Keine Beeinträchtigung des Erben i. S. d. § 2287 BGB bei Anfechtbarkeit der letztwilligen Verfügung
letzte Aktualisierung: 21.12.2023
OLG Hamm, Urt. v. 9.3.2023 – 10 U 28/22
BGB §§ 2079, 2283 Abs. 1, 2287
Keine Beeinträchtigung des Erben i. S. d.
Verfügung
1. Voraussetzung für einen Anspruch des Erben gemäß
Verfügung objektiv beeinträchtigt worden ist. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben,
wenn der Erblasser das für ihn bindend gewordene frühere Testament noch hätte gem.
anfechten können.
2. Der Erblasser kann daher zum Nachteil des Vertrags- oder Schlusserben noch innerhalb der
Anfechtungsfrist des
letztlich gar nicht angefochten wird.
Gründe:
Der Kläger ist das einzige Kind des am 00.00.1941 geborenen und am 00.00.2014
verstorbenen Erblassers Q. L.. Die Beklagte ist dessen zweite Ehefrau.
Der Erblasser errichtete gemeinsam mit seiner ersten Ehefrau G. L., der Mutter des
Klägers, am 19.11.1997 ein Berliner Testament, in dem sie sich gegenseitig als Alleinerben
und den Kläger als Schlusserben einsetzten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie
des Testaments (Bl. 9 GA) verwiesen.
Die erste Ehefrau des Erblassers verstarb im März 2001. In der Folgezeit lernte der
Erblasser die im Jahr 1963 geborene Beklagte kennen. Im Jahr 2002 verkaufte er eine aus
seiner Familie stammende Immobilie für 309.000,00 €. Zu dem Kläger hatte der Erblasser
ab Dezember 2003 keinen Kontakt mehr.
Zumindest seit 2004 litt der Erblasser an einer chronischen Entzündung der
Bauchspeicheldrüse. Im Jahr 2007 gab die Beklagte ihre damalige Wohnung auf und zog
zu dem Erblasser in die Mietwohnung X.-straße 00 in Z.. Am 00.00.2008 heirateten sie.
Mit notariellem Vertrag vom 13.02.2008 (UR-Nr. 98/2008 des Notars N. in B.) erwarben der
Erblasser und die Beklagte zu einem Miteigentumsanteil von jeweils ½ die von ihnen
bewohnte Wohnung in Z. für 80.000,00 €. Die Grundbuchumschreibung erfolgte am
25.08.2008 (Bl. 11 ff, 27 GA). Insofern hatte sich eine günstige Möglichkeit ergeben,
nachdem die vormaligen Eigentümer der Immobilie in Insolvenz geraten waren.
Am 15.07.2012 errichtete der Erblasser ein privatschriftliches Testament, in welchem er die
Beklagte zu seiner Alleinerbin einsetzte (Bl. 10 GA). Im Dezember 2013 wurde bei ihm
Bauchspeicheldrüsenkrebs mit einer nur noch geringen Lebenserwartung festgestellt. Am
24.12.2013 erlitt die Beklagte einen Herzinfarkt und musste stationär im Krankenhaus
verbleiben.
Am 08.01.2014 wurde der Beklagten ein Restguthaben von dem Konto des Erblassers bei
der Sparkasse in Höhe von 15.010,83 € gutgeschrieben. Am 00.00.2014 verstarb der
Erblasser. Er wohnte bis zuletzt zusammen mit der Beklagten in der gemeinsamen
Eigentumswohnung.
Nach dem Tod des Erblassers ging die Beklagte zunächst davon aus, dass sie Alleinerbin
geworden sei. Sie wickelte die Nachlassangelegenheiten ab und bezahlte die Beerdigung.
Sie verkaufte am 15.09.2014 einen Wohnwagen des Erblassers für 2.900,00 €. Am
04.11.2014 löste die Beklagte das Konto des Erblassers bei der Sparkasse B. mit einem
Guthaben von 697,26 € auf. Bis heute bewohnt sie die Eigentumswohnung in Z..
Die Beklagte beantragte bei dem Amtsgericht – Nachlassgericht – Dortmund die Erteilung
eines Alleinerbscheins. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 08.03.2016 zurückgewiesen
und zur Begründung auf die bindende Schlusserbeneinsetzung in dem Berliner Testament
vom 19.11.1997 zurückgegriffen. Die Beschwerde der Beklagten gegen diesen Beschluss
wies das Oberlandesgericht Hamm mit Beschluss vom 13.10.2016 zurück. Am 24.11.2016
wurde dem Kläger ein Alleinerbschein nach dem Erblasser erteilt (Bl. 6 GA).
Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 17.11.2016 verlangte der Kläger von
der Beklagten die Zahlung einer anteiligen Nutzungsentschädigung für die von ihr
bewohnte Eigentumswohnung.
Mit Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 02.01.2017 erteilte die Beklagte dem
Kläger Auskunft über den Nachlass, wobei sie auch ihre getätigten Ausgaben auflistete.
Am 22.02.2017 beantragte R. O., der Schwiegersohn der Beklagten, gegen den Kläger
den Erlass eines Mahnbescheides wegen einer Forderung in Höhe von 20.204,35 €.
