Dispositivität des Kontrollrechts nach § 166 Abs. 1 HGB
DNotI
Deutsches Notarinstitut
letzte Aktualisierung: 29.3.2018
OLG München, Urt. v. 31.1.2018 – 7 U 2600/17
Dispositivität des Kontrollrechts nach
analog Anwendung.
Titel:
Vertraglicher Ausschluss des Einsichtsrechts nach
Normenketten:
HGB § 163, § 166 Abs. 1, § 317 Abs. 1 S. 2
GmbHG § 51a
Leitsatz:
(Rn. 12 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommanditist, Einsichtsrecht, vertraglicher Ausschluss, Wirtschaftsprüfer, GmbH-Gesellschafter, Analogie,
Einheitsgesellschaft
Tenor
1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 05.07.2017, Az. 8 HK O 14233/16, wird
zurückgewiesen.
2. Die Kläger haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I sind vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren
Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden
Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
A.
Die Parteien streiten um Einsichtsrechte von Kommanditisten.
Bei der Beklagten handelt es sich um eine GmbH und Co KG. Komplementärin der KG ist eine GmbH, deren einzige
Gesellschafterin wiederum die Beklagte ist. Die Kläger sind Kommanditisten der Beklagten, an der neben den Klägern
noch etwa weitere 150 Kommanditisten beteiligt sind. Nach § 13 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrages der Beklagten ist das
Recht der Kommanditisten nach
Papiere der Gesellschaft zu prüfen, ausgeschlossen, wenn ein Wirtschaftsprüfer die Richtigkeit des Jahresabschlusses,
insbesondere seine Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und dem Gesellschaftsvertrag,
uneingeschränkt bestätigt hat. Eine derartige uneingeschränkte Bestätigung ist für die streitgegenständlichen
Jahresabschlüsse 2009 - 2015 erfolgt.
Die Kläger haben beantragt,
I. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) je einzeln oder gemeinsam selbst oder einem von
diesen beauftragten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in den Geschäftsräumen der Beklagten in M.,
F.straße 4, Einsicht in die nachfolgend benannten für die Beklagte geführten Geschäftsunterlagen zu gewähren:
Abrechnungen der Mitglieder des Verwaltungsrates über Auslagen in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015,
Rechnungen, die ein Mitglied des Verwaltungsrates selbst oder die eine Gesellschaft, an der ein Mitglied des
Verwaltungsrates mit mehr als 10% am Kapital beteiligt ist, in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015 an die
Seniorenwohnheim A.GmbH & Co. Betriebs KG gestellt hat,
Rechnungen, die die Seniorenwohnheim A.GmbH & Co. Betriebs KG für Beratungsleistungen, insbesondere
Rechtsberatungsleistungen, die in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015 erbracht wurden, erhalten hat,
Zahlungsbelege für die Erstattung von Auslagenersatz gegenüber den Mitgliedern des Verwaltungsrates sowie für
die Zahlung auf Rechnungen im Sinne von Ziff. 2 und Ziff. 3,
Protokolle der Sitzungen des Verwaltungsrates in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) selbst je einzeln oder
gemeinsam oder einem von diesen beauftragten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in den
Geschäftsräumen der Beklagten Einsicht in die für die Beklagte geführten Geschäftsunterlagen zum Zwecke der Prüfung
auch der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2016 und später zu gewähren, solange der jeweilige Kläger
Kommanditist der Beklagten ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 05.07.2017, Az. 8 HK O 14233/16, die Klage hinsichtlich Ziffer I. als
unbegründet und in Bezug auf Ziffer II. mangels Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen. Auf den Tatbestand
und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils wird gemäß
Die Kläger verfolgen mit ihrer Berufung ihr erstinstanzliches Klageziel vollumfänglich weiter.
