BGH 09. Dezember 1992
IV ZR 82/92
BGB §§ 2316, 2057a

Ausgleichung zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten

475.000,— DM. Dem hat der Bekl. hinzugefügt: „Das reicht!"
Darin lag die Geltendmachung eines Leistungsverweigerungsrechts aus § 1990 BGB. Da das LG die Klage aus anderen Gründen abgewiesen hat, brauchte es hierauf nicht einzugehen.
Das Berufungsgericht hätte darauf aber zurückkommen müssen, zumal der Bekl. sich auch vor ihm ausdrücklich auf die beträchtlichen Schulden berufen und sogar ausgeführt hatte, als
Miterbin oder Pflichtteilsberechtigte hätte die KI. mit Rücksicht
auf die Schulden überhaupt nichts erhalten. Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung ist die Erschöpfungseinrede
nicht rechtsmißbräuchlich erhoben.
Das Berufungsgericht hätte die Wahl gehabt, die Frage des
Haftungsumfangs aufzuklären und zu entscheiden oder aber
sich mit dem Vorbehalt gem. § 780 Abs.1 ZPO zu begnügen
(BGH NJW 1983, 2378= LM 1 § 2320 BGB; BGHZ 95,222,228;
BGH LM 75 BI. 2 R § 253 ZPO, Urteil vom 13.7.1989 — IX ZR
227/87 — BGHR §780 ZPO Abs.1 „Anfechtbarkeit 1"). Der
Senat kann den Haftungsumfang nicht selbst klären und beschränkt sich deshalb auf den Vorbehalt gern. §780 Abs.1
ZPO.
7. Erbrecht — Ausgleichung zu Lasten des Pflichtteilsberechtigten
(BGH, Urteil vom 9.12.1992 — IV ZR 82/92)
BGB §§ 2316; 2057 a
Auch ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling, der zum
Alleinerben eingesetzt worden ist, kann Ausgleichung seiner Leistungen i.S.v. § 2057 a BGB gegenüber Pflichtteilsansprüchen anderer Abkömmlinge geltend machen. Welche
letztwillige Verfügung der Erblasser getroffen hat, muß für
die Berechnung des Pflichtteils gern. § 2316 Abs. 1 5.1 BGB
außer Betracht bleiben (entgegen OLG Stuttgart DNotZ1989,
184 f.).
Zum Sachverhalt:
Die KI. verlangt von der Beki. den Pflichtteil nach ihrem Vater. Die Parteien sind die einzigen Kinder des am 22.1.1988 verstorbenen Landwirts
H.Seine Ehefrau, die Mutter der Parteien, war schon am 2.5.1976 gestorben. Der Vater hat die Bekl. durch notarielles Testament vom
21.1.1988 als Alleinerbin eingesetzt.
Das LG hat der Klage in Höhe von 76.507,32 DM stattgegeben. Dabei
hat es die Versorgung des Erblasser durch die Bekl. in der Zeit von September 1977 bis zu seinem Tod mit einem Betrag von 51.600,— DM gern.
§§2316 Abs.1, 2057a BGB berücksichtigt. Mit der Berufung hat die
Bekl. neu vorgetragen, sie habe außerdem in erheblichem Umfang in
dem landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb des Erblassers mitgearbeitet, und zwar bereits seit Juli 1967. Das Berufungsgericht ist von
einem Nachlaß im Wert von 334.629,30 DM ausgegangen, hat die auszugleichenden Leistungen der Bekl. mit 199.400,— DM bewertet und der
KI. einen Pflichtteilsanspruch von nur noch 33.807,33 DM zugesprochen. Wegen der Frage, ob §§ 2316 Abs. 1, 2057 a BGB auch zum
Nachteil des Pflichtteilsberechtigten angewandt werden können, hat es
die Revision zugelassen.
Mit dem Rechtsmittel erstrebt die KI. die Verurteilung der Bekl. ohne
Ausgleichung zu ihren Gunsten in Höhe eines Viertels des vom
Berufungsgericht festgestellten Nachlaßwerts, d. h. zur Zahlung von
83.657,33 DM.
Aus den Gründen:
Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.
