OLG Düsseldorf 27. Oktober 2021
3 Wx 173/21
GNotKG § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GBO § 53 Abs. 1

Aufschiebung der Wertfestsetzung oder summarische Beurteilung der Sach- und Rechtslage durch das Nachlassgericht bei Widerspruch des Grundbuchamts

letzte Aktualisierung: 16.2.2022
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.10.2021 – 3 Wx 173/21

GNotKG § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GBO § 53 Abs. 1
Aufschiebung der Wertfestsetzung oder summarische Beurteilung der Sach- und Rechtslage
durch das Nachlassgericht bei Widerspruch des Grundbuchamts

1. Gehört ein Grundstück zum Nachlass, ist bei der Ermittlung des Nachlasswertes im
Ausgangspunkt auf die Eintragung im Grundbuch abzustellen.
a) Nur im Einzelfall kann eine reklamierte abweichende Eigentumslage Berücksichtigung finden.
Dies kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn die von der Eintragung abweichenden
Eigentumsverhältnisse zwischen allen Beteiligten unstreitig sind oder sie sich zweifelsfrei aus
öffentlichen Urkunden ergeben.
b) In allen anderen Fällen ist es demgegenüber nicht die Aufgabe des Nachlassgerichts, die streitige
materielle Eigentumslage im Wertfestsetzungsverfahren selbst zu klären. Ihm obliegt weder eine
eigene Ermittlungspflicht noch hat es vor einer Festsetzung des Verfahrenswertes die Eigentumslage
in rechtlicher Hinsicht zu prüfen.
c) Ist die in Rede stehende abweichende Eigentumslage bereits Gegenstand eines anderen
gerichtlichen Verfahrens, das für und gegen den von der Gebührenfestsetzung Betroffenen
rechtliche Wirkung entfaltet, wird das Verfahren zur Festsetzung des Verfahrenswertes zur
Vermeidung sich widersprechender gerichtlicher Entscheidungen im Allgemeinen nach § 21 FamFG
bis zum Abschluss des vorgreiflichen Prozesses auszusetzen sein.
2. Hat das Grundbuchamt gemäß § 53 Abs. 1 GBO von Amts wegen einen Widerspruch
eingetragen, darf das Nachlassgericht seiner Ermittlung des Nachlasswertes nicht mehr alleine die
eingetragenen, aber unter Widerspruch stehenden Eigentumsverhältnisse zugrunde legen.
a) Es kann seine Wertfestsetzung bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des Amtswiderspruchs
aufschieben und im Falle der gerichtlichen Aufhebung des Widerspruchs auf die eingetragenen
Eigentumsverhältnisse zurückgreifen.
b) Das Nachlassgericht kann alternativ die mit dem Widerspruch verbundenen Zweifel an der
eingetragenen Eigentumslage berücksichtigen und anhand aller Umstände des Falles prüfen, ob das
streitbefangene Grundstück in den Nachlass gefallen ist. Dabei hat es die Eigentumslage nicht
abschließend und zu seiner vollen Überzeugung aufzuklären; vielmehr genügt – dem Zweck der
Wertfestsetzung folgend – eine bloß summarische Beurteilung der Sach- und Rechtslage.

Gründe

I.
Der Beteiligte zu 3. beschwert sich gegen die Festsetzung des Geschäftswertes in dem
von ihm erfolglos geführten Verfahren zur Erteilung eines Erbscheins nach dem Tod des
Erblassers.

Die Beteiligte zu 1. ist die zweite Ehefrau des Erblassers. Die Beteiligte zu 2. ist die
Tochter der Beteiligten zu 1. aus der Ehe mit dem Erblasser. Der Beteiligte zu 3. ist der
Sohn des Erblassers aus erster Ehe und Stiefbruder der Beteiligten zu 2..
Mit Beschluss vom 19. August 2020 (GA 45 ff.) hat das Amtsgericht den Antrag des
Beteiligten zu 3., ihn als Alleinerben des Erblassers zu bestimmen, kostenpflichtig
zurückgewiesen und den Verfahrenswert auf 600.000 Euro festgesetzt. Es hat
angenommen, dass der Beteiligte zu 3. zwar durch den Ehe- und Erbvertrag seiner Eltern
vom 22. Juli 1961 als Alleinerbe nach dem Tod des letztversterbenden Ehepartners
vorgesehen gewesen sei, der Erblasser aber nach seiner Wiederverheiratung im Jahre
1978 nicht gehindert gewesen sei, über sein eigenes Vermögen ein davon abweichendes
Testament zu errichten. Von dieser Möglichkeit habe der Erblasser im Jahre 1984
Gebrauch gemacht und seine Ehefrau zur Vorerbin sowie seine Kinder zu gleichen Teilen
zu Nacherben berufen.