Begründet wurde diese mit Vergütungsansprüchen aus einem Pflegedienstvertrag mit dem
Erblasser sowie sonstigen Kosten und Auslagen für den Erblasser. Der Kläger hat
Widerspruch eingelegt. Mit Urteil vom 24.08.2018 hat das Landgericht Dortmund die Klage
abgewiesen (Beiakte 12 O 106/17 Landgericht Dortmund, dort Bl. 271 ff).
Mit Klage vom 27.06.2017 hat der Kläger im vorliegenden Rechtsstreit von der Beklagten
die Übertragung des ihr gehörenden hälftigen Miteigentumsanteils an der
Eigentumswohnung, hilfsweise die Zahlung von 40.000,00 €, sowie die Zahlung von
34.436,90 € nebst Rechtshängigkeitszinsen und die Herausgabe eines Pkw01 Marke01
begehrt (Bl. 2 GA). Im Verlauf des Rechtsstreits hat der Kläger zudem mit Schriftsatz vom
31.08.2019 (Bl. 235 ff. GA) klageerweiternd eine Stufenklage eingereicht und auf der
Leistungsstufe die Herausgabe von Gegenständen, die nach der Auskunftserteilung noch
näher zu benennen seien, verlangt.
Der Kläger hat behauptet, die Eigentumswohnung und deren Erwerbskosten seien allein
von dem Erblasser bezahlt worden. Dies sei als eine beeinträchtigende Schenkung gemäß
08.01.2014 an die Beklagte. Daneben schulde sie ihm den Ersatz des Wohnwertvorteils an
der ihm zu ½ Anteil gehörenden Eigentumswohnung, in der die Beklagten nach wie vor
lebt, sowie Ersatz von Nachlassgegenständen. Der Kläger hat weiter behauptet, der
herausverlangte PKW Pkw01 Marke01 gehöre zum Nachlass.
Die Beklagte hat das Vorliegen einer Schenkung des hälftigen Miteigentumsanteils
bestritten und weiter vorgetragen, dass zumindest ein lebzeitiges Eigeninteresse des
Erblassers bestanden habe, da dieser damit seine Altersversorgung und künftige Pflege
habe absichern wollen. Den Betrag in Höhe von 15.010,83 € habe ihr der Erblasser wegen
ihrer damaligen schweren Erkrankung zur Unterstützung und weiteren Pflege überwiesen.
Sie habe sich nach ihrem Herzinfarkt nicht um ihre eigene gesundheitliche
Wiederherstellung gekümmert, insbesondere nicht eine dringend angezeigte Reha-
Maßnahme durchgeführt. Sie habe sich ausschließlich um den bedrohlichen
Gesundheitszustand des Erblassers gekümmert. Im Übrigen sei zu bedenken, dass der
Erblasser die Möglichkeit gehabt hätte, das gemeinschaftliche Testament gemäß § 2079
BGB anzufechten. Den Pkw habe der Erblasser während eines Krankenhausaufenthaltes
an ihren Schiegersohn R. O., verkauft. Sie habe den Wagen nicht im Besitz. Der
anzusetzende hälftige Mietwert der Wohnung sei zu reduzieren, weil sie die Kosten für die
Wohnung nach dem Erbfall allein trage und sie eine Entschädigung allenfalls erst ab dem
Zeitpunkt der verlangten Neuregelung schulde. Schließlich beruft sie sich auf die von ihr
getragenen Kosten und Auslagen für den Erbfall von 9.474,11 € und auf ihren
Pflichtteilsanspruch in Höhe von 4.265,39 €.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 18.11.2018 (Bl. 259 ff. GA) die begehrte Auskunft, ob
sich bestimmte Gegenstände im Nachlass des Erblassers befinden, verneint. Der Kläger
hat daraufhin beantragt, die Beklagte zur Abgabe einer Versicherung Eides statt zu
verurteilen.
Durch – rechtskräftiges – Teilurteil vom 07.07.2020 (Bl. 448-455 GA) ist der Antrag des
Klägers auf Abgabe einer Erklärung der Beklagten zur Versicherung an Eides statt
abgewiesen worden. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 08.03.2021 den
Klageantrag auf der dritten Stufe dahingehend abgeändert, dass die Feststellung der
Pflicht der Beklagten begehrt werde, die durch die Stufenklage veranlassten Kosten zu
tragen.
Das Landgericht hat Beweis erhoben über die Frage des Wohnwerts der
Eigentumswohnung in der X.-straße 00 in Z. durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens. Dieses hat der Dipl.-Ing. S. A. am 09.07.2018 erstellt (Bl.
157 GA, Anlage). Er ist darin zu einem Ergebnis in Höhe von 262,59 € monatlich für den
hälftigen Wohnwertvorteil der Eigentumswohnung gelangt.
Ferner ist Beweis erhoben worden über die Frage, ob sich die Beklagte noch im Besitz des
Pkw01 Marke01 befinde. Die Zeugen R. und K. O. (Schwiegersohn und Tochter der
Beklagten) haben im Termin am 17.09.2019 von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht
Gebrauch gemacht (Bl. 250 GA). Ferner ist Beweis erhoben worden durch eidliche
Parteivernehmung der Beklagten (Bl. 405-408 GA).
Durch – rechtskräftiges – Teilurteil vom 25.08.2020 ist der Antrag des Klägers auf Abgabe
einer eidesstattlichen Versicherung durch die Beklagte abgewiesen worden (Bl. 448 ff.
GA).
