Voraussetzungen der Ausübung eines Vorkaufsrechts; Genehmigung des Erstkaufvertrags; Aufhebung des Erstkaufvertrags vor Erteilung der Genehmigung; keine Vereitelung eines siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch Aufhebung nach Zugang der Mitteilung über die Ausübung
letzte Aktualisierung: 5.6.2025
BGH, Urt. v. 11.4.2025 – V ZR 194/23
BGB §§ 463, 177, 84; RSiedlG §§ 4, 6 Abs. 1 S. 3
Voraussetzungen der Ausübung eines Vorkaufsrechts; Genehmigung des Erstkaufvertrags;
Aufhebung des Erstkaufvertrags vor Erteilung der Genehmigung; keine Vereitelung eines
siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts durch Aufhebung nach Zugang der Mitteilung über
die Ausübung
1. Das Recht zur Ausübung des Vorkaufsrechts setzt das Zustandekommen eines rechtswirksamen
Kaufvertrags voraus. Letzteres ist erst dann der Fall, wenn auch die für die Wirksamkeit des
Vertrags erforderlichen Genehmigungen erteilt sind. Nur bis zu diesem Zeitpunkt können Verkäufer
und Käufer das Vorkaufsrecht gegenstandslos machen, indem sie den Kaufvertrag aufheben.
2a. Ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG kann nicht dadurch vereitelt werden,
dass Verkäufer und Käufer den Vertrag nach dem Zugang der Mitteilung über die Ausübung des
Vorkaufsrechts aufheben.
2b. Wird der Kaufvertrag durch Vertreter ohne Vertretungsmacht vor Zugang der Mitteilung über
die Ausübung des Vorkaufsrechts aufgehoben und genehmigen Verkäufer und Käufer die Vertragsaufhebung
erst danach, entfällt hierdurch nicht rückwirkend das bereits ausgeübte Vorkaufsrecht des
Siedlungsunternehmens.
Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht meint, das Vorkaufsrecht der Beklagten nach § 4
RSiedlG sei infolge der Vertragsaufhebung gegenstandslos geworden. Der Vorkaufsfall
werde nur durch einen gültigen Vertrag ausgelöst; ein solcher habe zum
Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht mehr vorgelegen. Der Aufhebungsvertrag
sei zwar zunächst wegen fehlender Vertretungsmacht schwebend
unwirksam gewesen. Die Genehmigungserklärungen der Vertragsparteien vom
3. und 4. Juli 2018 wirkten aber gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der
Vornahme des Rechtsgeschäfts am 26. Juni 2018 zurück. Das Vorkaufsrecht sei
erst danach durch die Mitteilung der Genehmigungsbehörde am 28. Juni 2018
ausgeübt worden. Der Vorkaufsberechtigte habe keinen Anspruch auf den Eintritt
des Vorkaufsfalles. Daher könnten die Vertragsparteien den Vertrag in der
Schwebezeit, also bis zur Genehmigungserteilung, noch einvernehmlich aufheben.
§ 184 Abs. 2 BGB sei nicht analog anwendbar, weil die Beklagte nicht
schutzbedürftig sei. Sinn und Zweck des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts
stünden einer Aufhebung des Kaufvertrags nicht entgegen, denn die Agrarstruktur
bleibe unverändert, zumal die Grundstücke an einen Landwirt verpachtet
seien. Schließlich handele es sich auch nicht um ein unzulässiges Umgehungsgeschäft.
Die Kläger und die Käuferin hätten den Kaufvertrag zwar in Kenntnis
des von der Beklagten ausgeübten Vorkaufsrechts aufgehoben, damit aber nicht
treuwidrig gehandelt, sondern lediglich von einem ihnen zustehenden Recht Gebrauch
gemacht.
II.
Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Allerdings legt das Berufungsgericht den zutreffenden Prüfungsmaßstab
zugrunde.
a) Wird ein landwirtschaftliches Grundstück in Größe von zwei Hektar aufwärts
durch Kaufvertrag veräußert, so hat das gemeinnützige Siedlungsunternehmen,
in dessen Bezirk die Hofstelle des Betriebes liegt, das Vorkaufsrecht,
wenn die Veräußerung einer Genehmigung nach dem Grundstückverkehrsgesetz
(GrdstVG) bedarf und die Genehmigung nach § 9 GrdStVG nach Auffassung
der Genehmigungsbehörde zu versagen wäre (§ 4 Abs. 1 RSiedlG). Ein solches
Vorkaufsrecht wird nicht durch eine Erklärung gegenüber dem Verpflichteten
ausgeübt, wie es dem Normalfall des § 464 Abs. 1 Satz 1 BGB entspricht. Vielmehr
hat der Gesetzgeber die Ausübung des Vorkaufsrechts in das Genehmigungsverfahren
nach dem Grundstückverkehrsgesetz eingebunden. Liegen
nach Ansicht der Genehmigungsbehörde, die über einen nach dem Grundstückverkehrsgesetz
genehmigungsbedürftigen Vertrag (vgl. § 2 GrdstVG) zu entscheiden
hat, die Voraussetzungen vor, unter denen das Vorkaufsrecht nach § 4
RSiedlG ausgeübt werden kann, so hat die Genehmigungsbehörde nach § 12
GrdstVG, bevor sie über den Antrag auf Genehmigung entscheidet, den Vertrag
der Siedlungsbehörde zur Herbeiführung einer Erklärung über die Ausübung des
Vorkaufsrechts durch die vorkaufsberechtigte Stelle vorzulegen. Die Erklärung
des Vorkaufsberechtigten über die Ausübung des Vorkaufsrechts ist über die
Siedlungsbehörde der Genehmigungsbehörde, die ihr den Kaufvertrag vorgelegt
hat, zuzuleiten (
das Vorkaufsrecht sodann dadurch ausgeübt, dass die Genehmigungsbehörde
diese Erklärung dem Verpflichteten mitteilt; damit gilt für das Rechtsverhältnis
zwischen dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten die Veräußerung als genehmigt.
b) Die Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts hat nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine doppelte Funktion. Zum einen enthält
sie im Rechtsverhältnis zwischen den Parteien des ursprünglichen Kaufvertrags
einen Verwaltungsakt, mit dem die Genehmigungsbehörde die Genehmigung
dieses Kaufvertrages in modifizierter Form versagt; dieser Verwaltungsakt
kann (nur) im Einwendungsverfahren gemäß
überprüft werden. Dabei sind die Landwirtschaftsgerichte auf die
Prüfung beschränkt, ob die Veräußerung der Genehmigung nach § 2 GrdstVG
bedurfte und ob diese nach
durch die Mitteilung der Genehmigungsbehörde im Rechtsverhältnis zwischen
dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten (Siedlungsunternehmen) das Vorkaufsrecht
ausgeübt. Ob in diesem Verhältnis ein Vorkaufsrecht besteht und ob
gemäß
zustande gekommen ist, wird ausschließlich in einem zwischen dem Verkäufer
und dem Siedlungsunternehmen zu führenden Zivilprozess geklärt (vgl.
BGH, Beschluss vom 28. April 2017 - BLw 2/16,
Beschluss vom 10. Mai 2019 - BLw 1/18,
für den ursprünglichen Kaufvertrag versagt wird, berührt die Wirksamkeit
der Ausübung des Vorkaufsrechts nicht. Denn mit dem Zugang des Bescheids
der Genehmigungsbehörde gilt für das Rechtsverhältnis zwischen dem
Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten der (ursprüngliche) Kaufvertrag als genehmigt
(§ 6 Abs. 1 Satz 3 RSiedlG). Damit wird die Gültigkeit des Vertrags, die
Voraussetzung für die Ausübung des Vorkaufsrechts ist, gesetzlich fingiert (vgl.
BGH, Beschluss vom 25. April 2008 - BLw 22/07, juris Rn. 7); auch steht es der
Ausübung des Vorkaufsrechts nicht entgegen, wenn über eine nach anderen Gesetzen
erforderliche Genehmigung noch nicht entschieden ist (§ 6 Abs. 3
RSiedlG).
c) Auf dieser Grundlage prüft das Berufungsgericht im Rahmen der Begründetheit
der negativen Feststellungsklage zu Recht, ob die Aufhebung des
Kaufvertrages der Ausübung eines siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts entgegensteht.