Dem anschließenden Antrag der Beteiligten zu 1. auf Erbscheinerteilung hat das
Amtsgericht mit Beschluss vom 8. Februar 2021 (GA 144 f.) stattgegeben und einen
Erbschein erteilt, der die Beteiligte zu 1. als Vorerbin und die Beteiligten zu 2. und 3. als
Nacherben des Erblassers ausweist.

Am 24. Juni 2021 ist vom Grundbuchamt gemäß § 53 Abs. 1 GBO ein Amtswiderspruch
gegen die Eintragung des Eigentums der Beteiligten zu 1. hinsichtlich deren alleiniger
Berechtigung an dem ½-Anteil des Erblassers an dem Hausgrundstück „F...... in …..
W......“ eingetragen worden. Wie dem Senat aus dem dagegen bei ihm geführten
Beschwerdeverfahren I – 3 Wx 170/21 bekannt ist, liegt dem Widerspruch die Annahme
zugrunde, dass der Beteiligte zu 3. aufgrund Ehe- und Erbvertrages vom 22. Juli 1961 im
Jahre 1978 möglichweise den Miteigentumsanteil seiner verstorbenen Mutter an der
Immobilie geerbt habe.

Mit Beschluss vom 15. Juli 2021 (GA 168 ff.) hat das Amtsgericht seine Festsetzung des
Verfahrenswertes geändert und nunmehr einen Nachlasswert von 435.000 Euro zugrunde
gelegt. Den Wert der in den Nachlass gefallenen Immobilie „F…… in …. W….“ hat es – der
Eintragung im Grundbuch folgend – dem Erblasser zur Hälfte zugerechnet. Als weitere
hälftige Miteigentümerin des Hausgrundstücks ist seit 1999 die Beteiligte zu 2. im
Grundbuch vermerkt. Den gegen den Miteigentumsanteil der Beteiligten zu 1. gerichteten
Amtswiderspruch hat das Nachlassgericht unberücksichtigt gelassen.
Dagegen wendet sich der Beteiligte zu 3. mit seiner Beschwerde.

Er ist der Auffassung, dem Erblasser habe lediglich ein ¼-Miteigentumsanteil an dem in
Rede stehenden Grundbesitz zugestanden. Er selbst habe aufgrund Ehe- und
Erbvertrages seiner Eltern vom 22. Juli 1961 nach dem Tod seiner vorverstorbenen Mutter
im Jahr 1977 einen ¼-Miteigentumsanteil an der Immobilie geerbt. Der Miteigentumsanteil
sei ihm aufgrund der im Ehe- und Erbvertrag vorgesehenen Wiederverheiratungsklausel
zugefallen, nachdem sein Vater im Oktober 1978 die Beteiligte zu 1. in zweiter Ehe
geheiratet habe. Hierdurch sei der Nacherbfall nach dem Tode seiner Mutter eingetreten.
Das Nachlassgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem
Oberlandesgericht Düsseldorf mit weiterem Beschluss vom 27. August 2021 zur
Entscheidung vorgelegt.

Die dort zur Entscheidung berufene Einzelrichterin hat die Sache wegen
rechtsgrundsätzlicher Bedeutung mit Beschluss vom 25. Oktober 2021 auf den Senat
übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt
verwiesen.

II.
Das Rechtsmittel des Beteiligten zu 3. hat keinen Erfolg.

A.
Das als Geschäftswertbeschwerde gemäß § 83 Abs. 1 Satz 1 GNotKG statthafte und auch
im übrigen zulässige Rechtsmittel der Beteiligten ist dem Senat infolge der vom
Nachlassgericht mit weiterem Beschluss vom 27. August 2021 erklärten Nichtabhilfe zur
Entscheidung angefallen, §§ 83 Abs. 1 Satz 5, 81 Abs. 3 GNotKG. Der Senat entscheidet
über die Beschwerde als Kollegium, nachdem die an sich zuständige Einzelrichterin (§ 81
Abs. 6 Satz 1 GNotKG) die Sache wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat
übertragen hat (§ 81 Abs. 6 Satz 2 GNotKG).

