Betreutes Wohnen; Kontrahierungszwang in der Gemeinschaftsordnung
letzte Aktualisierung: 8.2.2019
BGH, Urt. v. 10.1.2019 – III ZR 37/18
Betreutes Wohnen; Kontrahierungszwang in der Gemeinschaftsordnung
Im Rahmen eines Konzepts zum betreuten Wohnen ist ein in einer Teilungserklärung enthaltener
Kontrahierungszwang unwirksam, durch den die Wohnungseigentümer zum Abschluss von
Betreuungsverträgen mit einer Bindung von mehr als zwei Jahren verpflichtet werden sollen, wenn
sie die Wohnung selbst nutzen, und der den einzelnen Wohnungseigentümern beziehungsweise der
Wohnungseigentümergemeinschaft keine angemessenen Spielräume für eine interessengerechte
Ausgestaltung der Verträge einräumt (Anschluss und Fortführung von BGH, Urteile vom
13. Oktober 2006 – V ZR 289/05,
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann der Kläger von der Beklagten
die Rückzahlung der in den Monaten Dezember 2015 bis Januar 2016 ab-
BGB verlangen.
Die Beendigung des Betreuervertrags sei nach dem Recht des Dienstvertrags
zu beurteilen, da dort der Schwerpunkt des Rechtsgeschäfts liege. Die
Kündigungsfrist richte sich nach § 620 Abs. 2,
Kündigung vom 26. Oktober 2015 das Vertragsverhältnis zum 30. November
2015 beendet habe.
Der in § 16 der Teilungserklärung enthaltene Kontrahierungszwang stehe
der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Diese Verpflichtung sei so zu
verstehen, dass ein Betreuungsverhältnis während der gesamten Wohnungsnutzung
aufrechterhalten werden müsse. Eine in einer Teilungserklärung enthaltene
Verpflichtung der Wohnungseigentümer, einen Betreuungsvertrag mit
einer zeitlichen Bindung von mehr als zwei Jahren abzuschließen, sei jedoch
nach § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB unwirksam (Hinweis auf BGH, Urteil vom
13. Oktober 2006 - V ZR 289/05,
Die Unwirksamkeit einer über zwei Jahre hinausgehenden Bindung ergebe
sich unabhängig von einer AGB-Inhaltskontrolle zudem aus § 242 BGB.
Ein Kontrahierungszwang begegne durchgreifenden Bedenken, wenn die Wohnungseigentümer
zum Abschluss von Verträgen mit mehr als zweijähriger Bindung
verpflichtet werden sollten und weder den einzelnen Wohnungseigentü-
mern noch der Wohnungseigentümergemeinschaft wirkliche Spielräume für die
Ausgestaltung der Verträge verblieben.
Die Beklagte habe keine Gründe dargetan, die einer Kündigung nach
Treu und Glauben gemäß § 242 BGB entgegenstünden ungeachtet dessen,
dass eine solche Wertung im Anwendungsbereich des § 309 Nr. 9 Buchst. a
BGB (Klauselverbot ohne Wertungsmöglichkeit) ohnehin nicht zulässig sei.
Soweit die Beklagte einwende, ein bloß "kurzfristiges Ausziehen" aus der
Wohnung lasse eine Kündigung nicht zu, werde diesem berechtigten Interesse
dadurch Rechnung getragen, dass in § 4 des Betreuervertrags auf die gesetzlichen
Kündigungsfristen verwiesen werde und zudem die Möglichkeit bestehe,
den Betreuervertrag nach ordnungsgemäßer Kündigung weiterzuführen. Die
höchstrichterliche Rechtsprechung, wonach im Rahmen des betreuten Wohnens
Miet- und Betreuungsvertrag rechtmäßig aneinander gekoppelt werden
könnten (Hinweis auf Senat, Urteil vom 23. Februar 2006 - III ZR 167/05, NJW
2006, 1276), sei nicht einschlägig, da § 4 des Betreuervertrags eine Kündigung
ohne Aufgabe des Wohnungseigentums vorsehe, an dessen Erhalt ein schutzwürdiges
Interesse des Eigentümers bestehe.
