berichtigungszwangsverfahrens
1. Ein Interesse im Rahmen des Berichtigungszwangsverfahrens an der Beibringung eines
Erbscheins (bzw. an dem Betreiben eines Erbscheinsverfahrens) unabhängig von einem
Berichtigungsantrag besteht nicht. Insbesondere ist eine Berichtigung von Amts wegen auf der
Grundlage von
nach
2. Die Stellung eines Erbscheinsantrags ist zwar gemäß § 2353 BGB notwendige Bedingung für die
Erteilung eines Erbscheins, aber keine hinreichende Voraussetzung für eine
Grundbuchberichtigung. Die notwendige Unterlage, die gemäß § 82 Satz 1 GBO verlangt werden
kann, ist allein das Ergebnis des Verfahrens, mithin der Erbschein selbst.
3. Beim Berichtigungszwangsverfahren hat das Grundbuchamt im Rahmen seines
Auswahlermessens zu berücksichtigen, ob der Erbschein den derjenige, der verpflichtet werden soll,
beibringen kann, für eine Berichtigung des Grundbuchs ausreicht.
Gründe
I.
Das Grundbuch des Amtsgerichts Hersbruck von A. weist auf Blatt … die am ... 2014 verstorbene B. R. (im
Folgenden auch: „Erblasserin“ oder „eingetragene Eigentümerin“) als Mitglied einer Erbengemeinschaft aus,
der ein Miteigentumsanteil an dem dort geführten Grundstück zusteht. Mit notariellem Testament vom
11.04.2002 hatte die Erblasserin unter anderem H. R. als Miterben eingesetzt. Dieser H. R., der neben dem
Beschwerdeführer keine weiteren Abkömmlinge hat, verstarb am ... 2015. Dessen zweite Ehefrau B. R.
verstarb am... 2017.
Mit Beschluss vom 12.11.2019 gab das Amtsgericht - Grundbuchamt - Hersbruck dem Beschwerdeführer
auf, „bis zum 28.02.2020 einen Erbscheinsantrag nach seinem Vater H. (…) R. (…) beim Amtsgericht E. (…)
zu stellen“. Zudem erteilte es den Hinweis, dass ein Erbscheinsantrag auch bei einem Notar gestellt und die
angeordnete Verpflichtung mittels der Festsetzung eines Zwangsgelds durchgesetzt werden könne. Zur
Begründung verwies das Grundbuchamt darauf, dass „das Grundbuch nach dem Tod eines Beteiligten
berichtigt werden“ müsse und der Beschwerdeführer „dessen Miterbe“ sei. Die Erbschaft sei - so das
Grundbuchamt - bereits angenommen worden, jedoch kein Erbschein beantragt worden.
Dagegen wandte sich der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 19.11.2019 und bat „dringend um
Aufklärung“. Zur Begründung seiner Beschwerde führte er aus, dass er das erste Mal vom Tod seines Vaters
höre, zu dem er keinen Kontakt gehabt habe, und er nichts angenommen habe könne, was ihm unbekannt
sei.
Am 26.11.2019 entschied das Grundbuchamt, der Beschwerde nicht abzuhelfen. Im Rahmen dessen
verwies es darauf, dass dem Beschwerdeführer bereits mit Schreiben vom 12.04.2017 mitgeteilt worden sei,
dass er Erbe nach seinem Vater geworden sein dürfte, und die Erbschaft daher gemäß § 1944 BGB
aufgrund Ablaufs der Ausschlagungsfrist als angenommen gelte. Die vom Senat hierzu eingeräumte
Möglichkeit zur Stellungnahme nutzte der Beschwerdeführer nicht.
II.
1. Das gemäß
Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Die Regelung des § 82 Satz 1 GBO berechtigt das Grundbuchamt nicht
dazu, dem Beschwerdeführer als nicht alleinigen Erbeserben der im Grundbuch eingetragenen Eigentümerin
isoliert aufzugeben, einen Erbscheinsantrag nach deren verstorbenem Miterben H. R. zu stellen.
a. Bei dem Zwangsverfahren nach
Dessen Ziel ist die Verlautbarung einer materiellen Rechtsänderung im Grundbuch. Es ergänzt das
Antragsverfahren der
dem Interesse ein, das die Allgemeinheit an der fortdauernden Übereinstimmung der Grundbücher mit der
wirklichen Rechtslage hat. Der Adressat der Zwangsberichtigung wird nach § 82 Satz 1 GBO kraft
öffentlichen Rechts verpflichtet, die Berichtigung der Eintragung des Eigentümers zu beantragen. Diese
Verpflichtung erstreckt sich auf die Stellung des Berichtigungsantrags als solchen sowie auf die Beschaffung
der zur Berichtigung erforderlichen Unterlagen. Ihr Inhalt deckt sich insofern mit den Anforderungen der
Berichtigung auf Antrag nach
b. Dem wird der angegriffene Beschluss nicht gerecht. Weder verpflichtet dieser den Beschwerdeführer
dazu, den für die Berichtigung des Grundbuchs erforderlichen (und bislang auch noch nicht vorliegenden)
Antrag zu stellen, noch gibt er dem Beschwerdeführer auf, die für eine Berichtigung notwendigen
Unterlagen, namentlich einen konkreten Erbschein, beizubringen.
