BGH 15. Februar 2019
V ZR 77/18
BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; BGB § 307 Abs. 1

Bindungsfristen bei Verkauf von verbilligtem Bauland

letzte Aktualisierung: 14.6.2019
BGH, Urt. v. 15.2.2019 – V ZR 77/18

BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; BGB § 307 Abs. 1
Bindungsfristen bei Verkauf von verbilligtem Bauland

a) Bei einem Verkauf verbilligten Baulandes an einen privaten Käufer im Rahmen eines
städtebaulichen Vertrages ist eine Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung eines
Wiederkaufsrechts der Gemeinde grundsätzlich nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein
besonders hoher Preisnachlass gewährt wurde oder sonst außergewöhnliche Umstände vorliegen,
die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigen. Die Gewährung eines Preisnachlasses
von 29 % gegenüber dem Verkehrswert genügt hierfür nicht.

b) Bei einer Kaufpreisverbilligung von 20 % ist eine Bindungsfrist von 20 Jahren grundsätzlich noch
angemessen.

Entscheidungsgründe:

I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann der Kläger die unter dem Vorbehalt
der Wirksamkeit des Wiederkaufsrechts geleistete Ablösezahlung gemäß
§ 812 Abs. 1 Satz 1 BGB zurückverlangen. Die Vereinbarung einer 30-jährigen
Frist für die Ausübung des Wiederkaufsrechts sei unwirksam. Es handle sich
um eine Allgemeine Geschäftsbedingung, die den Kläger unangemessen im
Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG (in der bis zum 31. Dezember 2001 gültigen Fassung)
benachteilige. Der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung
stehe der dem Kläger gewährte Preisnachlass nicht entgegen. Da es sich um
einen städtebaulichen Vertrag handle, müsse die Ausübungsfrist in einem angemessenen
Verhältnis zum Preisnachlass stehen. Die Regelung sehe für den
Erwerber keine Möglichkeit vor, sich angemessen von dem Wiederkaufsrecht
zu lösen. Hinzu komme, dass die Frist für das Wiederkaufsrecht an den Zeitpunkt
der Auflassung des Grundstücks geknüpft sei, was im Fall des Klägers
dazu führe, dass das Wiederkaufsrecht fast 33 Jahre nach Abschluss des Kaufvertrages
noch ausgeübt werden könne. Ein so langes Wiederkaufsrecht sei
auch bei Unterstellung eines Preisnachlasses von 29% nicht verhältnismäßig.
Die Ausübungsfrist könne nicht auf 20 Jahre herabgesetzt werden; im Anwendungsbereich
des AGB-Rechts finde eine geltungserhaltende Reduktion nicht
statt.

II.
Das hält revisionsrechtlicher Nachprüfung in einem entscheidenden
Punkt nicht stand. Entgegen der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts steht
dem Kläger gegen die beklagte Stadt kein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1
Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung des unter Vorbehalt der Wirksamkeit des
Wiederkaufsrechts gezahlten Ablösebetrages von 47.078,78 € zu.

1. Im Ausgangspunkt zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, dass
das in dem notariellen Kaufvertrag für die Dauer von 30 Jahren vereinbarte
Wiederkaufsrecht der beklagten Stadt unwirksam ist. Die Klausel ist sowohl
nach dem Maßstab des § 6 Abs. 3 Satz 4 BauGB-MaßnahmenG i.d.F. vom
22. April 1993 (jetzt: § 11 Abs. 2 Satz 1 BauGB) als auch nach § 9 Abs. 1
AGBG (i.V.m. Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB) eine unangemessene Vertragsbestimmung.
Auf die vom Senat bislang offen gelassene Frage, ob Klauseln eines
privatrechtlichen städtebaulichen Vertrages, der nach dem 31. Dezember 1994
- dem Ablauf der Frist zur Umsetzung der EG-Richtlinie über missbräuchliche
Klauseln in Verbraucherverträgen (Abl. EG Nr. L 95 vom 21. April 1993,
S. 29 ff.) - geschlossen worden ist, allein an den Vorgaben des § 11 Abs. 2
Satz 1 BauGB zu messen oder auch einer Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff.
BGB zu unterziehen sind (vgl. Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09,
NJW 2010, 3505 Rn. 9 mwN) und deretwegen das Berufungsgericht die Revision
zugelassen hat, kommt es daher nicht an.