Sie beantragen,
I. Das Endurteil des Landgerichts München I vom 05.07.2017, Az. 8 HK O 14233/16, wird aufgehoben.
II. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) je einzeln oder gemeinsam selbst oder einem von
diesen beauftragten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in den Geschäftsräumen der Beklagten in M.,
F.straße 4, Einsicht in die nachfolgend benannten für die Beklagte geführten Geschäftsunterlagen zu gewähren:
Abrechnungen der Mitglieder des Verwaltungsrates über Auslagen in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015,
Rechnungen, die ein Mitglied des Verwaltungsrates selbst oder die eine Gesellschaft, an der ein Mitglied des
Verwaltungsrates mit mehr als 10% am Kapital beteiligt ist, in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015 an die
Seniorenwohnheim A.GmbH & Co. Betriebs KG gestellt hat,
Rechnungen, die die Seniorenwohnheim A.GmbH & Co. Betriebs KG für Beratungsleistungen, insbesondere
Rechtsberatungsleistungen, die in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015 erbracht wurden, erhalten hat,
Zahlungsbelege für die Erstattung von Auslagenersatz gegenüber den Mitgliedern des Verwaltungsrates sowie für
die Zahlung auf Rechnungen im Sinne von Ziff. 2 und Ziff. 3,
Protokolle der Sitzungen des Verwaltungsrates in den Geschäftsjahren 2009 bis 2015.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger zu 1) und dem Kläger zu 2) selbst je einzeln oder
gemeinsam oder einem von diesen beauftragten Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer in den
Geschäftsräumen der Beklagten Einsicht in die für die Beklagte geführten Geschäftsunterlagen zum Zwecke der Prüfung
auch der Jahresabschlüsse für die Geschäftsjahre 2016 und später zu gewähren, solange der jeweilige Kläger
Kommanditist der Beklagten ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Das Gericht hat am 31.01.2018 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 31.01.2018, die
zwischen den Prozessbevollmächtigten gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
B.
Die Berufung der Kläger ist zulässig, jedoch unbegründet.
I.
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass aufgrund der Regelung des § 13 Abs. 5 des
Gesellschaftsvertrages im streitgegenständlichen Fall ein Einsichtsrecht der Kläger in die Bücher der Beklagten nicht
besteht, da ein Wirtschaftsprüfer die Richtigkeit der Jahresabschlüsse 2009 - 2015 uneingeschränkt bestätigt hat. Das
Landgericht hat des Weiteren den Feststellungsantrag der Kläger zutreffend mangels Rechtsschutzbedürfnisses als
unzulässig abgewiesen.
1. Gegen die Wirksamkeit des § 13 Abs. 5 Gesellschaftsvertrag bestehen keine Bedenken. Nach zutreffender
überwiegender Meinung ist
Westphalen/Haas, HGB, 4. Auflage, Köln 2014, Rdnr. 39 zu
München 2016, Rdnr. 18 zu
in BGH, Urteil vom 11.07.1988, II ZR 346/87, Rdnr. 5, aA: Grunewald in Münchener Kommentar zum HGB, 3. Auflage,
München 2012, Rdnr. 48 zu
a. Dafür spricht zunächst schon der Wortlaut des
untereinander in Ermangelung abweichender Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages die besonderen Vorschriften der
§§ 164 bis 169 HGB gelten. Aus dem Vorbehalt „in Ermangelung abweichender Bestimmungen des
Gesellschaftsvertrages“ ist im Umkehrschluss zu folgern, dass von den Bestimmungen der §§ 164 bis 169 HGB
abweichende Regelungen zulässig sind.
b. Dagegen spricht auch nicht
der Gesellschaft normiert und gleichzeitig ein Abweichen hiervon im Gesellschaftsvertrag ausschließt. Der BGH hat in
seiner Entscheidung vom 11.07.1988 (Az. II ZR 346/87, Rdnr. 5) zwar die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dem vom
Gesetzgeber durch
Minderheitenschutzes“ handle, sodass die Norm des
können. Der BGH hat diese Frage seither auch nicht mehr wieder aufgegriffen. Gegen eine Übertragung des Gedankens
des
gesetzlichen Befugnisse der Gesellschafter im Rahmen des GmbHG andererseits schon dem Grunde nach dahingehend
unterschiedlich ausgestaltet sind, als die Mitwirkungsrechte von Kommanditisten wesentlich schwächer ausgebildet sind
als die gesetzlichen Befugnisse der Gesellschafter einer GmbH, sodass aus einem stärker ausgebildeten gesetzlichen
Informationsrecht eines GmbH-Gesellschafters nicht zwingend auf eine dem Kommanditisten nach
eingeräumte gleichartige Rechtsstellung geschlossen werden kann (BGH, Urteil vom 03.02.2015, Az. II ZR 105/13, Rdnr.
11).
Auch die Interessenlage der Kommanditisten erfordert im streitgegenständlichen Fall kein weitergehendes Einsichtsrecht
als durch den Gesellschaftsvertrag in § 13 Abs. 5 gewährt. Demnach verzichtet der Kommanditist nämlich nur für den Fall
auf seine Rechte aus
seine Übereinstimmung mit den gesetzlichen Bestimmungen und diesem Gesellschaftsvertrag, uneingeschränkt bestätigt
hat“. Aufgrund dieses Erfordernisses einer Prüfung, die aufgrund der Wortlautidentität des § 13 Abs. 5
Gesellschaftsvertrag mit
Interessen des Kommanditisten hinreichend berücksichtigt. Stellt der Wirtschaftsprüfer nämlich kein uneingeschränktes
Testat aus, bestehen also Zweifel an der Geschäftsführung, so stehen dem Kommanditisten die Einsichtsrechte aus § 166
Abs. 1 HGB uneingeschränkt zu.