B.
In der Sache ist die Beschwerde aber unbegründet.

Der Einwand des Beteiligten zu 3., der festgesetzte Geschäftswert des Nachlasses sei um
75.000 Euro zu reduzieren, weil die Immobilie „F...... in ….. W......“ lediglich zu einem
Viertel im Eigentum des Erblassers gestanden habe, führt nicht zu einer Herabsetzung des
Verfahrenswertes.

1.
Maßgebend für die Festsetzung des Verfahrenswertes ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2
GNotKG der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls (vgl. Korintenberg/Sikora,
GNotKG, 21. Auflage 2020, § 40 Rn. 29).

Gehört – wie im Streitfall – ein Grundstück zum Nachlass, ist für die Beurteilung der
Eigentumsverhältnisse im Ausgangspunkt auf die Eintragung im Grundbuch abzustellen.
Nur im Einzelfall kann eine reklamierte abweichende Eigentumslage Berücksichtigung
finden. Dies kann beispielsweise in Betracht kommen, wenn die von der Eintragung
abweichenden Eigentumsverhältnisse zwischen allen Beteiligten unstreitig sind oder sie
sich zweifelsfrei aus öffentlichen Urkunden ergeben. In allen anderen Fällen ist es
demgegenüber nicht die Aufgabe des Nachlassgerichts, die streitige materielle
Eigentumslage im Wertfestsetzungsverfahren selbst zu klären. Ihm obliegt infolge dessen
weder eine eigene Ermittlungspflicht noch hat es vor einer Festsetzung des
Verfahrenswertes die Eigentumslage in rechtlicher Hinsicht zu prüfen. Denn das
Wertfestsetzungsverfahren dient nicht der Beantwortung materiell-rechtlicher Fragen,
sondern allein dem Zweck, bei der Abrechnung der Gerichtsgebühren der wirtschaftlichen
Bedeutung der Angelegenheit Rechnung zu tragen. Ist die in Rede stehende abweichende
Eigentumslage bereits Gegenstand eines anderen gerichtlichen Verfahrens, das für und
gegen den von der Gebührenfestsetzung Betroffenen rechtliche Wirkung entfaltet, wird das
Verfahren zur Festsetzung des Verfahrenswertes zur Vermeidung sich widersprechender
gerichtlicher Entscheidungen im Allgemeinen nach § 21 FamFG bis zum Abschluss des
vorgreiflichen Prozesses auszusetzen sein.

Anders ist die Lage, wenn das Grundbuchamt – wie hier – gemäß § 53 Abs. 1 GBO von
Amts wegen einen Widerspruch eingetragen hat, weil das Grundbuch nach seiner
Auffassung unrichtig ist. In einem solchen Fall darf das Nachlassgericht seiner Ermittlung
des Nachlasswertes nicht mehr alleine die eingetragenen, aber unter Widerspruch
stehenden Eigentumsverhältnisse zugrunde legen. Es kann seine Wertfestsetzung
entweder bis zur Klärung der Rechtmäßigkeit des Amtswiderspruchs aufschieben und im
Falle der gerichtlichen Aufhebung des Widerspruchs auf die eingetragenen
Eigentumsverhältnisse zurückgreifen. Das Nachlassgericht kann alternativ die mit dem
Widerspruch verbunden Zweifel an der eingetragenen Eigentumslage berücksichtigen und
anhand aller Umstände des Falles prüfen, ob das streitbefangene Grundstück in den
Nachlass gefallen ist. Dabei hat das Nachlassgericht die Eigentumslage nicht
abschließend und zu seiner vollen Überzeugung aufzuklären; vielmehr genügt – dem
Zweck der Wertfestsetzung folgend – eine bloß summarische Beurteilung der Sach- und
Rechtslage. Das dabei gefundene Ergebnis hat es der Festsetzung des Verfahrenswertes
zugrunde zu legen.

