Risiken der Bebaubarkeit und Erschließung verbleiben grds. beim Käufer des Grundstücks
letzte Aktualisierung: 20.10.2021
LG Dessau-Roßlau, Urt. v. 19.3.2021 – 2 O 704/19
BGB §§ 280 Abs. 1, 281, 313
Risiken der Bebaubarkeit und Erschließung verbleiben grds. beim Käufer des
Grundstücks
1. Ist weder die Frage der Bebaubarkeit noch die Frage der voraussichtlichen Erschließung eines
Grundstückes zum Vertragsinhalt geworden, verbleiben die Risiken betreffend Bebaubarkeit und
Erschließung grundsätzlich (vgl. OLG Rostock, Urteil vom 23. Februar 1995 – 1 U 147/94, NJWRR
1995, 1105) beim Käufer, sofern sich nicht ausnahmsweise eine Risikoverlagerung auf den
Verkäufer durch gesonderte Vereinbarungen der Vertragsparteien ergibt.
2. Ist eine solche gesonderte Vereinbarung nicht festzustellen, können bei Unterbleiben einer
öffentlichen Widmung oder bei fehlender Bebaubarkeit weder Ansprüche wegen nachvertraglicher
Pflichtverletzung gemäß
Wegfalles der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB gegen den Verkäufer gerichtet werden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klägerin kann von der Beklagten keinen Schadensersatz wegen der fortdauernden
fehlenden Bebaubarkeit des von ihr mit Notarvertrag vom #.#.2011 erworbenen
Grundstücks verlangen.
Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte wegen einer
nachvertraglichen Pflichtverletzung gemäß
nach nicht in Betracht, da die Beklagte nach der Vertragserfüllung keine sich aus dem
Notarvertrag ergebenden Haupt- oder Nebenpflichten verletzt hat.
Die Verletzung nachvertraglicher Pflichten im Sinne der § 280 Abs. 1 i. V. m. § 281 ff.
BGB liegt vor, wenn die nach der Vertragserfüllung im Rahmen des Zumutbaren
grundsätzlich weiterbestehende Pflicht, alles zu unterlassen, was den Vertragszweck
gefährden könnte und nichts zu unternehmen, was dem Gläubiger die durch den Vertrag
gewährten Vorteile entziehen könnte, durch den Schuldner verletzt wird
(Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Rdnr. 7 zu § 280 mwN). Bei einem
Grundstückskaufvertrag kann eine nachvertragliche Pflichtverletzung angenommen
werden, wenn der Verkäufer dem Käufer die Nichtbebauung des Grundstücks zusagt, die
Pflicht zur Nichtbebauung aber nicht auf den Rechtsnachfolger überträgt oder er
andererseits die Bebaubarkeit zusagt, schließlich aber durch eigene nachfolgende
Aktivitäten eine Bebauung bzw. Genehmigungsfähigkeit des Vorhabens verhindert.
Ein Schadensersatzanspruch setzt allerdings voraus, dass die Parteien entsprechende
nachvertragliche Pflichten vereinbart haben oder diese zumindest übereinstimmend
vereinbaren wollten. Dies ist vorliegend nicht der Fall.
1. Es ist nicht erkennbar, dass die Beklagte sich vertraglich dazu verpflichtet hat, für die
gesicherte Erschließung des streitgegenständlichen Kaufgrundstücks zu sorgen.
a) Soweit die Klägerin behauptet, dass die Beklagte im notariell beurkundeten
Grundstückskaufvertrag vom #.#.2011 erklärt habe, die öffentliche Widmung der
angrenzenden Verkehrsflächen voranzutreiben und zu ermöglichen, kann dies dem
Vertragstext nicht entnommen werden. Insoweit enthält der Notarvertrag keine Regelung,
aus der hervorgeht, dass die Beklagte nach der Vertragserfüllung für die zum Zeitpunkt
des Kaufvertrags noch ausstehende straßenrechtliche Widmung und somit für die
Bebaubarkeit der von der Klägerin erworbene Fläche sorgen werde. Dem steht in
tatsächlicher Hinsicht bereits entgegen, dass die öffentliche Widmung von Flächen und
die Umsetzung des Bebauungsplans allein in den Verantwortungsbereich der zuständigen
Gemeinde M. fällt. Mithin war es der Beklagten nicht möglich die öffentliche Widmung