II.
Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung stand.
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch aus § 812 Abs. 1
Satz 1 Alt. 1 BGB auf Rückzahlung der im Dezember 2015 sowie im Januar und
Februar 2016 abgebuch etreuervertrag
durch die Kündigung vom 26. Oktober 2015 jedenfalls gemäß
§ 620 Abs. 2,
wurde, kann dahinstehen, ob der Kläger, der die Erstattung der Betreuungspauschale
für November 2015 nicht weiterverfolgt, darüber hinaus berechtigt
war, das Vertragsverhältnis aus wichtigem Grund (§ 4 Abs. 2 des Betreuervertrags)
mit sofortiger Wirkung zu beenden.
a) Für die Beendigung des Betreuervertrags ist das Recht des Dienstvertrags
maßgeblich. Zwar sind die durch den Betreuervertrag begründeten Vertragspflichten
der Beklagten nicht ausschließlich dienstvertraglicher Natur
(
mietvertragliche Elemente enthält (z.B. Bereitstellung eines Pflegestützpunktes,
eines Fitnessraumes, einer Rezeption sowie einer Telefonanlage mit Notrufsystem,
Durchführung von Hausmeisterdiensten und Reparaturen). Nach gefestigter
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bildet ein gemischter Vertrag ein
einheitliches Ganzes und kann deshalb bei der rechtlichen Beurteilung nicht in
seine verschiedenen Bestandteile zerlegt werden. Der Eigenart des Vertrags
wird grundsätzlich nur die Unterstellung unter ein einziges Vertragsrecht gerecht,
nämlich dasjenige, in dessen Bereich der Schwerpunkt des Vertrags liegt
(z.B. Senat, Beschluss vom 21. April 2005 - III ZR 293/04,
2010; Urteile vom 8. Oktober 2009 - III ZR 93/09,
12. Januar 2017 - III ZR 4/16,
2018
- III ZR 126/17,
- V ZR 289/05,
zutreffend und von der Revision unbeanstandet im Dienstvertragsrecht
gesehen.
b) Ein Dienstvertrag ist ordentlich kündbar, wenn seine Dauer weder bestimmt
noch aus der Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste zu entnehmen
ist (§ 620 Abs. 2 BGB) und die Vertragsparteien das Recht auf ordentliche
Kündigung nicht wirksam abbedungen haben (BGH, Urteil vom 13. Oktober
2006 aaO Rn. 8; siehe auch BeckOGK/Sutschet, BGB, § 620 Rn. 4 f, 75 [Stand:
1. August 2018]). So liegt es hier.
aa) Eine im Sinne von § 620 Abs. 2 Fall 1 BGB kalendermäßig bestimmte
Vertragsdauer haben die Parteien nicht vereinbart. Vielmehr legt § 4 Abs. 1
des Betreuervertrags fest, dass das Vertragsverhältnis auf unbestimmte Zeit
geschlossen wird.
bb) (1) Ist die Dauer des Dienstverhältnisses nicht nach dem Kalender
bestimmt oder bestimmbar, kann sich die Vertragsdauer jedoch auch aus der
Beschaffenheit oder dem Zweck der Dienste ergeben (§ 620 Abs. 2 Fall 2 und 3
BGB). So wie die kalendermäßige Bestimmung der Dauer des Dienstvertrags
stets durch Vereinbarung der Parteien erfolgt, kann der Beschaffenheit oder
dem Zweck der Dienste eine Bestimmung der Dauer des Dienstverhältnisses
nur insoweit entnommen werden, als - gegebenenfalls nach Auslegung des
Vertrags gemäß
Dauer vereinbaren wollten. Dabei können sie zur Umsetzung des Konzepts des
betreuten Wohnens grundsätzlich festlegen, dass die Dauer des Betreuungsvertrags
daran geknüpft ist, dass der jeweilige Wohnungseigentümer die Woh-
nung selbst nutzt (vgl. BGH, Urteil vom 13. Oktober 2006 aaO Rn. 9 f;
BeckOGK/Sutschet aaO § 620 Rn. 13, 75.1).
