Antragsberechtigung für die Löschung eines Nacherbenvermerks
letzte Aktualisierung: 29.1.2024
OLG Frankfurt, Beschl. v. 12.1.2023 – 20 W 196/22
GBO §§ 13, 51
Antragsberechtigung für die Löschung eines Nacherbenvermerks
Der ein Grundstück veräußernde Eigentümer ist antragsberechtigt für die durch die Veräußerung
bedingte Löschung eines Nacherbenvermerks und damit beschwerdeberechtigt im Falle der
Ablehnung des Antrags, solange er als Eigentümer noch im Grundbuch eingetragen ist. Dies gilt
zumindest dann, wenn die Löschung zusammen mit der Eintragung des Eigentumsübergangs
beantragt wird.
Gründe
I.
Der jetzt …-jährige Beteiligte zu 1, der mittlerweile dement und geschäftsunfähig sein soll,
war verheiratet mit Frau Vorname1 Nachname1 Nachname2 (im Folgenden: erste Ehefrau
des Beteiligten zu 1). Die Beteiligte zu 2 ist deren gemeinsame Tochter. Der Beteiligte zu 1
und seine erste Ehefrau waren im Grundbuch als Miteigentümer des oben bezeichneten
Grundbesitzes, des mit einem Einfamilien-Reihenendhaus bebauten Grundstücks Straße1 in
Stadt1 nebst Garagengrundstück, zu je ½ eingetragen.
Am 18.04.1996 errichteten der Beteiligte zu 1 und seine erste Ehefrau ein notarielles gemeinschaftliches
Testament (UR-Nr. … des Notars A in Stadt2; Bl. 98 ff. d.A.). Die Eheleute
setzten sich darin gegenseitig als befreite Vorerben ein. Nacherbin nach dem Tod des Letztversterbenden
sollte die Beteiligte zu 2 sein.
Am XX.XX.2011 verstarb die erste Ehefrau des Beteiligten zu 1. Daraufhin wurde gemäß dem
Testament im Grundbuch der Beteiligte zu 1 anstatt seiner ersten Ehefrau zu ½ als befreiter
Vorerbe eingetragen, außerdem wurde für diesen Anteil ein Nacherbenvermerk zugunsten
der Beteiligten zu 2 eingetragen.
Später heiratete der Beteiligte zu 1 erneut. Seine zweite Ehefrau war Frau Vorname2 Vorname3
Nachname1 Nachname2. Dieser hatte er bereits zuvor mit notarieller Urkunde vom
18.03.2016 (UR-Nr. … des Notars B in Stadt3; Bl. 123 ff. d.A.) eine Vorsorgevollmacht erteilt.
Darin heißt es, der Beteiligte zu 1 bevollmächtige seine (spätere) zweite Ehefrau „als meine
Vertrauensperson für den Fall meiner Geschäftsunfähigkeit oder meiner Betreuungsbedürftigkeit,
die durch eine schriftliche Bestätigung meines behandelnden Arztes oder meines Hausarztes
nachgewiesen sein muss“.
Mit notariellem Kaufvertrag vom 31.05.2022 (UVZ-Nr. … der Notarin C in Stadt3; unvollständig
Bl. 109 ff. d.A., vollständige II. Ausfertigung in Akte, nicht paginiert) veräußerte der Beteiligte
zu 1, vertreten durch seine zweite Ehefrau unter Nutzung der Vorsorgevollmacht, den
oben bezeichneten Grundbesitz an Frau Vorname4 D und Herrn Vorname5 D. Eine ärztliche
Bestätigung, wie in der Vorsorgevollmacht angegeben, ist nicht Bestandteil der Grundakte
und wird auch in der Vertragsurkunde nicht erwähnt. In dem Vertrag wird die Auflassung erklärt
und der Beteiligte zu 1 „bewilligt und beantragt“ die Löschung des Nacherbenvermerks.
Der Kaufpreis beträgt 649.000 €. Hierzu liegt eine „Verkehrswertermittlung“ des Gutachters E
vom 14.05.2022 vor, wonach der Wert des Grundstücks auf 647.000 € geschätzt wird (in Akte;
nicht paginiert).
Nach Angabe des Beteiligten zu 1 soll der Verkaufserlös zur Deckung seiner Pflegekosten verwendet
werden.
Mit Schriftsatz vom 25.07.2022 (in Akte; nicht paginiert) hat die Urkundsnotarin beantragt,
den Nacherbenvermerk zu löschen, „jedoch mit der Maßgabe, die Löschung […] erst mit Eigentumsumschreibung
im Grundbuch einzutragen“. Die dazu angehörte Beteiligte zu 2 hat
der Löschung mit Schreiben vom 17.08.2022 widersprochen (in Akte; nicht paginiert).
Das Grundbuchamt hat am 14.09.2022 eine Zwischenverfügung erlassen (in Akte; nicht paginiert).
