OLG Frankfurt a. Main 21. Februar 2007
4 U 143/06
BGB § 839; BNotO § 19; BGB § 852

Einheitlicher Verjährungsbeginn für Notarhaftung bei mehreren möglichen Nichtigkeitsgründen bereits mit Kenntnis der ersten Amtspflichtverletzung

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 4u143_06
letzte Aktualisierung: 21.2.2007
OLG Frankfurt, 21.2.2007 - 4 U 143/06
BNotO § 19; BGB a. F. §§ 839, 852
Einheitlicher Verjährungsbeginn für Notarhaftung bei mehreren möglichen
Nichtigkeitsgründen bereits mit Kenntnis der ersten Amtspflichtverletzung


4 U 143/06
3 O 488/05
Landgericht Gießen
Verkündet am 14.03.2007
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit

hat das Oberlandesgerichts Frankfurt am Main - 4. Zivilsenat –
durch die Richter … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 21.02.2007
für R e c h t erkannt:
Die Berufung der Klägerin gegen das am 24.03.2006 verkündete Urteil des
Landgerichts Gießen – 3. Zivilkammer – wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn
nicht die Beklagte vor Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
I.
Die Klägerin begehrt von der Beklagten, Witwe und Rechtsnachfolgerin des während des Rechtsstreits verstorbenen Notars N1, Schadensersatz wegen notarieller
Amtspflichtverletzung.
Das Schadensersatzverlangen knüpft an einen vom ursprünglich beklagten Notar
entworfenen und am 30.08.1995 beurkundeten Erbbauvertrag zwischen der Klägerin als Erbbauberechtigter und dem seinerzeitigen Grundstückseigentümer A
an. Der Vertrag bezog sich auf das Gelände um die ... und umfasste eine Gesamtfläche von mehr als 100 ha (1.047.000 qm).
In dem Vertrag wurde der Klägerin unter anderem das Recht eingeräumt, die auf
den vom Erbbaurecht erfassten Grundstücken liegenden Gebäude umzubauen
und im Rahmen der Zwecksetzung der Klägerin weitere, nach Zahl und Ort nicht
näher konkretisierte Gebäude zu errichten.
Mit notarieller Urkunde des verstorbenen Notars vom 22.11.1996 wurde der Vertrag teilweise berichtigt und in § 13 und § 21 ergänzt.
Wegen der Einzelheiten der notariellen Urkunden vom 30.08.1995 und 22.11.1996
wird auf ihre Ablichtungen, Bd. I Bl. 7 ff; 39 ff GA verwiesen.
Im Dezember 1996 wurde das Erbbaurecht im Grundbuch eingetragen. Schon zu
jener Zeit zeigten sich Schwierigkeiten bei der Abwicklung des Vertragsverhältnisses. Die Klägerin erhielt keine Darlehen zur Finanzierung der geplanten Bauprojekte, weil es an der für eine grundbuchliche Absicherung notwendigen Stillhalteerklärung des Grundstückseigentümers fehlte und der beurkundete Vertrag keine
Verpflichtung des Eigentümers enthielt, eine solche abzugeben.
Bereits im März 1997 ließ die Klägerin daher durch ihren seinerzeitigen anwaltlichen Bevollmächtigten gegenüber dem Rechtsvorgänger der Beklagten Amtshaftungsansprüche ankündigen. Weil sie den Vertrag für unwirksam erachtete, behielt
die Klägerin den Erbbauzins im Jahr 1997 zunächst zurück. Ab 1998 stellte sie die
Zahlungen auf den Erbbauzins völlig ein.
den folgenden Jahren vergeblich um eine außergerichtliche Lösung. Mit Schreiben
ihres früheren anwaltlichen Bevollmächtigten vom 19.01.2001 (Anlage K 6, Bl. 87,
in 3 O 679/03 LG Gießen) machte die Klägerin ausdrücklich geltend, dass der
Erbbaurechtsvertrag nichtig sei, weil er sich nicht auf ein Bauwerk beziehe, das
wirtschaftlich die Hauptsache der vom Erbbaurecht erfassten Fläche darstelle.