Durch Schlussurteil vom 15.02.2022 hat das Landgericht der Klage in Höhe von 1.421,63
€ nebst Rechtshängigkeitszinsen stattgegeben und im Übrigen die Klage abgewiesen. Zur
Begründung hat es ausgeführt, es bestehe kein Anspruch auf Übertragung des hälftigen
Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung gemäß
auf Herausgabe des hälftigen Kaufpreises in Höhe von 40.000,00 €. Es könne
dahinstehen, ob von einer lebzeitigen Schenkung des Erblassers auszugehen sei. Denn
jedenfalls sei die Zuwendung nicht als rechtsmissbräuchlich zu werten, weil ein lebzeitiges
Eigeninteresse des Erblassers anzunehmen sei. Es erscheine nachvollziehbar, wenn die
Beklagte vortrage, dass der Erblasser eine etwaige Schenkung in der naheliegenden
Hoffnung erbracht habe, dass ihm die Zuwendung und Versorgung durch die Beklagte
erhalten bleibe. Der für den Missbrauch beweispflichtige Kläger habe die angeführten
Umstände nicht zu widerlegen vermocht.
Dem Kläger habe allerdings ein Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung von 14.097,26
€ gemäß
Beklagen in Höhe von 12.675,63 € erloschen sei, so dass ihm nur noch der tenorierte
Betrag zuzusprechen sei. Zu berücksichtigen sei ein Anspruch auf den Verkaufserlös des
Wohnwagens (2.900,00 €), das restliche Guthaben auf dem Erblasserkonto (697,26 €) und
eine Entschädigung für die weitere Nutzung der Wohnung in der Zeit von Dezember 2016
bis März 2020 in Höhe von 10.500,00 €. Insofern sei gemäß dem überzeugenden
Sachverständigengutachten ein hälftiger monatlicher Wohnwertvorteil von 262,59 €
zugrunde zu legen. Diese Nutzungsentschädigung könne der Kläger allerdings erst ab
dem ernsthaften Verlangen nach einer Regelung in dem Schreiben der
Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 17.11.2016 verlangen. Für einen früheren
Zeitraum könne der Kläger keine Entschädigung erhalten. Zu berücksichtigen sei, dass die
Beklagte die Wohnung nicht etwa nach dem Erbfall aktiv in Besitz genommen habe,
sondern schon zuvor berechtigterweise dort gelebt habe. Die alleinige Nutzung der
Wohnung durch die Beklagte hätte daher nur dann als Anmaßung einer
Alleinerbenstellung verstanden werden können, wenn sie mit einer Negierung des dem
Kläger zustehenden Rechts zum Mitbesitz verbunden gewesen wäre.
Dagegen sei eine Rückerstattung der im Januar 2014 überwiesenen 15.010,83 € und der
Erwerbsnebenkosten der Eigentumswohnung (5.328,81 €) nicht begründet. Deren
Zuwendung an die Beklagte sei aufgrund eines lebzeitigen Eigeninteresses des Erblassers
nicht als missbräuchlich einzustufen. Das Vorbringen der Beklagten, der Erblasser habe ihr
den Betrag in der Erwartung zukommen lassen, dass sie ihn pflegen werde und aus dem
Bedauern heraus, dass sie sich zu diesem Zeitpunkt nicht um ihre eigene gesundheitliche
Wiederherstellung habe kümmern können, weil es ausschließlich um seinen bedrohlichen
Gesundheitszustand gegangen sei, erscheine plausibel. Der Kläger habe dieses
Vorbringen der Beklagten nicht zu widerlegen vermocht.
Die Hilfsaufrechnung sei erfolgreich, weil der Beklagten ein Anspruch in Höhe von
12.675,63 € zugestanden habe. Hierbei handele es sich um Beerdigungskosten (4.562,25
€) und Auslagen für den Erblasser (Grabplatte in Höhe von 2.958,30 €, Überführung in
Höhe von 248,26 €, Bewirtung auf Trauerfeiern in Höhe von 176,80 € + 43,80 € + 45,50 €
+ 134,40 €, Zeitungsanzeige 16,00 € und Foto für die Trauerfeier 5,90 €, Taxi 54,30 €).
Zudem sei der Pflichtteilsanspruch der Beklagten in Höhe von 4.398,37 € zu
berücksichtigen. Dieser sei auch nicht verjährt. Dem Kläger stehe kein Anspruch gegen die
Beklagte auf Herausgabe des Pkw01 Marke01 zu. Er habe den ihm obliegenden Beweis
nicht erbracht, dass sich das Fahrzeug im Besitz der Beklagten befinde. Wegen der
weiteren Einzelheiten wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des
angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 598 ff. GA)
Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er verfolgt den Anspruch auf Übertragung
des hälftigen Miteigentumsanteil an der Eigentumswohnung weiter, hilfsweise die Zahlung
von 40.000,00 € sowie die Zahlung von weiteren 28.390,65 € nebst Zinsen.
