OLG Köln 22. Januar 2020
18 Wx 22/19
UmwG § 54

Anteilsgewährungspflicht bei Verschmelzung beteiligungsidentischer Schwestergesellschaften

letzte Aktualisierung: 14.05.2020
OLG Köln, Beschl. v. 22.1.2020 – 18 Wx 22/19

UmwG § 54
Anteilsgewährungspflicht bei Verschmelzung beteiligungsidentischer Schwestergesellschaften

Eine Anteilsgewährungspflicht besteht grundsätzlich auch bei einer Verschmelzung
beteiligungsidentischer Schwestergesellschaften eines einzelnen Gesellschafters. Für den Verzicht
auf die Anteilsgewährung nach § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG reicht es in diesem Fall jedoch aus, wenn
dieser sich konkludent aus dem Verschmelzungsvertrag ergibt.

Gründe:

I.
Am 21.08.2019 schloss die Beteiligte zu 1. als übertragende Gesellschaft einen
Verschmelzungsvertrag mit ihrer Schwestergesellschaft, der Beteiligten zu 3., als
übernehmender Gesellschaft auf Grundlage der Bilanz zum 31.12.2018. Alleiniger
Gesellschafter und Geschäftsführer beider Gesellschaften ist der Beteiligte zu 2. Unter
„III.“ heißt es im Verschmelzungsvertrag:

„Die Verschmelzung erfolgt, ohne dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden
Gesellschaft gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft gewährt
werden.“

Auch eine weitere Anteilsgewährung sieht der Vertrag nicht vor.

Am 27.08.2019 ging die Anmeldung der Verschmelzung bei Gericht ein. Am 05.09.2019
erstellte der anmeldende Notar eine notarielle Eigenurkunde, wonach die Nichtgewährung
von Anteilen im Verschmelzungsvertrag als Verzicht auf Anteilsgewährung durch den
Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft zu verstehen sei.

Mit Beschluss vom 09.10.2019 (Bl. 41 d. A.) hat das Amtsgericht Köln den Antrag auf
Eintragung der Verschmelzung kostenpflichtig zurückgewiesen. Die angemeldete
Verschmelzung sei nicht eintragungsfähig, da der Verschmelzungsvertrag wegen eines
Verstoßes gegen die Anteilsgewährungspflicht nichtig sei. Der Vertrag enthalte auch weder
ausdrücklich noch konkludent eine Verzichtserklärung des Gesellschafters der
übertragenden Gesellschaft. Dieser Mangel des Vertrages führe zu dessen Nichtigkeit und
nicht bloß zur Anfechtbarkeit und sei deshalb nicht heilbar. Auch eine Neuvornahme des
Vertrages sei wegen Versäumnis der Frist aus § 17 Abs. 2 S. 4 UmwG nicht mehr möglich.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 22.10.2019 Beschwerde eingelegt (Bl. 47 d. A). Bei
beteiligungsidentischen Schwestergesellschaften bestehe bereits von vorneherein keine
Pflicht zur Anteilsgewährung. Durch die Erklärung unter „III.“ im Verschmelzungsvertrag
habe der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft auf die Anteilsgewährung
außerdem wirksam verzichtet. Wegen der Personenidentität könne es trotz fehlender
ausdrückliche Erklärung nicht zu Unsicherheiten für den Rechtsverkehr kommen, sodass
eine ausdrückliche Erklärung jedenfalls hier nicht erforderlich sei. Selbst wenn eine
ausdrückliche Verzichtserklärung erforderlich sei, führe deren Fehlen nicht zur Nichtigkeit,
sondern allenfalls zur Anfechtbarkeit des Verschmelzungsvertrags. Die Anteilsgewährung
sei kein unverzichtbarer Vertragsbestandteil, insoweit sei § 5 Abs. 2 UmwG analog
anzuwenden, wenn von § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG Gebrauch gemacht worden ist. Somit
könne die Erklärung formgerecht nachgeholt werden, die fristgerechte Anmeldung der
Verschmelzung sei insoweit ausreichend zur Wahrung der Acht-Monats-Frist nach § 17
Abs. 2 S. 4 UmwG.

Am 07.11.2019 hat das Amtsgericht Köln beschlossen, der Beschwerde nicht abzuhelfen
und die Sache dem Oberlandesgericht Köln zur Entscheidung vorzulegen (Bl. 71 d. A.).
Die Beschwerde führe nicht zu einer anderen Beurteilung, da sie insbesondere nicht
zwischen den Erklärungen der Anteilsinhaber und der Gesellschaften als Parteien des
Verschmelzungsvertrages unterscheide. Die Formulierung unter „III.“ des
Verschmelzungsvertrages lasse offen, aus welchem Grund keine Anteilsgewährung erfolgt
und könne daher nicht als konkludenter Verzicht ausgelegt werden. Die Anteilsgewährung
sei sehr wohl unverzichtbarer Vertragsbestandteil, sodass deren Fehlen bzw. das Fehlen
einer Verzichtserklärung zur Nichtigkeit und nicht bloß zur Anfechtbarkeit des Vertrages
führe. Dabei könne insbesondere nicht danach unterschieden werden, ob eine
Gesellschaft mehrere oder nur einen Anteilseigner hat.