aa. Ein Interesse im Rahmen des Berichtigungszwangsverfahrens an der Beibringung eines Erbscheins
(bzw. an dem Betreiben eines Erbscheinsverfahrens) unabhängig von einem Berichtigungsantrag besteht
nicht. Insbesondere ist eine Berichtigung von Amts wegen auf der Grundlage von
einen Berichtigungsantrag) nur möglich, wenn das Verfahren nach
keine Aussicht auf Erfolg bietet. Hierfür gibt es im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte. Weil im
Grundbuchverfahren bei Rechtsmitteln das Verbot der „reformatio in peius“ gilt (BayObLG, Beschluss vom
06.10.1954 - BReg. 2 Z 116/54 -, abgedruckt in
angegriffenen Beschluss entsprechend zu ergänzen, mithin eine weitere Verpflichtung des
Beschwerdeführers zu begründen.
bb. Unabhängig davon ist die Stellung eines Erbscheinsantrags zwar gemäß § 2353 BGB notwendige
Bedingung für die Erteilung eines Erbscheins, aber keine hinreichende Voraussetzung für eine
Grundbuchberichtigung. Die hierfür notwendige Unterlage, die gemäß § 82 Satz 1 GBO verlangt werden
kann, ist das Ergebnis des Verfahrens, mithin der Erbschein selbst.
Darüber hinaus lässt die auferlegte Verpflichtung offen, mit welchem Ziel das Erbscheinsverfahren vom
Beschwerdeführer eingeleitet, also ein Erbschein mit welchem konkreten Inhalt beschafft werden soll.
Insofern ist zu berücksichtigen, dass das Grundbuchamt das Berichtigungszwangsverfahren nach
zwar gegen einen von mehreren Miterben mit der Maßgabe richten kann, dass dieser einen Erbschein für
den Gesamtnachlass zu beschaffen und einen entsprechenden Grundbuchberichtigungsantrag zu stellen
hat (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.08.1978 - 20 W 599/78 -, abgedruckt in
Demharter, GBO, 31. Aufl., §§ 82 ff. Rn. 15; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., 1. Teil Rn. 379).
Voraussetzung für die Anwendung des Grundbuchzwangs gegen einen der Miterben ist jedoch, dass das
Grundbuchamt selbst hinreichende Feststellungen dahingehend getroffen hat, welche Personen als Erben
berufen sind. Hierbei ist es nicht zulässig, die gebotene Ermittlung der Erbenstellung auf jemanden zu
verlagern, von dem lediglich feststeht, dass er überhaupt als testamentarischer oder gesetzlicher Erbe
berufen ist, während offen bleibt, ob und welche weiteren Personen neben ihm zu welchen Quoten zu Erben
berufen sind (OLG Hamm, Beschluss vom 03.04.2013 - 15 W 107/13 -, juris Rn. 15). Zur Anwendung des
Berichtigungszwangs muss das Grundbuchamt die Erben eines verstorbenen Eigentümers notfalls von Amts
wegen ermitteln (Schneider in: Meikel, GBO, 11. Aufl., § 82 Rn. 18; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 82 ff. Rn.
10 und Rn. 15 a. E.). Denn Maßnahmen des Berichtigungszwangs nach
werden, wenn die dem jeweils Betroffenen auferlegte Verpflichtung die vorzunehmende Handlung konkret
bezeichnet. Dazu reicht es nicht aus, dass das Grundbuchamt dem Betroffenen lediglich mitteilt, er komme
als Miterbe in Betracht. Vielmehr muss das Grundbuchamt gegenüber dem Betroffenen klarstellen, mit
welchem konkreten Inhalt ein Berichtigungsantrag zu stellen und mit welchem Inhalt demzufolge
vorausgehend ein Erbschein zu beantragen ist (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.08.2014 - 20 W 114/14 -,
juris Rn. 16).
