OLG Düsseldorf 19. Dezember 2019
5 U 52/19
BGB § 642

Nachweis tatsächlich angefallener Mehrkosten

letzte Aktualisierung: 09.09.2020
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 19.12.2019 – 5 U 52/19

BGB § 642
Nachweis tatsächlich angefallener Mehrkosten

1. § 642 BGB gewährt keinen Anspruch auf eine von dem tatsächlichen Vorhalten von Personal
oder Maschinen unabhängige Erstattung allgemeiner Geschäftskosten bzw. Gewinn und Wagnis.
2. Auch bei einer Leistungsänderung nach § 2 Abs. 5 VOB/B bemisst sich die Nachtragsvergütung
entsprechend der Entscheidung des BGH (Urt. v. 8. August 2019 – VII ZR 34/18, BGHZ 223, 45
= NZBau 2019, 706) zu dem insoweit wortgleichen § 2 Abs. 3 VOB/B nach den tatsächlich
erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge.
3. Die Bereitstellung des Baugrundstücks als Mitwirkungsleistung des Bauherrn ist grundsätzlich als
Obliegenheit zu bewerten. Ihre Verletzung begründet nur dann einen Schadensersatzanspruch nach
§ 6 Abs. 6 VOB/B, wenn die Pflicht zur Bereithaltung oder Freigabe der Baustelle zu einem
bestimmten Zeitpunkt ausdrücklich vertraglich vereinbart worden ist.

Gründe

I.
In der Berufungsinstanz streiten die Parteien über Forderungen der Klägerin wegen eines ihr verspätetet
möglichen Baubeginns.
Am 19.7.2010 beauftragte die beklagte Stadt die Klägerin unter Einbeziehung der VOB/B mit der Erstellung eines
Wärmverbundsystems an dem A.- Berufskolleg in Oberhausen. Im Auftragsschreiben legte sie fest, dass der
Arbeitsbeginn der Klägerin im Abschnitt LOS 1 am 30.8.2010, im Abschnitt LOS 2 am 13.10.2010 und im
Abschnitt LOS 3 am 6.12.2010 erfolgen sollte. Vor Arbeitsbeginn der Klägerin waren andere Gewerke (u.a.
Gerüstbauarbeiten) geplant.

Der Baubeginn verschob sich nach und nach, da das Gewerk der Aluminiumfenster von der beklagten Stadt neu
ausgeschrieben werden musste. Letztlich konnte die Klägerin erst am 21.11.2011 mit der Ausführung ihrer
Arbeiten beginnen. Bei der Ausführung der Arbeiten kam es ebenfalls noch zu Verzögerungen.
Unter dem 12.9.2012 erteilte die Klägerin eine Schlussrechnung, die eine Position „Kosten für
Bauzeitverschiebung” i.H.v. 181.497,13 € brutto enthielt. Diese Rechnungsposition ist unstreitig nicht
ausgeglichen und war teilweise Gegenstand der Klage. Wegen der Einzelheiten wird gem. § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit dem am 11.1.2019 verkündeten Urteil hat die 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg durch
den Vorsitzenden der Klage in Höhe von 88.397,19 € nebst Zinsen ab dem 5.12.2012 stattgegeben und sie im
Übrigen abgewiesen. Das Landgericht hat ausgeführt:

Die Klage sei jedenfalls ab Vorlage der Schlussrechnung zulässig. Etwaige selbstständige Ansprüche seien damit
nur noch unselbstständige Rechnungsposten geworden. Der Wechsel von der Abschlags- auf die
Schlussrechnung stelle keine Klageänderung im Sinne von § 264 ZPO dar.

Die Klägerin könne von der Beklagten die Zahlung von 88.397,19 € aus § 642 BGB verlangen. Ein
weitergehender Anspruch stehe ihr nicht zu.

Aufgrund der Verschiebung des Baubeginns bestehe ein Anspruch auf Entschädigung gemäß § 642 Abs. 1, 2
BGB i.H.v. 52.476,80 € netto.

Der Baubeginn habe sich vom 30.08.2010 auf den 21.11.2011 verschoben, was 310 Arbeitstage ausmache.
Während dieses Zeitraums sei die beklagte Stadt nicht ihrer Obliegenheit nachgekommen, der Klägerin die
Ausführung der beauftragten Leistungen zu ermöglichen, weshalb sie im Verzug der Annahme gewesen sei. Es
obliege dem Bauherrn, dem Unternehmer das Baugrundstück aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen. Hierzu
gehöre auch die Durchführung etwaiger Vorarbeiten. Ordne der Bauherr einen späteren Baubeginn an, beinhalte
dies das Verbot für den Unternehmer, früher anfangen zu dürfen. Dies gelte auch für den Zeitraum vom
10.01.2011 bis 23.08.2011, für den keine konkrete Anordnung vorliege. Die beklagte Stadt habe nicht
vorgetragen, dass die Klägerin die Arbeiten in diesem Zeitraum hätte aufnehmen können. Die Indizien sprächen
für den Fortbestand des Leistungshindernisses.

