Rückgabe eines kombinierten Ehe- und Erbvertrags aus der amtlichen Verwahrung; Vertretung bei Herausgabeverlangen durch einen Bevollmächtigten
letzte Aktualisierung: 30.11.2023
OLG Frankfurt, Beschl. v. 19.9.2023 – 21 W 63/23
BGB §§ 2256, 2300
Rückgabe eines kombinierten Ehe- und Erbvertrags aus der amtlichen Verwahrung; Vertretung
bei Herausgabeverlangen durch einen Bevollmächtigten
1. Das der Rückgabe der letztwilligen Verfügung aus der amtlichen Verwahrung vorangehende
Herausgabeverlangen kann durch einen Bevollmächtigten gestellt werden.
2. Ein kombinierter Ehe- und Erbvertrag kann auch dann nicht aus der amtlichen Verwahrung
zurückgenommen werden, wenn dieser aufgehoben wurde.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1) und 2) begehren die Rückgabe zweier in amtliche Verwahrung gegebene
Urkunden, die letztwillige Verfügungen enthalten.
Die Beteiligten zu 1) und 2) schlossen mit notarieller Urkunde vom 22.06.2011 des Notars …
(UR- Nr. …) einen Vertrag. Mit diesem wurde zunächst gemäß Ziffer I ein Ehevertrag vom
09.06.1988 abgeändert. Unter Ziffer II errichteten die Ehegatten einen Erbvertrag. Wegen
der Verfügungen im Einzelnen wird auf die Urkunde des Notars B - UR-Nr. … - (Bl. 20 ff d.A.)
Bezug genommen. Die Urkunde wurde gemäß der dortigen Regelung in Ziff. II § 4 Nr. 2 in
amtliche Verwahrung gegeben (Bl. 4,19 d.A.).
Mit notarieller Urkunde vom 04.06.2018 (Bl. 25 ff d.A.) errichteten die Beteiligten zu 1) und
2) ein gemeinschaftliches Testament. Darin erklärten sie u.a. den Widerruf von Ziffer II (Erbvertrag)
der notariellen Urkunde UR-Nr. …, wobei es im Übrigen bei der Änderung des Ehevertrages
gemäß Ziffer I verbleiben sollte. Auch dieses Testament wurde in amtliche Verwahrung
gegeben (Bl. 6 d.A.).
Die Beteiligten zu 1) und 2) hatten am 03.07.2018 die Rückgabe der Urkunde Nr. … beantragt
(Bl. 8 d.A.). Dabei wurden sie von dem zuständigen Rechtspfleger darauf hingewiesen,
dass dies nicht möglich sei, da diese auch ehevertragliche Regelungen enthalte. Nachdem der
beurkundende Notar sich nicht zu einer Rücknahme in die dortige Verwahrung geäußert hatte,
wies das Nachlassgericht mit Beschluss vom 01.02.2019 den Antrag zurück.
Mit Schreiben vom 29.07.2019 teilten die Beteiligten zu 1) und 2) gegenüber dem Nachlassgericht
sodann mit, dass sie die Änderung des Ehevertrages widerrufen würden und begehrten
die Entnahme der beiden notariellen Urkunden aus der amtlichen Verwahrung (Bl. 15
d.A.). Am 14.08.2019 beantragten sie die Rückgabe beider Verfügungen vor dem Nachlassgericht
und legten gegen den Beschluss vom 01.02.2019 Beschwerde ein. Das Nachlassgericht
hatte mit Beschluss vom 15.08.2019 der Beschwerde nicht abgeholfen und den Antrag
auf Herausgabe der weiteren letztwilligen Verfügung zurückgewiesen, da es sich bei diesem
auch um einen Erbvertrag handele, der sich in § 1 Ziff. 5 auf den Ehevertrag beziehe. Der
Senat hat die Beschwerde mit Beschluss vom 29.08.2019 wegen Verfristung als unzulässig
verworfen (21 W 104/19, Bl. 31 d.A.). In einem Schreiben vom 26.08.2019 an das Nachlassgericht
hatten die Beteiligten zu 1) und 2) nochmal Beschwerde gegen den Beschluss vom
15.08.2019 eingelegt (Bl. 38 d.A.). Mit Schreiben vom 12.10.2019 haben sie auf das eingelegte
Rechtsmittel verzichtet (Bl. 45 d.A.).