2.
Nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen hat das Amtsgericht den Geschäftswert im
Ergebnis zutreffend auf 435.000 Euro festgesetzt und in diesem Zusammenhang dem
Erblasser einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück „F...... in ….. W......“
zugerechnet.

a)
Allerdings hat das Amtsgericht zur Rechtfertigung seiner Ansicht zu Unrecht auf die im
Grundbuch eingetragenen Eigentumsverhältnisse abgestellt und den gegen den hälftigen
Miteigentumsanteil des Erblassers eingetragenen Amtswiderspruch außer Betracht
gelassen. Das ist rechtsfehlerhaft. Richtigerweise bietet die Grundbucheintragung nach
Eintragung des Amtswiderspruchs keine hinreichend tragfähige Grundlage (mehr), dem
Erblasser alleine auf dieser Basis einen hälftigen Miteigentumsanteil an der Immobilie
„F...... in …… W......“ zuzurechnen.

b)
Das Amtsgericht hat die Frage, ob der Beteiligte zu 3. aus dem Nachlass seiner im Jahre
1977 verstorbenen Mutter einen Miteigentumsanteil an der in Rede stehenden Immobilie
erlangt hat, in den beiden bei ihm geführten Erbscheinerteilungsverfahren auch nicht
geklärt. Es hat weder im Zusammenhang mit dem Erbscheinantrag des Beteiligten zu 3.
noch bei der Erteilung eines Erbscheins an die Beteiligte zu 1. zu der Frage Stellung
nehmen müssen, ob der Beteiligte zu 3. nach dem Tod seiner Mutter Miteigentum an dem
Hausgrundstück „F...... in ….. W......“ erlangt hat. Beide Gerichtsentscheidungen
beschränken sich auf die Klärung der Rechtsnachfolge nach dem Tod des Erblassers und
behandeln die Eigentumslage an dem Grundstück „F...... in ….. W......“ nicht.

c)
Der von dem Beteiligten zu 3. reklamierte Miteigentumsanteil steht zwischen den
Beteiligten auch nicht außer Streit, so dass er aus diesem Gesichtspunkt in die
Wertfestsetzung einfließen könnte. Dazu genügt die Feststellung, dass jedenfalls die
Beteiligte zu 1. in dem vom Beteiligten zu 3. erwähnten Zivilprozess vor dem Landgericht
Duisburg (………) einen gegenteiligen Standpunkt vertritt. In jenem Prozess nimmt die
Beteiligte zu 1. die Beteiligte zu 2. im Wege der Stufenklage wegen der Mieteinnahmen
und Ausgaben für das Objekt „F...... in ….. W......“ mit der Behauptung in Anspruch, sie
selbst habe aufgrund des notariellen Testamentes vom 18. Juli 1984 den eingetragenen
hälftigen Miteigentumsanteil des Erblassers an dem Hausgrundstück als Vorerbin erlangt
und sei deshalb neben der Beteiligten zu 2. hälftig an den Mieterträgen beteiligt.

d)
Das vorliegende Wertfestsetzungsverfahren ist schließlich entscheidungsreif; es muss
nicht bis zum Abschluss des angesprochenen Zivilprozesses vor dem Landgericht
Duisburg ausgesetzt werden. Die Frage, ob der Beteiligte zu 3. einen Miteigentumsanteil
an dem Hausgrundstück „F...... in …… W......“ im Wege der Erbfolge nach dem Tod seiner
Mutter erlangt hat und ihm dieser Anteil bis zum Tod des Erblassers zustand, wird in jenem
Rechtsstreit nicht mit rechtlicher Wirkung für und gegen die Prozessparteien und den
Beteiligten zu 3. geklärt. Die Frage nach einem Miteigentumsanteil des Beteiligten zu 3. ist
in diesem Prozess nur inzident, d.h. ohne Rechtskraftwirkung im Sinne von § 325 ZPO, zu
entscheiden. Nach dem gegenwärtigen Stand des Verfahrens wird das Landgericht
Duisburg eine der Rechtskraft fähige Entscheidung alleine über die mit der erhobenen
Stufenklage geltend gemachten Ansprüche auf Auskunft, Abgabe einer eidesstattlichen
Versicherung und Auszahlung von Mietüberschüssen – und nicht auch über die diesen
Ansprüchen zugrunde liegenden Eigentumsverhältnisse an dem streitgegenständlichen
Hausgrundstück – treffen. Eine Zwischenfeststellungsklage nach § 256 Abs. 2 ZPO, die
auch die Feststellung der Eigentumsverhältnisse an dem Objekt „F...... in …… W......“ zur
gerichtlichen Entscheidung stellen würde, ist weder von der Beteiligten zu 1. als Klägerin
noch von der Beteiligten zu 2. als Beklagter im Wege der Widerklage erhoben worden. Der
Beteiligte zu 3. ist dem Prozess trotz Streitverkündung seitens der Beklagten schon nicht
prozessrechtlich wirksam beigetreten, weil er keinen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung
seiner Interessen beauftragt hat. Er hat in seinen eigenen Eingaben an das Landgericht
zudem eine Zwischenfeststellungs-Widerklage gleichfalls nicht erhoben.