Die Vertragsparteien einigten sich dann im Frühjahr 2002 auf die Einleitung eines
Mediationsverfahrens; dabei formulierte die Klägerin ausweislich des Schreibens
ihres anwaltlichen Bevollmächtigten an den Mediator vom 07.03.2002 (Bd. II Bl.
285 GA) als Zielsetzung des Verfahrens die Beseitigung der insbesondere durch
die Nichtigkeit und die fehlende Beleihbarkeit des Erbbaurechts begründeten
Probleme.
Zu einer endgültigen Einigung kam es indes auch im Mediationsverfahren nicht.
Vielmehr erhob der Grundstückseigentümer nach Abgabe der Heimfallerklärung
Rückauflassungsklage gegen die Klägerin (3 O 679/03 LG Gießen). Die Klägerin
berief sich zur Rechtsverteidigung u.a. auf die Nichtigkeit des Vertrages. Gleichzeitig betrieb sie die Löschung des Erbbaurechts; ihr Antrag hatte im Beschwerdeverfahren durch Beschluss des Landgerichts Gießen vom 15.06.2004 (7 T 160/04,
Bd. I Bl. 45 ff GA) Erfolg.
Eine erste Schadensersatzklage der Klägerin gegen den Rechtsvorgänger der
Beklagten wegen notarieller Amtspflichtverletzung gerichtet auf Ersatz der durch
die Beurkundung entstandenen Notarkosten, der Kosten des Mediationsverfahrens und der Kosten für die Amtslöschung des Erbbaurechts wurde vom Landgericht Gießen im Hinblick auf die Verjährungseinrede des Beklagten abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos (Urteil des Senats vom 17.05.2006 – 4 U
209/05).
Mit der vorliegenden, im Januar 2006 erhobenen Klage erstrebt die Klägerin die
Feststellung einer Schadensersatzverpflichtung wegen notarieller Amtspflichtverletzungen hinsichtlich der derzeit noch nicht bezifferbaren Schäden.
Das erstinstanzliche Gericht hat die Klage abgewiesen, da ein eventueller Schadensersatzanspruch jedenfalls verjährt sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die
GA) verwiesen.
Mit ihrer am 27.06.2006 eingelegten und am 05.07.2006 begründeten Berufung
greift die Klägerin das ihr am 05.04.2006 zugestellte erstinstanzliche Urteil mit der
Rechtsauffassung an, das Landgericht nehme zu Unrecht an, die Klägerin habe
bereits Anfang 1997 Kenntnis vom Schadenseintritt gehabt, weil sie zu diesem
Zeitpunkt bereits Leistungen an die andere Vertragspartei erbracht habe. Diese
Zahlungen auf den Erbbauzins seien nämlich noch in der Annahme der Wirksamkeit des Erbbauvertrages erfolgt; den Charakter eines Schadens hätten die Aufwendungen erst dadurch erlangt, dass sich das Erbbaurecht durch die Entscheidung des Landgerichts Gießen vom 15.06.2004 als nichtig erwiesen habe. Die
Unbestimmtheit des Erbbaurechts habe sich nicht aus der Urkunde ergeben, was
sich nicht zuletzt daran erweise, dass es vom Grundbuchamt eingetragen worden
sei. Erst mit Rechtskraft der Entscheidung des Landgerichts hinsichtlich der Nichtigkeit des Erbbaurechts sei der Klägerin im Rechtssinne bekannt gewesen, dass
sie einen Schaden erlitten habe und der Notar als Urheber dafür verantwortlich
sei. Eine frühere Schadenskenntnis lasse sich auch nicht mit der Argumentation
des Senats in seinem Urteil vom 17.05.2005 begründen. Zwar beginne der Lauf
der Verjährungsfrist grundsätzlich mit dem Eintritt des ersten Schadens. Dies gelte
jedoch nur dann, wenn mehrere Schäden durch ein und dieselbe Amtspflichtverletzung verursacht worden seien. Vorliegend sei jedoch von mehreren Amtspflichtverletzungen des Notars auszugehen, sodass jeweils gesondert zu prüfen
sei, welcher Schaden aufgrund welcher Amtspflichtverletzung jeweils eingetreten
sei. Die Korrespondenz der Jahre 1996 und 1997, auf die der Senat abgestellt
habe, habe noch keine Kenntnis von der Nichtigkeit des Erbbauvertrages begründen können. Unabhängig davon gelte der Grundsatz der Schadenseinheit auch
deshalb nicht, weil es sich hinsichtlich der Nichtigkeit des Erbbaurechts um einen
„Spätschaden“ gehandelt habe, den sämtliche Beteiligten nicht hätten erkennen
können. Schließlich sei die Beklagte an der Erhebung der Verjährungseinrede gehindert, weil ihr Rechtsvorgänger die Schadensersatzansprüche der Klägerin
durch seine laufende weitere kostenfreie Mitwirkung bei den Bemühungen um die
Korrektur der Fehler der Verträge stillschweigend anerkannt und die Klägerin im
Glauben gelassen habe, sie insoweit schadlos zu stellen.