Mit Schreiben vom 06.11.2019 wandten sich die Beteiligten zu 1) und 2) erneut an das Nachlassgericht
mit dem Ersuchen auf Rückgabe beider Urkunden (Bl. 46 d.A.), welches mit Verfügung
des Nachlassgerichts vom 12.11.2019 unter Hinweis auf die vorangegangene Korrespondenz
abgelehnt wurde (Bl. 48 d.A.).
Die Beteiligten zu 1) und 2) erklärten mit notarieller Urkunde vom 20.12.2022 die Aufhebung
der am 22.06.2011 und 04.06.2018 geschlossenen Verträge rückwirkend ab Vertragsschluss
(Bl. 52 d.A.). Sodann beantragten sie mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigen vom
14.02.2023 die Rückgabe des Erbvertrages vom 22.06.20211 sowie die Rückgabe der Verfügung
von Todes wegen vom 04.05.2018 (Bl. 54 d.A.). Sie sind der Auffassung, § 2300 Abs. 2
S.1 BGB stehe der Rückgabe nicht entgegen, da die Verträge rückwirkend ab Vertragsschluss
aufgehoben worden seien. Es bedürfe keiner Aufhebungsfiktion, da die Aufhebung bereits erklärt
worden sei, so dass der Sinn und Zweck der Vorschrift, Auslegungsprobleme und
Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, nicht berührt werde.
Das Nachlassgericht hat mit Verfügung vom 20.02.2023 darauf hingewiesen, dass es den Antrag
dahingehend auslege, dass die beiden Verfügungen nur gemeinsam aus der amtlichen
Verwahrung entnommen werden sollten und dass es sich auch bei der Verfügung vom
04.06.2018 um einen kombinierten Erb-/Ehevertrag handele (Bl. 58 ff d.A.). Eine Herausgabe
sei daher nicht möglich, auch wenn sie zwischenzeitlich durch Aufhebungsvertrag aufgehoben
worden seien.
Die Beteiligten zu 1) und 2) haben daraufhin klargestellt, dass die Herausgabe beider Verträge
auch unabhängig voneinander verlangt werde und um Erlass einer rechtsmittelfähigen
Entscheidung gebeten (Bl. 59 d.A.).
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 22.03.2023 die Anträge der Beteiligten zu 1) und
2) zurückgewiesen. Hinsichtlich der Rückgabe des Erbvertrages vom 22.06.2011 sei bereits
eine rechtskräftige Entscheidung ergangen, der Aufhebungsvertrag stelle keine neue Ausgangslage
für eine Rückgabe dar. Bezüglich der letztwilligen Verfügung vom 04.06.2018 werde
auf den Beschluss des Nachlassgerichts vom 01.02.2019 Bezug genommen.
Gegen diesen Beschluss, der den Beteiligten zu 1) und 2) am 27.03.2023 zugestellt worden
ist (Bl. 63 d.A.), haben diese am 14.04.2023 unter Wiederholung ihrer Rechtsauffassung Beschwerde
eingelegt (Bl. 64,65 ff d.A.).
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 15.05.2023 nicht abgeholfen,
sondern das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 73 d.A.).
Nach einem Hinweis der Berichterstatterin vom 14.06.2023 zur Frage der Einordnung des gemeinschaftlichen
Testaments als Erbvertrag sowie zur Vertretungsbefugnis beim Herausgabeverlangen
- wegen des Inhalts im Übrigen auf Bl. 76 ff d.A. Bezug genommen wird - haben
die Beteiligten zu 1) und 2) ergänzend vorgetragen.
II.
1. Die Beschwerde vom 14.04.2023 ist zulässig, insbesondere fristgerecht gemäß § 63
FamFG innerhalb eines Monats nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses bei dem
Nachlassgericht eingegangen. Zudem sind die Beteiligten zu 1) und 2) als Antragsteller wegen
der Zurückweisung ihrer Anträge beschwerdebefugt i.S.d. § 59 FamFG.