(2) Für eine derartige Vereinbarung fehlen - abgesehen davon, dass eine
solche im Widerspruch zu der ausdrücklichen Bestimmung in § 4 Abs. 1 des
Betreuungsvertrags stünde - im vorliegenden Fall zureichende Anhaltspunkte.
Der Betreuervertrag nimmt die in der Teilungserklärung festgeschriebene Verpflichtung
der Wohnungseigentümer, zur Realisierung eines betreuten Wohnens
im Falle der Selbstnutzung der Wohnung einen Betreuervertrag mit der
Beklagten abzuschließen, nicht in Bezug. Vielmehr wird die Vertragsbeendigung
autonom geregelt, indem nach Ablauf einer zweijährigen Vertragsbindung
auf die gesetzlichen Kündigungsfristen verwiesen wird, ohne dass an die Aufgabe
des Wohnungseigentums oder das Ende der Selbstnutzung angeknüpft
wird (siehe überdies unten dd [1]).
(3) Unabhängig davon würde ein formularmäßiger Ausschluss der Kündigungsmöglichkeit,
solange der Eigentümer die Wohnung selbst nutzt, einer
Inhaltskontrolle nach § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB nicht standhalten. Danach
kann der Dienstberechtigte höchstens für einen Zeitraum von zwei Jahren vertraglich
gebunden werden. Dieses Klauselverbot (ohne Wertungsmöglichkeit)
erfasst nach seinem Sinn und Zweck nicht nur kalendarische Befristungen für
mehr als zwei Jahre, sondern auch Verträge, deren Beendigung von einem bestimmten
Ereignis abhängt (z.B. Wegfall des Vertragspartners als Wohnungseigentümer
oder Aufgabe der Selbstnutzung durch den Wohnungseigentümer),
sofern die Parteien nicht den Eintritt dieses Ereignisses innerhalb von zwei Jahren
als sicher vorausgesetzt haben (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2006 aaO
Rn. 11; BeckOGK/Weiler, BGB, § 309 Nr. 9 Rn. 77 [Stand: 15. September
2018]). Dafür, dass die Parteien im vorliegenden Fall bei Vertragsschluss von
der Aufgabe der Eigentümerstellung beziehungsweise der Selbstnutzung durch
den Eigentümer innerhalb von zwei Jahren ausgegangen sind, ist nichts ersichtlich.
Die Vorstellung der Parteien war vielmehr - wie das Berufungsgericht zutreffend
angenommen hat - von der Vorstellung geprägt, dass das Betreuungsverhältnis
während der gesamten mehrjährigen Wohnungsnutzung durch den
Eigentümer aufrechterhalten werden sollte.
cc) Soweit § 4 Abs. 2 des Betreuervertrags vorsieht, dass der Bewohner
das Vertragsverhältnis während der ersten zwei Jahre ab Vertragsschluss nur
bei Vorliegen eines wichtigen Grundes kündigen kann, spielt der damit angeordnete
Ausschluss einer ordentlichen Kündigung nach § 620 Abs. 2, § 621
Nr. 3 BGB vorliegend keine Rolle, da diese Frist zum Zeitpunkt der Kündigung
vom 26. Oktober 2015 bereits verstrichen war.
dd) Die Kündigung vom 26. Oktober 2015 stellt, anders als die Beklagte
meint, auch keine unzulässige Rechtsausübung (§ 242 BGB) dar. Die ordentliche
Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses ist zwar regelmäßig treuwidrig,
wenn der Gekündigte, hier also die Beklagte, bei Beendigung des Vertrags einen
Anspruch auf Neuabschluss hätte (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2006 aaO
Rn. 14 mwN). So liegt der Fall hier aber nicht.