der angrenzenden Verkehrsflächen selbst vorzunehmen oder ohne Zutun der Gemeinde
M. unmittelbar für diese zu sorgen. Dies war offensichtlich auch der Klägerin bewusst.
Insoweit sind sich die Parteien ausweislich der Regelung in Abschnitt V., Ziff. 1. des
Notarvertrags darüber einig gewesen, dass die Erschließung der Trasse, die u. a. zur Verund
Entsorgung des streitgegenständlichen Grundstücks notwendig ist, in die
Verantwortung der Gemeinde M. fällt. Es ist nicht zu erkennen, inwieweit die Beklagte
auf die Umsetzung des Bebauungsplans und die Bebaubarkeit des Grundstücks rechtlich
habe Einfluss nehmen sollen.
Auch der Vortrag der Klägerin, dass die Beklagte bei den darauffolgenden Abverkäufen
ihrer weiteren Grundstücke zumindest dazu verpflichtet gewesen sei, den jeweiligen
Käufern eine Auflage zur Zustimmung im Hinblick auf die öffentliche Widmung zu
erteilen, lässt sich in Anbetracht des Inhalts des Notarvertrags vom #.#.2011 nicht
nachvollziehen. Die Beklagte hat sich innerhalb des Vertrags nicht dazu verpflichtet,
nach der Vertragserfüllung von weiteren Verkäufen der benachbarten Grundstücke
abzusehen.
Dem Vertragstext zufolge war sie auch nicht dazu angehalten, den Käufern der
angrenzenden Grundstücke Auflagen zu erteilen. Der Kaufvertrag beinhaltet keine
Regelungen zu etwaigen Verkäufen benachbarter Grundstücke. Demzufolge war die
Beklagte berechtigt, weitere Flächen auf der Halbinsel X ohne wertmindernde Auflagen
an andere private Erwerber zu verkaufen.
b) Darüber hinaus steht der Annahme einer nachvertraglichen Pflichtverletzung eindeutig
der Wortlaut des Notarvertrags entgegen. Die Parteien haben in Abschnitt V., Ziff. 2. des
Kaufvertrags ausdrücklich eine Übernahme der Garantie für die Bebaubarkeit des
Grundstücks ausgeschlossen. Insofern hat die Klägerin die von ihr erworbenen Flurstücke
in dem ihr aus der Besichtigung bekannten Zustand übernommen. Das heißt, dass die
Klägerin bei Vertragsschluss ein Grundstück in Kenntnis der fehlenden gesicherten
Erschließung bzw. fehlenden öffentliche Zuwegung erworben hat. Auch vor dem
Hintergrund dieser Regelung wird erkennbar, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin
gerade keine nachvertraglichen Pflichten übernommen hat. Sie hat weder die
straßenrechtliche Widmung durch die Gemeinde M. noch die Bebaubarkeit des
Grundstücks und die geplante Errichtung eines Hotels vertraglich zugesichert.
c) Es kann auch dahinstehen, ob der Bebauungsplan der Gemeinde M. in der Fassung der
3. Änderung tatsächlich Gegenstand des Vertrags geworden ist. Dagegen spricht zwar
bereits der Umstand, dass der Kaufvertrag lediglich unter Abschnitt II. Bezug auf einen
Lageplan als Anlage nimmt. Unter Berücksichtigung des vertraglichen Wortlauts und
Gesamtkontexts ist anzunehmen, dass die Beifügung des Lageplans einzig und allein zur
effektiven Beschreibung und konkreten Lagebestimmung des streitgegenständlichen
Grundstücks dienen sollte. Doch selbst wenn die Parteien, wie von der Klägerin
behauptet, bei Vertragsschluss übereinstimmend von der vertraglichen Einbeziehung des
Bebauungsplans aus dem Mai 2011 ausgegangen sein sollten, kann daraus nicht
hergeleitet werden, dass sich die Parteien darüber einig gewesen seien, dass die Beklagte
die Umsetzung dieses Bebauungsplans ihrerseits voranzutreiben habe. Dagegen spricht,
dass die Beklagte in keiner Textpassage des Notarvertrags eine Verantwortung im
Hinblick auf die Umsetzung des Bebauungsplans übernommen hat.