2. In der Sache hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg.
a) Einer Entscheidung über die Anträge vom 14.02.2023 steht die Zurückweisung des Antrags
vom 03.07.2018 betreffend den Erbvertrag durch Beschluss vom 01.02.2019 sowie des
Antrags vom 14.08.2019 betreffend das gemeinschaftliche Testament durch Beschluss vom
15.08.2019 nicht entgegen.
Zwar ist die Zurückweisung der Anträge jeweils in formelle Rechtskraft erwachsen, hinsichtlich
des Antrags vom 03.07.2019 durch den Senatsbeschluss vom 29.08.2019, hinsichtlich
des Antrags vom 14.08.2019 durch die als Rücknahme der Beschwerde auszulegende Erklärung
vom 12.10.2019. Die Entscheidungen entfalten jedoch keine materielle Rechtskraft hinsichtlich
der nunmehrigen Anträge. Diese beruhen bereits auf einem geänderten Sachverhalt,
so dass der Verfahrensgegenstand nicht mehr identisch ist. Denn die Beteiligten zu 1) und 2)
verlangen nunmehr die Herausgabe von nach Rechtskraft der Entscheidung aufgehobener Urkunden.
Zudem erwächst die Entscheidung über den Herausgabeantrag nicht in materielle
Rechtskraft. Dies ist nur dann der Fall, wenn mangels vergleichbarer Regelungen zu den
einer verbindlichen Klärung bedarf. Dies ist in den Verfahren der rein vorsorgenden
Gerichtsbarkeit, so auch in Nachlassverfahren oder in nicht streitigen Antragsverfahren, regelmäßig
nicht der Fall (Sternal/Jokisch, FamFG, 21. Aufl., § 45 RN. 28, 30; BeckOK
FamFG/Obermann, Stand 01.08.2023, § 45 Rn. 2a). Einer wiederholten Antragsstellung - bei
gleichbleibendem Sachverhalt - kann dann über das in der Regel fehlende Rechtsschutzbedürfnis
Rechnung getragen werden.
b) Das Herausgabeverlangen ist hinsichtlich des gemeinschaftlichen Testaments vom
04.06.2018 begründet.
aa) Es handelt sich entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts schon nicht um einen Erbvertrag,
jedenfalls nicht um einen kombinierten Erb- und Ehevertrag. Denn die ausdrücklich
als Testament bezeichnete letztwillige Verfügung enthält - worauf auch die Beteiligten zu 1)
und 2) zutreffend hingewiesen haben - keine ehevertraglichen Regelungen. In dem Testament
wird lediglich in § 1 Ziff. 5 im Hinblick auf den Widerruf nur betreffend die unter Ziffer
II der Urkunde vom 22.06.2011 als Erbvertrag geschlossenen Verfügungen informatorisch
klargestellt, dass damit keine Änderung des Ehevertrages gemäß Ziffer I verbunden ist. Es
handelt sich daher allein um eine informatorische Bezugnahme und nicht um eine - allenfalls
relevante - echte Verweisung (vgl. hierzu Staudinger/Raff, BGB, 2022, § 2300 Rn. 10). Im
Übrigen ist die Einschränkung des
anwendbar (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 24.02.2022 - 14 W 6/22, juris Rn. 14).
bb) Das Herausgabeverlangen konnte auch wirksam durch die Verfahrensbevollmächtige der
Beteiligten zu 1) und 2) gestellt werden. Denn das Gesetz sieht lediglich vor, dass aufgrund
der Wirkung der Rücknahme die Rückgabe nur an den bzw. die Erblasser persönlich erfolgen
kann (§ 2256 Abs. 2 S.2 BGB und entsprechend für den Erbvertrag § 2300 Abs. 2 S.2 BGB).
Erst die Rückgabe an die Testierenden persönlich führt zum Eintritt der Widerrufswirkung und
damit zu einer, einer Verfügung von Todes wegen vergleichbaren Wirkung, so dass die Rückgabe
an einen Vertretungsbevollmächtigen ausgeschlossen ist (MüKoBGB/Sticherling, 9. Aufl.
2022, 3 2256 Rn. 8; Grüneberg/Weidlich, BGB, 2023, § 2256 Rn. 4).