e)
Bei dieser Ausgangslage ist auf der Grundlage einer summarischen Beurteilung der
gesamten Sach- und Rechtslage zu entscheiden, ob dem Erblasser ein hälftiger
Miteigentumsanteil an dem Objekt „F...... in ….. W......“ zuzurechnen ist. Das ist im
Ergebnis zu bejahen.

aa)
Der Beteiligte hat im Jahr 1978 den Miteigentumsanteil seiner Mutter an dem
Hausgrundstück „F...... in …… W......“ erlangt. Der Ehe- und Erbvertrag, den der Erblasser
im Jahre 1961 mit seiner ersten Ehefrau abgeschlossen hat, und die außer Streit stehende
Wiederverheiratung des Erblassers im Jahre 1978 weisen diesen ursprünglichen
Miteigentumserwerb des Beteiligten zu 3. nach. Der Ehe- und Erbvertrag bestimmt, dass
die Ehegatten sich wechselseitig zu Vorerben einsetzen und der Beteiligte zu 3. nach dem
Tod des Letztversterbenden Nacherbe des Erstversterbenden sowie Vollerbe des
Letztversterbenden ist. Der notarielle Vertrag sieht überdies vor, dass die Nacherbfolge bei
Wiederverheiratung des Überlebenden bereits zu diesem Zeitpunkt eintritt.

bb)
Aus dieser (rechtlichen und tatsächlichen) Lage ist indes nicht zu folgern, dass der
Beteiligte zu 3. auch noch beim Tod des Erblassers im Jahre 2018 an der streitbefangenen
Immobilie beteiligt war. Mit Recht verweist die Beteiligte zu 1. in ihren anwaltlichen
Stellungnahmen zum Erbschaftsantrag des Beteiligten zu 3. auf notariell beurkundete
Erklärungen des Erblassers und des Beteiligten zu 3. aus dem Jahr 1984. Sie legen den
dringenden Schluss nahe, dass der Beteiligte zu 3. in Bezug auf den Miteigentumsanteil
seiner Mutter an dem Objekt „F...... in …… W......“ dadurch abgefunden worden ist, dass
der Erblasser ihm seinen Grundbesitz „B…… in W......“ unentgeltlich zu Eigentum
übertragen hat. In der betreffenden Notarurkunde vom 4. April 1984 heißt es dazu
auszugsweise:

„Die Erschienenen (lies: der Erblasser und der Beteiligte zu 3.) wollen nunmehr den Eheund
Erbvertrag vom 22. Juli 1961 weitgehend erfüllen, zumal der Übertraggeber sich
wieder verheiratet hat und somit die Nacherbfolge eingetreten ist.

Dies vorausgeschickt schließen die Erschienenen folgenden Übertragungsvertrag.

……
……
Der Notar hat das Grundbuch …. eingesehen. In Abteilung II des Grundbuchs steht ein
Vorerbenvermerk verzeichnet.

Da die Übertragung auf den Übernehmer die Erfüllung des o.g. Testaments darstellen soll,
bewilligen und beantragen sämtliche Erschienen die Aufhebung und Löschung dieses
Vorerbenvermerks im Grundbuch (Unterstreichungen hinzugefügt).“

In die gleiche Richtung weist der Inhalt des notariellen Testaments, das der Erblasser
wenige Monate später am 18. Juli 1984 errichtet hat. Dort heißt es auszugsweise:
Um den Ehe- und Erbvertrag vom 22. Juli 1961 mit meiner ersten Ehefrau zu erfüllen,
habe ich am 4. April 1984 …. meinen Grundbesitz in W......, B….., …… auf meinen Sohn
aus erster Ehe, nämlich ……, übertragen.