Die Höhe der Entschädigung bestimme sich nach § 642 Abs. 2 BGB. Entgegen der Ansicht der beklagten Stadt
könne die Klägerin Ersatz ihrer allgemeinen Geschäftskosten sowie des in der Vergütung kalkulierten Anteils für
Wagnis und Gewinn verlangen. Allgemeine Geschäftskosten seien Bereitschaftskosten des Unternehmers, die im
Regelfall durch einen Folgeauftrag erwirtschaftet werden könnten. In der Zeit des Stillstands könne der
Auftragnehmer keine andere Bauleistung erbringen, mit der er die Deckungsbeiträge erwirtschaften könne. Es
bestehe eine widerlegbare Rentabilitäts- und Beschäftigungsvermutung für den Unternehmer. Die ersatzfähigen
allgemeinen Geschäftskosten der Klägerin schätze das Gericht auf 112,76 € netto pro Arbeitstag. Für Wagnis und
Gewinn schätze das Gericht einen Kostenanteil von 56,52 € netto pro Arbeitstag. Die Schätzung erfolge auf Basis
der Kalkulation der Klägerin und der Plausibilitätsprüfung des Sachverständigen B.

Der Anspruch aus § 642 BGB erfasse auch den in der vereinbarten Vergütung enthaltenen Anteil für Gewinn und
Wagnis, da der Unternehmer bei einer planmäßigen Fertigstellung des Baus diese Kosten beim Folgeauftrag
ebenfalls erwirtschaftet hätte. Entgegen dem Einwand der beklagten Stadt sei der Anteil für Wagnis und Gewinn
nicht nur während der Zeit des konkreten Vorhaltens einer Baustelle zuzusprechen, da er nicht an besondere
baustellenbezogene Aufwendungen anknüpfe.

Abzüge wegen ersparter Aufwendungen seien nicht vorzunehmen. Die Klägerin habe im Rahmen ihrer
sekundären Darlegungslast hinreichend dargelegt, dass sie nicht in der Lage gewesen sei, den
Verzögerungszeitraum durch anderweitige Aufträge und Erledigungen zu füllen. Dabei sei zu berücksichtigen,
dass der Baubeginn sich mehrmals verschoben habe. Gerade während des unklaren Zeitraums habe sich die
Klägerin quasi jederzeit bereithalten müssen. Insoweit sei nicht ansatzweise ersichtlich, wie die Klägerin auf dem
Gebiet der größeren Bauprojekte im öffentlichen Sektor Füllaufträge hätte annehmen können. Konkrete
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin regelmäßig auch Kleinaufträge angenommen und ausgeführt habe, seien
nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die primäre Darlegungs- und Beweislast obliege dem Auftraggeber, nicht
den Unternehmer.

Wegen der nach Beginn der Arbeiten eingetretenen Bauzeitverlängerung um 45 Arbeitstage könne die Klägerin
21.806,55 € netto verlangen.

Auf die Entschädigung sei Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 14.113,84 € zu zahlen, da es sich um Entgelt im
Sinne des § 10 Absatz 1 UStG handle. Unerheblich sei es, ob die Gegenleistung nach der zivilrechtlichen
Dogmatik als Schadensersatz oder als Vergütung bezeichnet werde.

Soweit sich die Klägerin auf § 6 Abs. 6 VOB/B bzw. § 2 Abs. 5 VOB/B berufe, ergebe sich hieraus kein höherer
Betrag zu ihren Gunsten.

Mit der Berufung richtet sich die beklagte Stadt gegen das Urteil, soweit sie zu einer 25.949,80 € nebst Zinsen
übersteigenden Zahlung verurteilt wurde. Sie trägt wie folgt vor: Sie akzeptiere den vom Landgericht ermittelten
Entschädigungsbetrag i.H.v. 25.949,80 € brutto (21.806,55 € netto zuzüglich Umsatzsteuer) aufgrund der nach
Baubeginn aufgetretenen Bauzeitverlängerung um 45 Arbeitstage.

Wegen des verspäteten Baubeginns um 310 Arbeitsstage (Bauzeitverschiebung) stünden der Klägerin keine
Zahlungsansprüche zu, da es hinsichtlich dieses Zeitraums an den Voraussetzungen für eine Entschädigung
fehle. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, dass das für die Baustelle einzusetzende Personal während der
Dauer der Bauzeitverschiebung nicht anderweitig hätte eingesetzt werden können. Für sie ergebe sich zwingend
der Schluss, dass das für die Baustelle vorgesehene Personal anderweitig habe eingesetzt werden können. Die
Klägerin habe keinen pauschalen Anspruch auf die Erstattung nicht verdienter allgemeiner Geschäftskosten.
Vielmehr hätte die Klägerin darlegen müssen, wie sie den Ablauf des gesamten Bauvorhabens geplant habe und
wann es bei konkreten Personen, Personengruppen oder Baumaschinen zu Produktionsstillständen gekommen
sei. Stillstände wären im Einzelnen konkret darzulegen gewesen. § 642 BGB gewähre nur eine Entschädigung
dafür, dass infolge des Unterlassen einer dem Besteller obliegenden Mitwirkungshandlung Personal etc.
bereitgehalten werde.