Die teilweise in der Literatur letztlich auf einem Umkehrschluss beruhende Auffassung, dass
aus der Höchstpersönlichkeit der Rücknahmehandlung auch bereits das Rückgabeverlangen
ein höchstpersönliches Recht darstelle (vgl. Grüneberg/Weidlich, BGB, aaO, Burandt/Rojahn,
Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2300 Rn. 4; Kroiß/Horn, Erbrecht, 6. Aufl. 2022, § 2300 Rn. 9; Ermann/
Kappler, BGB, 2020, § 2300 Rn.3, jeweils für den Erbvertrag), vermag nicht zu überzeugen.
Das Gesetz regelt nur die Abwicklung der Rückgabe. Diesem geht regelmäßig ein
Herausgabeverlangen, sei es durch einen schriftlichen Antrag oder durch eine Terminsvereinbarung,
voraus. Ein sachlicher Grund dafür, dass hierbei eine Stellvertretung nicht möglich
sein sollte, ist nicht ersichtlich. Die Frage, ob die Urkunde herauszugeben ist, kann ohne weiteres
zunächst schriftlich und im Streitfall auch unter Hinzuziehung anwaltlicher Unterstützung
geklärt werden. Durch die Erforderlichkeit der persönlichen Rückgabe wird zudem gewährleistet,
dass der entsprechende Rücknahmewillen und insoweit ein persönliches Rücknahmeverlangen
zum Zeitpunkt der Herausgabe weiterhin vorliegt (MüKoBGB/Sticherling, 9.
Aufl. 2022, § 2256 Rn. 6; BeckOGK/Grziwotz, BGB, Stand, 01.04.2023, § 2256 Rn. 6; Burandt/
Rojahn/Lauck, Erbrecht, 4. Aufl. 2022, § 2256 Rn. 4; Kroiß/Horn, Erbrecht, 6. Aufl.
2022, § 2256 Rn. 6, Fn. 7).
Da die Herausgabe allein durch das Nachlassgericht und nur an die Beteiligten zu 1) und 2)
persönlich erfolgen kann, war dieses entsprechend anzuweisen.
c) Zurecht hat das Nachlassgericht jedoch die Herausgabe der Urkunde vom 22.06.2011 (URNr.
…) abgelehnt. Denn es handelt sich um einen kombinierten Ehe- und Erbvertrag, der nicht
nur Verfügungen von Todes wegen enthält. Damit ist die Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung
nach der gesetzlichen Regelung des
Wie in dem Hinweis der Berichterstatterin vom 14.06.2023 bereits dargelegt, kommt die
Rückgabe eines kombinierten Erbvertrages nicht in Betracht (BeckOGK/Müller/Engels, BGB,
§ 2300 Rn. 16; Grüneberg/Weidlich, aaO, Rn. 3; Kroiß/Horn, Erbrecht, 6. Aufl. 2022, § 2300
Rn. 6; Keim ZEV 2003,55,56; DNotI Report 2003,153). Der Reformgesetzgeber hat bei der
Änderung von § 2300 BGB die Möglichkeit der Rückgabe ausdrücklich auf „reine“ Erbverträge
beschränkt. Mit der Änderung sollte die Rechtslage nur hinsichtlich solcher Erbverträge, welche
„lediglich Verfügungen von Todes wegen enthalten“, an die Rechtslage bei gemeinschaftlichen
Testamenten angeglichen werden (BT. Drs. 14/9266, S.49). Ausgehend von dem eindeutigen
Wortlaut der gesetzlichen Regelung kommt eine Herausgabe daher nicht in Betracht.