darauf, dass es unabhängig von der Verjährung eines Anspruchs auch an der
Kausalität einer Amtspflichtverletzung für den Schaden fehle, weil die Klägerin
durch die Verweigerung jeglicher Zahlung auf den Erbbauzins die Heimfallerklärung des Grundstückseigentümers, der bis zu diesem Zeitpunkt immer zu einer
Korrektur des Vertrages bereit gewesen sei, und damit ihren Schaden selbst verursacht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten
Schriftsätze, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen. Der Senat hat die Akten des Verfahrens 3 O 679/03 LG Gießen informationshalber beigezogen.
II.
Die zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat
in der Sache keinen Erfolg.
Zutreffend hat das erstinstanzliche Gericht die Klage im Hinblick auf die von der
Beklagten erhobene Verjährungseinrede abgewiesen. Die Berufungsangriffe
rechtfertigen im Ergebnis keine andere rechtliche Bewertung.
1.
Allerdings hat der verstorbene Notar bei der Beurkundung des Erbbaurechts seine
der Klägerin gegenüber bestehenden Amtspflichten (§ 19 BNotO) verletzt.
Die aus § 17 Abs. 1 S. 1 BeurkG folgende Belehrungspflicht über die rechtliche
Tragweite des beabsichtigten Rechtsgeschäfts verlangt eine Aufklärung über die
formellen und materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen ebenso wie über die außerhalb der Beurkundung erforderlichen weiteren Voraussetzungen zur Erreichung der mit dem Rechtsgeschäft beabsichtigten Wirkungen, die unmittelbaren
Rechtsfolgen und etwaige Hindernisse beim Vollzug des beurkundeten Rechtsgeschäfts (BGH DNotZ 2005, 847; Ganter in Zugehör/Ganter/Hertel, Handbuch der
Notarhaftung, Rn. 985 m. w. N.). Insbesondere wenn – wie vorliegend – die Vorstellung der Beteiligten noch in keine bestimmte rechtliche Form gekleidet ist, hat
der Notar über die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten zu belehren und die
rechtlich zuverlässigen Lösung zu beraten (BGH NJW 1986, 576; NJW 1993,
2617, 2618).
Auf diesem Hintergrund begründet bereits die fehlende Beleihungsfähigkeit des
zugunsten der Klägerin beurkundeten Erbbaurechts eine Amtspflichtverletzung.
Denn die dem Notar bekannte Interessenlage der Klägerin verlangte eine Vertragsgestaltung, die eine Nutzung des Erbbaurechts entsprechend ihren Wünschen gewährleistete; insoweit war es für die Klägerin von elementarer Wichtigkeit, dass der Notar ein beleihungsfähiges Erbbaurecht beurkundete, weil davon
die Sicherstellung der Finanzierung der geplanten Bauvorhaben abhing.