c. Eine analoge Anwendung des
wenn das Gesetz eine Regelungslücke enthält und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit mit dem
Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre
bei einer Interessenabwägung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen, wie bei dem Erlass der
herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwägungsergebnis gekommen (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom
03.02.2015, Az. II ZR 105/13, Rdnr. 11). Die Unvollständigkeit des Gesetzes muss planwidrig sein, wobei der dem Gesetz
zugrundeliegende Regelungsplan aus ihm selbst im Wege der historischen und teleologischen Auslegung zu erschließen
und zu fragen ist, ob das Gesetz gemessen an seiner eigenen Regelungsabsicht planwidrig unvollständig ist. Die dem
Plan des Gesetzgebers widersprechende Lücke muss dabei nicht von Erlass des Gesetzes an bestehen, sondern kann
sich auch später durch eine Veränderung der Lebensverhältnisse ergeben haben (BGH, Urteil vom 14.12.2006, Az. IX ZR
92/05, Rdnr. 15).
Im streitgegenständlichen Fall kann die von Klägerseite behauptete auszufüllende Regelungslücke nur darin bestehen,
dass der Gesetzgeber es übersehen hat, eine dem
entsprechende Regelung hinsichtlich der Kontrollrechte des Kommanditisten nach
planwidrige Lücke spricht jedoch, dass der Gesetzgeber mehrere Jahre nach der Einführung des
GmbH-Novelle 1980
anpasste. Hätte der Gesetzgeber also eine Lücke des
bewusst sein müssen, schließen wollen, so hätte mit der ohnehin notwendig gewordenen redaktionellen Überarbeitung
des
GmbHG entsprechenden Regelung für Kommanditisten davon auszugehen ist, dass der Gesetzgeber die dem GmbHGesellschafter
eingeräumten Auskunfts- und Einsichtsrechte gerade nicht auf Kommanditisten ausdehnen wollte.
Schließlich fehlt es aber - wie oben unter b. dargelegt - nach der Rechtsprechung des BGH aufgrund der
unterschiedlichen Ausgestaltung der Informationsrechte von GmbH-Gesellschaftern einerseits und von Kommanditisten
andererseits auch an der für eine Analogie erforderlichen Vergleichbarkeit des vom Gesetzgeber geregelten Tatbestands
mit dem zu beurteilenden Sachverhalt (vgl. BGH, Urteil vom 03.02.2015, Az. II ZR 105/13, Rdnr. 11).
Eine Analogie zu
sogenannten „Einheitsgesellschaft“, bei der die KG die alleinige Gesellschafterin ihrer Komplementär-GmbH ist,
veranlasst. Auch hier gilt, dass sich nach der neueren Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 03.02.2015, Az. II ZR
105/13, Rdnr. 11) die Stellung des GmbH-Gesellschafters grundsätzlich von der des Kommanditisten unterscheidet, so
dass - wie oben dargelegt - mangels Vergleichbarkeit eine Analogie nicht in Betracht kommt. Den Schutz des § 51a
GmbHG genießt insoweit auch bei der Einheitsgesellschaft nur die KG als Gesellschafterin der GmbH, nicht aber die
Kommanditisten der KG, die eben gerade keine Gesellschafter der GmbH sind (ebenso OLG Celle, Beschluss vom
14.03.2017, Az. 9 W 18/17, Rdnr. 3).
Da damit
ob ein Einsichtsverlangen eines Kommanditisten innerhalb einer vertretbaren Zeitspanne nach Vorlage des
Jahresabschluss geltend gemacht werden muss und ob durch die Feststellung der Jahresabschlüsse durch den
Verwaltungsrat nach § 13 Abs. 2 S. 2 Gesellschaftsvertrag ein Kommanditist eines etwaigen Einsichtsrechts nach § 166
Abs. 1 HGB verlustig geht, nicht mehr entscheidungserheblich an.
2. Dem Feststellungsantrag fehlt es - wie das Landgericht ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - an dem gemäß § 256 Abs.
1 ZPO erforderlichen besonderen Feststellungsinteresse, da der Kläger vorrangig auf Leistung klagen muss und die
Voraussetzungen von
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf
Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe (
grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG München
Erscheinungsdatum:31.01.2018
Aktenzeichen:7 U 2600/17
Rechtsgebiete:Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Erschienen in:DNotZ 2018, 928-930
Normen in Titel:§ 166 Abs. 1 HGB