Auf die Wirksamkeit des in amtliche Verwahrung gegebenen Erbvertrages kommt es dabei
nicht an. Denn die Frage der Wirksamkeit einer letztwilligen Verfügung ist allein in einem
späteren Erbscheinsverfahren - oder etwaigen Erbenfeststellungsverfahren - durch das Nachlassgericht
bzw. das Prozessgericht zu prüfen (Grüneberg/Weidlich, aaO, § 2259 Rn.2;
MüKoBGB/Sticherling, 9. Aufl. 2022, § 2259 BGB, Rn. 8). Dem Rechtspfleger obliegt keine
Prüfung der etwaigen Wirksamkeit der letztwilligen Verfügung im Rückgabeverfahren. Es
handelt sich um ein formelles Verfahren, welches die Kehrseite der Annahme in die amtliche
Verwahrung bildet. Auch bei dieser und ebenso bei der Eröffnung einer letztwilligen Verfügung
ist die Wirksamkeit derselben durch den Rechtspfleger nicht zu prüfen, es genügt, dass
die Dokumente äußerlich gesehen als letztwillige Verfügung in Betracht kommen (Sternal/
Zimmermann, FamFG, 2023, § 346 Rn. 7; BeckOK FamFG/Schlögel, Stand 01.08.2023
§ 346 Rn. 7; MüKoFamFG Muscheler, 3. Aufl., § 346 Rn. 7). Daher sind etwa auch offensichtlich
unwirksame Testamente zu eröffnen, ebenso widerrufene Testamente und aufgehobene
Erbverträge im Hinblick auf die spätere etwaige Rückgängigmachung (BeckOK FamFG/Schlögel,
aaO). Dies korrespondiert etwa mit der Verpflichtung des Notars gemäß
auch aufgehobene Erbverträge nach dem Tod bei dem Nachlassgericht zur Eröffnung einzureichen
(MüKoBGB/Sticherling, 9. Aufl. 2022,
Soweit die Antragsteller die Auffassung vertreten, dass der Rückgabe der Urkunde vom
22.06.2011 kein nachvollziehbarer Grund entgegenstehe, so beruht die Entscheidung auf der
gesetzlichen Regelung in
Gesetzgeber hat sich ausdrücklich dafür entschieden, die Anpassung an die für gemeinschaftliche
Testamente geltende Regelung der Rücknahme aus der amtlichen Verwahrung nur für
reine Erbverträge vorzusehen. Es kommt daher weder eine Analogie zu § 2256 BGB, noch eine
den Anwendungsbereich erweiternde teleologische Auslegung des
Betracht. Die gesetzliche Regelung enthält nach der Gesetzesbegründung keine Regelungslücke.
Der Sinn und Zweck der Regelung war die Gleichstellung mit gemeinschaftlichen Testamenten,
soweit ein reiner Erbvertrag vorliegt.
Schließlich ist eine Erweiterung des Anwendungsbereichs des
im Wege einer verfassungskonformen Auslegung veranlasst. Zwar liegt im Hinblick auf das
durch
vor. Denn die Testierenden haben nicht mehr die Möglichkeit, eine Eröffnung
des Erbvertrages zu verhindern und müssen damit die Bekanntgabe auch eines mittlerweile
geänderten Willens in Kauf nehmen.
Der Eingriff erweist sich jedoch unter Berücksichtigung des Schutzzwecks der Norm als gerechtfertigt.
Denn die Beschränkung der Rücknahmemöglichkeit bei kombinierten Erbverträgen
dient dem Schutz der die ehevertraglichen Regelungen enthaltenen Original-Urkunde vor
Verlust und damit der Rechtssicherheit. Ein Ehevertrag enthält typischerweise Regelungen,
die - anders als letztwillige Verfügungen - zu Lebzeiten maßgeblich sind, etwa hinsichtlich des
Güterstandes und sich daran anknüpfender Rechtsfolgen. Der Erhalt der Originalurkunde ist
daher im Interesse der Rechtssicherheit von besonderer Bedeutung.