Übertragen auf die Stellung des Beschwerdeführers als Erbe eines der Miterben der eingetragenen
Eigentümerin bedeutet dies, dass im Rahmen der Verpflichtung Vorgaben zum konkreten Inhalt des zu
beantragenden Erbscheins zu machen gewesen wären. Dies gilt jedenfalls im Hinblick darauf, dass die
Erbenstellung der nachverstorbenen (gesetzlichen) Miterbin nach dem Vater des Beschwerdeführers durch
die Ausschlagungen von deren Erben nicht berührt wird.
c. Außerdem hat das Grundbuchamt im Rahmen des auszuübenden Ermessens bei der Auswahl der Person
des Verpflichteten nicht berücksichtigt, dass ein Erbschein für eine Berichtigung des Grundbuchs nicht
ausreicht, der den Beschwerdeführer und die nachverstorbene zweite Ehefrau seines Vaters als dessen
gemeinsame gesetzliche Erben ausweist. Vielmehr müssen auch deren Erbe bzw. Erben bekannt und
dessen bzw. deren Erbenstellung nachgewiesen sein. Weil das Grundbuch den derzeitigen Rechtszustand
wiederzugeben hat, ist es (von einer hier nicht einschlägigen Ausnahme abgesehen) auch bei einer
mehrfachen Erbfolge unzulässig, einen inzwischen verstorbenen Erben bzw. Erbeserben des eingetragenen
Erblassers in das Grundbuch aufzunehmen; die mehrfache Rechtsnachfolge außerhalb des Grundbuchs
ergibt sich ausschließlich aus den Eintragungsvermerken in Spalte 4 der ersten Abteilung (Grundlage der
Eintragung) (BayObLG, Beschluss vom 09.06.1994 - 2Z BR 52/94 -, juris Rn. 13 f.; Demharter, GBO, 31.
Aufl., § 19 Rn. 98).
Der Beschwerdeführer ist als Miterbe seines verstorbenen Vaters nicht berechtigt, einen Erbschein zum
Nachweis der Erbfolge nach einem anderen Miterben zu beantragen (BayObLG, Beschluss vom 09.06.1994
- 2Z BR 52/94 -, juris Rn. 20). Eine Verpflichtung zu einer entsprechenden Handlung kann ihm - weil deren
Vornahme nicht ausschließlich von seinem Willen abhängt - nicht auferlegt werden (OLG Hamm, Beschluss
vom 02.11.2011 - 15 W 402/11 -, juris Rn. 10).
Dem bzw. den Erben der nachverstorbenen zweiten Ehefrau des Vaters des Beschwerdeführers ist es
dagegen möglich, sowohl ihre eigene Erbenstellung als auch diejenige der Erblasserin durch einen
Erbschein nachzuweisen. Denn die Berechtigung zur Antragstellung auf Erteilung eines Erbscheins, und
zwar auf den Namen des Erben, ist vererbbar (BayObLG, Beschluss vom 21.12.1951 - 2 Z 239/51 -,
abgedruckt in BayObLGZ 1948 - 1951, 690; Weidlich in: Palandt, BGB, 79. Aufl., § 2353 Rn. 10).
2. Im Übrigen mag durch das Testament vom 11.04.2002 und die Eröffnungsniederschrift vom 27.05.2014
nachgewiesen sein, dass die Erben des zum Miterben eingesetzten Vaters des Beschwerdeführers als
Mitglieder der Erbengemeinschaft Miteigentümer des Grundstücks geworden sind. Angesichts der im
Testament enthaltenen Ersatzerbenanordnung sowie der Anwachsungsklausel ist aber jedenfalls nach dem
Akteneinhalt nicht vollständig geklärt, wer die übrigen Miterben sind. So ergibt sich aus der Akte bislang
lediglich, dass ein nachverstorbener Miterbe der eingetragenen Erblasserin durch den Freistaat Bayern
beerbt worden und einer der benannten Miterben ohne Abkömmlinge vorverstorben ist.
III.
Die Kostenfolge der zulässigen und begründeten Beschwerde ergibt sich aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 1, § 25
Abs. 1 GNotKG). Für eine Kostenerstattungsanordnung zugunsten des Beschwerdeführers auf der
Grundlage von §§ 81 ff. FamFG bestand kein Anlass. Die Staatskasse kommt in Grundbuchsachen
grundsätzlich nicht als Beteiligte in Betracht, der bei erfolgreicher Beschwerde die außergerichtlichen Kosten
der Beschwerdeführer auferlegt werden könnten (Demharter, GBO, 31. Aufl., § 77 Rn. 33).
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Nürnberg
Erscheinungsdatum:07.01.2020
Aktenzeichen:15 W 4395/19
Rechtsgebiete:
Annahme und Ausschlagung der Erbschaft
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
GBO §§ 82 S. 1, 82a