II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Die Verschmelzung ist eintragungsfähig. Der notarielle Verschmelzungsvertrag vom
21.08.2019 ist wirksam und weder nichtig noch anfechtbar. Insbesondere ist der Vertrag
nicht wegen fehlender Angaben zur Anteilsgewährung nichtig, § 5 Abs. 1 Nr. 2-5 UmwG.
Angaben zur Anteilsgewährung sind nicht erforderlich, wenn der Gesellschafter der
übertragenden Gesellschaft wirksam auf die Anteilsgewährung verzichtet hat,
§ 54 Abs. 1 S. 3 UmwG (vgl. Heidinger, in: Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 4. Auflage
2019, UmwG § 5 Rn. 36). Dies ist entgegen der vom Handelsgericht vertretenen
Auffassung hier der Fall.

1. Es besteht grundsätzlich eine Anteilsgewährungspflicht. Bei der Verschmelzung durch
Aufnahme sind den bisherigen Anteilsinhabern des übertragenden Rechtsträgers in der
Regel Geschäftsanteile am übernehmenden Rechtsträger zu gewähren (vgl. §§ 2, 5 Abs. 1
Nr. 2, 20 Abs. 1 Nr. 3 UmwG; Kleindiek, in: Böttcher/Habighorst/Schulte,
Umwandlungsrecht, 2. Auflage 2019, UmwG § 55 Rn. 1). Dies gilt grundsätzlich auch für
Schwestergesellschaften (vgl. KG v. 22.09.1998 - 1 W 4387/97, OLG Hamm v. 03.08.2004
- 15 W 236/04, OLG Frankfurt v. 10.03.1998 - 20 W 60/98, jeweils bei juris abrufbar).
2. Auf diese Anteilsgewährung hat der Beteiligte zu 2. als alleiniger Gesellschafter der
übertragenden Gesellschaft jedoch wirksam verzichtet, § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG.
a) Ein ausdrücklicher Verzicht liegt allerdings nicht vor. In Abschnitt „III.“ des
Verschmelzungsvertrags heißt es lediglich beschreibend, dass neue Geschäftsanteile an
der übernehmenden Gesellschaft nicht gebildet und dem Gesellschafter der
übertragenden Gesellschaft solche Anteile nicht gewährt werden.

b) Der Beteiligte zu 2. hat jedoch als alleiniger Gesellschafter der übertragenden
Gesellschaft konkludent auf die Anteilsgewährung verzichtet.

aa) Ein konkludenter Verzicht ist – wie bei jeder Willenserklärung - zunächst möglich. Er
kann beispielsweise in der positiven Stimmabgabe zum Verschmelzungsbeschluss oder
darin gesehen werden, dass der Verschmelzungsvertrag keine Anteilsgewährung vorsieht
oder den Beteiligungsumfang an der übernehmenden GmbH abweichend vom
(angemessenen) Umtauschverhältnis festsetzt (vgl. Kocher, in: Kallmeyer,
Umwandlungsgesetz, § 54 UmwG Rn. 19, 21; Simon/Nießen, in: Kölner Kommentar
UmwG, § 54 UmwG Rn. 56). Wegen der besonderen Bedeutung der Verzichtserklärung,
die sich auch in dem Formerfordernis des § 54 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz UmwG
niederschlägt, ist bei der Auslegung jedoch grundsätzlich Zurückhaltung geboten; eine
ausdrückliche Erklärung wird deshalb in der Literatur für empfehlenswert gehalten, schon
um Schwierigkeiten beim Registervollzug zu vermeiden (vgl. Kleindiek, in:
Böttcher/Habighorst/Schulte, Umwandlungsrecht, 2. Auflage 2019, UmwG § 54 Rn. 32; M.
Winter/J. Vetter, in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. Auflage 2019, § 54 Rn. 88; Mayer, in:
Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, Stand: 178. EGL, § 54 Rn. 51.1). Aus dieser –
zutreffenden – Zweckmäßigkeitsüberlegung folgt aber nicht, dass nur eine ausdrückliche
Erklärung den Anforderungen des § 54 Abs. 1 S. 3 UmwG genügt, sondern lediglich, dass
bei verbleibenden Zweifeln davon auszugehen ist, dass die Erklärung nicht abgegeben
worden ist.

bb) Solche Zweifel ergeben sich bei der Auslegung der in der Urkunde vom 21.08.2019 u.
a. auch vom Beteiligten zu 2. abgegeben Erklärungen jedoch nicht. Vorliegend ist bei der
Auslegung der abgegebenen Erklärungen besonders zu berücksichtigen, dass es sich um
zwei Schwestergesellschaften handelt, deren alleiniger Geschäftsführer und
Gesellschafter jeweils der Beteiligte zu 3. ist. Ein Verzicht auf die Anteilsgewährung hat
somit auf die Zusammensetzung der Gesellschafter und die Anteilsverteilung keine
Auswirkungen jenseits der Zahl der Anteile und der Höhe des Stammkapitals.