a) Die Veräußerung des Grundstücks an den Kläger erfolgte im Rahmen
eines städtebaulichen Vertrages. Gemäß § 6 Abs. 2 BauGB-MaßnahmenG
1993 (jetzt: § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) kann Gegenstand eines städtebaulichen
Vertrages die Vorbereitung oder Sicherung der mit der Bauleitpla-
nung verfolgten Ziele sein, zu denen insbesondere die Grundstücksnutzung
entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans oder die Deckung des
Wohnbedarfs der Bevölkerung zählt. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die
Gemeinde dem Käufer eines ihr gehörenden Grundstücks eine Bauverpflichtung
nach den Vorgaben eines Bebauungsplans auferlegt oder im Rahmen eines
so genannten Einheimischenmodells (zu den dabei zu beachtenden europarechtlichen
Vorgaben EuGH, Urteil vom 8. Mai 2013, Rs C-197/11 und
Rs C-203/11, Libert u.a. und All Projects & Development NV, EU:C:2013:288
Rn. 39 ff., 49 ff. sowie Senat, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 144/14, BGHZ
206, 120 Rn. 33) ortsansässigen Bürgern Bauflächen zu deutlich unter dem
Verkehrswert liegenden Preisen veräußert (vgl. Senat, Urteil vom
16. März 2018 - V ZR 306/16, WM 2018, 1763 Rn. 9 mwN). Der für einen städtebaulichen
Vertrag erforderliche Zusammenhang mit der gemeindlichen Bauleitplanung
ist auch im vorliegenden Fall gegeben. Mit dem Angebot, dass die
bisherigen Nutzer der Kleingartenanlage ihre Parzelle zu einem unterhalb des
Verkehrswertes liegenden Kaufpreis erwerben können, verfolgte die beklagte
Stadt das Ziel, diesen die weitere Nutzung der Parzelle zu Wohnzwecken entsprechend
der den tatsächlichen Verhältnissen angepassten Bauleitplanung
durch einen Erwerb zu einem subventionierten Kaufpreis zu ermöglichen.

b) Nach § 6 Abs. 3 Satz 4 BauGB-MaßnahmenG 1993 müssen die in
einem städtebaulichen Vertrag vereinbarten Leistungen den gesamten Umständen
nach angemessen sein. Das Gebot angemessener Vertragsgestaltung
verlangt, dass bei wirtschaftlicher Betrachtung des Gesamtvorgangs die Gegenleistung
nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung und dem Wert der von der
Behörde erbrachten oder zu erbringenden Leistung steht und dass die vertragliche
Übernahme von Pflichten auch ansonsten zu keiner unzumutbaren Belastung
für den Vertragspartner der Behörde führt (Senat, Urteil vom 26. Juni 2015
- V ZR 144/14, BGHZ 206, 120 Rn. 19 mwN). Dieser Maßstab gilt auch im
Rahmen der Angemessenheitsprüfung nach § 9 AGBG (vgl. Senat, Urteil vom
29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 101 f.).

c) Die zwischen den Parteien vereinbarte Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht
von 30 Jahren verstößt gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung.
aa) Allerdings ist die Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts als solche
nicht zu beanstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats verstößt die
Vereinbarung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde in einem städtebaulichen
Vertrag im sogenannten Einheimischenmodell grundsätzlich nicht gegen das
Gebot angemessener Vertragsgestaltung (vgl. Senat, Urteil vom 26. Juni 2015
- V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 Rn. 10 mwN). Dies gilt auch für die vorliegende
Vertragsgestaltung. Gemeinden, die zur Förderung städtebaulicher Ziele
Grundstücke verbilligt verkaufen, sind nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet,
für eine vertragliche Absicherung des verfolgten - den verbilligten Grundstücksverkauf
rechtfertigenden - Ziels Sorge zu tragen. Sie müssen insbesondere sicherstellen,
dass die bevorzugten Käufer nicht auf Kosten der Allgemeinheit
Gewinne erzielen, indem sie das verbilligte Bauland alsbald zum Verkehrswert
weiterveräußern. Vertragliche Regelungen, die - wie das hier in Rede stehende
Wiederkaufsrecht der beklagten Stadt - entsprechende Bindungen begründen,
schaffen mithin erst die (öffentlich-)rechtlichen Voraussetzungen für die Vergabe
preisgünstigen Baulands (vgl. Senat, Urteil vom 16. April 2010
- V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 12).