(1) Nach § 16 Abs. 1 Satz 2 der Teilungserklärung besteht die Verpflichtung
zum Abschluss eines Betreuungsvertrags nur, wenn der Eigentümer die
Wohnung selbst nutzt. Dementsprechend entfällt gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 der
Teilungserklärung die Verpflichtung zum Abschluss eines Betreuungsvertrags,
solange die Wohnung von dem Eigentümer nicht benutzt wird oder vermietet
ist. Der Eigentümer, der seine Wohnung - möglicherweise auch nur vorübergehend
- nicht selbst nutzt, unterliegt somit keinem Kontrahierungszwang. Dies
traf auf den Kläger zu, da er ab dem 2. Oktober 2015 auf Grund gesonderten
Heimvertrags in einer anderen Pflegeeinrichtung vollstationär untergebracht
und ihm eine Benutzung seiner Wohnung aus gesundheitlichen Gründen überhaupt
nicht möglich war. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung des Senats
vorgetragenen Auffassung der Revision wird die Aufgabe der Selbstnutzung
der Wohnung durch den Kläger nicht dadurch in Frage gestellt, dass er
diese während seiner Abwesenheit nicht von seinen Möbeln räumte. Die an die
Nutzung der Wohnung gekoppelte Verpflichtung in der Teilungserklärung zum
Abschluss eines Vertrags über Betreuerleistungen ergibt nur Sinn, wenn diese
dem Bewohner gegenüber - von kurzen, etwa urlaubsbedingten Unterbrechungen
abgesehen - persönlich erbracht werden können.
(2) § 242 BGB greift aber auch deshalb nicht ein, weil ein Kontrahierungszwang
der Wohnungseigentümer zum Abschluss eines Betreuungsvertrags
mit einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren einseitig von dem teilenden
Eigentümer in der Teilungserklärung nicht wirksam angeordnet werden kann.
(a) Nach § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB kann der Dienstberechtigte durch
vorformulierte Verträge höchstens für zwei Jahre gebunden werden. Daran anknüpfend
hat der V. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs entschieden, dass sich
daraus auch eine zeitliche Höchstdauer für die in einer Teilungserklärung begründeten
Gebrauchsregelungen nach § 10 Abs. 2 Satz 2 WEG ergibt, mit denen
eine Verpflichtung sämtlicher Wohnungseigentümer festgeschrieben wird,
einen Betreuungsvertrag abzuschließen (Urteile vom 13. Oktober 2006 aaO
Rn. 15, 17 und vom 21. Dezember 2012 - V ZR 221/11,
Rn. 29). Die einseitige Vorgabe einer dauerhaften, mehr als zweijährigen Bindung
an ein bestimmtes Betreuungsunternehmen ohne die Möglichkeit, Einzelheiten
auszuhandeln, beschneide in nicht hinnehmbarer Weise die rechtliche
Stellung der Wohnungseigentümer sowie ihre Entscheidungsfreiheit und stelle
eine unangemessene Benachteiligung dar (Urteil vom 13. Oktober aaO Rn. 17).
Dies gelte auch dann, wenn die Wohnungen in der Anlage nur zum Zwecke des
betreuten Wohnens genutzt werden dürften. Da das Gesetz für den Bereich des
betreuten Wohnens keine Sonderregelung enthalte, sei das zeitliche Höchstmaß
jedenfalls für vorformulierte, von den Wohnungseigentümern abzuschließende
Betreuungsverträge nach der für Dienstverträge geltenden Vorschrift in
§ 309 Nr. 9 Buchst. a BGB zu bestimmen (Urteile vom 13. Oktober 2006 aaO
und vom 21. Dezember 2012 aaO). Dabei könne offenbleiben, ob von dem teilenden
Eigentümer einseitig gesetzte Bestimmungen in der Teilungserklärung
der Inhaltskontrolle in entsprechender Anwendung der §§ 307 ff BGB oder -
unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls - anhand des Maßstabs
von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unterlägen. Beide Standpunkte führten
regelmäßig zu demselben Ergebnis (Urteil vom 13. Oktober 2006 aaO
Rn. 15-17).
