Privates Veräußerungsgeschäft; Veräußerung einer Teilfläche; Nutzung zu eigenen Wohnzwecken; wirtschaftliche (Teil-)Identität; Erfordernis eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs zwischen Gebäude und Grundstück
letzte Aktualisierung: 15.4.2024
BFH, Urt. v. 26.9.2023 – IX R 14/22
EStG §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 u. 3
Privates Veräußerungsgeschäft; Veräußerung einer Teilfläche; Nutzung zu eigenen
Wohnzwecken; wirtschaftliche (Teil-)Identität; Erfordernis eines einheitlichen Nutzungs- und
Funktionszusammenhangs zwischen Gebäude und Grundstück
1. Zwischen dem angeschafften bebauten Grundstück und dem veräußerten, durch Teilung
entstandenen unbebauten (Teil-)Grundstück besteht wirtschaftliche (Teil-)Identität.
2. Die Tatbestandsausnahme in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes
erstreckt sich nicht nur auf das zu eigenen Wohnzwecken genutzte Gebäude, sondern auch auf den
dazugehörenden Grund und Boden, sofern ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang
zwischen dem Gebäude und dem Grundstück besteht.
3. Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken
genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grund und Boden entfällt, soweit von dem
bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Die beiden dadurch
entstandenen Grundstücke sind in Bezug auf ihre „Nutzung zu eigenen Wohnzwecken“ jeweils
getrennt zu betrachten.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zu Recht hat das FG sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft wegen der Veräußerung des Flurstücks 10/2 bejaht (dazu unter 1.), die nicht von der Besteuerung ausgenommen sind (dazu unter 2.).
1. Aus der Veräußerung des Flurstücks 10/2 sind den Klägern dem Grunde nach sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2 i.V.m.
a) Sonstige Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sind unter anderem nach § 22 Nr. 2 i.V.m.
b) Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des
c) Wird ein Wirtschaftsgut angeschafft, aber (nach entsprechender Teilung) nur zum Teil veräußert, kommt wirtschaftliche Teilidentität in Betracht. Die Aufteilung des Wirtschaftsguts kann bewirken, dass die Teile eine andere Marktgängigkeit erhalten. Die wirtschaftliche Identität des aufgeteilten Wirtschaftsguts bleibt jedoch in den Teilen erhalten, wenn die Teilung ohne aufwendige technische Maßnahmen durchgeführt werden kann und sich die Marktgängigkeit des bisherigen Wirtschaftsguts in den Teilen fortsetzt. Das ist allgemein für Wirtschaftsgüter anzunehmen, die durch bloßen Rechtsakt, gegebenenfalls verbunden mit einer Vermessung, geteilt werden und weiterhin verkehrsfähig bleiben. Beispiele hierfür sind außer der Aufteilung eines unbebauten Grundstücks in Teilflächen auch die Aufteilung eines Wohngrundstücks in Eigentumswohnungen oder die Teilung eines GmbH-Geschäftsanteils (BFH-Urteil vom 19.07.1983 - VIII R 161/82,
d) Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend sonstige Einkünfte aus einem privaten Veräußerungsgeschäft wegen der Veräußerung des Flurstücks 10/2 angenommen. Zwischen dem im Jahr 2014 angeschafften Flurstück 10 und dem im Streitjahr veräußerten Flurstück 10/2 besteht wirtschaftliche Teilidentität. Bei dem Flurstück 10/2 handelt es sich um eine unbebaute Teilfläche des ursprünglichen Flurstücks 10 und nicht um ein qualitativ anderes Wirtschaftsgut. Die aus der Teilung des Flurstücks 10 hervorgegangenen Flurstücke sind zwar unterschiedlich groß, unterscheiden sich aber ansonsten in ihrer Art, Funktion und Wertigkeit nicht voneinander.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem klägerischen Vortrag, dass im Zuge der Teilung Vermessungsarbeiten sowie Arbeiten an der Umfriedung erforderlich geworden seien. Diese Arbeiten prägen das neu entstandene Flurstück nicht. Die Vermessung ist notwendige Voraussetzung für die Teilung; die Einfriedungsarbeiten waren erforderlich, um das abgeteilte Flurstück 10/2 verkehrsfähig zu machen. Entsprechendes gilt für etwaige noch von den Klägern erbrachte Abriss- und Abholzungsmaßnahmen auf dem abgeteilten Grundstück. Auch sie führen nicht zur Annahme eines anderen Wirtschaftsguts.