Der Kläger rügt, dass sein Schriftsatz vom 17.07.2022 (Hilfsanspruch wegen weiterer
Nutzungsentschädigung) von dem Landgericht nicht berücksichtigt worden sei. Im Übrigen
meint er, ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers sei von der Beklagten nicht
schlüssig dargelegt und von dem Landgericht vorschnell angenommen worden. Wenn man
einmal den im Jahr 2008 noch rein hypothetischen und bloß pauschal behaupteten
Pflegebedarf des Erblassers hinwegdenke, so verbleibe nur noch das naheliegende
Interesse, die erheblich jüngere Ehefrau auch für die Zukunft abzusichern. Dies stelle
allerdings kein relevantes Eigeninteresse des Erblassers dar. Die Zuwendung des
Bankguthabens in Höhe von 15.010,83 € könne nicht erfolgt sein, um Pflegeleistungen zu
vergüten. Denn die Beklagte sei vorher selbst erkrankt gewesen und habe dann angeblich
am 10.01.2014 einen Pflegevertrag mit dem Partner ihrer Tochter abgeschlossen, aus dem
später das Guthaben übersteigende Forderungen gegen den Nachlass abgeleitet worden
seien. Im Rahmen der Gesamtabwägung seien die Vermögenszuwendungen nicht
gerechtfertigt gewesen. Ein Anspruch des Klägers auf anteilige Nutzungsentschädigung
wegen des Verbleibs der Beklagten in der Eigentumswohnung bestehe bereits ab August
2014. Im Übrigen müsse sich die Beklagte auch den Nutzungsvorteil für den zu der
Eigentumswohnung dazugehörigen Stellplatz zurechnen lassen. Die Hilfsanträge seien
erstinstanzlich missverstanden worden, die Nutzungsentschädigung sei bis August 2021
begehrt worden. Nun werde der Gesamtbetrag bis heute (26.093,46 €) in die Berechnung
eingestellt. Nachlassverbindlichkeiten von 8.410,24 € und ein Pflichtteilsanspruch von
4.265,36 € seien unstreitig. Im Falle der Begründetheit des Anspruchs gemäß
sei noch ein weiterer Pflichtteilsanspruch in Höhe von 7.542,45 € zu berücksichtigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Berufungsbegründung vom 13.05.2022 (Bl.
652 ff. GA) verwiesen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 15.02.2022, Az. 12 O 217/17, dahingehend
teilweise abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird,
1.
a) an ihn den ½ Miteigentumsanteil an dem Wohnungs- und Teileigentum, verzeichnet in
den Grundbüchern von Dortmund B Blatt Bl01 und Dortmund B Blatt Bl02, aufzulassen
und die Eintragung des Klägers als Eigentümer zu bewilligen,
b) hilfsweise an ihn 40.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten ab dem
09.07.2017 zu zahlen,
2.
an ihn über die bereits titulierten 1.421,63 € hinaus weitere 28.390,65 € zu zahlen nebst
Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf den Gesamtbetrag
von 29.812,28 € ab dem 09.07.2017.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt die ergangene Entscheidung und widerspricht der in der
Berufungsinstanz vorgenommenen Antragsanpassung als unzulässige Klageänderung.
Sie führt aus, schon eine Schenkung des Erblassers an sie sei nicht gegeben. Sie habe
aus eigenen Mitteln ihre Miteigentumshälfte erworben und dem Erblasser hierfür die Mittel
in bar gegeben. Die Übergabe des Bargeldbetrages in Höhe von 40.000,00 € sei im
Beisein ihrer Tochter, der Zeugin K. O., erfolgt. Diese habe nämlich den ihr von ihrer
Großmutter, der Mutter der Beklagten, zugewendeten Geldbetrag aus C. zu der Beklagten
nach B. gebracht. Im Übrigen habe der Erblasser aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit ein
lebzeitiges Eigeninteresse gehabt, insbesondere an der Zuwendung des Betrages von
15.010,83 €. Für die Beklagte habe ferner sichergestellt werden sollen, dass sie nach ihrer
eigenen Arbeitsunfähigkeit infolge des am 24.12.2013 erlittenen Herzinfarktes noch den
gemeinsamen Lebensunterhalt habe bestreiten können. Auch die Entscheidung betreffend
die Nutzungsentschädigung sei zutreffend. Ihre Aufrechnungserklärung sei klar und
bestimmt gewesen. Äußerst vorsorglich werde diese nochmals wiederholt.
Die Akten des Landgerichts Dortmund - 12 O 106/17 – sind beigezogen worden und
Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Der Senat hat die Parteien persönlich angehört. Auf den Berichterstattervermerk vom
16.02.2022 wird verwiesen.
Im Übrigen wird wegen des jeweiligen Parteivorbringens auf die zu den Akten gereichten
Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung des Klägers hat lediglich in dem tenorierten Umfang Erfolg.
1.
Der Berufungsantrag zu 1. ist unbegründet.
Dem Kläger steht zunächst kein Anspruch auf Übertragung des der Beklagten gehörenden
hälftigen Miteigentumsanteils an der Eigentumswohnung in Z., X.-straße 00, gemäß §§
2287 I, 818 I BGB zu (Berufungsantrag Ziff. 1.a).
Insoweit kann es dahinstehen, ob der Erblasser der Beklagten den hälftigen Kaufpreis in
Höhe von 40.000,00 € bei Erwerb der Eigentumswohnung durch notariellen Vertrag vom
13.02.2008 geschenkt hat und ob eine solche Schenkung durch ein lebzeitiges
Eigeninteresse des Erblassers gerechtfertigt war. Denn diese wenige Monate nach der
Heirat des Erblassers erfolgte Zuwendung ist jedenfalls nicht zu Gunsten des Klägers
unter den Schutzbereich des
Zwar ist die Vorschrift des
einem gemeinschaftlichen Testament anzuwenden, wenn diese nach dem Tod eines
Ehegatten für den anderen bindend geworden sind (vgl. Grüneberg-Weidlich, Bürgerliches
Gesetzbuch, 82. Auflage, § 2271 Rz.10 m.w.N.). Dieser Fall ist hier bei der
Schlusserbeneinsetzung des Klägers in dem gemeinschaftlichen Testament seiner Eltern
vom 19.11.1997 mit dem Tod seiner Mutter eingetreten.