bb) Gegen das Gebot angemessener Vertragsgestaltung verstößt jedoch
die hier vereinbarte Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht von 30 Jahren.
Diese Frist ist angesichts der Höhe der gewährten Verbilligung unverhältnismäßig
lang. Dies gilt auch dann, wenn man zugunsten der beklagten Stadt von
einem Nachlass von 29% ausgeht.

(1) Beschränkungen, die die öffentliche Hand dem Subventionsempfänger
auferlegt, entsprechen dem Gebot angemessener Vertragsgestaltung, wenn
sie geeignet und erforderlich sind, um das Erreichen der zulässigerweise verfolgten
Zwecke im Bereich der Wohnungsbau-, Siedlungs- oder Familienpolitik
für einen angemessenen Zeitraum sicherzustellen. Die dem Käufer auferlegten
Bindungen dürfen allerdings nicht zu einer unzumutbaren Belastung führen. Die
Zeit für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde muss deshalb
begrenzt sein und die vereinbarte Ausübungsfrist in einem angemessenen Verhältnis
zur Höhe der durch den Preisnachlass dem Käufer gewährten Subvention
stehen (vgl. Senat, Urteil vom 26. Juni 2015 - V ZR 271/14, NJW 2015, 3169
Rn. 12 mwN). Da die Bindung des Käufers der Preis für den verbilligten Erwerb
des Grundstücks ist, sinkt die zulässige Bindungsdauer je geringer der Preisnachlass
ist, während sie mit dem Umfang der Verbilligung steigt (vgl. Senat,
Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 16).
(2) Im vorliegenden Fall ist eine Bindungsdauer von 30 Jahren nicht
mehr angemessen.

Das lässt sich zwar nicht - wie das Berufungsgericht meint - aus § 503
BGB aF (jetzt: § 462 BGB) herleiten, wonach das Widerrufsrecht bei Grundstücken
nur bis zum Ablauf von 30 Jahren nach der Vereinbarung des Vorbehalts
ausgeübt werden darf. Diese Frist begrenzt die Ausübung eines Wiederkaufsrechts
nur in Fällen, in denen eine Frist nicht vereinbart worden ist. Sie hindert
die Vertragsparteien nicht, längere Ausübungsfristen festzulegen; diese treten
dann gemäß § 462 Satz 2 BGB an die Stelle der gesetzlichen Frist (Senat, Urteil
vom 20. Mai 2011 - V ZR 76/10, NJW-RR 2011, 1582 Rn. 9).

Das Berufungsgericht kommt aber zu Recht zu dem Ergebnis, dass die
Frist von 30 Jahren zur Ausübung des Wiederkaufsrechts nicht mehr in einem
angemessenen Verhältnis zu dem gewährten Preisnachlass von 29% des Verkehrswertes
steht. Der Senat hat bei Grundstücken, die zum Zwecke der Errichtung
von Einfamilienhäusern an Einzelpersonen verkauft werden, über 30 Jahre
hinausgehende Bindungen als in aller Regel unverhältnismäßig angesehen
(Senat, Urteil vom 29. Oktober 2010 - V ZR 48/10, NJW 2011, 515 Rn. 18; Urteil
vom 20. Mai 2011 - V ZR 76/10, NJW-RR 2011, 1582 Rn. 20). Aber auch
eine Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der
Gemeinde ist grundsätzlich nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein
besonders hoher Preisnachlass gewährt wurde oder sonst außergewöhnliche
Umstände vorliegen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigen.
Solche Umstände liegen hier nicht vor. Die dem Kläger gewährte Verbilligung
von 29% stellt weder - verglichen mit der bei den sogenannten Einheimischenmodellen
üblichen Kaufpreisreduzierung um bis zu 30% gegenüber dem Verkehrswert
(vgl. Senat, Urteil vom 16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505
Rn. 16 mwN) - eine über den üblichen Rahmen hinausgehende Subvention dar
noch liegen hier ganz besondere, eine Bindungsdauer von 30 Jahren rechtfertigende
Umstände vor.