I. 1. Die Revision verweist auf das Urteil des OLG Stuttgart
DNotZ 1989,184 f. Danach ist § 2316 Abs. 1 BGB nur zugunsten
des pflichtteilsberechtigten Abkömmlings, nicht aber in Fällen
wie dem vorliegenden auch zugunsten des kraft letztwilliger
Verfügung als Alleinerben eingesetzten Abkömmlings anwendbar. Der vom Erblasser eingesetzte Erbe könne, auch
wenn er an sich als Abkömmling ausgleichsberechtigt sei, nur
unter den Voraussetzungen des § 2316 Abs. 2 BGB Ausgleichung verlangen. Wenn der eine Abkömmling enterbt ist und
der oder die anderen als Erben eingesetzt sind, finde eine echte
Ausgleichung nicht statt, weil das Gesetz eine Ausgleichung
zugunsten oder zu Lasten gewillkürter Erben nicht kenne. Hier
beantworte § 2316 BGB die Frage, wie sich der Pflichtteilsanspruch des enterbten Abkömmlings berechne, wenn dieser
(nicht aber der oder die als Erben eingesetzten Abkömmlinge)
im Falle gesetzlicher Erbfolge ausgleichungsberechtigt geworden wäre.
Dieser Entscheidung haben zugestimmt Palandt/Edenhofer,
51. Aufl., § 2316 BGB, Rd.-Nr. 1 und Jauernig/Stürner, 6. Aufl.,
§ 2316 BGB, Anm. 1 d. Widersprochen hat ihr in einer Anmerkung Cieslar, DNotZ 1989, 185 ff.
2. Mit Recht ist das Berufungsgericht dem OLG Stuttgart nicht
gefolgt.
a) In § 2315 Abs. 1 oder § 2316 Abs. 3 BGB heißt es, daß sich
der Pflichtteilsberechtigte etwas auf den Pflichtteil anrechnen
zu lassen hat bzw. etwas nicht zum Nachteil des Pflichtteilsberechtigten von der Ausgleichung ausgenommen werden darf.
Demgegenüber gibt der Wortlaut des hier in Betracht zu ziehenden § 2316 Abs.1 S. 1 BGB für eine Beschränkung auf den
enterbten Pflichtteilsberechtigten nichts her. Vielmehr wird
ganz allgemein die Berechnung des Pflichtteils eines Abkömmlings beschrieben, wenn mehrere Abkömmlinge vorhanden
sind und „unter ihnen" im Falle der gesetzlichen Erbfolge eine
Ausgleichung stattzufinden hätte.
b) Dementsprechend wirkt §2316 Abs.1 BGB nach allg.M.
nicht nur zugunsten des enterbten Pflichtteilsberechtigten,
sondern — wenn er Zuwendungen gem. § 2050 BGB empfangen hat oder andere Pflichtteilsberechtigte wegen Leistungen
gem. § 2057 a BGB Augleichung beanspruchen können — auch
zu seinen Lasten (vgl. die Fallbeispiele etwa bei Staudinger/
Ferid/Cieslar, 12. Aufl., § 2316 BGB, Rd.-Nr. 48; MünchKomm/
Frank, 2. Aufl., § 2316 BGB, Rd.-Nrn.12-14; Soergel/Dieckmann, 12. Aufl. § 2316 BGB, Rd.-Nrn.11, 16; RGRK/Johannsen,
12. Aufl., § 2316 BGB, Rd.-Nrn. 5 und 6). Dabei wird allerdings
der Fall nicht ausdrücklich behandelt, daß der auf den Pflichtteil
in Anspruch genommene Testamentserbe selbst pflichtteilsberechtigter Abkömmling ist.
c) Ebenso wie in einem solchen Fall zugunsten des Pflichtteilsklägers Vorempfänger des eingesetzten Erben gern. §§ 2316
Abs. 1, 2050 BGB zu berücksichtigen sind, müssen auch zu Lasten des Pflichtteilsklägers Leistungen des eingesetzten Erben
gern. § 2057 a BGB ausgeglichen werden. Denn § 2316 Abs.1
S. 1 BGB schreibt vor, daß — auch wenn ein pflichtteilsberechtigter Abkömmling zum Erben eingesetzt worden ist — unterstellt wird, für alle pflichtteilsberechtigten Abkömmlinge gelte
die gesetzliche Erbfolge.