d) Zuletzt ergibt sich eine entsprechende nachvertragliche Verpflichtung der Beklagten
auch nicht daraus, dass der streitgegenständliche Grundstückskaufvertrag vom #.#.2011
in Abschnitt II., Ziff. 5. auf den zur Akte gereichten notariellen Kaufvertrag vom
#.#.2003, UR-Nr. #, zwischen der Beklagten und der LMBV Bezug nimmt. Denn mit der
unter Abschnitt II., Ziff. 5. des Notarvertrags geregelten Weitergabeverpflichtung hat
ausschließlich die Klägerin als Käuferin des Grundstücks Verpflichtungen gegenüber der
LMBV übernommen. Entsprechende Verpflichtungen der Beklagten ergeben sich aus
dieser Vereinbarung indes nicht. Darüber hinaus geht aus dem notariellen Kaufvertrag
vom #.#.2003 (Anlage B 1) ohnehin keine ausdrückliche Verpflichtung zur
Sicherstellung der öffentlichen Widmung hervor.
2. Im Ergebnis der Beweisaufnahme ist auch nicht erkennbar, dass die Parteien außerhalb
des Vertragstexts mündliche Absprachen zur Ermöglichung der straßenrechtlichen
Widmung der angrenzenden Verkehrsflächen getroffen haben. Insbesondere lässt sich
nicht feststellen, dass die Beklagte oder der Streithelfer der Beklagten als deren
ehemaliger Geschäftsführer der Klägerin zugesichert haben soll, dass die öffentliche
Widmung durch die Beklagte vorangetrieben oder gar gewährleistet wird. Vielmehr steht
nach der Durchführung der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die
Beklagte für die Erschließung des Kaufgrundstücks und die Umsetzung des
Bebauungsplans keinerlei Risiko übernommen hat.
Insoweit können den Verkäufer eines Grundstücks rechtlich auch über die beurkundeten
Haupt- und Nebenpflichten hinaus weitere nachvertragliche Pflichten treffen, wobei diese
sich unter anderem aus den zwischen den Parteien im Rahmen der Vertragsanbahnung
getroffenen Absprachen ergeben können. Im Streitfall sind solche nicht beurkundeten und
dem Wortlaut der notariellen Urkunde vom #.#.2011 entgegenstehenden Nebenpflichten
zwischen den Kaufvertragsparteien aber nicht mündlich vereinbart worden. Insofern ist es
der diesbezüglich darlegungs- und beweisbelasteten Klägerin im Rahmen der
Beweisaufnahme nicht gelungen, mündliche Zusicherungen der Beklagten nachzuweisen.
Sie hat auch nicht dargelegt, dass die Parteien konkrete Absprachen über eine
Risikoverteilung hinsichtlich der Erschließung des Baugrundstücks getroffen hätten.
Nach der Vernehmung der Zeugen R., D. und B. ist das Gericht davon überzeugt, dass
die Parteien keine konkreten Gespräche über eine Risikoverteilung für den etwaigen Fall
einer fehlenden Erschließung des von der Klägerin erworbenen Grundstücks geführt
haben. Die Zeugin D., welche den streitgegenständlichen Notarvertrag beurkundete,
konnte bestätigen, dass solche von der Klägerin behaupteten Gespräche zumindest
während der unmittelbaren Vertragsanbahnung und Beurkundung nicht stattgefunden
haben. Sie hat glaubhaft ausgeführt, dass der Notarvertrag eine Regelung zur
Risikoverteilung enthalten hätte, wenn diese zwischen den Parteien konkret thematisiert
worden wäre. Insoweit es an einer vertraglichen Regelung fehle, lässt sich daraus
schließen, dass detaillierte Gespräche über die Vertragsumsetzung und die Erschließung
des Grundstücks nicht geführt worden.