2. Der Veräußerungsgewinn ist nicht wegen eigener Wohnnutzung von der Besteuerung ausgenommen.
a) Ausgenommen sind nach
aa) Die Nutzung zu eigenen Wohnzwecken setzt voraus, dass das Wirtschaftsgut vom Steuerpflichtigen selbst tatsächlich und auf Dauer angelegt bewohnt wird (Senatsurteil vom 25.05.2011 - IX R 48/10,
bb) Dieser Zusammenhang muss grundsätzlich im Zeitpunkt der Veräußerung noch vorliegen. Die in
cc) Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem zu eigenen Wohnzwecken genutzten Gebäude und dem dazugehörenden Grundstück entfällt, soweit von dem bisher ungeteilten Wohngrundstück ein (unbebauter) Teil abgetrennt wird. Davon ist das FG zu Recht ausgegangen. Für das neu entstandene unbebaute Grundstück bewirkt die Teilung in Bezug auf die Annahme eines einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhangs eine Zäsur. Auf die frühere Nutzung der ungeteilten Grundstücksfläche kommt es insoweit nicht mehr an. Mit der Teilung entstehen aus dem bis dahin einheitlichen Wirtschaftsgut Grund und Boden zwei neue Wirtschaftsgüter (Grundstücke), deren "Nutzung zu eigenen Wohnzwecken" jeweils getrennt zu betrachten ist.
Dafür spricht auch, dass der Zweck des
Auch aus dem BFH-Urteil vom 10.08.1972 - VIII R 80/69 (
dd) Wird von dem bisherigen Wohngrundstück eine unbebaute Teilfläche abgeteilt, kommt eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken insofern nicht in Betracht. Ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem (weiterhin) zu eigenen Wohnzwecken genutzten bebauten anderen Grundstück ist trotz der Teilung jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen der Zusammenhang bejaht werden könnte. Denn jedenfalls dann, wenn die Teilfläche ‑‑wie hier‑‑ zum Zwecke der Veräußerung und Bebauung durch den Erwerber abgetrennt, veräußert und zielgerichtet für die Übergabe vorbereitet wird, ist ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem weiterhin zu eigenen Wohnzwecken genutzten Grundstück und dem zu veräußernden Grundstück nicht (mehr) anzunehmen.
Darin liegt keine Ungleichbehandlung bei der Veräußerung geteilter und ungeteilter Grundstücke. Abgesehen davon, dass ein Teil eines Grundstücks ohne vorherige Teilung nicht verkehrsfähig wäre, schließt die Teilung des Grundstücks die Anwendung von
b) Nach diesen Maßstäben hat das FG zu Recht eine Nutzung des Flurstücks 10/2 "zu eigenen Wohnzwecken" bis zur Veräußerung verneint. Von vornherein unerheblich ist, wie die Kläger das ungeteilte Flurstück 10 genutzt haben. Auch wenn die Kläger das Flurstück 10/2 bis zur Übergabe noch als Garten genutzt haben sollten, ist ein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang mit dem Wohngrundstück 10/1 nicht mehr anzunehmen. Dieser wird überlagert und verdrängt durch die mit der Grundstücksteilung dokumentierte Veräußerungsabsicht und die Aktivitäten der Kläger, die der Veräußerung des Flurstücks 10/2 dienten.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf
Entscheidung, Urteil
Gericht:BFH
Erscheinungsdatum:26.09.2023
Aktenzeichen:IX R 14/22
Rechtsgebiete:
Einkommens- und Körperschaftssteuer
Erbschafts- und Schenkungsteuer
EStG §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1, 3