Stellvertretung bei Eheschließung; ordre public; Qualifikation der Eheschließung durch einen Vertreter als Formfrage
letzte Aktualisierung: 15.12.2021
BGH, Beschl. v. 29.9.2021 – XII ZB 309/21
Stellvertretung bei Eheschließung; ordre public; Qualifikation der Eheschließung durch
einen Vertreter als Formfrage
1. Kollisionsrechtlich ist eine Eheschließung durch einen Vertreter nur dann als reine Formfrage
zu qualifizieren, wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt, bei der
der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner nach eigenem Willen
bestimmt hat. Demgegenüber würde eine Stellvertretung im Willen, die dem Vertreter eine eigene
Entscheidungsbefugnis bezüglich der Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners einräumt,
auch die materiellen Voraussetzungen der Eheschließung berühren und wäre nach dem für
Deutsche geltenden Heimatrecht unzulässig.
2. Die Eheschließung im Ausland im Wege doppelter Stellvertretung verstößt nicht gegen den
deutschen ordre public.
Gründe:
A.
Die Beteiligte zu 1, die deutsche Staatsangehörige ist, und der Beteiligte
zu 2, der die syrische Staatsangehörigkeit besitzt, haben beim Standesamt die
Beurkundung einer Erklärung zur Bestimmung des Ehenamens nach Eheschließung
beantragt. Hierzu legten sie eine Heiratsurkunde der Registrierungsbehörde
des Mexikanischen Bundesstaats Baja California Sur, versehen mit einer
Apostille, einem Auszug aus dem Heiratsregister und einer Vereinbarung über
die Gütertrennung vor. Die Ehe war in Mexiko in Abwesenheit der Beteiligten zu 1
und 2 durch zwei dort ansässige, den Beteiligten zu 1 und 2 persönlich nicht bekannte
Vertreter geschlossen worden, denen sie zuvor jeweils eine von einem
Notar in Deutschland beglaubigte „Sondervollmacht“ in englischer und in spanischer
Sprache erteilt hatten, sie bei „der Ausführung eines Ehevertrages“ mit dem
jeweils namentlich benannten anderen zu vertreten. Die Vollmachten tragen außerdem
die beglaubigten Unterschriften von jeweils zwei anwesenden Zeugen.
Auf die Zweifelsvorlage des Standesamts (Beteiligter zu 3) hat das Amtsgericht
es angewiesen, die beantragte Beurkundung nicht vorzunehmen. Auf die
Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Oberlandesgericht die Entscheidung
abgeändert und das Standesamt angewiesen, die beantragte Beurkundung
vorzunehmen. Hiergegen richten sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der
Beteiligten zu 5 als obere Standesamtsaufsicht und das als „Anschlussbeschwerde“
bezeichnete Rechtsmittel der Beteiligten zu 4 als untere Standesamtsaufsicht.
B.
Das Rechtsmittel der Beteiligten zu 4 ist als unzulässig zu verwerfen. Die
Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 5 ist nach § 70 Abs. 1 FamFG iVm §§ 51,
53 Abs. 2 PStG zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
I.
Das von der Beteiligten zu 4 als „Anschlussbeschwerde“ bezeichnete
Rechtsmittel ist als selbständige Rechtsbeschwerde unzulässig, da sie entgegen
§ 71 Abs. 1 FamFG nicht innerhalb eines Monats nach der schriftlichen Bekanntgabe
des Beschlusses eingelegt worden ist.
Das Rechtsmittel ist auch nicht als Anschlussrechtsbeschwerde gemäß
§ 73 FamFG zulässig. In Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Einlegung
eines Anschlussrechtsmittels (§§ 66, 73 FamFG) mangels eines Rechtsschutzbedürfnisses
unzulässig, wenn mit der Anschließung (lediglich) das gleiche
Ziel wie mit dem Hauptrechtsmittel verfolgt werden soll (Senatsbeschluss
vom 12. Februar 2014 - XII ZB 706/12 -
Fall hier, da die Beteiligte zu 4, noch dazu ohne jegliche eigenständige Begründung,
lediglich das zuvor von der Beteiligten zu 5 zulässig eingelegte Rechtsmittel
unterstützen will.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 5 ist unbegründet.