2. Seine Auffassung, dass dies der Fall und deshalb der Klage stattzugeben
sei, ist aber von Rechtsfehlern beeinflusst.
a) Richtig ist allerdings, dass ein Vorkaufsrecht grundsätzlich das Zustandekommen
eines rechtswirksamen Kaufvertrags voraussetzt. § 463 BGB, der sowohl
für vertraglich begründete Vorkaufsrechte als auch - aufgrund einer Verweisung
- für gesetzliche Vorkaufsrechte (z.B. nach § 2034 BGB [Miterben], § 577
BGB [Mieter],
Vorkaufsrechte (§ 1098 BGB) gilt, knüpft das Entstehen des Rechts zur Ausübung
des Vorkaufsrechts an das Zustandekommen eines rechtswirksamen
Kaufvertrags (Vorkaufsfall). Letzteres ist nach der ständigen Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs erst dann der Fall, wenn auch die für die Wirksamkeit
des Vertrags erforderlichen Genehmigungen erteilt sind. Nur bis zu diesem Zeitpunkt
können Verkäufer und Käufer das Vorkaufsrecht gegenstandslos machen,
indem sie den Kaufvertrag aufheben. Der Vorkaufsberechtigte hat kein Recht auf
den Eintritt des Vorkaufsfalls. Liegen die Voraussetzungen für die Ausübung des
Vorkaufsrechts aber erst einmal vor, ist das daraus erwachsene Gestaltungsrecht
des Vorkaufsberechtigten in seinem rechtlichen Fortbestand grundsätzlich
unabhängig von dem rechtlichen Schicksal des Kaufverhältnisses zwischen dem
Vorkaufsverpflichteten und dem Dritten (vgl. nur Senat, Urteil vom 11. Februar
1977 - V ZR 40/75,
(=
Rn. 20 - dingliches Vorkaufsrecht).
b) Handelt es sich bei dem Vorkaufsrecht um ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht
nach § 4 RSiedlG, gelten hinsichtlich des Zeitpunkts, bis zu dem die
Kaufvertragsparteien das Vorkaufsrecht durch Aufhebung des Vertrages gegenstandslos
machen können, Besonderheiten.
aa) Die Vorschrift des § 463 BGB wird in der Verweisungsnorm des § 8
RSiedlG nicht in Bezug genommen. Dies beruht auf der Verknüpfung der Ausübung
des Vorkaufsrechts mit dem Genehmigungsverfahren nach dem Grundstückverkehrsgesetz
(vgl. oben Rn. 6 f.). Obwohl der Kaufvertrag ohne die nach
dem Grundstückverkehrsgesetz erforderliche Genehmigung schwebend unwirksam
ist, ermöglichen die §§ 4 und 6 RSiedlG die Ausübung des Vorkaufsrechts
im Hinblick auf einen schwebend unwirksamen Kaufvertrag (zutreffend
Bühler/Schmitt,
das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht eines tauglichen Anknüpfungsgegenstands
bedarf. Der ursprüngliche Vertrag muss (nur) im Rechtsverhältnis zwischen
dem Verkäufer und dem Vorkaufsberechtigten aufrechterhalten bleiben,
damit das Vorkaufsrecht überhaupt ausgeübt werden kann und diesem nicht der
Boden entzogen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2017 - BLw 2/16, NJWRR
2017, 1228 Rn. 21). Während durch die Mitteilung der Ausübung des siedlungsrechtlichen
Vorkaufsrechts die Genehmigung des Kaufvertrags versagt
wird, gilt der Kaufvertrag in dem Rechtsverhältnis zwischen dem Verkäufer und
dem Vorkaufsberechtigten als genehmigt (§ 6 Abs. 1 Satz 3 RSiedlG).
bb) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erlangt
das Siedlungsunternehmen zu diesem Zeitpunkt eine bereits verfestigte Rechtsposition,
die weder die Vertragsparteien noch die Genehmigungsbehörde selbst
diesem wieder entziehen können. Ein siedlungsrechtliches Vorkaufsrecht nach
§ 4 RSiedlG kann deshalb nicht dadurch vereitelt werden, dass Verkäufer und
Käufer den Vertrag nach dem Zugang der Mitteilung über die Ausübung des Vorkaufsrechts
aufheben. Dabei kann dahinstehen, ob der entsprechend § 505
Abs. 2 BGB zwischen dem Siedlungsunternehmen und dem Verkäufer zustande
gekommene Kaufvertrag bereits voll wirksam ist und erst im landwirtschaftsgerichtlichen
Verfahren nach
er im Fall der Erhebung von Einwendungen erst mit deren rechtskräftiger Zurückweisung
seine volle Wirksamkeit erlangt. Jedenfalls verschafft ein durch Ausübung
des Vorkaufsrechts entstandener, im Falle der Erhebung von Einwendungen
bis zu deren rechtskräftiger Bescheidung „schwebend unwirksamer“ Kaufvertrag
dem Siedlungsunternehmen gegenüber den Kaufvertragsparteien eine
stärkere Rechtsposition im Vergleich zu dem Zustand, der vor der Mitteilung der
Ausübung des Vorkaufsrechts bestanden hat (vgl. BGH, Beschluss vom
13. Mai 1982 - V BLw 8/81,
auslösenden Kaufvertrages können nach Zugang der Mitteilung der Vorkaufsrechtsausübung
den Genehmigungsantrag nach dem Grundstückverkehrsgesetz
nicht mehr zurücknehmen, sie können von diesem Zeitpunkt an auch den
Vertrag nicht mehr zum Nachteil des Siedlungsunternehmens aufheben oder abändern.