Voraussetzung für einen Anspruch des Erben gemäß
durch die unentgeltliche Verfügung objektiv beeinträchtigt worden ist. Diese Voraussetzung
ist nicht gegeben, wenn der Erblasser das für ihn bindend gewordene frühere Testament
noch hätte anfechten können. Das war für den hier maßgeblichen Zeitraum - nach den
vorgelegten Kontoauszügen ist der Kaufpreis in Höhe von 80.000,00 € von dem Girokonto
des Erblassers am 15.04.2008 abgebucht worden (Bl. 47 GA) – der Fall. Dies geschah
mithin nur knapp drei Monate, insgesamt also deutlich weniger als ein Jahr, nach der
Eheschließung des Erblassers mit der Beklagten.
Ist der Erblasser berechtigt, den Erbvertrag oder ein für ihn bindend gewordenes
Testament anzufechten, kann der Erbe keinen Anspruch gemäß
machen, wenn der Erblasser zum Nachteil des Vertrags- oder Schlusserben noch
innerhalb der Anfechtungsfrist Schenkungen vornimmt, auch wenn das Testament letztlich
gar nicht angefochten wird (BGH
BGB Rz. 5; MünchKomm-Musielak, 9. Auflage,
Nach dem inzwischen unstreitig gestellten Vorbringen der Beklagten hat sie den Erblasser
am 00.00.2008 geheiratet (vgl. dazu: Berichterstattervermerk vom 16.02.2023). Aufgrund
dieser Heirat war der Erblasser gemäß
der Beklagten als im Zeitpunkt der Testierung nicht vorhandenen Pflichtteilsberechtigten
die ihn bindende Schlusserbenbestimmung des Klägers innerhalb einer Frist von einem
Jahr,
Juris Rz 71; Grüneberg-Weidlich,
wenn der Erblasser eine solche Anfechtung hier letztendlich nicht vorgenommen hat, fallen
etwaige innerhalb der Anfechtungsfrist an die Beklagte getätigte Schenkungen nicht unter
weil während der – hier bis zum 08.01.2009 – laufenden Anfechtungsfrist die
Schlusserbeneinsetzung des Klägers für den Erblasser nicht bindend war.
Aus diesen Gründen ist auch der auf Wertersatz für den hälftigen Wohnungsanteil in Höhe
von 40.000,00 € gestützte Hilfsantrag (Berufungsantrag zu Ziff. 1.b) gemäß §§ 2287 I, 818
II BGB unbegründet.
2.
Auf den Berufungsantrag zu 2. war dem Kläger neben dem bereits erstinstanzlich
zugesprochenen 1.421,63 € noch ein weiterer Betrag in Höhe von 8.931,30 €
zuzusprechen. Die darüber hinausgehende Klage ist hingegen unbegründet.
a)
Der Kläger kann von der Beklagten im Ausgangspunkt zunächst einen Betrag von
insgesamt 23.028,56 € verlangen.
aa)
Allerdings steht dem Kläger kein Anspruch gemäß §§ 2287 I, 818 II BGB auf Erstattung
von 15.010,83 € zu. Hierbei handelt es sich um das Restguthaben, das von einem
aufgelösten Konto des Erblassers bei der Sparkasse B. stammte und der Beklagten am
08.01.2014 gutgeschrieben wurde. Diesbezüglich fehlt es nämlich an einer
Benachteiligungsabsicht des Erblassers gegenüber dem Kläger.