Darin hat es erklärt, dem Antrag auf Löschung des Nacherbenvermerks könne derzeit
nicht entsprochen werden. Dem Vollzug stehe das Hindernis entgegen, dass der endgültige
Nachweis der entgeltlichen Verfügung fehle. Komme das Entgelt nicht dem Nachlass, sondern
dem befreiten Vorerben zugute, liege kein Fall des
sei eine Verfügung des befreiten Vorerben nur, wenn die (gleichwertige) Gegenleistung
in den Nachlass fließe (Verweis auf Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 3480, 3485).
Dem „Antragsteller“ werde daher aufgegeben, nachzuweisen, dass der hälftige Kaufpreis auf
ein Nachlasskonto eingezahlt worden sei und für die Nacherbin gesichert sei.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 06.10.2022 (in Akte; nicht paginiert) hat der Beteiligte zu 1
Beschwerde eingelegt. Seine zweite Ehefrau sei als seine Bevollmächtigte gemäß § 2136 BGB
berechtigt, entgeltlich über das Grundstück zu verfügen. Als befreiter Vorerbe sei er nicht zur
Sicherung des Kaufpreises für die Nacherbin verpflichtet. Der Beschluss des Grundbuchamts
sei aufzuheben und das Grundbuchamt sei anzuweisen, nach Eigentumsumschreibung den
Nacherbenvermerk wegen offensichtlicher Unrichtigkeit gemäß § 22 GBO zu löschen.
Die Beteiligte zu 2 meint, es liege bisher kein wirksam abgeschlossener Kaufvertrag vor. Die
Vollmacht sei nur für den Fall der Geschäftsunfähigkeit oder der Betreuungsbedürftigkeit erteilt.
Nach der GBO sei ein Nachweis der Geschäftsunfähigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit
in öffentlich beglaubigter Form notwendig. Voraussetzung sei auch eine schriftliche Bestätigung
durch einen behandelnden Arzt oder Hausarzt, die mitsamt dem Nachweis, dass es sich
um den behandelnden Arzt oder Hausarzt handele, entsprechend öffentlich beglaubigt sein
müsse. Nichts davon liege vor.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 02.11.2022 nicht abgeholfen (in
Akte; nicht paginiert). Die Löschung des Nacherbenvermerks ohne Zustimmung des Nacherben
erfolge auf Antrag vor Eintritt der Nacherbfolge, wenn Grundbuchunrichtigkeit nachgewiesen
sei. Unrichtig sei das Grundbuch unter anderem dann, wenn vom befreiten Vorerben
mit wirksamer entgeltlicher Verfügung veräußert sei. Sowohl die Tatsache, dass der Kaufpreis
den durch ein Gutachten festgestellten Wert übersteige, als auch der Verkauf an Dritte sprächen
für eine entgeltliche Verfügung. Komme das Entgelt jedoch nicht dem Nachlass, sondern
dem befreiten Vorerben zugute, liege kein Fall des
Kaufpreis die Pflegekosten des Vorerben sichern und gerade nicht dem Nachlass zugutekommen.
II.
Die Beschwerde hat Erfolg, so dass die angefochtene Zwischenverfügung aufzuheben ist. Eine
Entscheidung in der Sache ist dem Beschwerdegericht nicht möglich, da Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens nur die Zwischenverfügung und nicht der Eintragungsantrag selbst ist
(vgl. BGH
Grundbuchamt in diesem Verfahren nicht zur Löschung des Nacherbenvermerks anweisen. Er
hat vorliegend auch nicht darüber zu entscheiden, ob der Beteiligte zu 1 bei Vertragsschluss
wirksam durch seine zweite Ehefrau vertreten wurde.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Die Beschwerde ist gemäß
Entscheidung im Sinne des
23; OLG München
Rn. 28).
b) Der Beteiligte zu 1 ist auch beschwerdeberechtigt. Die Beschwerdeberechtigung im Fall einer
Zwischenverfügung folgt aus der Antragsberechtigung (OLG München
KG NJWRR 2020, 1095, 1096; OLG Karlsruhe v. 01.09.2022 - 19 W 81/21, Juris-Rn. 9). Antragsberechtigt
ist gemäß § 13 Abs. 1 Satz 2 GBO jeder, dessen Recht von der Eintragung
betroffen wird oder zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll. Die Löschung des Nacherbenvermerks
erfolgt (jedenfalls auch) zugunsten des veräußernden Eigentümers, weswegen
dieser antrags- und beschwerdeberechtigt ist. Dies gilt zumindest dann, wenn die Löschung
- wie hier - zusammen mit der Eintragung des Eigentumsübergangs beantragt wird
(jeweils stillschweigend vorausgesetzt von OLG Bamberg
2018, 1480, 1481; OLG Nürnberg v. 19.12.2019 - 15 W 4412/19, Juris-Rn. 16; OLG Hamm
v. 31.05.2022 - 15 W 293/21, Juris-Rn. 28). Erst nach Eintragung des Erwerbers erlischt die
Beschwerdeberechtigung des Veräußerers (vgl. BGH
Die Gegenauffassung, wonach für die Löschung des Nacherbenvermerks stets nur der Erwerber
antragsberechtigt sein soll, weil die Löschung des Nacherbenvermerks denklogisch erst
nach der Eintragung des Eigentumswechsels erfolgen könne (OLG München FamRZ 2020,
951, 952), führt zu der für die Vertragsparteien untragbaren Konsequenz, dass zunächst der
Eigentumswechsel vollzogen werden müsste, bevor geklärt werden könnte, ob der Nacherbenvermerk
der Löschung unterliegt. Denn vor Erwerb des Eigentums stünde auch dem Erwerber
kein Antragsrecht zu, da er von dem Nacherbenvermerk bis dahin nicht betroffen wäre.