Das Siedlungsunternehmen ist also vor einseitiger Vereitelung des Vorkaufsrechtes
durch die Partner des Kaufvertrages geschützt (vgl. BGH, Beschluss
vom 4. Februar 1964 - V BLw 31/63,
vom 13. Mai 1982 - V BLw 8/81,
2006 - BLw 11/06, juris Rn. 19).
c) Damit hängt der Erfolg der negativen Feststellungsklage davon ab, ob
die nachträgliche Genehmigung der vor Zugang der Mitteilung über die Ausübung
des Vorkaufsrechts erfolgten Vertragsaufhebung durch vollmachtlose Vertreter
Rückwirkung entfaltet und das ausgeübte siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht
gegenstandslos macht. Dies nimmt das Berufungsgericht rechtsfehlerhaft
an.
aa) Hierfür kann dahinstehen, ob - wie die Revision meint - die Aufhebung
des Kaufvertrags nach § 465 BGB, der nach
rechtliche Vorkaufsrecht anwendbar ist, gegenüber der Beklagten als Vorkaufsberechtigte
unwirksam ist. Das Berufungsgericht verneint ein unzulässiges Umgehungsgeschäft,
ohne sich allerdings näher mit den Voraussetzungen der Vorschrift
und dem Anwendungsbereich auseinanderzusetzen (vgl. hierzu etwa
BeckOK BGB/Faust [1.2.2025], § 465 Rn. 2, 4; MüKoBGB/Maultzsch, 9. Aufl.,
§ 465 Rn. 3).
bb) Anders als das Berufungsgericht meint, wirkt sich jedenfalls die Genehmigung
des Aufhebungsvertrages auf die von der Beklagten bereits zuvor
erlangte Rechtsposition nicht aus.
(1) Richtig ist zwar, dass die Vertragsparteien den Kaufvertrag rückwirkend
zum 26. Juni 2018 aufgehoben haben. Der zunächst von Vertretern ohne
Vertretungsmacht geschlossene und deshalb nach
unwirksame Aufhebungsvertrag ist nachträglich wirksam geworden. Die Genehmigungserklärungen
vom 3. und 4. Juli 2018 wirken im Grundsatz gemäß § 184
Abs. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Vornahme des Rechtsgeschäfts, hier den Abschluss
des Aufhebungsvertrags am 26. Juni 2018, zurück. Ausgeübt wurde das
Vorkaufsrecht erst danach, nämlich durch den Zugang des Bescheides der Genehmigungsbehörde
an die Kläger am 28. Juni 2018.
(2) Das Vorkaufsrecht der Beklagten bleibt davon aber unberührt. Wird der
Kaufvertrag durch Vertreter ohne Vertretungsmacht vor Zugang der Mitteilung
über die Ausübung des Vorkaufsrechts aufgehoben und genehmigen Verkäufer
und Käufer die Vertragsaufhebung erst danach, entfällt hierdurch nicht rückwirkend
das bereits ausgeübte Vorkaufsrecht des Siedlungsunternehmens. Für den
Schutz des vorkaufsberechtigten Siedlungsunternehmens spielt es keine Rolle,
ob der ursprüngliche Kaufvertrag nach der Ausübung des Vorkaufsrechts für die
Zukunft oder rückwirkend aufgehoben wird. Eine Rückwirkung zu Lasten des
Siedlungsunternehmens scheidet in entsprechender Anwendung des § 184
Abs. 2 BGB aus.