1. Das Oberlandesgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet: Die
Beteiligten zu 1 und 2 hätten die Ehe im mexikanischen Bundesstaat wirksam
geschlossen. Eine wirksame Eheschließung setze nach Art. 11 Abs. 1 Alt. 2
EGBGB voraus, dass die Formerfordernisse des Rechts des Staates erfüllt seien,
in dem die Eheschließung vorgenommen wurde. Maßgeblich sei, auch wenn die
Eheschließung durch Stellvertreter erfolge, der Ort der Trauungshandlung. Nach
dem Ortsrecht sei eine Eheschließung durch Sonderbevollmächtigte zulässig,
wobei auch das Auftreten von Stellvertretern für beide Ehegatten gestattet sei.
Soweit Zweifel an der Einhaltung sonstiger Formerfordernisse des Ortsrechts bestünden,
komme es darauf nicht an, weil dies nach den Bestimmungen des Ortsrechts
nicht zur Unwirksamkeit der Eheschließung führe, solange nicht ein vollstreckbares
Urteil die Nichtigkeit der Ehe feststelle.
Der Anerkennung der Ehe im Inland stehe auch nicht der deutsche ordre
public (
vorgesehene Anknüpfung an die Ortsform gebe das Gesetz zu erkennen, dass
ihm an der Wirksamkeit des Geschäfts im Allgemeinen mehr liege als an der
Einhaltung deutscher Formvorschriften. Eine Nichtanerkennung der Ortsform
bleibe daher auch unter dem Gesichtspunkt der Gesetzesumgehung außer Betracht,
wenn der Abschlussort gerade wegen der Formerleichterung oder aus
Kostengründen ins Ausland verlegt wurde. Ohne Hinzutreten besonderer Umstände
gälte dies auch für die sogenannte Handschuhehe, zumal der Gesetzgeber
für die Eheschließung - anders als für dingliche Rechtsgeschäfte (Art. 11
Abs. 4 EGBGB) - keine Ausnahme normiert habe. Ein Fall der Vertretung im Willen,
bei der dem Vertreter die Entscheidung über die Eheschließung oder über
die Auswahl des Ehepartners überlassen worden sei, liege nicht vor, sondern nur
eine Vertretung in der Abgabe der Erklärung. Daran ändere auch nichts, dass die
von den Beteiligten zu 1 und 2 bevollmächtigten Vertreter mangels vorliegender
Kontaktdaten nicht mehr hätten erreicht werden können, um im Falle einer Meinungsänderung
die Vollmacht später noch zu widerrufen, da keiner der Beteiligten
zu 1 und 2 geltend mache, nach der Vollmachterteilung Abstand von der Eheschließung
hätte nehmen zu wollen. Anhaltspunkte dafür, dass die materiellen
Voraussetzungen der Eheschließung nach dem jeweiligen Heimatrecht der Beteiligten
zu 1 und 2 nicht vorgelegen hätten, bestünden nicht. Das Standesamt
habe daher deren Erklärung betreffend die Bestimmung ihres Ehenamens zu beurkunden.
2. Dies hält einer rechtlichen Nachprüfung stand.
Gemäß
nach der Eheschließung einen Ehenamen bestimmen, von den Standes-
beamten beglaubigt oder beurkundet werden. Zu Recht hat das Oberlandesgericht
die hierfür maßgebliche Voraussetzung bejaht, dass die Beteiligten zu 1
und 2 im Mexikanischen Bundesstaat Baja California Sur eine Ehe nach dortigem
Ortsrecht formgültig geschlossen haben und diese im Inland anzuerkennen ist.
a) Zutreffend ist das Oberlandesgericht davon ausgegangen, dass Bedenken
gegen die materiellen Eheschließungsvoraussetzungen, welche gemäß
vorliegen müssen, nicht bestehen. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus dem
Umstand der Stellvertretung bei der Eheschließung, denn dies betrifft hier nur die
nach Art. 11 EGBGB anzuknüpfende Formgültigkeit des Rechtsgeschäfts.