Vorliegend habe es unstreitig keine wirklichen Stillstände gegeben, da schon nach dem Sachvortrag der Klägerin
die Annahme gerechtfertigt sei, dass Personal und Geräte anderweitig habe eingesetzt werden können. Es sei
der Klägerin möglich gewesen, die Deckungsbeiträge für die Geschäftskosten zu erwirtschaften. Es sei nicht
auszuschließen, dass die Klägerin die allgemeinen Geschäftskosten sogar doppelt verdient habe. Mit dem
Bauvorhaben habe die Klägerin exakt den Umsatz erzielt, der geplant gewesen sei.

Sie beantragt,
sie unter teilweiser Änderung des am 11.1.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts Duisburg zu verurteilen, an
die Klägerin 25.949,80 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz am dem 5.12.2012
zu zahlen und die Klage im Übrigen abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil als zutreffend. Soweit ersichtlich rüge die beklagte Stadt ausschließlich
eine Rechtsverletzung. Eine solche sei nicht ersichtlich. Die Regelung des § 642 BGB erfasse die vorliegende
Situation, dass es zu einer vollständigen Verschiebung der Bauarbeiten für einen bestimmten Zeitraum komme.
Die beklagte Stadt übersehe, dass sie sich nicht auf Mehrkosten infolge der Verzögerung berufe, sondern nur
Ersatz der kalkulierten aber nicht verdienten Gemeinkosten nebst Wagnis- und Gewinnanteilen geltend mache.
Über § 642 BGB würden sowohl Vorhaltemehrkosten als auch entgangenen Verdienstanteile ausgeglichen. Da
sie keine Kosten für unproduktives Personal geltend mache, sei unerheblich, ob das Personal für den Zeitraum
des Annahmeverzuges ohne Beschäftigung gewesen sei.

Sie müsse sich keinen anderweitigen Erwerb anrechnen lassen. Sie sei ausschließlich im öffentlichen Bereich
tätig und erhalte Aufträge ausschließlich nach öffentlicher Vergabe. Die öffentliche Ausschreibung von
Bauleistungen erfolge regelmäßig mit einem Vorlauf von mehreren Wochen, so dass zwischen der Aufforderung
zur Abgabe von Angeboten und dem geplanten Bauende regelmäßig deutlich mehr als drei Monate lägen. Das
spontane Einholen eines zeitnah beginnenden und rechtzeitig endenden Bauauftrags sei ihr hier nicht möglich
gewesen.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf die wechselseitigen Schriftsätze
und Urkunden Bezug genommen.

II.
Die Berufung ist zulässig und begründet.

Über den rechtskräftig zuerkannten Anspruch in Höhe von 25.949,80 € brutto (wegen der nach Baubeginn
aufgetretenen Bauzeitverzögerung um 45 Arbeitstage) hinaus, steht der Klägerin kein Anspruch gegen die
beklagte Stadt mehr zu. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus einer Verschiebung des Beginns
der Arbeiten der Klägerin um 310 Arbeitstage.

1.
Der Klägerin steht der vom Landgericht zuerkannte Anspruch auf Zahlung von 62.447,39 € brutto (52.476,80 €
netto) wegen des um 310 Arbeitstage verspäteten Baubeginns nicht aus § 642 BGB zu.

Zwischen den Parteien bestand ein Werkvertrag über die Durchführung von Wärmedämmverbundsystemarbeiten
am A.-Berufskolleg in Oberhausen. Die Geltung der VOB/B war unstreitig vereinbart.

a)
Die beklagte Stadt befand sich aufgrund der Unterlassung mit einer Mitwirkungshandlung im Sinne des § 642
BGB für die Zeit vom 30.8.2010 – 20.11.2011 (310 Arbeitstage) in Gläubigerverzug, §§ 293 ff. BGB. Dies stand
zwischen den Parteien in der Berufungsinstanz nicht mehr ernstlich in Streit.

Zur Erstellung des Werks der Klägerin war eine Mitwirkungshandlung der beklagten Stadt im Sinne des § 642
BGB erforderlich. Sie musste der Klägerin das zu sanierende Gebäude aufnahmebereit zur Verfügung stellen.
Mitwirkungshandlungen im Sinne des § 642 BGB sind weit zu verstehen. Insbesondere muss der Besteller das
Grundstück aufnahmebereit zur Verfügung stellen, einschließlich der Vorarbeiten anderer Unternehmer (vgl. BGH,
Urteil vom 20.4.2017 – VII ZR 194/13, NJW 2017, 2025; BGH, Urteil vom 19. 12. 2002 - VII ZR 440/01, NJW
2003, 1601). Die beklagte Stadt hat der Klägerin das Baugrundstück unstreitig erst ab dem 21.11.2011 zur
Verfügung gestellt.