Die Ausführungen der Notarin D. stehen ohne Weiteres im Einklang mit den
Darstellungen des Streithelfers der Beklagten, der in seiner Position als ehemaliger
Geschäftsführer der Beklagten unmittelbar an den Vertragsverhandlungen und dem
Vertragsschluss beteiligt gewesen ist. Dieser hat glaubhaft und nachvollziehbar
geschildert, dass die Beklagte bei den jeweiligen Bauvorhaben nur eine begleitende
Aufgabe übernommen hat und zu keiner Zeit Verpflichtungen im Hinblick auf die
Erschließung von Bauvorhaben und Baugrundstücken übernommen hat oder übernehmen
konnte. Insoweit hat der Zeuge im Rahmen seiner Einvernahme nochmals darauf
hingewiesen, dass die Umsetzung von Bebauungsplänen und die Erschließung von
Grundstücken niemals in die Zuständigkeit der Beklagten fiel und sie sich insoweit klar
von Kommunen abgegrenzt hat. Vor diesem Hintergrund ist die Aussage des Zeugen B.,
niemals mündliche Zusicherungen gegenüber der Klägerin zur Erschließung des
Grundstücks gemacht zu haben, plausibel und überzeugend. Die von der Klägerin
angeführten Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Zeugen B. teilt die Kammer nicht. Denn
unabhängig davon, dass der Zeuge als Streithelfer der Beklagten ein Eigeninteresse am
Ausgang des Rechtsstreits haben dürfte, konnten Widersprüche oder Ungenauigkeiten
innerhalb seiner Zeugenaussage nicht festgestellt werden. Damit haben sowohl die
Zeugin D. als auch der Zeuge B. die Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe im
Rahmen der Vertragsgespräche die Haftung für die Umsetzung des Bebauungsplans und
die öffentliche Erschließung des Grundstücks übernommen, widerlegt. Dass die Parteien
bei Vertragsschluss übereinstimmend von einer Risikoübernahme der Beklagten
ausgegangen sind, ist nicht ersichtlich.
Zur Überzeugung der Kammer ergibt sich eine Risikoverteilung zu Lasten der Beklagten
auch nicht aus der Zeugenaussage des ehemaligen Geschäftsführers der Klägerin R..
Zwar hat dieser zunächst ausgeführt, dass die Parteien sich bei Anbahnung und
Beurkundung vom #.#.2011 darüber einig gewesen seien, dass die Beklagte die
Umsetzung des Bebauungsplans durch die Gemeinde M. sicherstelle und dafür sorgen
werde, dass diese die noch fehlende straßenrechtliche Widmung vornehmen könne.
Allerdings steht eine entsprechende Zusicherung nicht nur im Gegensatz zu den
Aussagen der Zeugen D. und B., sondern auch im Widerspruch zu den weiteren
Ausführungen des Zeugen R. selbst. Insoweit konnte dieser anschließend keine konkreten
Angaben dazu machen, wann und durch wen eine solche Zusicherung von Seiten der
Beklagten vor der Vertragsunterzeichnung erfolgt sein soll. Darüber hinaus ist aus der
Aussage des Zeugen R. hinreichend deutlich geworden, dass die Erschließung des
Grundstücks zwischen den Parteien nicht detailliert thematisiert wurde, da diese wohl
übereinstimmend von der zukünftigen Erschließung ausgegangen sind. Dahingehend hat
der Zeuge zwar bestätigt, dass die Klägerin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses
ihrerseits angenommen hat, dass die Beklagte für die öffentliche Widmung der Flächen
Sorge tragen würde. Es ist jedoch nicht ersichtlich, dass diese Vorstellung der Klägerin
auf vorherigen Zusicherungen der Beklagten beruhte. Stattdessen lässt sich der
Einvernahme des Zeugen R. entnehmen, dass die Klägerin hinsichtlich der Umsetzung
des Bebauungsplans keinerlei Probleme sah und dementsprechend nicht davon ausging,
dass die Erschließung des Grundstücks unter Umständen nicht funktionieren könne. Das
Gericht ist davon überzeugt, dass diese Annahme durch eine Fehlvorstellung der Klägerin
entstanden ist. Der Zeuge R. hat auf Nachfrage des Prozessbevollmächtigten des
Beklagten diesbezüglich auch bestätigt, dass sich die vermeintliche Zusicherung der
Beklagten seinem Verständnis zufolge nur auf die vertragliche Regelung des Abschnitts
V., Ziff. 1, bezog.
Im Übrigen kann dahinstehen, dass der Zeuge R. als früherer Geschäftsführer der
Klägerin bei Vertragsschluss im Jahr 2011, wie er bekundet hat, irrtümlich davon
ausgegangen ist, dass die Beklagte als ein Unternehmen öffentlicher Hand aufgetreten
sei. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, war der Klägerin ausweislich der
Einlassung des Zeugen R. doch bewusst, dass gerade nicht die für die öffentliche
Widmung verantwortliche Gemeinde M., sondern die Stadt B. und der Landkreis A.-B.
Gesellschafter der Beklagten waren.