Allerdings ist eine Eheschließung durch einen Vertreter nur dann als reine
Formfrage und nicht auch als Frage der Eheschließungsvoraussetzung zu qualifizieren,
wenn es sich um eine Stellvertretung lediglich in der Erklärung handelt,
bei der der Vollmachtgeber die Eheschließung sowie den konkreten Ehepartner
nach eigenem Willen bestimmt hat. Demgegenüber würde eine Stellvertretung
im Willen, die dem Vertreter eine eigene Entscheidungsbefugnis bezüglich der
Eheschließung oder der Wahl des Ehepartners einräumt, auch die materiellen
Voraussetzungen der Eheschließung berühren. Denn das materielle Gebot des
deutschen Rechts, den Willen zur Eingehung der Ehe höchstpersönlich zu erklären
(§ 1311 BGB), hat insoweit zweiseitigen Charakter (BeckOGK/Rentsch
EGBGB [Stand: 1. Juni 2020] Art. 13 Rn. 70 ff.; vgl. auch bereits
=
sondern ein Element des materiellen Ehewillens. Sie unterfiele deshalb der Anknüpfung
nach
Heimatrecht unzulässig (
327; Staudinger/Mankowski, Art. 13 EGBGB Rn. 219; MünchKommBGB/Coester
8. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 46; Henrich Internationales Familienrecht 2. Aufl. § 1
III 4). Nach den getroffenen Feststellungen liegt eine Stellvertretung im Willen
hier jedoch nicht vor, da die Vollmachten jeweils nur eine Eheschließung zwischen
den Beteiligten zu 1 und 2 als vorher festgelegte Personen ermöglichten.
b) Nachdem ebenso keine Zweifel daran bestehen, dass die in Mexiko
aufgetretenen Vertreter übereinstimmende, auf Eingehung der Ehe gerichtete Erklärungen
im Namen der Beteiligten zu 1 und 2 abgegeben haben, kommt es für
die Wirksamkeit der so geschlossenen Ehe nur noch darauf an, ob die gesetzlichen
Formerfordernisse eingehalten sind und, soweit diese sich nach ausländischem
Recht richten, deren Anerkennung nicht der deutsche ordre public entgegensteht.
c) Gemäß Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist ein Rechtsgeschäft formgültig, wenn
es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand bildende
Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt, in dem es
vorgenommen wird. Wird der Vertrag durch einen Vertreter geschlossen, so ist
gemäß Art. 11 Abs. 3 EGBGB bei Anwendung des Absatzes 1 der Staat maßgebend,
in dem sich der Vertreter befindet. Im Falle einer Eheschließung ist dies,
sofern die Ehe durch Stellvertreter geschlossen wird, der Ort der Trauungshandlung
(
Auf Grundlage einer Anknüpfung an den Ort der Trauungshandlung ist das
Oberlandesgericht zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Formgültigkeit
der in Los Cabos erfolgten Eheschließung nach dem Recht des Mexikanischen
Bundesstaats Baja California Sur richtet.
Nach den im Freibeweis (vgl. Senatsbeschluss vom 24. Mai 2017
- XII ZB 337/15 -
nicht substanziiert angegriffenen Feststellungen zum Inhalt des die
Verweisung annehmenden ausländischen Rechts ist durch Art. 47 des insoweit
maßgeblichen Código Civil Para El Estado Libre Y Soberano de Baja California
Sur (CCBSC) eine Eheschließung durch Sonderbevollmächtigte zugelassen.
Dies schließt nach den getroffenen Feststellungen auch eine doppelte Stellvertretung
nicht aus.
Soweit Zweifel an der Einhaltung sonstiger Formerfordernisse des Ortsrechts
vorgebracht worden sind, ist das Oberlandesgericht zutreffend davon ausgegangen,
dass sich auch die Folgen solcher etwaigen Formverstöße (Formverletzungsstatut)
gemäß Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB nach dem jeweiligen Ortsrecht
beurteilen (vgl. bereits
209, 211; MünchKommBGB/Coester 8. Aufl. Art. 13 EGBGB Rn. 157). Insoweit
hat es festgestellt, dass nach dem Recht des Mexikanischen Bundesstaats Baja
California Sur eine der deutschen Rechtordnung vergleichbare Rechtslage besteht,
die im Falle sonstiger Formverstöße keine Nichtehe von Gesetzes wegen
vorsieht, sondern allenfalls eine Aufhebbarkeit der Ehe oder Nichtigerklärung per
Gerichtverfahren. Die Ehe ist somit als nach ausländischem Recht formwirksam
geschlossen anzusehen, solange sie nicht durch ein Gericht aufgehoben oder für
nichtig erklärt wird.