Noch schwerer wiegt, dass das von dem Notar entworfene Erbbaurecht aufgrund
der inhaltlichen Unbestimmtheit des Rechts unwirksam war und nicht zur Eintragung hätte gelangen dürfen, weil es an einer hinreichenden Umschreibung der
baulichen Nutzung bezüglich Anzahl und Standort künftiger Gebäude fehlte. Der
beurkundende Notar hätte gerade auf dem Hintergrund der einschlägigen Entscheidung des für seinen Bezirk maßgeblichen Rechtsmittelgerichts (OLG Frankfurt, OLGZ 83, 165 f) ohne weiteres die Nichtigkeit erkennen müssen. Angesichts
des Umstandes, dass sich das Erbbaurecht auf eine Fläche von mehr als 100 ha
erstreckte und die Möglichkeiten für die Anzahl künftiger Gebäude völlig unbestimmt war, hätte es einer genaueren Definition von Anzahl und Standort der der
Klägerin eingeräumten Bebauung bedurft. Die aus § 17 Abs. 1 BeurkG folgende
Pflicht des Notars zu gestaltender Beratung der Vertragsparteien und zur Gestaltung des beurkundeten Inhalts verlangt aber gerade, dass der Notar eine rechtswirksame Urkunde errichtet. Denn es ist Aufgabe eines Notars, den Willen der
Beteiligten, der vielfach nur als wirtschaftliche Zielvorstellung artikuliert ist, in die
Systematik des Rechts umzuformen. Dies erfordert nicht nur eine sprachliche Umformung des von den Beteiligten mündlich geäußerten Ziels, sondern auch eine
Gestaltungspflicht, welche auf die wirksame Umformung des Willens in einer entsprechenden Urkunde abzielt (vgl. auch Ganther a.a.O., Rn. 1332). Kommt der
Notar seiner Pflicht zur beanstandungsfreien Gestaltung des Urkundeninhalts
nicht nach, verletzt er zugleich die ihm nach § 17 Abs. 1 BerukG obliegenden
Pflichten.
Der Rechtsvorgänger der Beklagten hat auch schuldhaft gehandelt.
Im Hinblick auf die notwendige Gewährleistung der rechtlichen Wirksamkeit einer
Urkunde stellt die Rechtsprechung hohe Anforderungen an die Sorgfaltspflicht des
Notars (vgl. BGH NJW 2001, 49). Die Argumentation der Beklagten, das Landgericht Gießen sei bei der Entscheidung über die Nichtigkeit des Erbbauvertrages
von der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewichen, ist ersichtlich unzutreffend. Die zitierten Entscheidungen des BGH (BGH Z 47, 190) und des OLG Frankfurt (OLG Z 1983, 165) verlangen übereinstimmend, dass bei der Bestellung eines
Erbbaurechts aus der dinglichen Einigung und dem Grundbucheintrag der wirtschaftliche Wert des Erbbaurechts wenigstens einigermaßen erkennbar ist. Dies
war hier angesichts der Grundstücksgröße von über 100 Hektar sowie der unbestimmten Anzahl von zu errichtenden Gebäuden für jeden sorgfältigen Notar erkennbar nicht der Fall.
3.
Es bedarf keiner Entscheidung, ob die Amtspflichtverletzung des Notars kausal für
den von der Klägerin geltend gemachten Schaden ist. Grundsätzlich ist es bei der
gebotenen Prüfung des hypothetischen Schadensverlaufs für die Annahme einer
haftungsausfüllenden Kausalität auf der Grundlage von § 287 Abs. 1 ZPO ausreichend, wenn nach den festgestellten Tatsachen für den einen oder anderen Verlauf eine deutlich überwiegende Wahrscheinlichkeit spricht.
Davon ausgehend kann zwar als sicher angenommen werden, dass sich die Klägerin angesichts ihres Interesses nicht mit einer Vertragsgestaltung zufrieden gegeben hätte, die den Zweck der gemeinsamen Beauftragung des Notars gerade
nicht erreichte. Andererseits erscheint es – anders als der Senat in seinem vorangegangen Urteil in dieser Sache noch angenommen hat – nicht ausgeschlossen,
dass der Kausalzusammenhang, durch die Geltendmachung der Unwirksamkeit
des Erbbaurechts durch die Klägerin unterbrochen wurde.