Welchem Zweck die Vorschrift dient, wird aus der Bemerkung
im Bericht der XII. Kommission des Reichstags vom 12.6.1896
deutlich: Sie erläutere den Satz, wonach der Pflichtteil in der
Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils besteht, näher dahin, daß unter Abkömmlingen der Berechnung des Pflichtteils
der gesetzliche Erbteil in der Gestalt zugrunde gelegt wird, die
er im Falle der gesetzlichen Erbfolge unter Berücksichtigung
der Einwerfungsposten nach den für die Ausgleichungspflicht
geltenden Grundsätzen erhält (zitiert nach Mugdan, Die gesamten Materialien zum BGB, V. Band, S. 889). An der Übertragung der Modifikationen des gesetzlichen Erbteils, die sich infolge Ausgleichung ergeben, auf den Pflichtteilsanspruch zeigt
sich, daß das Pflichtteilsrecht insofern Teil des gesetzlichen
Erbrechts ist (Staudinger/Ferid/Cieslar, a.a.O., § 2316 BGB,
Rd.-Nr. 3). Dem enterbten Abkömmling steht daher gegenüber
dem zum Alleinerben eingesetzten Abkömmling auch als Ausgleichungspflichtteil nicht mehr als die Hälfte dessen zu, was er
im Falle gesetzlicher Erbfolge zu beanspruchen hätte.
Zwar findet zwischen dem enterbten und dem zum Alleinerben
eingesetzten Abkömmling eine echte Ausgleichung nicht statt.
Da aber gern. § 2316 Abs.1 S.1 BGB zu unterstellen ist, daß gesetzliche Erbfolge eingetreten wäre, ist eine unter dieser Voraussetzung vorzunehmende (hypothetische) Ausgleichung für
die Berechnung des Pflichtteils maßgeblich. Demnach kann es
nicht darauf ankommen, ob sich die Ausgleichung zugunsten
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oder zu Lasten des in Wahrheit enterbten Abkömmlings auswirkt. Welche letztwillige Verfügung der Erblasser getroffen
hat, muß für die Berechnung des Pflichtteils gern. § 2316 Abs. 1
S. 1 BGB gerade außer Betracht bleiben.
d) Etwas anderes ist auch nicht aus § 2316 Abs. 2 BGB zu entnehmen. Die Vorschrift betrifft den Fall, daß die vom Erblasser
bestimmte Erbquote als solche zwar nicht kleiner ist als die
Hälfte der gesetzlichen Erbquote, der Wert des hinterlassenen
Erbteils aber nicht die Hälfte des Betrages erreicht, der sich bei
gesetzlicher. Erbfolge als Wert seines Erbteils unter Berücksichtigung der Ausgleichung ergäbe. Dann steht auch dem eingesetzten Erben ein Restpflichtteil zu. Damit wiederholt § 2316
Abs. 2 BGB nur die Maßgeblichkeit des Wertes für den Pflichtteil, wie sie schon in §§ 2305 und 2307 BGB zum. Ausdruck
kommt (Staudinger/Ferid/Cieslar, a.a.O., § 2316 BGB, Rd.Nrn. 45 f.; MünchKomm/Frank,a .a.O., § 2316 BGB, Rd.-Nr.19;
RGRK/Johannsen, a.a.O., § 2316 BGB, Rd.-Nr.15; Soergel/
Dieckmann, a.a.O., § 2316 BGB, Rd.-Nr. 11). Damit ist nicht gesagt, daß die Ausgleichung für einen eingesetzten Erben nur im
Rahmen des § 2316 Abs. 2 BGB von Vorteil sein könne. Die Vorschrift zeigt vielmehr, daß sich auch bei gewillkürter Erbfolge
die Ausgleichung nicht nur zugunsten, sondern auch zu Lasten
der enterbten Abkömmlinge auswirken kann (MünchKomm/
Frank, a.a.O., § 2316 BGB, Rd.-Nr.19).
3. Die Revision macht weiter geltend, der eingesetzte Erbe
werde (vom Fall des § 2316 Abs. 2 BGB abgesehen) für seine
Leistungen i.S.v. § 2057 a BGB schon durch die Erbeinsetzung
honoriert, das Pflichtteilsrecht des enterbten Abkömmlings
aber durch die Ausgleichung dieser Leistungen zugunsten des
Testamentserben ausgehöhlt. Die Ansprüche des Pflichtteilsberechtigten bezie5hen sich indessen nur auf das Vermögen,
das vom Erblasser stammt. Soweit sein Nachlaß dagegen auf
den in §2057a BGB umschriebenen Leistungen eines Abkömmlings beruht, fehlt dem Pflichtteilsanspruch eines anderen Abkömmlings, mit dem die Teilhabe an den gern. § 2057 a
BGB erhaltenen oder geschaffenen Werten geltend gemacht
wird, die innere Berechtigung.