d) Ebenfalls zutreffend hat das Oberlandesgericht erkannt, dass auch Gesichtspunkte
des kollisionsrechtlichen ordre public (
der von den Beteiligten zu 1 und 2 geschlossenen Ehe im Inland nicht entgegenstehen.
aa) Insoweit ist nicht zu prüfen, ob eine Eheschließung im Wege der doppelten
Stellvertretung gemessen an Art. 6 Abs. 1 GG allgemeinen Bedenken unterläge.
Vielmehr kommt es nur darauf an, ob die Anwendung fremden Rechts im
Einzelfall mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, wozu insbesondere
die Grundrechte gehören, unvereinbar ist (Senatsbeschluss vom 21. April
1993 - XII ZB 96/92 -
zumal der Gesetzgeber die Wirksamkeit von nach fremdem Ortsrecht geschlossenen
Ehen sowohl bei den Beratungen zur Ursprungsfassung der Art. 11 und 13
EGBGB als auch bei den Beratungen zur IPR-Reform 1986 bewusst in seinen
Willen aufgenommen hat.
(1) Zum Formstatut war von der Ersten Kommission im Anschluss an die
veröffentlichten Motive zum Internationalen Privatrecht folgende Entwurfsfassung
vorgelegt worden (IPR § 9): „Die Form eines Rechtsgeschäftes bestimmt
sich nach den Gesetzen, welche für das den Gegenstand des Rechtsgeschäftes
bildende Rechtsverhältnis maßgebend sind. Es genügt jedoch, wenn die Form
den Gesetzen des Ortes entspricht, an welchem das Rechtsgeschäft vorgenommen
worden ist.“ (Protokolle I S. 11492 ff., zitiert nach Jakobs/Schubert Die Beratungen
des Bürgerlichen Gesetzbuchs Bd. I S. 217).
Abweichend vom allgemeinen Formstatut sah der Entwurf für die Form der
Eheschließung eine Sonderanknüpfung ausschließlich an das Ortsrecht vor (IPR
§ 16 Abs. 2): „Die Form der Eheschließung bestimmt sich ausschließlich nach
den Gesetzen des Ortes, an welchem die Ehe geschlossen wird“ (Protokolle I
S. 11517, zitiert nach Jakobs/Schubert Die Beratungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs
Bd. I S. 226).
(2) Die zweite Kommission beriet sich in Bezug auf das allgemeine Formstatut
dahin, dass gewisse Formvorschriften des inländischen Rechts als absolut
bindende behandelt werden müssten (Protokolle II S. 8221 f., zitiert nach
Mugdan Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bd. I S. 273).
Vorgeschlagen war, der Sekundäranknüpfung an das Ortsrecht (Satz 2 der Vorschrift)
einen einschränkenden Vorbehalt „sofern nicht das nach Satz 1 maßge-
bende Recht entgegensteht“ beizufügen. Die zweite Kommission trat diesem Änderungsvorschlag
bei. Es solle den Bedenken, welche sich aus einer unbegrenzten
Geltung des Satzes „locus regit actum“ entgegenstellten, durch den Hinweis
begegnet werden, dass der Richter immer festzustellen habe, ob nicht nach dem
Sinn und Zweck der Formvorschriften des inländischen Rechts die Zulassung der
fremden Norm ausgeschlossen sei (Protokolle II S. 8224 f., zitiert nach Mugdan
Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch Bd. I S. 274 f.).
Demgegenüber wurde in Bezug auf die Sonderanknüpfung für Eheschließung
keine Änderung vorgeschlagen, insbesondere nicht auch hier ein Vorbehalt
für die Einhaltung bestimmter Mindestanforderungen gefordert (Protokolle II
S. 8241 ff., zitiert nach Mugdan Die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch
Bd. I S. 280 ff.).