Eine solche Unterbrechung des Kausalverlaufs kommt in Betracht, weil die Klägerin die über Jahre hinweg realistisch bestehende Aussicht, den durch die notarielle
Amtspflichtverletzung entstandenen Schaden durch eine Vereinbarung mit dem
Grundstückseigentümer zu vermeiden bzw. wieder zu beseitigen, seit 1998 durch
die Verweigerung jeglicher Zahlung auf den Erbbauzins und die daran anknüpfende Heimfallerklärung selbst zerstört hat. Denn nach der vorgelegten Korrespondes Erbbaurechts die eigentliche Schadensursache gesetzt und deshalb sei der
Kausalzusammenhang zwischen Amtspflichtverletzung und Schaden durch ihr
eigenes Verhalten unterbrochen, anders beantwortet werden muss, als dies der
Senat in seinem vorangegangenen Urteil getan hat, kann jedoch im Ergebnis dahinstehen, weil ein Schadensersatzanspruch der Klägerin jedenfalls verjährt ist.
4.
Unter Berücksichtigung der vorliegend maßgeblichen Zeitpunkte richtet sich die
Verjährung nach § 19 Abs. 1 S. 3 BNotO, Art. 229 § 6 EGBGB i. V. m. § 852 Abs.
1 BGB a. F.. Sie beträgt drei Jahre und beginnt mit der Kenntnis des Geschädigten vom Eintritt eines Schadens zumindest dem Grunde nach sowie der Kenntnis
seiner eigenen Schadensbetroffenheit und der Person des Ersatzpflichtigen
(ständ. Rspr., BGH NJW 1993, 648, 650; NJW 1996, 117, 118; NJW 2005, 429,
433). Diese Kenntnis ist vorhanden, wenn dem Geschädigten zuzumuten ist, auf
Grund der ihm bekannten Tatsachen gegen eine bestimmte Person zumindest in
Gestalt einer Feststellungsklage Schadensersatz zu begehren und die Klage bei
verständiger Würdigung der vorgetragenen Tatsachen Erfolgsaussichten hat.
Diese Kenntnis hatte die Klägerin ausweislich des Schreibens ihres damaligen
anwaltlichen Bevollmächtigten vom 19.01.2001 jedenfalls spätestens seit Anfang
des Jahres 2001.
4.1
Im Grundsatz zu Recht hat die Klägerin gegen die im vorangegangenen Urteil des
Senats gegebene Begründung für den Verjährungseintritt eingewandt, hinsichtlich
des Laufs der Verjährungsfrist sei zwischen den im Betracht kommenden unterschiedlichen Amtspflichtverletzungen zu differenzieren.
Während die Klägerin jedenfalls die Problematik der fehlenden Beleihbarkeit und
der nicht gewünschten Einbeziehung des Schlossareals schon unmittelbar nach
Eintragung des Erbbaurechts kannte, setzte die in Entwurf und Beurkundung eines nichtigen Vertrages liegende Amtspflichtverletzung einen eigenen Fristenlauf
erlangte.
Objektiv war der Klägerin zwar bereits mit der Zahlung der Notarkosten und des
Erbbauzinses auf den wirtschaftlich verfehlten und rechtlich unwirksamen Vertrag
ein Schaden entstanden. Nicht tragfähig lässt sich allerdings allein unter Hinweis
auf diese Zahlungen eine Kenntnis der Klägerin hinsichtlich aller schadensauslösenden Amtspflichtverletzungen begründen. Eine die Verjährungsfrist in Lauf setzende Kenntnis fehlt nämlich, solange die geschädigte Partei von einer möglicherweise einen Schaden begründenden Amtspflichtverletzung nichts weiß und
von der Vorstellung geleitet wird, „es sei alles in Ordnung“ (Senat, Urteil vom
17.05.2006, 4 U 209/05, Seite 10). Eine Kenntnis kann nur dann angenommen
werden, wenn der Verletzte die Umstände kennt, die eine schuldhafte Amtspflichtverletzung als naheliegend und deshalb eine Amtshaftungsklage als aussichtsreich erscheinen lassen. Werden bei der Beurkundung eines Vertrages im Rahmen einer einheitlichen Amtshandlung mehrere Amtspflichten verletzt, so handelt
es sich zwar unter Umständen prozessual um denselben Lebenssachverhalt,
gleichwohl kommen in materiell-rechtlicher Hinsicht unterschiedliche Amtshaftungsansprüche in Betracht. Selbst wenn sich bzgl. jeder der in Betracht kommenden Amtspflichtverletzungen der Ersatzanspruch hinsichtlich Kausalverlauf und
Schaden als identisch darstellt, bedarf es verjährungsrechtlich nach Auffassung
des Senats der Differenzierung zwischen den unter Umständen verschiedenen
Zeitpunkten der Kenntniserlangung von den unterschiedlichen Amtspflichtverletzungen. Insoweit gilt daher nichts anderes als in den Fällen, in denen mehrere
selbständige Handlungen jeweils bestimmte Schäden zur Folge hatten (vgl. dazu
BGH NJW 1993, 650).