Eines tatsächlichen oder auch nur wörtlichen Leistungsangebotes der Klägerin (§§ 294, 295 BGB) bedurfte es
nach § 296 BGB nicht. Für die von der beklagten Stadt vorzunehmende Handlung war eine Zeit nach dem
Kalender bestimmt. Nach dem Annahmeschreiben vom 19.7.2010 sollte die Klägerin am 30.8.2010 mit den
Arbeiten beginnen, zu diesem Zeitpunkt musste die Mitwirkungshandlung der beklagten Stadt zwangsläufig
vorliegen. Im Übrigen bedurfte es bei dieser Konstellation auch deshalb keines wörtlichen Angebotes der
Klägerin, da dieses eine bloße Förmelei gewesen wäre. Ein wörtliches Angebot ist ausnahmsweise entbehrlich,
wenn der Gläubiger erkennbar unter keinen Umständen bereit ist, die geschuldete Leistung entgegen zu nehmen
(vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 21.2.2017 – XI ZR 467/15 , NJW 2017, 1823; BGH, Urteil vom 9. 10. 2000 - II
ZR 75/99, NJW 2001, 287). Die beklagte Stadt hatte hier mit zwei Schreiben klar gemacht, dass sie aufgrund von
Verzögerungen im Bauablauf die Arbeitsleistungen der Klägerin am 30.8.2010 nicht entgegennehmen würde.
Anhaltspunkte, dass die beklagte Stadt ihre Ansicht bei einem wörtlichen Angebot der klägerischen Leistung hätte
ändern können, bestanden ersichtlich nicht. Für die gewünschte energetische Sanierung waren zunächst andere
Gewerke abzuwickeln und dieser Prozess konnte von der beklagten Stadt nicht wesentlich beschleunigt werden.
Der Gläubigerverzug endete erst am 21.11.2011. Der Annahmeverzug endet, wenn seine Voraussetzungen
entfallen. Dies ist der Fall, wenn der Gläubiger sich bereit erklärt, die angebotene Leistung anzunehmen bzw. die
bislang unterlassene Mitwirkungshandlung nachholt. Die beklagte Stadt hat die ihr obliegende Mitwirkung erst
zum 21.11.2011 nachgeholt, indem sie der Klägerin das Gebäude aufnahmebereit zur Verfügung gestellt hat.
Insofern kommt es nicht darauf an, dass die beklagte Stadt zunächst angekündigt hatte, bereits am 10.1.2011 die
Bauleistung der Klägerin entgegennehmen zu wollen. Hierdurch wurde der Annahmeverzug nicht beendet, da die
Beklagte die erforderliche Mitwirkung dann doch nicht zum 10.1.2011 erbracht hatte. Jedenfalls wäre am
10.1.2011 allein durch Zeitablauf (§ 296 BGB) erneut Annahmeverzug eingetreten. Eine Bestimmung iSd § 296
BGB liegt bereits dann vor, wenn der Besteller einseitig erklärt, wann er eine Mitwirkungsobliegenheit erfüllen wird
und sich der Unternehmer hierauf einstellt (vgl. Messerschmidt/Voit/Stickler, 3. Aufl. 2018, BGB § 642 Rn. 25;
OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2013 - I-21 U 24/12, BauR 2013, 1866).

Der Annahmeverzug war vorliegend nicht aufgrund mangelnder Leistungsfähigkeit der Klägerin nach § 297 BGB
ausgeschlossen. Für die Fälle des §§ 295, 296 BGB genügt es, dass die Leistung soweit vorbereitet ist, dass
geleistet werden kann, sobald der Gläubiger zur Mitwirkungshandlung bereit ist (vgl. Palandt-Grüneberg 78.
Auflage, 2019, § 297 BGB Rn. 2; MüKoBGB aaO). Konkrete Anhaltspunkte, weshalb der Klägerin dies nicht
möglich gewesen wäre, hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete beklagte Stadt nicht vorgetragen.
Solche Umstände können auch nicht daraus entnommen werden, dass die Klägerin kein Material an der Baustelle
vorgehalten hat. Denn die Klägerin hat ausgeführt, sie verfüge über einen großen Pool von Subunternehmern und
Leiharbeitern. Hiermit hätte sich die beklagte Stadt auseinandersetzen müssen.

b)
Eine Behinderungsanzeige war nach § 6 Abs. 1 S. 2 VOB/B entbehrlich Eine Behinderungsanzeige ist
entbehrlich, wenn dem Auftraggeber offenkundig die Tatsache und deren hindernde Wirkung bekannt waren, § 6
Abs. 1 Satz 2 VOB/B (vgl. BGH, Urteil vom 19. 12. 2002 - VII ZR 440/0, NJW 2003, 1601, beck-online); OLG
Düsseldorf, Urteil vom 07. Juni 2016 – 23 U 149/13, Rn. 50, juris). Dies war vorliegend der Fall. Die beklagte
Stadt hat den Baubeginn für die Klägerin und die Maßnahme insgesamt mehrmals verschoben. Ergänzend zu
den im landgerichtlichen Urteil aufgeführten schriftlichen Verschiebungen hatte sie der Klägerin im Januar 2011
telefonisch mitgeteilt, der Baubeginn müsse bis auf weiteres verschoben werden.