Dies gilt auch, wenn die gern. § 2057 a BGB auszugleichenden
Leistungen wie im vorliegenden Fall die Hälfte des Nachlasses
übersteigen. Nach überwiegender Meinung soll zwar § 2057 a
BGB nicht zu dem Ergebnisführen können, daß der ausgleichsberechtigte Abkömmling den ganzen Nachlaß erhält und andere Abkömmlinge leer ausgehen (Staudinger/Werner, a.a.O.,
§ 2057 a BGB, Rd.-Nrn. 29, 33; MünchKomm/Dütz, a.a.O.,
§ 2057 a BGB, Rd.-Nrn. 35,42; beide m.w.N.; a.A. nur Soergel/
Wolf, a.a.O., § 2057 a BGB, Rd.-Nr.17). Ob das zutrifft, bedarf
hier aber keiner Entscheidung.
ll. Die Rügen der Revision gegen die Feststellungen des Berufungsgerichts zur Höhe des gem. § 2057 a BGB auszugleichenden Betrages sind nicht begründet.
1. Soweit die KI. ihr Bestreiten in der erforderlichen Weise
susbtantiiert hat, ist das Berufungsgericht darüber nicht hinweggegangen.
a) . Die KI. hat zwar behauptet, sie habe bis 1979 selbst auf dem
Hof des Erblassers gewohnt und seinen Haushalt neben ihrer
Berufstätigkeit versorgt; sie habe auch beim Umbau des elterlichen Anwesens und noch nach ihrem Auszug im Haushalt und
in der Landwirtschaft des Erblassers geholfen. Sie hat daraus
aber selbst nicht abgeleitet, daß der Umfang der von der Bekl.
nach Zeitabschnitten differenziert vorgetragenen Leistungen
nicht zutreffe, sondern nur, daß die Leistungen der Bekl. unter
Berücksichtigung der Verhältnisse üblich gewesen seien.
Demgegenüber hat das Berufungsgericht mit Recht darauf hingewiesen, daß selbst eine Verpflichtung der Beki. zur Mitarbeit
gern. § 1619 BGB der Ausgleichungspflicht nicht entgegensteht
(§ 2057 a Abs. 2S 2 BGB).
b) Das Berufungsgericht hat nicht unberücksichtigt gelassen,
daß-die Bekl. nach ihrer Heirat den eigenen Hof weitgehend allein bewirtschaften und ihre Kinder versorgen mußte. Es hat
auch in Rechnung gestellt, daß Geräte vom Hof des Erblassers
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von der Beki. und ihrem Ehemann genutzt werden konnten.
Das Vorbringen der Kl., die Bekl. habe nach der Hochzeit mit ihrem Ehemann etwa 1' /2 Jahre lang auf dem eigenen Anwesen
gebaut, hat das Berufungsgericht zwar nicht ausdrücklich erwähnt. Es hat aber die Leistungen der Bekl. in der Zeit von ihrer
Heirat im November 1970 bis zum Tod der Mutter der Parteien,
also einschließlich des Monats April 1976, im Durchschnitt nur
mit 400,— DM im Monat bewertet. Dabei ist es nicht etwa von
stets gleichbleibenden Leistungen der Bekl und ihres Ehemannes ausgegangen, der die Felder des Erblassers mitbestellt hat. Vielmehr weist das Berufungsgericht auf den allmählich schlechter werdenden Gesundheitszustand des Erblassers hin. Daß die Durchschnittsbewertung des Berufungsgerichts etwa im Hinblick auf den Hausbau der Bekl. oder aus anderen Gründen gegen Erfahrungssätze verstoße, denk- oder
rechtsfehlerhaft sei, hat die Revision nicht dargetan und ist
auch nicht zu erkennen. Insbesondere bestehen keine Bedenken, gern. § 2057 a BGB auch Leistungen zu berücksichtigen,
die von der Familie oder durch Hilfskräfte des ausgleichsberechtigten Abkömmlings geleistet worden sind, wenn dieser sie
veranlaßt oder für den Erblasser erbracht hat (Staudinger/Werner, a.a.O., § 2057 a BGB, Rd.-Nr.13 m.w.N.). Für die Bemessung des Ausgleichs, die sich einerseits an der Dauer und dem
Umfang der Leistungen und andererseits am Wert des Nachlasses orientieren und, insgesamt der Billigkeit entsprechen
soll, ist eine Aufrechnung aller Einzelposten, die zu unüberwindlichen praktischen Schwierigkeiten führen könnte, nicht
erforderlich (BGHZ 101, 57, 64).