(3) Im Zuge der weiteren Gesetzesberatungen wurde der von der Zweiten
Kommission für das allgemeine Formstatut eingefügte Vorbehalt „sofern nicht
diese Gesetze entgegenstehen“ wieder gestrichen. Die ursprünglich vorgesehene
Sonderanknüpfung eines Formstatuts für Eheschließung wurde dahin abgeändert,
dass nur noch die Eheschließung im Inland geregelt und für sie die
Einhaltung der hier vorgeschriebenen Form zwingend vorgeschrieben wurde
(vgl.
In der so beschlossenen Endfassung wurden die Regelungen von Anbeginn
dahin verstanden, dass sich die Form der im Ausland zu schließenden Ehe
nach Art. 11 Abs. 1 EGBGB bestimme, und deshalb Deutsche eine Ehe im Ausland
auch in der nach den dortigen Gesetzen vorgeschriebenen Form schließen
könnten (vgl. Planck BGB 1. und 2. Aufl. [1900] Art. 13 EGBGB Anm. 5 c;
Staudinger/Wagner BGB 1. Aufl. [1900] Art. 13 EGBGB Anm. 7).
(4) Mit der IPR-Reform 1986 wurde Art. 11 EGBGB um weitere Absätze
ergänzt und der Absatz 1 wie folgt neu gefasst: „Ein Rechtsgeschäft ist formgültig,
wenn es die Formerfordernisse des Rechts, das auf das seinen Gegenstand
bildende Rechtsverhältnis anzuwenden ist, oder des Rechts des Staates erfüllt,
in dem es vorgenommen wird.“
Die geänderte Vorschrift des Art. 11 EGBGB 1986 stützt sich im Wesentlichen
auf eine Inkorporation von Art. 9 des Übereinkommens von Rom über das
auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht vom 19. Juni 1980
- Europäisches Schuldvertragsübereinkommen, EVÜ 1986, BGBl. II S. 809 - (vgl.
Staudinger/Winkler von Mohrenfels [Neubearbeitung 2019] Art. 11 EGBGB
Rn. 15 f., 19). Hierzu war im Gesetzgebungsverfahren kritisiert worden, dass der
Regierungsentwurf die Regelung des Art. 9 EVÜ nicht nur innerhalb des Anwendungsbereichs
des Übereinkommens inkorporiere, sondern zugleich verallgemeinere
und auf Rechtsgeschäfte erstrecke, die nach Art. 1 Abs. 2 EVÜ vom Anwendungsbereich
des Übereinkommens ausgenommen und auf die sie nicht zugeschnitten
seien. Insbesondere eine Erstreckung der schuldrechtlich motivierten
Regelungen auf das Familienrecht (Eheschließung, Güterverträge) sei zweifelhaft
(vgl. Stellungnahme des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales
Privatrecht zum Regierungsentwurf von 1983, RabelsZ 47 [1983],
595, 618). Die so geäußerte Kritik hat der Gesetzgeber indessen nicht zum Anlass
für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs des geänderten Art. 11
EGBGB, insbesondere nicht für eine familienrechtliche Bereichsausnahme, genommen
oder die Anwendung auf das Familienrecht von weiteren Voraussetzungen
abhängig gemacht.
Im Hinblick auf die Form der Eheschließung ging der Gesetzgeber in Übereinstimmung
auch mit der inzwischen ergangenen Rechtsprechung (vgl. RGZ 88,
191;
einem anderen Staat geschlossene Ehe für den deutschen Rechtsbereich formgültig
ist, wenn die Form entweder dem Personalstatut jedes Verlobten oder den
Formvorschriften des Ortes der Eheschließung entspricht, Deutsche somit im
Ausland in der jeweils zugelassenen Ortsform heiraten können (BT-Drucks.
10/504 S. 53).