c)
Die von der Klägerin geltend gemachten Positionen sind allerdings von Sinn und Zweck des § 642 BGB nicht
erfasst. § 642 BGB gewährt nach Ansicht des Senates keinen Anspruch auf eine von dem tatsächlichen Vorhalten
von Personal oder Maschinen unabhängige Erstattung allgemeiner Geschäftskosten bzw. Gewinn und Wagnis.
Das Landgericht hat der Klägerin 112,76 € pro Tag für Allgemeine Geschäftskosten (nachfolgend auch „AGK“)
zugesprochen. Unter AGK werden die Kosten verstanden, die dem Unternehmen nicht für einen bestimmten
Bauauftrag entstehen, sondern die für die Aufrechterhaltung des Betriebes als Ganzes aufgewendet werden wie
Kosten der Geschäftsleitung und der Verwaltung einschließlich Büromiete, Heizung, Buchhaltung usw. (vgl.
Kornet, BauR - Baurecht 2016, S. 1386, 1387). Unter welchen Voraussetzungen § 642 BGB eine Entschädigung
für allgemeine Geschäftskosten gewährt, wird nicht einheitlich beantwortet.

aa)
Einerseits wird darauf abgestellt, dem Unternehmer sei auf einen nach § 642 BGB zu erstattenden Mehraufwand
der konkret hierfür kalkulierte AGK-Aufschlag zu gewähren (teilweise: „Zuschlagsmethode“). Dabei werden die
infolge der Bauablaufstörung zusätzlich angefallenen Aufwendungen ermittelt und mit dem kalkulierten
prozentualen Zuschlagssatz für AGK beaufschlagt (vgl. Messerschmidt/Voit/Stickler, 3. Aufl. 2018, BGB § 642 Rn.
47). Das obiter dictum des Bundesgerichtshofes im Urteil vom 26.10.2017 (BGH, Versäumnisurteil vom
26.10.2017 – VII ZR 16/17, NJW 2018, 544) bezieht sich nach dem Verständnis des Senats ebenfalls darauf,
dass es auf die Lohnmehrkosten Zuschläge für AGK sowie Gewinn und Wagnis geben kann. Voraussetzung sind
nach dem Verständnis des Senats dann aber zunächst Mehrkosten, auf die der Aufschlag erfolgen kann. Ebenso
hat das Kammergericht Berlin im Rahmen von § 642 BGB einen kalkulierten AGK-Zuschlag auf
verzögerungsbedingte Lohnkosten gewährt (vgl. KG Berlin, Urteil vom 10.1.2017 – 21 U 14/16, ZfBR 2018, 52)
das OLG Düsseldorf im Rahmen von § 6 Abs. 6 VOB/B (OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.04.1987 - 23 U 151/86,
BauR 1988, 487).

Bei dieser Betrachtungsweise besteht kein Anspruch der Klägerin. Die Klägerin hat nicht konkret und
nachvollziehbar dargelegt, dass ihr ein Mehraufwand durch ein nutzloses Vorhaltens von Personal oder
Gerätschaften angefallen ist und welcher AGK-Aufschlag hierauf entfällt. Zunächst hat sie sich lediglich pauschal
darauf berufen, sie habe während der gesamten Verzugsphase Fachpersonal „bereitgehalten“ und keine
anderweitigen deckenden Aufträge akquiriert (Bl. 105 ff. GA). Im weiteren Verlauf und auch in der
Berufungsbegründung stellt sie dann darauf ab, es komme nicht darauf an, ob das Personal anderweitig
beschäftigt gewesen wäre, da sie keine Lohnkosten geltend mache (Bl. 358, 745). Hiermit trägt sie gerade nicht
vor, Personal für das streitgegenständliche Projekt nutzlos vorgehalten und nicht anderweitig eingesetzt zu
haben. Auch der Vortrag, sie habe keine „echten Füllaufträge“ generieren können spricht für das Verständnis,
dass die Klägerin gerade kein Personal untätig vorgehalten hat.

bb)
Weiterhin wird diskutiert, ob der Auftragnehmer die für die Vertragsausführung kalkulierten AGK unabhängig von
dem Vorhalten von Produktionsmitteln geltend machen kann.

Dabei wird vertreten, dem Unternehmer solle ein Ausgleich dafür zustehen, dass er die kalkulierten AGK in einem
bestimmten Zeitraum nicht habe erwirtschaften können (AGK-Unterdeckung) (vgl. KG Berlin, Urteil vom
28.05.2013 - 7 U 12/12; BeckRS 2013, 9534; Leinemann, NZBau 2009, 624; Roquette BauR 2010, 1468). Der
Unternehmer verteile die im Rahmen seiner Kalkulation die in einem Jahr voraussichtlich anfallenden AGK auf
den in diesem Jahr erwarteten Umsatz. Realisierten sich bestimmte Umsätze erst später, würde dem
Unternehmer der Deckungsbeitrag teilweise entgehen, was er nicht aufholen könne (Leinemann, NZBau 2009,
624; Roquette BauR 2010, 1468). Auf diese Begründung stützt sich die Klägerin.