2. Das Berufungsgericht hat sich auch nicht unter Verstoß gegen §§ 286, 398 ZPO über das Beweisergebnis des LG hinweggesetzt.
a) Soweit das Berufungsgericht abweichend vom:. LG zum
Ausgleich berechtigende Leistungen der Bekl. schon in der Zeit
vor September 1977 feststellt, beruht dies auf dem neuen Vorbringen der Bekl. in der Berufungsinstanz, sie habe schon seit
dem Abschluß der Volksschule im Alter von 15Jahren voll im
Haushalt und der Landwirtschaft der Eltern gearbeitet. Das hat
die KI. eingeräumt.
b) Zwar hat das LG aufgrund seiner Beweisaufnahme festgestellt, daß nach dem Tod der Mutter zunächst die KI. für das Essen und die Wäsche des Erblassers gesorgt und die Bekl. diese
Aufgabe erst ab September 1977 übernommen habe; dabei sei
eine größere Haushaltsführung für den Erblasser, der sein
Haus nur noch zum Schlafen benutzt habe, nicht angefallen. In
welchem Maße die Bekl. bis zum September 1977 weniger belastet war, hat das Berufungsgericht ebenso pauschal bewertet
wie den Umstand, daß sie nach den Feststellungen des LG den
Erblasser in den letzten zehn Monaten vor seinem Tod auch
zum Schlafen in ihrem Haus aufgenommen hat.
Im Vordergrund der Bewertung standen für das Berufungsgericht nicht die Leistungen der Bekl. für die persönliche Versorgung und den Haushaltdes Erblassers nach dem Tod seiner
Frau. Hierfür hafte dieBekl. in der Berufungsbegründung lediglich ein Viertel des Betrages angesetzt, den sie in diesem Zeitraum insgesamt pro Monat für angemessen hält. Das Hauptgewicht lag vielmehr auf der Fortführung des landwirtschaftlichen
Betriebes des Erblassers, dessen körperliche Leistungsfähigkeit sich weiter verschlechterte. Das Berufungsgericht ist daher
von einem sich allmählich erhöhenden Einsatz der Bekl. und
ihres Ehemannes ausgegangen und nicht, wie die Revision im
Hinblick auf die Schätzung eines monatlichen Durchschnittsbetrages meint, von stets gleichbleibenden Leistungen. Insbesondere hat das Berufungsgericht in seine Bewertung einbezogen, daß der Erblasser ohne die Leistungen derBekl. die Substanz seines im wesentlichen in Grundbesitz bestehenden Vermögens nicht hätte erhalten und bei seiner geringen Rente bis
zum Tode noch 74.000,- DM sparen können. Wenn das Berufungsgericht danach zu dem Ergebnis gelangt ist, für die Mitarbeit der Bekl. auf dem Hof und im Haushalt des Erblassers
seien in der Zeit von Mai 1976 bis Januar 1988 im Durchschnitt
1000,— DM pro Monat angemessen, läßt sich daraus nicht der
Schluß ziehen, es hätte die nicht ausdrücklich angeführten Be97
auch nicht aus der insoweit ungenauen Formulierung des Berufungsgerichts, die Bekl. habe in diesem Zeitraum den Haushalt des Erblassers „vollständig" versorgt.
3. Nach alledem ist auch die Rüge der Revision unbegründet,
das Berufungsgericht lasse eine nachvollziehbare Grundlage,
die für seine Schätzung gern. §287 ZPO ausreiche, nicht erkennen. Der Gesamtbetrag, der zugunsten der Bekl. auszugleichen ist, steht angesichts der Dauer und des Umfangs der
verfahrensfehlerfrei festgestellten Leistungen der Beki., ohne
die der Erblasser über viele Jahre hinweg Aushilfskräfte hätte
einstellen und bezahlen müssen, auch nicht außer Verhältnis
zum Wert des Nachlasses.