(b) Auch nach Auffassung des erkennenden Senats hält ein Kontrahierungszwang,
durch den die Wohnungseigentümer - wie hier - zum Abschluss
von Betreuungsverträgen mit einer Bindung von mehr als zwei Jahren verpflichtet
werden sollen, wenn sie die Wohnung selbst nutzen, und der den einzelnen
Wohnungseigentümern beziehungsweise der Wohnungseigentümergemeinschaft
keine angemessenen Spielräume für eine interessengerechte Ausgestaltung
der Verträge einräumt, einer Inhaltskontrolle weder am Maßstab des § 309
Nr. 9 Buchst. a BGB noch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben
(§ 242 BGB) stand.
(aa) Dass die entsprechende Anwendung von § 309 Nr. 9 Buchst. a BGB
die Unwirksamkeit eines derartigen Kontrahierungszwangs zur Folge hat, liegt
auf der Hand (siehe oben 1 b bb [3]) und bedarf an dieser Stelle keiner weiteren
Ausführungen mehr. Das Klauselverbot sieht keine Wertungsmöglichkeit vor, so
dass es nicht darauf ankommt, ob eine über zwei Jahre hinausreichende Vertragsbindung
bei einem anerkennenswerten Interesse an einer längeren Vertragsdauer
ausnahmsweise gebilligt werden könnte (vgl. BGH, Urteil vom
13. Oktober 2006 aaO Rn. 12,16).
(bb) Könnte der teilende Eigentümer (Bauträger) diejenigen Wohnungseigentümer,
die die Wohnung selbst nutzen, über viele Jahre hinweg an ein bestimmtes
Betreuungsunternehmen binden, wäre dies eine unangemessene Benachteiligung,
die der einzelne Eigentümer auch nach den Grundsätzen von
Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht hinnehmen muss. Hierin läge eine erhebliche
Verschlechterung seiner Rechtsstellung. Der einzelne Eigentümer könnte
sich von dem Betreuungsvertrag durch ordentliche Kündigung nur bei Veräußerung
seines Eigentums oder wenigstens Aufgabe der Selbstnutzung der Wohnung
lösen. Im Übrigen stünde ihm nur die Kündigung aus wichtigem Grund
(§§ 314, 626 BGB) zur Verfügung. Diese ist jedoch von besonderen Voraussetzungen
abhängig und erfordert, dass dem Kündigenden die Fortsetzung des
Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles
und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen nicht zugemutet werden
kann (§ 314 Abs. 1 Satz 2, § 626 Abs. 1 BGB; siehe auch Senat, Urteile vom
11. November 2010 - III ZR 57/10,
2013 - III ZR 231/12,
überlange Vertragsbindung gerade nicht beseitigt (BeckOGK/Weiler aaO
Rn. 69). Dem Dienstberechtigten (Eigentümer) bliebe nur, für vom Dienstverpflichteten
(Betreuungsunternehmen) nicht oder in unbrauchbarer Form geleistete
(nicht nachholbare) Dienste keine Vergütung zu zahlen (§§ 614, 320, 326
Abs. 1 BGB) oder, sofern der Dienstverpflichtete die Unmöglichkeit der Dienst-
leistung zu vertreten hat, Schadensersatzansprüche nach
gegebenenfalls in Verbindung mit § 283 BGB geltend zu machen (vgl. Senat,
Urteil vom 23. Februar 2006 - III ZR 167/05,
bliebe dabei jedoch sein wegen des personalen Bezugs der Betreuungsleistungen
gesteigertes Bedürfnis, sich von dem Betreuungsunternehmen
trennen zu können, wenn dessen Leistungen zwar möglicherweise nicht
mangelhaft beziehungsweise unbrauchbar sind, aber seinen Erwartungen nicht
entsprechen oder die persönliche Vertrauensgrundlage gestört ist (vgl. BGH,
Urteile vom 13. Oktober 2006 - V ZR 289/05,
21. Dezember 2012 - V ZR 221/11,
(cc) Diesen erheblichen Beeinträchtigungen der Belange des Dienstberechtigten
stehen für das beklagte Pflegeunternehmen von vornherein kalkulierbare
Risiken gegenüber. Dem anerkennenswerten Interesse, eine stetige
Grundbetreuung und angemessene Finanzierbarkeit des Gesamtkonzepts zu
gewährleisten (siehe dazu Senat, Urteil vom 23. Februar 2006 aaO Rn. 15;
BGH, Urteil vom 13. Oktober 2006 aaO Rn. 17), wird durch eine zweijährige
Vertragsbindung unter Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung hinreichend
Rechnung getragen (§ 4 Abs. 2, 3 des Betreuervertrags). Damit wird
für neu abgeschlossene Betreuungsverträge eine gewisse Kontinuität sichergestellt.