Voraussetzung für einen Anspruch des Erben gemäß
die unentgeltliche Verfügung in der Absicht vorgenommen hat, den durch Erbvertrag oder
gemeinschaftliches Testament eingesetzten Erben zu benachteiligen. Eine solche
Benachteiligungsabsicht ist zu verneinen, wenn der Erblasser ein lebzeitiges
Eigeninteresse an der Schenkung hatte. Insoweit kommt es darauf an, ob die Gründe, die
ihn zu der Verfügung bestimmt haben, ihrer Art nach so sind, dass der Vertragserbe sie
anerkennen und hinnehmen muss. Ein lebzeitiges Eigeninteresse ist danach anzunehmen,
wenn nach dem Urteil eines objektiven Beobachters die Verfügung in Anbetracht der
gegebenen Umstände auch unter Berücksichtigung der erbvertraglichen Bindung
billigenswert und gerechtfertigt erscheint. Dabei sind sämtliche Umstände des Einzelfalles
zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Eine Schenkung ist danach in der
Regel nicht gerechtfertigt, wenn der Erblasser allein wegen eines auf Korrektur des
Vertrages gerichteten Sinneswandels ohne Veränderung der beim Abschluss des
Erbvertrages vorhandenen Umstände anstelle der bedachten Person einem anderen
wesentliche Vermögenswerte ohne entsprechende Gegenleistung zuwendet, nur weil er
dem Erblasser genehmer ist. Auch reicht es nicht aus, wenn der Erblasser aufgrund eines
Sinneswandels nach Abschluss des Erbvertrages engere persönliche Bindungen zu dem
Beschenkten entwickelt hat und dieser Zuneigung durch die Schenkung Ausdruck
verleihen will. Ein lebzeitiges Eigeninteresse kann aber bejaht werden, wenn der Erblasser
eine Verfügung getroffen hat um die Versorgung für sein Alter sicherzustellen oder zu
verbessern, wobei davon auszugehen ist, dass das Bedürfnis alleinstehender Erblasser,
im Alter versorgt und ggf. auch gepflegt zu werden, mit den Jahren immer dringender und
gewichtiger wird. Eine weitere Rechtfertigung ist die Schenkung als Dank für noch zu
leistende Dienste, Hilfe oder Pflege. Schließlich kann auch das Bedürfnis eines
alleinstehenden Erblassers nach einer seinen persönlichen Vorstellungen entsprechenden
Versorgung und Pflege im Alter ein anzuerkennendes lebzeitiges Eigeninteresse sein,
wenn der Erblasser durch die Schenkung eine ihm nahestehende Person an sich binden
will (ständige Rechtsprechung: BGH
1986, 1135;
Ist die Rechtfertigung der Zuwendung durch ein lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers
streitig, obliegt es zunächst dem Beschenkten, substantiiert und schlüssig Umstände
vorzutragen, die für ein solches Interesse sprechen. Gelingt dem Beschenkten dies, trägt
der Vertragserbe die volle Beweislast, den Vortrag des Beschenkten zu widerlegen (vgl.
Senat, Urteil vom 14.09.2017, - 10 U 1/17 -, Juris Rz. 42; Juris-PK-Geiger,
Rz. 108).
Nach diesen Grundsätzen ist hier von einem lebzeitigen Eigeninteresse des Erblassers an
der Übertragung der 15.010,83 € auf die Beklagte auszugehen. Ein solches
Eigeninteresse hat die Beklagte schlüssig vorgetragen. Diesen Vortrag vermochte der
Kläger auch in der Berufungsinstanz nicht zu widerlegen.
Der Erblasser war 21 Jahre älter als die Beklagte. Bereits seit 2004 litt er an einer
chronischen Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreatitis), die ihn schon vor der
Diagnose des Bauchspeicheldrüsenkrebses in seiner Lebensführung erheblich
beeinträchtigte. Vor diesem Hintergrund erscheint es billigenswert und gerechtfertigt, dass
der Erblasser versucht hat, die Beklagte durch lebzeitige Zuwendungen an sich zu binden.
So hat er ihr bereits im Jahr 2006 einen Heiratsantrag gemacht, sie im Januar 2008
geheiratet und zusammen mit ihr im Februar 2008 die von ihm früher allein bewohnte
Wohnung an der X.-straße 00 zu Eigentum erworben. Als dann im Dezember 2013 bei
dem Erblasser die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs mit einer nur noch geringen
Lebenserwartung festgestellt worden ist, sah er sich vollends auf die Beklagte
angewiesen. Der nun noch erhöhte Zuwendungs- und Pflegebedarf konnte nur durch sie
und ihre Familie sichergestellt werden. Denn der Kontakt zu seinem einzigen Kind, dem
Kläger, war bereits seit Dezember 2003 endgültig abgebrochen und wurde auch bis zu
seinem Tod im Sommer 2014 nicht wieder hergestellt.
Diesem lebzeitigen Interesse steht nicht entgegen, dass die Beklagte Weihnachten 2013
selbst einen Herzinfarkt erlitten hatte und sich einer stationären Behandlung unterziehen
musste. Denn aufgrund ihres jüngeren Alters und ihrer eigenen Familie, insbesondere ihrer
als Krankenschwester ausgebildeten Tochter und ihres Schwiegersohns, der in C. einen
Pflegedienst betreibt, vermochte sie trotzdem für ihren Ehemann bis zu seinem
Lebensende zu sorgen und seine Pflege sicherzustellen. Hierdurch wurde es dem
Erblasser möglich, bis zu seinem Versterben im Juli 2014 in seiner Wohnung in Z. zu
verbleiben. Darüber hinaus ist in der Zuwendung der 15.010,83 € im Januar 2014 auch
eine belohnende Schenkung,
jahrelange Unterstützung und Treue zu sehen. Insoweit fällt auch ins Gewicht, dass der
Erblasser die Beklagte nach seinem eigenen Tod versorgt wissen wollte, zumal sie sich
damals selbst aufgrund ihrer eigenen schweren Erkrankung in einer akuten Notlage
befand.
Diese von der Beklagten vorgetragenen Gründe sind bei einer objektiven Betrachtung von
dem durch das Berliner Testament seiner Eltern bindend eingesetzten Kläger auch bei
einer Gesamtabwägung aller Umstände als gerechtfertigt und billigenswert anzuerkennen.
Dass der Erblasser damals aus anderen Motiven – nämlich in der böswilligen Absicht, ihn
zu benachteiligen - gehandelt hat, vermochte der insoweit beweisbelastete Kläger nicht zu
belegen.
bb)
Auch im Hinblick auf die vom Erblasser wohl allein bezahlten Erwerbskosten für die
Eigentumswohnung in Höhe von insgesamt 5.328,81 € steht dem Kläger kein
Wertersatzanspruch gemäß §§ 2287 I, 818 II BGB zu.