Von anderer Seite wird ein Anspruch des Unternehmers auf AGK abgelehnt, wenn diese nicht im konkreten
Zusammenhang mit dem tatsächlichen Vorhalten der Produktionsmittel angefallen sind (vgl. KG Berlin Urteil vom
29.1.2019 - 21 U 122/18, BeckRS 2019, 722; Sienz, BauR 2014, 390; Franz BauR 2017, 380; Messerschmidt/Voit
/Stickler, 3. Aufl. 2018, BGB § 642 Rn. 47) bzw. sich auf nicht angefallene Betriebsstoffkosten beziehen (vgl.
Kornet BauR 2016, 1386). AGK seien im Rahmen von § 642 BGB nur akzessorisch, als Zuschlag auf einen
entschädigungsfähigen Nachteil, zu gewähren. Der vergeblich vorgehaltene allgemeine Geschäftsbetrieb selbst
sei nicht als Nachteil entschädigungsfähig (vgl. KG Berlin aaO, ablehnend: Krebs/Steinke ZfBR 2019, 315; Diehr
ZfBR 2019, 738).

Bei diesem Verständnis besteht ein Anspruch der Klägerin nicht. Sie hat nicht konkret vorgetragen, während der
310-tägigen Bauzeitverschiebung Produktionsmittel für die Arbeiten am A.-Berufskolleg nutzlos vorgehalten zu
haben (s.o.). Ein Vorhalten von Produktionsmitteln folgt insbesondere auch nicht daraus, dass die Klägerin sich
auf das Fehlen echter Füllaufträge beruft. Der Unternehmer hält Produktionsmittel nicht bereit, wenn er diese in
unechten Füllaufträgen (so im Ergebnis auch Sienz, BauR 2014, 390ff; Franz BauR 2017, 380 ff.) oder zur
Beschleunigung auf einer anderen Baustelle einsetzen kann (vgl. KG Berlin aaO). Gleiches gilt, wenn es durch
vorweggenommenen Betriebsurlaub, Ausgleich von Überstunden, Aus- und Fortbildungen usw. zu einem
sinnvollen Einsatz des Personal kommt (vgl. OLG Köln, Hinweisbeschluss vom 23.2.2015 – 7 U 35/14, BeckRS
2015, 7255). Hierfür spricht neben dem allgemeinen Sprachverständnis auch der von § 648 BGB abweichende
Wortlaut des § 642 BGB „erwerben kann“. An einem Bereithalten dürfte es auch fehlen, wenn der Unternehmer
sein Personal je nach Auftragslage durch Leiharbeiter kurzfristig aufstocken kann, wofür bei der Klägerin konkrete
Anhaltspunkte bestehen. Ein Produktionsmittel ist nur dann vorgehalten, wenn der Unternehmer es ausschließlich
für einen bestimmten Auftrag bereithält, so dass er anderweitige Umsatzmöglichkeiten verliert (vgl. KG Berlin
aaO). Anders als konkrete Produktionsmittel hält ein Unternehmer seinen allgemeinen Geschäftsbetrieb nicht nur
für ein Projekt oder einen Vertrag vor (vgl. KG Berlin aaO).

cc)
Sinn und Zweck des § 642 BGB sprechen nach Ansicht des Senates dagegen, eine Entschädigung für
allgemeine Geschäftskosten unabhängig von einem tatsächlich nutzlosen Vorhalten von Personal oder
Betriebsmitteln zu gewähren. § 642 BGB regelt einen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch des
Unternehmers (BGH, Versäumnisurteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17, NJW 2018, 544; BGH, Urteil vom
20.4.2017 – VII ZR 194/13, NJW 2017, 2025). Nach § 642 Abs. 2 BGB bestimmt sich die Höhe der
Entschädigung nach der Dauer des Verzuges und der Höhe der vereinbarten Vergütung einerseits und dem, was
der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner
Arbeitskraft erwerben kann. Nach seiner Ratio Legis will § 642 BGB eine Kompensation dafür gewähren, dass der
Unternehmer Personal, Geräte und Kapital also die Produktionsmittel, bereithält (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom
26.10.2017 – VII ZR 16/17, NJW 2018, 544 m.w.N.) Die Entschädigung wird für die Wartezeiten des
Unternehmers gezahlt und stellt eine Kompensation für die Bereithaltung von Personal, Geräten und Kapital dar
(vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 26.10.2017 – VII ZR 16/17, NJW 2018, 544; BGH, Urteil vom 26.4.2018 – VII ZR
81/17 , NJW 2018, 2561). Diesem Verständnis schließt sich der Senat an.

Wird der Unternehmer über § 642 BGB aber gerade und nur dafür entschädigt, dass er für den Besteller Kapital
und Arbeitskraft bereithält, dann ist kein Raum für eine von dem tatsächlichen Bereithalten von Produktionsmitteln
abgekoppelte Entschädigung für allgemeine Geschäftskosten. Ansonsten würde das bloße Vorhandensein eines
Geschäftsbetriebes entschädigt. Gegen die Entschädigung einer durch eine Bauzeitverschiebung womöglich
eingetretenen Unterdeckung von AGK spricht weiter, dass der Unternehmer keine Sicherheit hat, bei einer
rechtzeitigen Abwicklung des Bauvorhabens die erwarteten Umsätze später in anderen Bauvorhaben
erwirtschaften zu können (vgl. Messerschmidt/Voit aaO). § 642 BGB soll nicht die Erwartungen des Unternehmers
auf volle Auslastung seines Betriebs schützen.