(5) Inzwischen ist das allgemeine Schuldvertragsrecht durch die Verordnung
(EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom
17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht
(Abl. EU L 177 S. 6, Abl. EU ber. L 309 S. 87; Rom I-VO) geregelt und dadurch
weithin aus dem Anwendungsbereich des Art. 11 EGBGB herausgefallen, so
dass die Eheschließung im Ausland nunmehr einen Hauptanwendungsbereich
der autonomen Kollisionsregel des Art. 11 EGBGB darstellt. Auch diesen Umstand
hat der Gesetzgeber indessen nicht zum Anlass für eine Gesetzesanpassung
genommen.
(6) Im Zuge der Beratungen des Gesetzes zur Bekämpfung der Zwangsheirat
und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung
weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber selbst
in jüngerer Zeit noch gesondert in den Blick genommen, dass ein Verstoß der
sogenannten Handschuhehe gegen den ordre public in der Rechtsprechung
deutscher Gerichte verneint werde (BT-Drucks. 17/4401 S. 18). Der Bundesrat
hatte hieraus seine Bitte abgeleitet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu berücksichtigen,
dass eine Anerkennung von Handschuhehen durch Änderung des
Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch ausgeschlossen werde
(BT-Drucks. 17/4401 S. 17). Zu der angeregten Gesetzesänderung kam es indessen
nicht; vielmehr hat es der Gesetzgeber insoweit bei der bisherigen Regelung
belassen, auch für Verlobte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland.
bb) Soweit die Rechtsbeschwerde einen ordre-public-Verstoß darin sieht,
dass Art. 6 Abs. 1 GG für die wirksame Begründung der Ehe zwingend die Abhaltung
einer förmlichen Zeremonie voraussetze, findet dies keine rechtliche
Stütze und überhöht die Bedeutung der Zeremonie. Zwar wird der Eintritt der Ehe
in vielen - aber nicht allen - Gesellschaften durch Riten, besondere Feierlichkeiten,
Zuziehung von Zeugen und Urkundspersonen im Bewusstsein der Gemeinschaft
festgehalten. Der äußere Rahmen, in dem der Konsens der Verlobten
nach Gesetz und Sitte erklärt wird, ändert aber nichts daran, dass der übereinstimmend
erklärte Wille das wesentliche Element der Eheschließung geblieben
ist (
Ehebegriff engt dieses keinesfalls ein. Umso weniger verstößt die kollisionsrechtliche
Anerkennung von nach ausländischem Ortsrecht ohne förmliche Zeremonie
geschlossenen Ehen gegen wesentliche Grundsätze des deutschen Rechts, zumal
dadurch - mit verfassungsrechtlich legitimer Zielsetzung - sowohl ausländische
Rechtstraditionen geachtet als auch hinkende Ehen und Familienverhältnisse
vermieden werden (zu Letzterem ebenfalls bereits BT-Drucks. 10/504
S. 53).
cc) Schließlich genügte für einen Verstoß gegen den kollisionsrechtlichen
ordre public gemäß
Rechtsordnung mit den Grundsätzen des deutschen Rechts. Vielmehr
käme es zusätzlich entscheidend darauf an, ob das konkrete Ergebnis der
Anwendung des ausländischen Rechts aus der Sicht des deutschen Rechts zu
missbilligen ist (Senatsbeschluss
Das hiernach zu würdigende Ergebnis der Anwendung des ausländischen
Rechts liegt vorliegend in der wirksamen Eingehung einer Ehe, die die Beteiligten
zu 1 und 2 übereinstimmend gewollt haben und deren materiell-rechtliche Ehe-
schließungsvoraussetzungen auch nach inländischem Rechtsverständnis vorlagen.
Grundlegend missbilligenswert ist dieses Ergebnis nicht, auch nicht im Hinblick
auf das Zustandekommen durch Stellvertretung und die fehlende Verbindung
der Beteiligten zum Ort der Eheschließung (vgl. bereits
=
2011, 725;
EGBGB Rn. 23, 148; BeckOGK/Rentsch EGBGB Art. 13 Rn. 264; jurisPK-BGB/
Mäsch [Stand: 5. Oktober 2020] Art. 13 EGBGB Rn. 18).
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:29.09.2021
Aktenzeichen:XII ZB 309/21
Rechtsgebiete:
Ehevertrag und Eherecht allgemein
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
NJW-RR 2022, 293-296
Normen in Titel:EGBGB Art. 6, 11