Unabhängig davon, ob auch diese Zuwendungen durch ein lebzeitiges Eigeninteresse
gerechtfertigt sind, erfolgte die Bezahlung dieser Kosten sämtlich innerhalb der nach der
Heirat des Erblassers am 00.00.2008 laufenden einjährigen Anfechtungsfrist, nämlich am
19.02.2008, am 26.02.2008, am 23.04.2008 und am 26.05.2008 (vgl. dazu: Aufstellung
des Klägers, Bl. 3,4 GA). Damit gelten diese etwaigen Schenkungen nicht als
benachteiligend gemäß
cc)
Demgegenüber kann der Kläger als Alleinerbe nach dem Erblasser von der Beklagten den
Erlös für den zum Nachlass gehörenden Wohnwagen, den sie am 15.09.2014 für 2.900,00
€ verkauft hat, sowie das auf dem Nachlasskonto bei seiner Auflösung am 04.11.2014
verbliebene Guthaben von 697,26 € gemäß
d)
Zudem kann der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung für die von ihr weiter allein
bewohnte Eigentumswohnung in der X.-straße 00 in Höhe von 19.431,30 € verlangen.
Hierbei handelt es sich um die anteilige Nutzungsentschädigung für den Zeitraum
Dezember 2016 bis September 2022 einschließlich. Der Senat legt insofern einen Wert in
Höhe von insgesamt 277,59 € (262,59 € + 15,00 €) für einen Zeitraum von insgesamt 70
Monaten (von Dezember 2016 bis September 2022 einschließlich) zugrunde.
aa)
Die mit der Berufung weiterverfolgte hälftige Nutzungsentschädigung schuldet die Beklagte
erst ab Dezember 2016. Die Eigentumswohnung gehört dem Kläger nach dem Erbfall zu
einem Miteigentumsanteil von ½, mit der Folge, dass er und die Beklagte seitdem
Bruchteilseigentümer gemäß
Erbfall allein bewohnt, kann der Kläger von ihr eine anteilige Entschädigung
beanspruchen, allerdings erst ab seinem ernsthaften Verlangen nach einer solchen
Regelung (vgl. BGH
5). Ein solches Verlangen ist erstmals mit dem Schreiben seiner Prozessbevollmächtigen
vom 17.11.2016 erfolgt, in welchem der Kläger gegenüber der Beklagten die
Entschädigung für den von ihr allein gezogenen Wohnwertvorteil geltend macht. Vorher
schuldete die Beklagte noch keinen Nutzungsausgleich.
bb)
Die geschuldete Nutzungsentschädigung hat der Kläger erstinstanzlich nur in Höhe von
10.500,00 € geltend gemacht (vgl. Klageschrift, Bl. 5 GA). Deshalb hatte das Landgericht
ausgehend von diesem Wert einen monatlichen Betrag von 262,59 € für den Zeitraum von
Dezember 2016 bis Februar 2020 einschließlich (= 10.241,01 €) und die verbliebenen
258,99 € für März 2020 zugrunde gelegt (vgl. angefochtenes Urteil S. 12).
Soweit der Kläger nun meint, dass er mit dem erstinstanzlichen Schriftsatz vom
17.07.2021 seinen Klageantrag zu 2. hilfsweise auch auf eine bis einschließlich August
2021 berechnete Entschädigung gestützt habe, ist dies dem vorgenannten Schriftsatz so
zwar nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Allerdings hat der Kläger nunmehr in seiner
Berufungsbegründung vom 13.05.2022 den Anspruch auf anteilige
Nutzungsentschädigung für die Zeit „von August 2014 bis heute“ geltend gemacht (Bl. 658
GA). Diese in der Berufungsinstanz vorgenommene Erweiterung der Klage ist trotz des
Widerspruchs der Gegenseite gemäß
Zivilprozessordnung, 34. Auflage,
Verhandlung vor dem Senat hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers dann klargestellt,
dass diese Klageerweiterung sich auf den Zeitraum bis September 2022 beziehen solle
(vgl. dazu: Verhandlungsprotokoll vom 16.02.2023). Damit war für die vorliegende
Berechnung der Zeitraum bis September 2022 einschließlich zugrunde zu legen.
cc)
Die Höhe der Entschädigung für den hälftigen Wohnwertanteil hat der erstinstanzlich
beauftragte Sachverständige Dipl.-Wirt.-Ing (FH) V. A. in seinem Gutachten vom
09.07.2018 mit 262,59 € pro Monat ermittelt. Dieser auch von dem erstinstanzlichen
Gericht in der angefochtenen Entscheidung zugrunde gelegte Wert ist von den Parteien
akzeptiert worden.
dd)
Zusätzlich zu dem vom Sachverständigen errechneten hälftigen Mietwert für die Wohnung
schuldet die Beklagte indes noch anteilige Mietkosten für den zur Wohnung gehörigen
Tiefgaragenplatz. Dabei ist es unerheblich, ob die Beklagte selbst keinen PKW besitzt und
diesen Garagenplatz die meiste Zeit gar nicht genutzt hat. Denn dieser Stellplatz gehört
als Bestandteil zu der von dem Erblasser und der Beklagten gemeinsam gekauften
Eigentumswohnung. So erwarben die Beklagte und ihr Ehemann mit notariellem Vertrag
vom 13.02.2008 nicht nur das Eigentum an der Wohnung im Obergeschoss, sondern
ausdrücklich auch das damit verbundene Sondereigentum an dem Stellplatz in der
Tiefgarage Nr. 00 des Aufteilungsplans (vgl. notarieller Kaufvertrag, Bl. 12 GA).