Da es sich bei § 642 BGB um einen verschuldensunabhängigen Anspruch handelt besteht auch keine
Rechtfertigung, dem Unternehmer jedweden Nachteil zu ersetzen, der ihm aus dem Annahmeverzug des
Bestellers entsteht (vgl. Sienz BauR 2014, 390). Insbesondere soll der Unternehmer nicht so gestellt werden, als
sei der Annahmeverzug gar nicht eingetreten. Schon gar nicht darf der Unternehmer aufgrund der gewährten
Entschädigung besser gestellt sein als er ohne Annahmeverzug stünde (vgl. Sienz, BauR 2014, 390). Da
Überkompensationen nach der Rechtsprechung des VII. Senates des Bundesgerichtshofes zu fiktiven
Mangelbeseitigungskosten selbst bei einem verschuldensabhängigen Schadensersatzanspruch zu vermeiden
sind, muss dies erst recht bei einem verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch gelten. Bei einer von
einem tatsächlichen Vorhalten von Produktionsmitteln entkoppelten Entschädigung für AGK bestünde aber eine
konkrete Gefahr der Überkompensation (vgl. Beispiele bei Franz aaO; Sienz aaO und KG Berlin aaO). Werden
Arbeitskräfte/Material nicht vorgehalten, so besteht die Möglichkeit, dass der Unternehmer Gemeinkosten für die
Verzögerung des Baubeginns erstattet bekommt, obwohl er im Zeitraum des Annahmeverzugs entsprechende
Beträge anderweitig verbuchen konnte. Hier liegt der maßgebliche Unterschied zu einer freien Kündigung, bei der
der kalkulierte Werklohn mit dem konkreten Projekt nicht mehr (auch nicht später) verdient werden kann.

d)
Aus den gleichen Erwägungen können auch die angesetzten Anteile für Wagnis und Gewinn (56,52 € netto pro
Tag) von der Klägerin nicht verlangt werden. Ein Anspruch auf Ausgleich von Umsatzsteuer besteht entsprechend
ebenfalls nicht.

2.
Der Klageanspruch folgt weiterhin nicht aus § 2 Abs. 5 VOB/B. Dabei kann dahinstehen, ob von einer
Leistungsänderung der Beklagten im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B ist auszugehen ist. Jedenfalls stellen die von
der Klägerin geltend gemachte Unterdeckung der allgemeinen Geschäftskosten sowie der geltend gemachte
Anteil für Wagnis und Gewinn keine Mehrkosten im Sinne des § 2 Abs. 5 VOB/B dar.
Bei der Ermittlung einer geänderten Vergütung im Rahmen des § 2 Abs. 5 VOB/B ist die Entscheidung des
Bundesgerichtshofes (Urteil vom 08.08.2019 – VII ZR 34/18) zu dem insoweit wortgleichen § 2 Abs. 3 VOB/B zu
beachten. Demnach ist mangels Einigung der Parteien die ergänzende Vergütung über §§ 133, 157 BGB zu
finden. Bei der im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung vorzunehmenden Abwägung der beiderseitigen
Interessen der Parteien sind die tatsächlich erforderlichen Kosten zuzüglich angemessener Zuschläge
maßgeblich (vgl. BGH aaO). Dem schließt sich der Senat an. Angesichts des identischen Wortlautes sind die
genannten Grundsätze auch im Rahmen des § 2 Abs. 5 VOB/B maßgebend, so dass es für eine Preisanpassung
auf die tatsächlich angefallenen Mehrkosten ankommt (vgl. KG Berlin aaO; gegen eine Erstattung
umsatzabhängiger AGK bei Bauzeitverschiebung über § 2 Abs. 5 VOb/B ebenfalls: Franz, BauR 2017, 380;
Kornet BauR 2016, 1386). Wie zu § 642 BGB ausgeführt, ist nicht ersichtlich, dass der Klägerin aufgrund der
Verschiebung der Leistungszeit tatsächlich nicht abgegoltene Mehrkosten entstanden sind. Insbesondere hat sie
keine Vorhaltekosten für Personal oder Geräte dargelegt.

3.
Der Klageanspruch folgt nicht aus § 304 BGB. § 304 BGB gewährt Ersatz für Mehraufwendungen, die für das
erfolglose Angebot sowie für die Aufbewahrung und Erhaltung des geschuldeten Gegenstands entstehen. Solche
Kosten macht die Klägerin nicht geltend.

4.
Zuletzt ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auch nicht aus §§ 6 Abs. 6 VOB/B, 280 BGB. Von einer
vertragswidrigen Behinderung der Klägerin durch die beklagte Stadt im Sinne des § 6 Abs. 6 VOB/B ist nicht
auszugehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte vertraglich eine einklagbare Nebenpflicht übernommen
hätte, die Baustelle zu einem bestimmten Zeitpunkt aufnahmebereit zur Verfügung zu stellen. Vielmehr stellte sich
die Mitwirkungsleistung der beklagten Stadt lediglich als Obliegenheit dar.