d) Eine Vertragsgestaltung, die das Angemessenheitsgebot missachtet,
führt zur Nichtigkeit der vertraglichen Regelung nach § 134 BGB (Senat, Urteil
vom 11. Januar 2019 - V ZR 176/17, WuM 2019, 191 Rn. 22 mwN; Urteil vom
29. November 2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 98) bzw. zur Unwirksamkeit
der Klausel nach § 9 Abs. 1 AGBG. Daher ist die von den Parteien vereinbarte
Ausübungsfrist von 30 Jahren für das Wiederkaufsrecht unwirksam.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts führt die unwirksame
Ausübungsfrist aber nicht zur Unwirksamkeit des Wiederkaufsrechts insgesamt.
Vielmehr ist die im Vertrag entstandene Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung
(§§ 157, 133 BGB) in der Weise zu schließen, dass die Ausübungsfrist
20 Jahre beträgt.

a) Richtig ist zwar, dass eine Vertragsklausel, die der Inhaltskontrolle
nach den §§ 9 ff. AGBG (jetzt: §§ 307 ff. BGB) nicht standhält, grundsätzlich
nicht beschränkt auf das zulässige Maß aufrechterhalten werden kann. Dieses
Verbot der geltungserhaltenden Reduktion gilt aber nicht ausnahmslos. Fehlen
gesetzliche Vorschriften, die an die Stelle der unwirksamen Klausel treten (vgl.
§ 306 Abs. 2 BGB) und führte die ersatzlose Streichung der Klausel zu einem
Ergebnis, das den beiderseitigen Interessen nicht mehr in vertretbarer Weise
Rechnung tragen, sondern das Vertragsgefüge völlig einseitig zugunsten des
Vertragspartners des Verwenders verschieben würde, so dass diesem ein
Festhalten an dem lückenhaften Vertrag nicht zuzumuten wäre, kommt auch bei
unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine ergänzende Vertragsauslegung
in Betracht (vgl. § 306 Abs. 3 BGB sowie Senat, Urteil vom
16. April 2010 - V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 23; BGH, Urteil vom
6. Juli 2016 - IV ZR 44/15, BGHZ 211, 51 Rn. 47). Diese Möglichkeit der Lückenfüllung
steht im Einklang mit dem Zweck von Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie
93/13/EWG (vgl. dazu ausführlich BGH, Urteil vom 6. April 2016 - VIII ZR 79/15,
BGHZ 209, 337 Rn. 23 ff.). Durch sie wird die nach dem Vertrag bestehende
formale Ausgewogenheit der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien unter
Berücksichtigung ihrer beider Interessen durch eine materielle Ausgewogenheit
ersetzt und so ihre Gleichheit wiederhergestellt (BGH, Urteil vom 6. April 2016
- VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 23; Urteil vom 23. Januar 2013
- VIII ZR 80/12, NJW 2013, 991 Rn. 26 ff.).