Folglich gehört der Stellplatz unabhängig davon, ob und wie er von der Beklagten
tatsächlich genutzt wird, zur der von ihr bewohnten Eigentumswohnung. Hierfür ist die
Hälfte des von den Parteien in erster Instanz mit 30,00 € pro Monat unstreitig gestellten
Mietwertes zu veranschlagen, also ein Betrag von 15,00 € monatlich.
Damit errechnet sich insgesamt eine von der Beklagten geschuldete monatliche
Nutzungsentschädigung von insgesamt 277,59 € (262,59 € + 15,00 €). Für den hier
maßgeblichen Zeitraum von 70 Monaten (von Dezember 2016 bis September 2022
einschließlich) sind das 19.431,30 €.
b)
Hiervon abzuziehen sind die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Ansprüche in
Höhe von insgesamt 12.675,63 €.
Dieser Betrag setzt sich aus den folgenden Positionen zusammen:
aa)
Die von der Beklagten beglichenen Beerdigungskosten und weitere
Nachlassverbindlichkeiten,
unstreitig.
Insoweit handelt es sich um die von dem erstinstanzlichen Gericht berücksichtigten
Positionen von insgesamt 8.192,21 € für Beerdigungskosten, 54,30 € für Taxikosten, 19,73
€ Kosten für Kompressionsstrümpfe und 144,00 € verauslagte Kosten für ein Geschenk für
den Arzt J. (s. dazu erstinstanzliches Urteil S. 20).
Soweit die Beklagte nunmehr höhere Beerdigungskosten von 9.474,11 € geltend macht
(vgl. hierzu: Berufungserwiderung, Bl. 731 GA), sind diese nicht weiter belegt worden. Im
Übrigen kann die Beklagte hiermit nicht gehört werden, da sie selbst keine
Anschlussberufung eingelegt hat.
bb)
Der Pflichtteilsanspruch der Beklagten als Ehefrau des Erblassers ist mit einem Betrag von
4.265,39 € anzusetzen.
Die Höhe dieses für den Pflichtteilsanspruch gemäß § 2303 II 1, 2317 BGB anzusetzenden
Betrages ist zwischen den Parteien unstreitig (vgl. dazu: Bl. 660, 732 GA)
cc)
Dies ergibt die folgende Berechnung:
Ansprüche des Klägers:
Verkauf Wohnwagen 2.900,00 €
Auflösung Girokonto 697,26 €
Nutzungsentschädigung 19.431,30 €
Insgesamt 23.028,56 €
Ansprüche der Beklagten:
Pflichtteil 4.265,39 €
Beerdigungskosten 8.410,24 €
Insgesamt 12.675,63 €
Gesamtberechnung
Ansprüche Kläger 23.028,56 €
Ansprüche Beklagte -12.675,63 €
Insgesamt 10.352,93 €
Danach hat der Kläger einen Anspruch in Höhe von 10.352,93 € gegen die Beklagte. Nach
Abzug der bereits von dem Landgericht zugesprochenen 1.421,63 € ergibt das den
ausgeurteilten Betrag in Höhe von 8.931,30 €.
dd)
Die mit dem Berufungsantrag zu 2. beantragten Rechtshängigkeitszinsen,
konnten erst ab dem 23.05.2022 bzw. für die erst danach geschuldeten
Nutzungsentschädigungen erst ab dem jeweiligen Fälligkeitsdatum zugesprochen werden.
Der Kläger hat erstmalig in seiner Berufungsbegründung hinreichend klargestellt, dass der
Klageanspruch insgesamt auch auf die anteilige Nutzungsentschädigung „bis heute“
gestützt werde (vgl. Bl. 658 GA). Damit ist der nun zugesprochene Betrag, der letztendlich
aus der Höhe der nun geltend gemachten, weiteren Nutzungsentschädigungen resultiert,
erst mit Zustellung dieses Schriftsatzes am 23.05.2022 (Bl. 662a GA) rechtshängig
geworden. Zinsen für die geschuldeten weiteren Entschädigungen konnten somit erst ab
dem 24.05.2022 und für die Monate Juni 2022 bis September 2022 erst ab dem jeweiligen
Fälligkeitsdatum zugesprochen werden. Hinsichtlich der jeweiligen Fälligkeit hat sich der
Senat an der mietrechtlichen Regelung des
III.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die dafür maßgeblichen
Voraussetzungen des § 543 II 1 ZPO nicht vorliegen. Das Urteil stellt eine
Einzelfallentscheidung dar, die auf Vorgaben einer gefestigten Rechtsprechung beruht. Die
Rechtssache besitzt weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des
Bundesgerichtshofs zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung erforderlich.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:09.03.2023
Aktenzeichen:10 U 28/22
Rechtsgebiete:
Erbvertrag
Gemeinschaftliches Testament
Sachenrecht allgemein
Erbenhaftung
Allgemeines Schuldrecht
Erbeinsetzung, Vor- und Nacherbfolge
Pflichtteil
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
BGB §§ 2079, 2283 Abs. 1, 2287