Anforderungen an eine Andeutung im Testament; Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten
letzte Aktualisierung: 23.01.2020
OLG München, Beschl. v. 12.11.2019 – 31 Wx 183/19
BGB §§ 133, 2084
Anforderungen an eine Andeutung im Testament; Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten
1. Bedenken die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament die gemeinsamen Kinder als
Schlusserben und fehlt eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall, bildet
die Verwendung der Begriffe „nach unserem Tod“ und „wir“ keine hinreichende Andeutung für
einen entsprechenden Willen der Ehegatten für eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten
(Anschluss an
2. Das Nachlassgericht kann einen entsprechenden Willen der Ehegatten bei der Errichtung der
Verfügung unterstellen, ohne diesen zuvor im Wege der Beweisaufnahme zu ermitteln, wenn es für
den unterstellten Willen im Testament keine hinreichende Andeutung zu erkennen vermag
(Anschluss an BGH
Gründe
I.
Die verheiratete Erblasserin ist am 22.8.2018 verstorben. Sie hinterlässt ihren Ehemann (Beteiligter zu 1)
und die beiden gemeinsamen Kinder (Beteiligte zu 2 und 3).
Die Ehegatten errichteten am 10.08.2002 ein von ihnen eigenhändig ge- und unterschriebenes Testament, in
dem es auszugsweise heißt:
„Wir (Ehemann) geb. am (…) und (Ehefrau) geb. am (…) wollen dass nach unserem Tod das Haus unser
Sohn (Beteiligter zu 2) … bekommt.
Er muss aber unserer Tochter 35% ausbezahlen. Wenn noch Geld vorhanden ist, bekommt jedes die Hälfte.
(Beteiligter zu 2) bekommt die Münzen und Vaters Sachen.
(Beteiligte zu 3) bekommt Schmuck, Puppen, Handarbeiten, Kaffee- und Speiseservice, Silber-Besteck.
(Unterschriften)"
Auf der Grundlage dieses Testaments beantragte der Ehemann beim Nachlassgericht einen Alleinerbschein.
Das Nachlassgericht lehnt die Erteilung eines entsprechenden Erbscheins ab. Es ist der Ansicht, dass das
fragliche Testament keine Regelung für den ersten Erbfall enthalte.
Dagegen richtet sich die Beschwerde.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
Zutreffend ist das Nachlassgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beschwerdeführer die Erblasserin
nicht aufgrund Testaments vom 10.8.2002 allein beerbt hat.
Die dagegen vom Beschwerdeführer vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
1. Das Testament vom 10.8.2002 enthält - was auch vom Beschwerdeführer nicht angezweifelt wird - keine
ausdrückliche Erbeinsetzung des Beschwerdeführers für den ersten Erbfall.
2. Soweit der Beschwerdeführer meint, eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten
Erbfall ergebe sich durch Auslegung der Verfügung, trifft dies nicht zu.
a) Bei einer Testamentsauslegung gemäß
ohne am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften (BGH
MüKo/BGB, 7. Auflage <2017> § 2084 Rn. 1; Czubayko in: Burandt/Rojahn Erbrecht, 3. Auflage <2019> §
2084 Rn. 9; Krätzschel in: Firsching/Graf Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 9 Rn. 11; Fleindl in: NKErbrecht
5. Auflage <2018> § 2084 Rn. 3).
Eine Erbeinsetzung, die in dem Testament nicht enthalten und nicht einmal angedeutet ist, kann den
aufgeführten Formzwecken nicht gerecht werden. Sie ermangelt der gesetzlich vorgeschriebenen Form und
ist daher gemäß
Auch wenn Ehegatten sich üblicherweise gegenseitig selbst bedenken, stellt diese Tatsache keinen
ausreichenden Anhalt für eine gegenseitige Erbeinsetzung dar. Die gegenseitige Erbeinsetzung kann daher
nicht allein aufgrund der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testamentes angenommen werden (BGH
a.a.O. S. 1738; Horn in: Horn/Kroiß Testamentsauslegung, 2. Auflage <2019> § 24 Rn. 62; Krätzschel in:
Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 9 Rn. 17 „Fehlende Alleinerbeneinsetzung“).
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze teilt der Senat die Ansicht des Nachlassgerichts, wonach das
verfahrensgegenständliche Testament für den ersten Erbfall keine Erbeinsetzung des Beschwerdeführers
enthält.
aa) Dabei bedurfte es auch nicht zunächst einer Beweisaufnahme durch das Nachlassgericht zur Klärung
der Frage klärt, ob die Ehegatten den überlebenden als Alleinerben einsetzen wollten oder nicht. Das
Nachlassgericht durfte einen entsprechenden Willen unterstellen und zugleich im Wege der
Testamentsauslegung ermitteln, ob ein entsprechender Wille im Testament angedeutet ist oder nicht (BGH
bb) Auch nach Auffassung des Senats findet sich für eine Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten keine
hinreichende Andeutung in der Verfügung.
Soweit der Beschwerdeführer vorträgt, eine solche Auslegung ergebe sich aus dem Wortlaut, da die
Ehegatten von „unserem Tod“ gesprochen haben, trägt dieser Einwand nicht. Die Formulierung kann ebenso
gut zur Begründung dafür herangezogen werden, dass die Eheleute (gerade nur) den Tod des
Letztversterbenden regeln wollten, denn dann wäre die Formulierung „nach unserem Tod“ im Sinne von
„wenn wir beide tot sind…“ passend für die Formulierung eines entsprechenden Willen.
Gleiches gilt für den Umstand, dass die Ehegatten von „unserem Haus“ sprechen. Die Formulierung selbst
ist für sich genommen wenig aussagekräftig, da es durchaus naheliegend ist, dass die Eheleute zu
Lebzeiten das gemeinsam erwirtschafte Vermögen als Einheit betrachtet haben. Dass nach dem Tode des
Letztversterbenden das Pronomen „unser“ unzutreffend wäre, weil dann der überlebende Ehepartner
Alleineigentümer geworden wäre, reicht nach Ansicht des Senats jedenfalls nicht aus, um darin die
Erbeinsetzung des überlebenden Ehegatten für den ersten Erbfall zu sehen.
Soweit die Beschwerde schließlich vorträgt, der überlebende Ehegatte habe das gemeinsame Haus bis zum
Tode des Längerlebenden bewohnen sollen, findet sich dafür im Testament ebenfalls keine Stütze, so dass
nicht entschieden werden muss, ob dies ein ausreichender Anhaltspunkt für eine entsprechende Auslegung
wäre.
Dass die Abwicklung des ersten Erbfalls dadurch schwierig ist, rechtfertigt ebenfalls keine andere
Entscheidung. Es ist weder die Aufgabe der Nachlassgerichte, noch der diesen nachfolgenden
Beschwerdegerichte, im Wege der Auslegung unterbliebene Verfügungen zu kreieren, um eine praktisch
erscheinende Abwicklung von Erbfällen zu ermöglichen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf
Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf dem wirtschaftlichen
Interesse des Beschwerdeführers, einen Erbschein als Alleinerbe zu erhalten und dem zum Todestag
festgestellten Nachlasswert aufgrund des vorgelegten Nachlassverzeichnisses vom 4.1.2019 (§§ 61, 36, 40
GNotKG).
IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Erlass des Beschlusses (
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:12.11.2019
Aktenzeichen:31 Wx 183/19
Rechtsgebiete:
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
FGPrax 2019, 280-282
ZEV 2020, 47-48
BGB §§ 133, 2084