Der Beteiligte zu 3., der nicht nur alleiniger Gesellschafter, sondern auch
alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer beider beteiligten Gesellschaften ist, hat
erkennbar weder eine Kapitalerhöhung noch eine Veränderung der Anteilsverteilung
gewollt. Das kann der Regelung in „III.“ des Verschmelzungsvertrags, nach der „[d]ie
Verschmelzung erfolgt, ohne dass neue Geschäftsanteile an der übernehmenden
Gesellschaft gebildet und dem Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft gewährt
werden“, entnommen werden. Im Gesellschaftsvertrag wird zwar nicht trennscharf
zwischen der Bildung neuer Anteile und der Gewährung dieser Anteile differenziert. Auch
eine klare Darstellung, in welcher Funktion die Erklärung abgegeben wird, fehlt. Nachdem
Herr B jedoch die einzige beteiligte natürliche Person ist, wäre es reiner Formalismus,
erhöhte Anforderungen an die jeweiligen Erklärungen zu stellen; es ist völlig fernliegend,
annehmen zu wollen, der Beteiligte zu 3. habe als Geschäftsführer der beteiligten
Gesellschaften Erklärungen abgegeben, die sich nicht völlig mit seinem Willen als
Geschäftsführer deckten.

Auch Sinn und Zweck der Anteilsgewährungspflicht rechtfertigen ein anderes Verständnis
nicht. Dieser liegt darin, die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft nach der
Verschmelzung an der übernehmenden Gesellschaft zu beteiligen (vgl. § 2 UmwG). Sinn
und Zweck der Forderung einer Verzichtserklärung ist, die Gesellschafter vor einem
leichtfertigen Verlust dieser Rechtspositionen zu warnen und ihnen die Tragweite ihrer
Entscheidung bewusst zu machen. Insbesondere soll verhindert werden, dass durch die
Verschmelzung Minderheitsgesellschafter ohne Kompensation ihre Mitgliedschaftsrechte
verlieren können. Beide Funktionen laufen jedoch leer, wenn – wie hier – eine einzelne
natürliche Person alleiniger Gesellschafter und alleinvertretungsberechtigter
Geschäftsführer der beteiligten Gesellschaften ist. Da der alleinige Beteiligte sowohl ohne
als auch mit Verzicht auf die Anteilsgewährung nach der Verschmelzung alleiniger
Gesellschafter der übernehmenden Gesellschaft ist, droht ihm nicht der Verlust von
Rechtspositionen. Er muss deshalb weder gesondert an der aufnehmenden Gesellschaft
beteiligt werden, noch muss er gewarnt werden, um ihm die Tragweite seiner
Entscheidung bewusst zu machen. In keinem Fall steht er durch den Verzicht schlechter,
als er bei einer Anteilsgewährung gestanden hätte. Weitere (Minderheits-)Gesellschafter,
deren Rechte besonders geschützt werden müssen, sind vorliegend nicht beteiligt.
Es kann deshalb auch dahinstehen, ob die Parteien des Verschmelzungsvertrags
fälschlicherweise von einem Kapitalerhöhungsverbot ausgegangen sind. Zum einen fehlen
hierfür bereits Anhaltspunkte in der Formulierung der Regelung unter „III.“ im
Verschmelzungsvertrag. Zum anderen besteht jedenfalls auch hier kein Schutzbedürfnis
des Gesellschafters der übertragenden Gesellschaft. Als alleiniger Gesellschafter der
übernehmenden Gesellschaft steht ihm jedenfalls nach der Verschmelzung frei, eine
Kapitalerhöhung durchzuführen, wenn er bei der Verschmelzung fälschlicherweise von
einem Verbot ausgegangen sein sollte.

cc) Dies widerspricht auch nicht dem Formerfordernis des § 54 Abs. 1 S. 3, 2. Halbsatz
UmwG. Wie bereits dargestellt, besteht das Formerfordernis im Wesentlichen zur Warnung
der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft vor dem gegebenenfalls
kompensationslosen Verlust ihrer Mitgliedschaftsrechte. Im speziellen Fall zweier
Schwestergesellschaften, die – wie hier – einen personenidentischen Alleingesellschafter
haben, läuft diese Funktion jedoch ins Leere, sodass wie bereits bei der Auslegung keine
erhöhten Anforderungen an die Erklärungen zu stellen sind. Daher reicht im Ergebnis aus,
dass sowohl die Erklärung der Nichtgewährung von Anteilen als auch die
Zustimmungserklärungen und damit die dem konkludenten Verzicht zugrundeliegenden
Erklärungen notariell beurkundet sind (vgl. auch Illert/König, in: Münchener Handbuch des
Gesellschaftsrechts, Band 8, 5. Auflage 2018, § 15 Rn. 229).

III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Köln

Erscheinungsdatum:

22.01.2020

Aktenzeichen:

18 Wx 22/19

Rechtsgebiete:

Umwandlungsrecht

Erschienen in:

RNotZ 2021, 41-44
FGPrax 2020, 71-72

Normen in Titel:

UmwG § 54