B. Gesellschaftsrecht/GmbH — Beschlußfassung mit geschäftsunfähigem Gesellschafter
(BayObLG, Beschluß vom 4. 2.1993 — 3 Z BR 6/93 — mitgeteilt
von Richter am BayObLG Johann Demharter, München)
GmbHG §§ 6; 51 Abs. 3
1. In einer nicht ordnungsgemäß einberufenen Gesellschafterversammlung einer GmbH können wirksame
Beschlüsse nur gefaßt werden, wenn sämtliche Gesellschafter nicht nur anwesend, sondern auch mit der Abhaltung der Versammlung zum Zweck der Beschlußfassung einverstanden sind. Nicht anwesend i.S.v. §51
Abs. 3 GmbHG ist deshalb ein geschäftsunfähiger Gesellschafter; das erforderliche Einverständnis zur Beschlußfassung kann nur sein gesetzlicher Vertreter abgeben.
2. Hat ein Geschäftsführer seine Amtsfähigkeit verloren,
weil seine unbeschränkte Geschäftsfähigkeit weggefallen ist, so bedarf es nach Wiedererlangung seiner vollen
Geschäftsfähigkeit einer erneuten Bestellung zum Geschäftsführer; sein Amt lebt auch nach Wegfall seiner
Amtsunfähigkeit nicht von selbst wieder auf.
Zum Sachverhalt:
Im Handelsregister ist die Firma X-GmbH eingetragen. Das Stammkapital beträgt 50.000,— DM. Davon hält der Bet. zu 2) einen Anteil von
12.000,— DM und der Bet. zu 1) einen Anteil von 38.000,— DM. Hinsichtlich des Anteils des Bet. zu 1) ist ein Rechtsstreit anhängig, in dem geklärt werden soll, ob dieser Anteil möglicherweise der Mutter der beiden
Bet. zusteht.
Am 23.6.1992 meldete der Bet. zu 2) zur Eintragung in das Handelsregister an, daß gem. dem notariell beurkundeten Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 17.6.1992 der bisher eingetragene Bet. zu 1)
als Geschäftsführer ausgeschieden und er, der Bet. zu 2), zum neuen
Geschäftsführer bestellt sei.
Das Registergericht hat diese Anmeldung zurückgewiesen, weil der
Bet. zu 1) bei Abfassung des Gesellschafterbeschlusses geschäftsunfähig gewesen sei. Diese Entscheidung hat das LG auf Beschwerde des
Bet. zu 2) aufgehoben. Gegen diese Entscheidung des LG richtet sich
die weitere Beschwerde des Bet. zu 1), deren Zurückweisung der Bet. zu
2) beantragt.
Aus den Gründen:
Die weitere Beschwerde ist begründet.
1. Das LG hat ausgeführt: Der Bet. zu 1) sei bei der in einem
Krankenhaus am 17. 6.1992 unter Leitung eines Notars abgehaltenen Gesellschafterversammlung geschäftsunfähig gewesen; dies ergebe sich aus den vorliegenden Sachverständigengutachten. Der Bet. zu 1), der an chronischem Alkoholismus
verbunden mit zerebralen Schädigungen leide, sei im Juni 1992
in einem komatösen Zustand in das Krankenhaus eingeliefert
worden. Der Landgerichtsarzt habe für den Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung ein mittelschweres hirnorganisches
Psychosyndrom diagnostiziert, eine krankhafte geistige Störung, die beim Bet. zu 1) die freie Willensbestimmung ausgeschlossen habe; dieser Zustand sei nicht nur vorübergehender
Natur gewesen. Unabhängig von der sich daraus ergebenden
Geschäftsunfähigkeit des Bet. zu 1) sei der Registerrichteraber
verpflichtet gewesen, die Anmeldung des Bet. zu 2) ins Regi.
ster einzutragen. Mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit habe bei
dem Bet. zu 1) das Amt des Geschäftsführers geendet; das
Ende der Vertretungsbefugnis sei nach § 39 Abs.1 GmbHG anzumelden. Ferner seien die Stimmen des geschäftsunfähig
en
Gesellschafters in der Gesellschafterversammlung nicht mitzuzählen, weil dessen Willenserklärungen gern. § 105 Abs.1
BGB nichtig seien. Zähle man die Stimmen des Bet. zu 1) nicht,
so sei der Beschluß über die Bestellung des Bet. zu 2) als Geschäftsführer mit dessen Stimmen gefaßt worden. Die Abberufung des Bet. zu 1) habe keines Beschlusses bedurft, denn sie
sei ipso jure mit Eintritt der Geschäftsunfähigkeit gegeben gewesen. Einen anderen Gesellschafter als den Bet. zu 2) hätte
die Versammlung als Geschäftsführer ohnehin nicht zur Verfügung gehabt.