Für die Kammer steht daher nicht zuletzt aufgrund der vorgenannten Ausführungen des
Zeugen R. fest, dass die Parteien bei den Vertragsverhandlungen und der
Vertragsbeurkundung keine vom Wortlaut des Notarvertrags abweichenden mündlichen
Vereinbarungen im Hinblick auf die Umsetzung des Bebauungsplans getroffen haben und
in dem Notarvertrag das von den Parteien tatsächlich Gewollte festgehalten wurde.
3. Da es sowohl an einer vertraglichen Vereinbarung als auch an einer mündlichen
Zusicherung der Beklagten fehlt, kann grundsätzlich offenbleiben, inwieweit es nach der
beidseitigen Vertragserfüllung in der Hand der Beklagten lag, der Gemeinde M. die
straßenrechtliche Widmung der angrenzenden Verkehrsflächen zu ermöglichen. Diesseits
ist jedoch anzumerken, dass die Kammer eine nachvertragliche Pflichtverletzung der
Beklagten im Ergebnis der Beweisaufnahme auch dann nicht zu erkennen vermag, wenn
sich die Parteien über eine entsprechende nachvertragliche Nebenpflicht der Beklagten
einig gewesen wären.
Insofern ist durch die Vernehmung der Zeugin S. hinreichend klar, dass die Beklagte im
Rahmen des ihr Zumutbaren ohnehin alles Erforderliche für die Umsetzung des
Bebauungsplans durch die Gemeinde M. getan hat. Die Zeugin S. hat glaubhaft
geschildert, dass die Beklagte die Grundstücksflächen auf der Halbinsel X zunächst den
Anrainer-Kommunen zur Ausübung des Vorkaufsrechts angeboten hat, wobei der
Zweckverband Y, dem auch die Gemeinde M. angehört, nur einzelne Grundstücksflächen
erwerben wollte. Der nachfolgende Verkauf der an das Grundstück der Klägerin
angrenzenden Flächen an private Investoren erfolgte durch die Beklagte erst nachdem der
Zweckverband keinen Gebrauch von der Ausübung seines Vorkaufsrechts bezüglich
dieser der öffentlichen Widmung dienenden Flächen gemacht hat. Daraus wird
erkennbar, dass die Beklagte der Gemeinde M. die straßenrechtliche Widmung zumindest
ermöglicht hat. Dass der Zweckverband zum damaligen Zeitpunkt keinen Gebrauch von
seinem Vorkaufsrecht gemacht und die Gemeinde die öffentliche Widmung der
angrenzenden Verkehrsflächen nicht unmittelbar vollzogen hat, kann nicht zu Lasten der
Beklagten gehen. Denn die Beklagte konnte die rechtliche Umsetzung des
Bebauungsplans in der Fassung der 3. Änderung, wie bereits ausgeführt, nicht ohne die
erforderliche Mitwirkung der Gemeinde M. vorantreiben.
Aus alledem folgt, dass ein Schadensersatzanspruch der Klägerin bereits dem Grunde
nach ausscheidet. Die Einwendungen zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs können
daher ebenso dahinstehen wie die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung.
II.
Darüber hinaus kann die Klägerin von der Beklagten auch keine Anpassung des
notariellen Grundstückskaufvertrags wegen dem Wegfall der Geschäftsgrundlage nach
§ 313 BGB verlangen. Insoweit gelangen für den vorliegenden Streitfall aus mehreren
Gründen weder § 313 Abs. 1 BGB noch
1. Nach § 313 Abs. 1 BGB kann eine Vertragsanpassung verlangt werden, wenn sich die
Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss
schwerwiegend verändert haben und die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem
Inhalt geschlossen hätten, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten.
Voraussetzung der Vertragsanpassung ist, dass einem Vertragspartner das Festhalten am
unveränderten Vertrag unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls,
insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, nicht mehr zugemutet
werden kann.
Hierbei sind Geschäftsgrundlagen die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen,
bei Vertragsabschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider
Vertragsparteien oder die dem Geschäftsgegner erkennbaren und von ihm nicht
beanstandeten Vorstellungen der anderen Vertragspartei vor dem Vorhandensein oder
dem künftigen Eintritt bestimmter Umstände, auf denen der Geschäftswille der Parteien
sich aufbaut (BGH, Urt. vom 27.09.1991,
ausdrücklich zum Vertragsinhalt gemacht haben, kann dies im Hinblick auf den Vorrang
der Vertragsauslegung nicht mehr unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage beurteilt werden.