Finanzielle Risiken, die sich durch Kündigungen und damit einhergehende
Leerstände ergeben, können bei der Berechnung der Betreuungsentgelte
von vornherein kalkulatorisch berücksichtigt werden. Es verbleibt auch die Möglichkeit
der Anpassung der Betreuungspauschalen (vgl. Pauly,
866).
c) Soweit die Revision geltend macht, im Hinblick auf die Inanspruchnahme
des Gemeinschaftseigentums durch das Pflegeunternehmen und zur
wirtschaftlichen Sicherstellung des Konzepts des betreuten Wohnens seien die
Teilungserklärung und der Betreuervertrag dahin auszulegen, dass allein die
Eigentümergemeinschaft (beziehungsweise die Gesamtheit der Eigentümer) die
Bindung an das Betreuungsunternehmen durch Kündigung lösen könne, vermag
der Senat sich dem nicht anzuschließen. Dies käme allenfalls dann in Betracht,
wenn nicht der einzelne Wohnungseigentümer, sondern die Wohnungseigentümergemeinschaft
als solche den Betreuungsvertrag abgeschlossen hätte.
Daran fehlt es hier. Dem streitigen Betreuervertrag beziehungsweise der
Teilungserklärung können auch keine Anhaltspunkte dafür entnommen werden,
dass die Betreuungsverträge der einzelnen Wohnungseigentümer im Sinne eines
einheitlichen Geschäfts rechtlich verbunden sind (vgl. BGH, Urteil vom
13. Oktober 2006 aaO Rn. 20; siehe auch Senat, Urteil vom 23. Februar 2006 -
III ZR 167/05,
ZR 113/12,
ZR 186/03,
Vielmehr bestimmt § 4 Abs. 3 des Vertrags ausdrücklich, dass
dem Bewohner nach Ablauf der zweijährigen Vertragsbindung ein individuelles
Kündigungsrecht unter Wahrung der gesetzlichen Kündigungsfristen zusteht.
2. Die Rüge der Beklagten, die Vorinstanzen seien zu Unrecht von einem
Anspruch des Klägers auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskos-
, ist unbegründet. Dabei wird übersehen,
dass die Beklagte der geltend gemachten 1,3-Geschäftsgebühr nach
Nr. 2300 VV RVG für die vorgerichtliche Beauftragung eines Rechtsanwalts zur
Anspruchsdurchsetzung weder in der Klageerwiderung noch in der Berufungsbegründung
entgegengetreten ist. In der Klageerwiderung nimmt sie sogar
- worauf die Revisionserwiderung zu Recht hinweist - ausdrücklich auf im Dezember
2015 mit dem klägerischen Anwalt geführte Korrespondenz Bezug, aus
der sich ergibt, dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt zu Rückzahlungen bereit
war und lediglich die Vertragsauflösung für die Zukunft anbot. Bei dieser Sachlage
hat das Berufungsgericht den Freistellungsanspruch hinsichtlich der vorgerichtlichen
Rechtsanwaltsgebühren zu Recht auf
Angesichts der Leistungsverweigerung der Beklagten (
war die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zur Durchsetzung und Wahrnehmung
der Rechte des Klägers erforderlich und zweckmäßig.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:10.01.2019
Aktenzeichen:III ZR 37/18
Rechtsgebiete:
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
WEG
MittBayNot 2020, 32-35
ZNotP 2019, 115-118
NJW 2019, 1280-1283
ZWE 2019, 171-172
WEG § 10 Abs. 2 S. 2; BGB §§ 242, 309 Nr. 9 lit. a