Im vorliegenden Fall der Zwischenverfügung vor Eintragung des Erwerbers würde dies
weitergehend bedeuten, dass eine Anfechtung der Zwischenverfügung weder durch den Veräußerer
noch durch den Erwerber möglich wäre.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Zwischenverfügung ist nicht nach § 18 Abs. 1
Satz 1 GBO veranlasst, denn das in ihr angegebene Hindernis besteht nicht. Der Beteiligte zu
1 braucht den Kaufpreis nicht anteilig für die Beteiligte zu 2 zu sichern. Die Löschung des
Nacherbenvermerks hängt davon nicht ab.
Das Grundbuch, in das ein Nacherbenvermerk (
(§ 22 GBO), wenn das Grundstück aus dem Nachlass ausscheidet. Dies kann bei - wie hier -
befreiter Vorerbschaft gemäß
ohne Zustimmung des Nacherben geschehen. Ausgeschlossen ist nur eine (ganz oder teilweise)
unentgeltliche Verfügung (
vor, auch dann nicht, wenn der Beteiligte zu 1 als Vorerbe den Erlös aus dem Grundstücksverkauf
für seine Pflege zu verwenden beabsichtigt, so dass er der Beteiligten zu 2 im Nacherbfall
möglicherweise nicht mehr in vollem Umfang des der Nacherbschaft unterliegenden
Anteils zufließen wird.
Unentgeltlich ist eine Verfügung dann, wenn ihr objektiv kein vollwertiges, in die Erbmasse
fließendes Entgelt gegenübersteht und der Vorerbe dies subjektiv weiß oder hätte erkennen
müssen (
Dagegen ist eine Veräußerung nicht schon deshalb als unentgeltlich anzusehen, weil die Gegenleistung
dem befreiten Vorerben persönlich zugutekommt. Der befreite Vorerbe ist als solcher
gemäß
eines Erbschaftsgegenstandes erhaltene Gegenleistung, für sich zu verwenden
(BGH
Vorerbe bei der Veräußerung von Nachlassgegenständen eine Gegenleistung versprechen,
die für den persönlichen Verbrauch durch ihn bestimmt ist, dann kann diese nicht als
eine in den Nachlass fließende Gegenleistung und somit nicht als Entgelt im Sinne des
Nichts Anderes besagt die vom Grundbuchamt herangezogene Fundstelle: „Der befreite Vorerbe
darf den Nachlass für sich verwenden (
ist es daher gleichgültig, ob die Gegenleistung in den Nachlass gelangt (§ 2111 BGB)
oder ob sie lediglich dem Vorerben persönlich zugutegekommen ist“ (Schöner/Stöber, Grundbuchrecht,
16. Aufl. 2020, Rn. 3480). Die weitere Angabe aaO. Rn. 3485 „Kommt das Entgelt
nicht dem Nachlass, sondern dem befreiten Vorerben zugute, liegt kein Fall des § 2113
Abs. 2 BGB vor (vgl. dazu Rn. 3480)“ mag etwas missverständlich formuliert sein, aber durch
den Verweis auf die vorgenannte Fundstelle wird deutlich, wie es gemeint ist, dass nämlich
auch dann, wenn das Entgelt nicht dem Nachlass, sondern dem befreiten Vorerben zugutekommt,
keine unentgeltliche Verfügung vorliegt.
3. Eine Kostenentscheidung ist entbehrlich. Der Beteiligte zu 1 hat angesichts des Erfolgs der
Beschwerde gemäß
einer Kostenerstattung zulasten der Beteiligten zu 2 wäre unbillig, nachdem diese
keine Verantwortung für den Inhalt der Zwischenverfügung trifft.
4. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 78 Abs. 2 Satz 1
GBO liegen nicht vor. Die vereinzelte abweichende Entscheidung des OLG München zur Frage
der Beschwerdeberechtigung erfordert noch keine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts
zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 GBO).
5. Einer Festsetzung des Geschäftswerts bedarf es danach nicht.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Frankfurt a. Main
Erscheinungsdatum:12.01.2023
Aktenzeichen:20 W 196/22
Rechtsgebiete:
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Grundbuchrecht
Kostenrecht
GBO §§ 13, 51