b) Vorliegend ist eine ergänzende Vertragsauslegung geboten. Die ersatzlose
Streichung der Klausel über die Ausübung eines Wiederkaufsrechts
führte dazu, dass der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ohne eine
solche Auslegung gemäß § 6 Abs. 3 AGBG (jetzt: § 306 Abs. 3 BGB) in seiner
Gesamtheit keinen Bestand mehr haben könnte (vgl. hierzu EuGH, Urteil vom
7. August 2018 - C-96/16 und C-94/17, juris Rn. 74; BGH, Urteil vom
6. April 2016 - VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 30 f.). Die beklagte Gemeinde
hatte dem Kläger das Grundstück zu einem unter dem Verkehrswert liegenden
Preis veräußert. Eine Veräußerung unter dem objektiven Verkehrswert ist ihr
aus haushaltsrechtlichen Gründen wegen des Gebots der sparsamen Verwendung
öffentlicher Mittel nur gestattet, wenn dies der Erfüllung legitimer öffentlicher
Aufgaben dient und die zweckentsprechende Mittelverwendung sichergestellt
wird (vgl. § 90 GO NRW). Mit der Vereinbarung eines zeitlich befristeten
Wiederkaufsrechts wurden die Voraussetzungen für die Vergabe preisgünstigen
Baulands daher überhaupt erst geschaffen (vgl. Senat, Urteil vom 29. November
2002 - V ZR 105/02, BGHZ 153, 93, 103 f.; Urteil vom 8. Februar 2019
- V ZR 176/17, WuM 2019, 191 Rn. 26). Eine Unwirksamkeit des Vertrages hätte
für den Kläger aber besonders nachteilige Folgen, weil dann der zwischen
den Parteien geschlossene subventionierte Grundstückskaufvertrag nach Bereicherungsrecht
rückabzuwickeln wäre. Hierdurch würde der Kläger - dem vom
Unionsgesetzgeber verfolgten Ziel eines bestmöglichen Verbraucherschutzes
(vgl. BGH, Urteil vom 6. April 2016 - VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 36) zuwider
- gegenüber einer ergänzenden Vertragsauslegung deutlich schlechter
gestellt (vgl. Senat, Urteil vom 8. Februar 2019 - V ZR 176/17, WuM 2019, 191
Rn. 25).

c) Die aufgrund der Unwirksamkeit der 30-jährigen Ausübungsfrist für
das Wiederkaufsrecht entstandene Vertragslücke ist nach dem objektivierten
hypothetischen Parteiwillen (vgl. Senat, Urteil vom 16. April 2010
- V ZR 175/09, NJW 2010, 3505 Rn. 27) so zu schließen, dass ein Gleichgewicht
der Rechte und Pflichten der Vertragsparteien wiederhergestellt und die
materielle Ausgewogenheit des Vertrages gewahrt wird (vgl. BGH, Urteil vom
6. April 2016 - VIII ZR 79/15, BGHZ 209, 337 Rn. 27). Eine materielle Ausgewogenheit
ist dann gewährleistet, wenn sowohl dem Interesse der beklagten
Gemeinde an einer Rechtfertigung der Grundstücksveräußerung unter dem
Verkehrswert (vgl. Leidner, DNotZ 2019, 83, 87) als auch dem Interesse des
Käufers, nicht unzumutbaren Bindungen unterworfen zu werden, in angemessener
Weise Rechnung getragen wird (vgl. Senat, Urteil vom 26. Juni 2015
- V ZR 271/14, NJW 2015, 3169 Rn. 19). Vor diesem Hintergrund stellt - ausgehend
von dem seitens des Klägers behaupteten Preisnachlass von 20% - im
vorliegenden Fall eine Ausübungsfrist für das Wiederkaufsrecht von 20 Jahren
eine ausgewogene Regelung dar. Eine solche Frist dient dem von der Gemeinde
verfolgten Zweck der effektiven Sicherung der Vermeidung von Grundstücksspekulationen
und stellt zugleich eine adäquate Gegenleistung des Klägers
für den verbilligten Erwerb des Grundstücks dar.

3. Da hier die Weiterveräußerung des Grundstücks rund 17 Jahre nach
Eintragung des Klägers in das Grundbuch bzw. 19,5 Jahre nach Abschluss des
Kaufvertrages erfolgte, war die Beklagte berechtigt, ihr Wiederkaufsrecht auszuüben.
Daher kann der Kläger den unter Vorbehalt der Wirksamkeit des Wiederkaufsrechts
gezahlten Ablösebetrag nicht zurückverlangen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

15.02.2019

Aktenzeichen:

V ZR 77/18

Rechtsgebiete:

AGB, Verbraucherschutz
Öffentliches Baurecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZNotP 2020, 169-172
NJW 2019, 2602-2604
NotBZ 2019, 381-383

Normen in Titel:

BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; BGB § 307 Abs. 1