4.2
Auch hinsichtlich der hier geltend gemachten, durch Beurkundung eines nichtigen
Vertrages begründeten Amtspflichtverletzung ist der Klägerin jedoch entgegen
ihrer Behauptung die für das Inlaufsetzen der Verjährungsfrist notwendige Kenntnis nicht erstmals im Jahr 2003 sondern bereits – spätestens – im Jahr 2001 vermittelt worden.
a)
Es bedarf vorliegend keiner Differenzierung zwischen der Kenntnis der Klägerin
und ihres rechtsgeschäftlichen Vertreters. Während normalerweise die Kenntnis
da § 166 Abs. 1 BGB wegen des Zwecks der Verjährungsvorschrift nicht anwendbar ist, muss sich der Geschädigte die Kenntnis seines „Wissensvertreters“ jedenfalls dann zurechnen lassen, wenn er diesen mit der Tatsachenermittlung gerade
zur Durchsetzung oder Abwehr unter anderem desjenigen Ersatzanspruchs, um
dessen Verjährung es konkret geht, beauftragt hat (BGH NJW 1993, 652 m.w.N.).
Hier hatte die Klägerin seit 1996 bereits verschiedene Rechtsanwälte mit der
Überprüfung der durch den beurkundeten Erbbauvertrag entstandenen Probleme
mandatiert; einer von ihnen hatte für die Klägerin gegenüber dem Notar bereits
Schadensersatzansprüche geltend gemacht. Unabhängig davon ergibt sich aus
der Korrespondenz, dass die Klägerin selbst Kenntnis von der Unwirksamkeit hatte; denn sie hat ausdrücklich – wie sich aus dem anwaltlichen Schreiben ihres Bevollmächtigten vom 13.10.1999 (Anlagenband K 15) ergibt – wegen der von ihr
angenommenen Unwirksamkeit des Vertrages den Pachtzins zurückgehalten bzw.
ab 1998 nicht mehr geleistet.
b)
Die erforderliche Kenntnis von der Nichtigkeit des Vertrages hatte die Klägerin
ausweislich des Schreibens ihres früheren anwaltlichen Bevollmächtigten vom
19.01.2001 zumindest bereits seit diesem Zeitpunkt. Denn in diesem Schreiben
wurde seitens der Klägerin ausdrücklich geltend gemacht, dass der Erbbaurechtsvertrag nichtig sei. Besteht die Amtspflichtverletzung aber in der Beurkundung eines materiell unwirksamen Vertrages, verfügt der Geschädigte über die zum Inlaufsetzen der Verjährungsfrist notwendige Kenntnis, wenn er die normative Tatsache „Nichtigkeit des Vertrages“ kennt. Es kommt dagegen nicht darauf an, ob
der Geschädigte in Kenntnis aller Tatsachen die im Ergebnis zutreffend angenommene Nichtigkeit auch mit dem rechtlich richtigen Argument begründet.