Zudem beruht die Entscheidung, einen kombinierten Erbvertrag in amtliche Verwahrung zu
geben auf einem Willensentschluss der Testierenden und ist insoweit Folge der freiwilligen
Wahl dieses rechtsgeschäftlichen Gestaltungsmittels (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.04.1989
- 1 BvR 33/89, juris). Anders als bei einem notariell beurkundeten gemeinschaftlichen Testament,
welches gemäß § 34 Abs. 1 BeurkG in amtliche Verwahrung zu geben ist, ist bei Erbverträgen
der Ausschluss der amtlichen Verwahrung nicht nur möglich, sondern bei kombinierten
Erbverträgen als Regelfall vorgesehen (§ 34 Abs. 2 BeurkG). Indem die Beteiligten zu
1) und 2) den kombinierten Ehe- und Erbvertrag gleichwohl in die besondere amtliche Verwahrung
gegeben haben, haben sie sich freiwillig der Möglichkeit begeben, diesen später gemäß
Zwar liegt damit im Ergebnis eine Ungleichbehandlung von kombinierten Erbverträgen gegenüber
kombinierten notariell errichteten gemeinschaftlichen Testamenten vor, deren Rücknahme
aus der amtlichen Verwahrung weiterhin möglich ist (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss
vom 11.01.2022 - 14 W 6/22). Hierin ist jedoch kein Verstoß gegen
zu sehen. Denn die hinsichtlich der Rückgabe bestehende Differenzierung zwischen beiden
Formen der letztwilligen Verfügung ist jedenfalls nicht als willkürlich anzusehen. Nach den Erfahrungen
des Senats sind in gemeinschaftlichen Testamenten ganz überwiegend nur letztwillige
Verfügungen enthalten. Eine Kombination eines gemeinschaftlichen Testaments mit
sonstigen vertraglichen Regelungen stellt insbesondere in privatschriftlich errichteten gemeinschaftlichen
Testamenten eine Ausnahme dar. Gemeinschaftliche Testamente bedürfen
anders als Erbverträge für deren Formwirksamkeit nicht der notariellen Beurkundung. Da der
Erbvertrag notariell zu beurkunden ist, ist es hingegen näherliegend, dass mit diesem auch
von den Testierenden ohnehin beabsichtigte, weitere notariell zu beurkundende Erklärungen
abgegeben werden. Diesen Fall hat der Gesetzgeber auch als regelungsbedürftig angesehen,
wie aus § 34 Abs. 2 BeurkG und nunmehr
Testament hingegen ist eine Vielzahl von Fallgestaltungen denkbar, hinsichtlich
deren bei einer etwaigen Regelung wiederum Differenzierungen veranlasst wären, etwa mit
Blick auf privatschriftlich oder öffentlich errichtete gemeinschaftliche Testamente oder den
Gegenstand der mit der letztwilligen Verfügung kombinierten sonstigen Regelung und deren
etwaigen Beurkundungsbedürftigkeit. Insoweit ist es nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber
allein den typischen Fall des - zwingend notariell zu errichtenden - Erbvertrages, der
nicht lediglich letztwillige Verfügungen enthält, hinsichtlich der Frage der Rückgabe einer besonderen
Regelung unterworfen hat, ohne diese Einschränkung auf gemeinschaftliche Testamente
zu erstrecken. Entsprechende Fallkonstellationen dürften zudem in der Zukunft noch
seltener auftreten, da seit dem Inkrafttreten des GNotKG das Kostenprivileg der einheitlichen
Beurkundung einer letztwilligen Verfügung mit einem Ehevertrag weggefallen ist und aus notarieller
Sicht ein Grund für eine zusammenfassende Beurkundung nicht mehr besteht (vgl.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 FamFG. Angesichts des teilweisen Erfolgs der Beschwerde
entsprach es billigem Ermessen, dass die Beteiligten zu 1) die hälftigen Kosten zu
tragen haben und im Übrigen von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen ist. (Rechtschreibfehler
von der Redaktion korrigiert)
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde ist, soweit die Beschwerde zurückgewiesen wurde,
nicht veranlasst. Zulassungsgründe i.S.d
Verfahrensbevollmächtigten der Antragsteller vertretene Rechtsauffassung steht im Widerspruch
zur gesetzlichen Regelung und wird soweit ersichtlich weder in der Literatur noch in
der Rechtsprechung vertreten. Abweichende oberlandesgerichtliche Entscheidungen liegen
nicht vor. Folglich ist kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Senats gegeben.
Die Festsetzung eines Geschäftswertes war angesichts der im Beschwerdeverfahren anfallenden
Festgebühr nicht veranlasst.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:19.09.2023
Aktenzeichen:21 W 63/23
Rechtsgebiete:
Erbvertrag
Notarielles Berufsrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Testamentsform
BGB §§ 2256, 2300