Damit ist der Ehe- und Erbvertrag vom 22. Juli 1961 im wesentlichen vollzogen
(Unterstreichungen hinzugefügt).“

Soweit in den vorstehend zitierten Urkunden davon die Rede ist, der Ehe- und Erbvertrag
vom 22. Juli 1961 sei durch die Grundstücksübereignung an den Beteiligten zu 3.
„weitgehend“ bzw. „im wesentlichen“ erfüllt/vollzogen worden, ergeben sich daraus keine
durchgreifenden Bedenken, dass der Beteiligte zu 3. in Bezug auf den Miteigentumsanteil
seiner Mutter an dem Objekt „F...... in ….. W......“ abgefunden wurde. Zum einen fehlt in
den beiden Urkunden jedweder Hinweis, dass der Ehe- und Erbvertrag gerade in Bezug
auf die streitbefangene Immobilie nicht erfüllt werden sollte. Zum anderen – und vor allem
– räumt der Beteiligte zu 3. in seinem anwaltlichen Schriftsatz vom 25. Februar 2020 (dort
Seite 3, GA 35) selbst ein, dass der Übertragungsvertrag vom 4. April 1984 dem Zweck
diente, ihn als Nacherben nach dem Tod seiner Mutter vollständig abzufinden. Wörtlich
heißt es in dem Schriftsatz:

„........Die Parteien haben vielmehr eine Lösung gefunden, wie mit der eingetretenen
Nacherbfolge umgegangen werden soll.

Der gesamte Vertrag (lies: vom 4. April 1984) hatte dementsprechend nur damit zu tun, die
eingetretene Nacherbschaft zwischen den Parteien abzuwickeln. Es bestand nicht der
Wille, damit auch eine Regelung über einen zukünftig noch anfallenden Erbfall zu treffen.
Insbesondere sollte mit dem Vertrag nicht eine spätere Erbeinsetzung in irgendeiner Form
erfüllt werden.

..........
Die Parteien beziehen sich also ausdrücklich darauf, dass sie die Nacherbfolge erfüllen
wollen. Mit keinem Wort wird darüber gesprochen, dass die gesamte Regelung irgendeine
Auswirkung auf die Einsetzung als Vollerbe haben soll.“

Darin fügt sich ein, dass die Vertragsparteien den ursprünglich zur Beurkundung am 4.
April 1984 vorgesehenen Vertragstext im Notartermin modifiziert und davon abgesehen
haben, einen vollständigen Erb-, Erbteils- und Pflichtteilsverzicht des Beteiligten zu 3. nach
dem Tod seiner Mutter und nach dem Ableben seines Vaters zu beurkunden. Die
Textpassage

„Mit dem Vollzug dieser Übertragung erklärt sich der Übernehmer als vom elterlichen
Vermögen gänzlich abgefunden.

Er verzichtet hiermit auf die Geltendmachung jeglicher Erb-, Erbteil- und
Pflichtteilansprüche nach seiner verstorbenen Mutter und nach dem Übertraggeber (lies:
Erblasser). Der Übertraggeber erklärt sich mit diesem Verzicht einverstanden
(Unterstreichungen hinzugefügt).“

ist im Notartermin aus dem Vertragstext gestrichen worden. Es ist ohne weiteres plausibel,
dass die Abfindung des Beteiligten zu 3. wegen seiner erbrechtlichen Ansprüche nach
dem Tod der Mutter im notariellen Vertrag vom 4. April 1984 als ein „weitgehender“ Vollzug
des Ehe- und Erbvertrages vom 22. Juli 1961 bezeichnet wird.

(3)
Mit dem Vollzug des Übertragungsvertrages vom 4. April 1984 war der Beteiligte zu 3.
somit als Nacherbe seiner Mutter in vollem Umfang abgefunden und besaß seither keine
erbrechtlichen Ansprüche oder Rechte mehr wegen des Hausgrundstücks „F...... in ……
W......“. Dementsprechend gehört der ursprüngliche Miteigentumsanteil der Mutter des
Beteiligten zu 3. zum Nachlassvermögen des Erblassers und ist bei der Bemessung des
Verfahrenswertes in voller Höhe zu berücksichtigen.

III.
Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht
erstattet (§ 83 Abs. 3 GNotKG).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

27.10.2021

Aktenzeichen:

3 Wx 173/21

Rechtsgebiete:

Grundbuchrecht
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

GNotKG § 40 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; GBO § 53 Abs. 1