Es mag sich so verhalten, dass der anwaltliche Bevollmächtigte der Klägerin ihr im
Jahr 2003 eine weitere Begründung für die Nichtigkeit des Erbbaurechts zugänglich gemacht hat; unabhängig davon ist die Klägerin indes bereits (mindestens)
seit 2001 aus anderem Grund von der Nichtigkeit des Erbbauvertrags ausgegangen. Die ursprüngliche rechtliche Bewertung, der Vertrag sei infolge einer unzulässigen Erbpachtgestaltung nichtig, mag dogmatisch nicht zutreffend gewesen
sein. Das ändert nichts an der Feststellung, dass die Klägerin sich hinsichtlich der
möglichen Nichtigkeit des Vertrages nicht mehr im Stande völliger Unkenntnis beauf der Grundlage bzw. im Zusammenhang mit dem Erbbauvertrag keineswegs
mehr von der Überzeugung geleitet, unabhängig von den Problemen der Beleihbarkeit und der nicht gewünschten Einbeziehung des Schlossareals sei jedenfalls
im übrigen – also hinsichtlich der rechtlichen Wirksamkeit des Vertrages als solcher – alles in Ordnung. Im Gegenteil: Sie hatte jetzt Kenntnis von sämtlichen
möglicherweise schadensbegründenden pflichtwidrigen Handlungen des Notars
bei Entwurf und Beurkundung des Erbbauvertrages. Sie wusste damit auch, dass
jedenfalls hinsichtlich der aufgewandten Notarkosten und der bereits geleisteten
Erbbauzinsen sowie der darüber hinaus getätigten Investitionen ein durch die Beurkundung des nichtigen Vertrages kausaler Schaden entstanden war. Damit
kannte sie zugleich die „Schadensverursachung in ihrer wesentlichen Gestaltung“.
Deshalb verbietet es sich, den Beginn der Verjährungsfrist auf einen späteren
Zeitpunkt zu verlagern unter Hinweis darauf, dass die von der Klägerin zunächst
angenommene Begründung für die rechtliche Unwirksamkeit des Vertrages unzutreffend gewesen ist und ihr die für die Annahme der Nichtigkeit des Vertrages
zutreffende Begründung erstmals im Jahre 2003 bekannt geworden ist. Eine solche Differenzierung bedeutete nämlich, dass der Fristbeginn für die Verjährung
von der zutreffenden rechtlichen Bewertung der schadensstiftenden Handlung abhinge. Nach allgemeiner Auffassung reicht aber zum Inlaufsetzen der Verjährungsfrist grundsätzlich schon die Kenntnis des Tatsachenkerns aus, auf dessen
Grundlage mit einigermaßen sicherer Aussicht auf Erfolg eine Schadensersatzfeststellungsklage erhoben werden kann, ohne dass es dabei auf die richtige
rechtliche Bewertung des Geschädigten ankommt. Die Anforderungen an die
Kenntnis im Sinne von § 852 BGB a.F. in der Weise zu verschärfen, dass es auf
die richtige dogmatische Herleitung für die angenommene Nichtigkeit ankomme,
hieße das in den Verjährungsvorschriften zum Ausdruck gekommene Abwägungsergebnis zwischen Gläubigerschutz, Schuldnerschutz und Rechtsfrieden
aus dem Gleichgewicht zu bringen. Denn der durch die Verjährung eintretende
Rechtsverlust ist auch deshalb gerechtfertigt, weil der Gläubiger ihn durch rechtzeitige Geltendmachung des Anspruchs hätte verhindern können.
Entscheidend ist daher, dass die Klägerin rechtlich beraten den notariellen Vertrag
für nichtig hielt. Sie wusste, dass sie für diesen nichtigen Vertrag Kosten aufgewandt hatte. Sie hatte damit Kenntnis vom möglichen Schaden und seinem UrsaLage, auf Grund der ihr bekannten Tatsachen von dem den nichtigen Vertrag beurkundenden Notar zumindest in Gestalt einer Feststellungsklage Schadensersatz
zu begehren; diese Klage hätte bei verständiger Würdigung der vorgetragenen
Tatsachen auch Erfolgsaussichten gehabt, weil die Unbestimmtheit des Erbaurechts ohne weiteres ersichtlich war.