Vor diesem Hintergrund kommt eine nachträgliche Anpassung des Vertrags im Sinne des
§ 313 Abs. 1 BGB schon wegen des Wortlauts der vertraglichen Vereinbarungen unter
Abschnitt V. Ziff. 1. und Ziff. 2 nicht in Betracht.
Insofern haben die Parteien die Übernahme einer Garantie für die Bebaubarkeit des
Grundstücks eindeutig ausgeschlossen. Zudem wurde im Vertrag ausdrücklich
festgehalten, dass die separate Erschließung der Trasse, die unter anderem zur
Versorgung und Entsorgung des Kaufgrundstücks notwendig ist, in Verantwortung der
Gemeinde M. zu erfolgen hat. Da sowohl die Frage der Bebaubarkeit des Grundstücks als
auch die voraussichtliche Erschließung des Grundstücks zum Vertragsinhalt geworden
ist, scheidet eine Anwendung des § 313 Abs. 1 BGB nach Auffassung der Kammer von
vornherein aus.
Im Übrigen wären die Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage gemäß
§ 313 Abs. 1 BGB aber auch bei einer Außerachtlassung des entgegenstehenden
Vertragsinhalts nicht erfüllt. Denn insoweit müssen die zur Grundlage des Vertrages
gewordenen Umstände sich nach Abschluss des Vertrags verändert haben, wobei für eine
Vertragsanpassung eine schwerwiegende und zugleich nicht vorhersehbare Veränderung
eingetreten sein muss. Hingegen kann § 313 Abs. 1 BGB grundsätzlich keine
Anwendung finden, wenn sich durch die geltend gemachte Störung ein Risiko
verwirklicht hat, welches eine Partei übernommen hat (vgl. BGH, Urt. vom 09.05.2012,
Recht aus § 313 (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Rdnr. 23 zu § 313 mwN). Da die
Klägerin mit dem Notarvertrag vom #.#.2011 ein Grundstück erworben hat, dessen
Erschließung und Bebaubarkeit zum Kaufzeitpunkt noch nicht gesichert war, stellt sich
bereits die Frage, inwieweit die fehlende Umsetzung des Bebauungsplans objektiv
vorhersehbar gewesen ist. Schließlich war der Klägerin ihrem eigenen Vortrag zufolge
bewusst, dass die zukünftige Bebaubarkeit der von ihr erworbenen Flächen maßgeblich
vom weiteren Tätigwerden der Gemeinde M. abhängen wird. Die Frage, ob zum
Kaufzeitpunkt absehbar gewesen ist, dass die Erschließung des Grundstücks Probleme
bereiten könnte, kann zwar offenbleiben, da eine Anpassung des Vertrags nach § 313
Abs. 1 BGB in Einzelfällen auch dann möglich ist, wenn beide Parteien übereinstimmend
davon ausgegangen sind, dass die objektiv vorhersehbare Entwicklung nicht eintreten
werde (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Rdnr. 23 zu § 313 mwN).
Insofern kann nach dem Vortrag der Parteien auch angenommen werden, dass diese bei
Vertragsschluss wohl übereinstimmend von der späteren Bebaubarkeit des Grundstücks
ausgegangen sein dürften. Gleichwohl lag das Risiko der ungewissen Erschließung des
Grundstücks dennoch allein bei der Klägerin, da beim Kauf von Bauerwartungsland
grundsätzlich der Käufer das Risiko der Bebaubarkeit trägt (BGH
Anders ist es nur, wenn sich aus dem Gesamtinhalt des Vertrags oder den Erörterungen
bei Vertragsschluss ergibt, dass insoweit ausnahmsweise der Verkäufer risikobelastet sein
soll (Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl. Rdnr. 37 zu § 313 mwN). Eine entsprechende
Risikoübernahme der Beklagten ergibt sich jedoch, wie bereits unter Ziff. I. ausgeführt,
weder aus dem Gesamtkontext des Vertrags noch aus den hierzu geführten Gesprächen
zwischen den Parteien im Vorfeld des Vertragsschlusses. Die Beweisaufnahme hat
ergeben, dass die Parteien gerade nicht übereinstimmend von einer Risikoverteilung zu
Lasten der Beklagten ausgegangen sind und dahingehende Absprachen und
Zusicherungen nicht erfolgt sind.