§ 6 Abs. 6 VOB/B setzt voraus, dass die hindernden Umstände auf einer schuldhaften Verletzung einer
vertraglichen Pflicht durch den Auftraggeber beruhen (vgl. BGH, Urteil vom 16.10. 1997 - VII ZR 64/96, NJW
1998, 456). Dabei stellen Mitwirkungspflichten des Bestellers i.S.v. § 642 BGB, die zur Erfüllung der Werkleistung
erforderlich sind, regelmäßig bloße Obliegenheiten dar, sofern nicht ausnahmsweise die Vertragsauslegung
ergibt, dass es sich um eine klagbare oder schadensersatzbegründende Vertragspflicht handelt (vgl. BGH Urteil
vom 27. 11. 2008 - VII ZR 206/06, NJW 2009, 582, BGH Urteil vom 21. 10. 1999 - VII ZR 185/98, NJW 2000,
1336; KG Berlin aaO; KG Berlin ZfBR 2018, 52; Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Aufl. 2018, § 642 Rn.
10; MüKo BGB, 7. Aufl. 2018, § 642 Rn. 2, 4). Die Mitwirkung des Bestellers bei der Durchführung des
Bauvorhabens gehört nicht zu seinen vertraglichen Hauptpflichten. Sie besteht in aller Regel auch nicht in der
Erfüllung von allgemeinen, dem gesetzlichen Gebot der Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter des
Vertragspartners entspringenden Schutz- und Obhutspflichten im Sinne des § 241 Abs. 2 BGB. Der Besteller stellt
das Grundstück nicht deshalb zur Verfügung, um die Rechtsgüter des Unternehmers vor Schaden zu bewahren.
Er wirkt mit, weil sonst die zweckentsprechende Verwirklichung des Bauvorhabens gefährdet oder vereitelt würde.
Seine Mitwirkungshandlung dient letztlich eigenen Interessen. Sie ist keine vertragliche, dem Unternehmer
gegenüber bestehende Verbindlichkeit, sondern eine auf Verhaltenserwartungen eigener Art beruhende „Pflicht
des Bestellers gegen sich selbst“ (vgl. Leupertz, BauR 2014, 381).

Ob und welche Verbindlichkeit den Auftraggeber trifft, ist nach der jeweiligen vertraglichen Gestaltung zu
beurteilen. Geht es um Fristüberschreitungen, bedürfen die Vertragsbestimmungen der Auslegung, ob der
Auftraggeber die Verpflichtung übernommen hat, das Bauwerk zu den vereinbarten Fristen als für die
Nachunternehmerleistung geeignet zur Verfügung zu stellen. Allein die Vereinbarung von Vertragsfristen reicht
hierfür nicht aus (vgl. BGH Urteil vom 21. 10. 1999 - VII ZR 185/98, NJW 2000, 1336). Vorliegend ist nichts
vorgetragen, was für die vertragliche Vereinbarung einer besonderen Pflicht zur Bereithaltung oder Freigabe der
Baustelle spricht. Es ist auch nicht naheliegend, dass sich die beklagte Stadt durch die von ihr selbst in dem
Auftragsschreiben genannten Ausführungsfristen dergestalt binden wollte, dass sie für die Einhaltung dieser
Fristen haften wollte.

Insofern kann dahinstehen, ob eine Unterdeckung von AGK bzw. Wagnis und Gewinn als Schaden im Rahmen
des § 6 Abs. 6 VOB/B qualifiziert werden kann, welche Anforderungen gegebenenfalls an die Darlegung zu
stellen wären und inwieweit zusätzlich erwirtschaftete Gemeinkosten bei der Ermittlung der Unterdeckung zu
berücksichtigen wären (vgl. Franz aaO). Nach dem Verständnis des Senates käme es hierbei, anders als bei §
642 BGB, zudem nicht darauf an, welche Nachteile die Klägerin im Zeitraum des Annahmeverzuges erlitten hat,
sondern darauf, wie sich ihre Vermögenslage darstellen würde, hätte sie mit dem Leistungen am 30.8.2010
beginnen können. § 6 Abs. 6 VOB/B will den Geschädigten so stellen, wie er ohne das schadensbegründende
Ereignis stünde. Ebenso kann dahinstehen, ob hinsichtlich der Anteile für Wagnis und Gewinn eine Haftung nur
bei Vorsatz/grober Fahrlässigkeit besteht, § 6 Abs. 8 VOB/B.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91Abs. 1, 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Revision war nach § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zuzulassen. Die Frage, ob § 642 BGB ohne das konkrete, nutzlose
Vorhalten von Personal oder Material eine Entschädigung für allgemeine Geschäftskosten sowie Gewinn und
Wagnis gewährt, hat grundlegende Bedeutung.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 62.447,39 €

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Düsseldorf

Erscheinungsdatum:

19.12.2019

Aktenzeichen:

5 U 52/19

Rechtsgebiete:

Allgemeines Schuldrecht
Bauträgervertrag und Werkvertrag
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)

Normen in Titel:

BGB § 642