Ebenso wenig ist es für das Inlaufsetzen der Verjährungsfrist von Bedeutung, ob
der Geschädigte aus den ihm bekannten Tatsachen zutreffende Schlüsse für den
in Betracht kommenden weiteren Kausalverlauf zieht (BGH NJW 1984, 661). Deshalb ist es für die Frage der notwendigen Kenntnis auch ohne Relevanz, ob die
Klägerin seinerzeit, wie sie nunmehr in der Berufungsinstanz geltend macht, darauf vertraut hat, dass in Verhandlungen mit dem Grundstückseigentümer und den
beteiligten Banken ein Weg gefunden werde, um die aufgrund der Pflichtverletzungen des Notars aufgetretenen Schwierigkeiten zu lösen und die Mängel des
Vertrages zu heilen.
4.3
Die Verjährung war auch nicht nach § 202 Abs. 1 BGB a. F. gehemmt.
Der Senat hat bereits in seinem ersten Urteil vom 17.05.2006 darauf hingewiesen,
dass Verhandlungen der Parteien, die nach § 852 Abs. 2 BGB a. F. zu einer Hemmung der Verjährung führen oder einen Einwand aus § 242 BGB begründen könnten, nicht dargelegt oder sonst ersichtlich sind.
An dieser Beurteilung ändert auch der neue Vortrag der Klägerin in der Berufungsbegründung nichts, dessen Zulässigkeit unter dem Aspekt der §§ 529, 531
ZPO daher dahingestellt bleiben kann.
Die Klägerin verweist insoweit zunächst nur auf die schon im Parallelverfahren in
ihrem Schriftsatz vom 22.08.2005 vorgetragene Chronologie der Bemühungen der
Beteiligten um eine Beseitigung der aufgetretenen Probleme. In dieser ist an keiner Stelle ersichtlich, dass der Notar in irgendeiner Weise gehandelt oder sich geäußert hätte; daher ist die bloße Behauptung („hierbei war der Notar eingebunden“) substanzlos und ohne rechtliche Bedeutung.
Durch die Berufungsbegründung im vorliegenden Verfahren ist vielmehr deutlich
geworden, dass über die berichtigende Beurkundung vom 22.11.1996, die an den
grundsätzlichen Problemen des Vertrages nichts geändert hatte, keine weitere
Nachbeurkundung stattgefunden hat. Schon deshalb ist die Nichterhebung von
Bedeutung. Die weitere „Einbeziehung“ des Notars beschränkte sich auf Sachverhalte, die in keiner Weise erkennen lassen, dass der Rechtsvorgänger der Beklagten sich zu Verhandlungen mit den Vertragsparteien wegen der Nichtigkeit des
Vertrages bereit gefunden hätte. Umstände, die die Annahme einer Hemmung der
Verjährung begründen könnten, sind danach nicht ersichtlich. Dies gilt schließlich
auch für den Vortrag der Klägerin, wenn sie ausführt, der Grundstückseigentümer
sei von der Annahme ausgegangen, dass der Notar die grundsätzlichen Fragen
des Vertrags in Ordnung zu bringen hatte. Bei Gesprächen zwischen Eigentümer
und Notar habe der Notar erklärt, dass er auf die Klageerhebung warte. Abgesehen davon, dass es nicht auf die Perspektive des Grundstückseigentümers, sondern diejenige der Klägerin ankommt, belegt gerade die mitgeteilte Haltung des
Notars, die in Übereinstimmung steht mit der Zurückweisung von jeglichen Schadensersatzansprüchen gegenüber der Klägerin mit Schreiben vom 23.12.1996,
das Fehlen jeglicher Umstände, die gegenüber der Verjährungseinrede den Einwand aus § 242 BGB begründen könnten.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10,
711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 543 Abs. 2 ZPO).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Frankfurt a. Main

Erscheinungsdatum:

21.02.2007

Aktenzeichen:

4 U 143/06

Rechtsgebiete:

Notarielles Berufsrecht

Normen in Titel:

BGB § 839; BNotO § 19; BGB § 852