2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung
nicht stand (§ 27 Abs.1 FGG; § 550 ZPO).
a) Das LG hat ohne Rechtsfehler festgestellt, daß der Bet. zu 1)
im Juni 1992, also auch zum Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung, geschäftsunfähig war. Diese für das Rechtsbeschwerdegericht bindende Feststellung ist aber ohne Einfluß
auf die Verfahrensfähigkeit des Bet. zu 1) im vorliegenden Verfahren; denn nach dem Gutachten vom 12.11.1992 liegen bei
dem Bet. zu 1) seit ca. Mitte Juli 1992 keine gesundheitlichen
Störungen mehr vor, die seine Geschäftsfähigkeit beeinträchtigen.
b) Soweit das LG u. a. unter Hinweis auf die Rspr. des Senats
(vgl. BayObLGZ 1991, 337 und 371) meint, ein möglicherweise
zwar anfechtbarer, dennoch aber wirksamer Gesellschafterbeschluß liege deshalb vor, weil die Stimmen des geschäftsunfähigen Gesellschafters nicht mitzuzählen seien und der Beschluß laut Feststellung des Versammlungsleiters (hier des Notars) mit den erforderlichen Stimmen zustande gekommen sei,
läßt es unberücksichtigt, daß bei jedem Gesellschafterbeschluß unterschieden werden muß zwischen der Willenserklärung (Stimmabgabe) des einzelnen Gesellschafters und der
Willensbildung der Gesellschaft (vgl. Sudhoff, Der Gesellschaftsvertrag der GmbH, B. Aufl., S. 338). Der Gesellschafterbeschluß liegt erst nach Stimmabgabe aller Gesellschafter in
einem nach der Satzung und dem Gesetz vorgesehenen Verfahren und der entsprechenden Feststellung des Stimmergebnisses durch den Versammlungsleiter vor (vgl. BGH GmbHR
1990, 68). Unabhängig davon, daß die Willenserklärungen einzelner Gesellschafter, z. B. gern. §§ 105, 134, 138 BGB, nichtig
sein können, kann auch der eigentliche Gesellschafterbeschluß als solcher in entsprechender Anwendung der aktienrechtlichen Bestimmungen nichtig oder anfechtbar sein (vgl.
BGHZ11, 231,236; 18,334,338; im einzelnen Hachenburg/Raiser, B. Aufl., Anh. § 47 GmbHG, Rd.-Nrn.16 ff.).
.Entgegen der Auffassung des LG hat das Registergericht die
Anmeldung des Bet. zu 2) zu Recht zurückgewiesen, da der in
der Gesellschafterversammlung vom 17. 6.1992 gefaßte Beschluß nicht nur anfechtbar, sondern nichtig ist. Die Eintragung
eines nichtigen Beschlusses in das Handelsregister ist unzulässig (vgl. BayObLGZ1982, 368,371; Keidel/Winkler,13. Aufl.,
§ 127 FGG, Rd.-Nr.13 m.w.N.; Scholz/Karsten Schmidt,
7. Aufl., § 45 GmbHG, Rd.-Nr. 83; Rowedder/Koppensteiner,
2. Aufl., §47 GmbHG, Rd.-Nr.92; Hachenburg/Raiser, Anh.
§ 47 GmbHG, Rd.-Nr. 84, je m.w.N.; W. Vogel, Gesellschafterbeschlüsse und Gesellschafterversammlung, 2. Aufl., S. 210;
vgl. auch Baums, Eintragung und Löschung von Gesellschafterbeschlüssen 1981, 51 f.).
(1) Der Beschluß, mit dem der Bet. zu 1) als Geschäftsführer
abberufen und der Bet. zu 2) zum Geschäftsführer bestellt worden ist, ist nicht eintragungsfähig. Im GmbHG ist nicht geregelt,
welche Rechtsfolgen die Mangelhaftigkeit eines Gesellschafterbeschlusses hat. Die Lücke wird nach allg.M. dadurch ausgefüllt, daß die im Aktiengesetz enthaltenen Bestimmungen
über die Nichtigkeit und Anfechtbarkeit von Beschlüssen der
Heft Nr. 4- MittRhNotK • April 1993

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

09.12.1992

Aktenzeichen:

IV ZR 82/92

Erschienen in:

MittRhNotK 1993, 96-98

Normen in Titel:

BGB §§ 2316, 2057a