Zuletzt spricht gegen die Anwendbarkeit des § 313 Abs. 1 BGB auch der Umstand, dass
der Wegfall der Geschäftsgrundlage grundsätzlich schon nicht in Betracht kommt, wenn
der zugrundeliegende Vertrag – wie hier – bereits von beiden Vertragsparteien
vollständig erfüllt wurde (vgl. BGH, Urt. vom 15.11.2000,
2. Dem klägerischen Vortrag und Hinweis aus der mündlichen Verhandlung vom
19.08.2020 (Bl. 42 f. d. A.) entsprechend war im vorliegenden Einzelfall allenfalls eine
Vertragsanpassung nach
sind aber auch die Voraussetzungen des Fehlens der Geschäftsgrundlage zu verneinen.
Gemäß
wesentliche Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, sich als falsch
herausstellen. Hiervon werden Fälle umfasst, in denen die subjektive Geschäftsgrundlage
fehlt, die Parteien also einem gemeinschaftlichen Irrtum über einen für die
Willensbildung wesentlichen Umstand unterlagen. Dem steht es gleich, wenn die falsche
Vorstellung einer Partei, der die andere Partei nicht widersprochen hat, in dem den
Vertrag zugrundeliegenden gemeinsamen Geschäftswillen aufgenommen worden ist
(Palandt/Grüneberg, BGB, 80. Aufl., Rdnr. 38 zu § 313).
Grundlage für eine Vertragsanpassung kann demnach auch sein, dass die Parteien des
Kaufvertrags einem gemeinsamen Irrtum über die öffentlichen Voraussetzungen für die
Bebaubarkeit des verkauften Grundstücks oblegen haben (vgl. BGH
Diesbezüglich scheiden Rechte aus
Störung ausschließlich in die Risikosphäre einer Partei fällt (Palandt/Grüneberg, BGB,
80. Aufl., Rdnr. 19 ff., 38 zu § 313 BGB). Demzufolge muss die Störung das von der
insoweit benachteiligen Partei zu tragende Risiko erkennbar überschreiten.
Dies vorangestellt haben sich keine wesentlichen Vorstellungen, die zur gemeinsamen
Grundlage des Vertrags geworden sind, als falsch herausgestellt. Durch die Vernehmung
der von der Klägerin benannten Zeugen ist ersichtlich geworden, dass die Parteien gerade
nicht einvernehmlich davon ausgegangen sind, dass die Beklagte für die straßenrechtliche
Widmung durch die Gemeinde M. Sorge tragen werde. Insofern dies der Vorstellung der
Klägerin entsprochen hat, wurde diese Fehlvorstellung mangels entsprechender
Zusicherung auch nicht durch die Beklagte veranlasst. Die einseitige Fehlvorstellung der
Klägerin wurde jedenfalls nicht zum gemeinsamen Geschäftswillen aufgenommen.
Die Klägerin hat ein zum Kaufzeitpunkt nicht bebautes und rechtlich nicht an die
Öffentlichkeit angeschlossenes Grundstück erworben. Die objektiv vorliegende
Möglichkeit einer zukünftigen Nichtbebaubarkeit dieser Fläche ist allein in ihre
Risikosphäre gefallen. Die Beklagte hat in Bezug auf die Umsetzung des Bebauungsplans
und die Erschließung des Grundstücks kein Risiko übernommen. Für sie war auch nicht
erkennbar, dass die Klägerin irrtümlicherweise von einer entsprechenden
Risikoübernahme von Seiten der Beklagten ausgegangen ist. Für eine Vertragsanpassung
nach
Geschäftsgrundlage.
III.
Die Zinsforderung teilt das Schicksal der Hauptforderung. In Ermangelung eines
Schadensersatzanspruchs kann die Klägerin keine Zinsen von der Beklagten
beanspruchen.
IV.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention beruht auf
ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Grundlage in
V.
Die nicht nachgelassenen Schriftsätze des Streithelfers der Beklagten vom 09.03.2021,
der Klägerin vom 11.03.2021 sowie der Beklagten vom 12.03.2021 wurden von der
Kammer im Rahmen der Entscheidungsfindung berücksichtigt. In Ausübung des
pflichtgemäßen Ermessens gemäß
mündlichen Verhandlung mangels entsprechendem Anlass abgesehen.
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Dessau-Roßlau
Erscheinungsdatum:19.03.2021
Aktenzeichen:2 O 704/19
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 280 Abs. 1, 281, 313