(a) Im unmittelbaren Anwendungsbereich dieser Norm werden durch die
in Abs. 1 angeordnete Rückwirkung Verfügungen nicht unwirksam, die vor der
Genehmigung über den Gegenstand des Rechtsgeschäfts von dem Genehmigenden
getroffen worden oder im Wege der Zwangsvollstreckung oder der Arrestvollziehung
oder durch den Insolvenzverwalter erfolgt sind. Um eine solche
Verfügung geht es bei der Ausübung eines Vorkaufsrechts nicht. Die Vorschrift
ist aber anerkanntermaßen entsprechend anzuwenden, wenn aufgrund gesetzlicher
Anordnung zu Lasten des Zustimmungsberechtigten Rechte Dritter entstanden
sind und der Sinn und Zweck der jeweiligen Entstehungsnorm den uneingeschränkten
Fortbestand dieser Rechte gebietet (vgl. etwa BeckOGK/Regenfus,
BGB [1.2.2025], § 184 Rn. 110; MüKoBGB/Bayreuther, 10. Aufl., § 184 Rn. 43;
Staudinger/Klumpp, BGB [2024], § 184 Rn. 142; jeweils mwN). Dies trifft auch
auf das gesetzliche Vorkaufsrecht nach § 4 RSiedlG zu. Wie oben ausgeführt
(vgl. Rn. 13), erlangt das Siedlungsunternehmen mit der Mitteilung über die Ausübung
des Vorkaufsrechts eine bereits verfestigte Rechtsposition, die durch die
Vertragsparteien nicht mehr beeinträchtigt werden kann. Dies wäre aber der Fall,
wenn der Genehmigung auch im Verhältnis zwischen dem Verkäufer und dem
Vorkaufsberechtigten Rückwirkung zukäme.
(b) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist die Rechtsstellung des
Vorkaufsberechtigten bei einer nachträglichen Genehmigung der Aufhebung des
Kaufvertrags schutzwürdig. Zutreffend ist zwar, dass mit der Aufhebung des
Kaufvertrags das Bedürfnis für eine Abwehr von Gefahren für die Agrarstruktur
entfällt; denn wenn der Kaufvertrag wegfällt oder nicht durchgeführt wird, bleibt
die Agrarstruktur im Ergebnis unverändert (so auch Schulte,
119). Ob Gefahren für die Agrarstruktur bestehen und durch das siedlungsrechtliche
Vorkaufsrecht abzuwehren sind, ist nach dem Sinn und Zweck des § 4
RSiedlG aber bereits zum Zeitpunkt der Ausübung des Vorkaufsrechts zu beurteilen
(näher BGH, Beschluss vom 24. November 2006 - BLw 11/06, juris
Rn. 12 ff.). Entschließen sich die Vertragsparteien erst danach, einen zuvor
durch Vertreter ohne Vertretungsmacht geschlossenen Aufhebungsvertrag zu
genehmigen, lässt dies die bereits entstandene Rechtsposition des Siedlungsunternehmens
nicht nachträglich entfallen. Sähe man dies anders, müsste man
auch eine einvernehmliche Aufhebung des Kaufvertrages nach Ausübung des
Vorkaufsrechts als gegenüber dem vorkaufsberechtigten Siedlungsunternehmen
wirksam ansehen, was aber einhellig abgelehnt wird (vgl. oben Rn. 13).
(3) Die ursprünglichen Kaufvertragsparteien und insbesondere der Verkäufer
werden hierdurch nicht unangemessen benachteiligt. Zwar wird der Verkäufer
zu einem Verkauf an das Siedlungsunternehmen gezwungen, obwohl er
seine Veräußerungsabsicht zwischenzeitlich aufgegeben hat. Seine Interessen
werden aber gefestigter höchstrichterlichen Rechtsprechung zufolge dadurch geschützt,
dass er nicht durch die Mitteilung über die Ausübung des gesetzlichen
Vorkaufsrechts überrascht werden darf. Im Wege einer verfahrensleitenden Verfügung
muss die Genehmigungsbehörde dem Veräußerer nach § 6 Abs. 1 Satz 2
GrdstVG einen Zwischenbescheid erteilen, aus dem sich die Absicht ergibt, den
Vertrag der Siedlungsbehörde vorzulegen, um eine Erklärung über die Ausübung
des Vorkaufsrechts nach
hat eine Warnfunktion; unterbleibt er, ist das Vorkaufsrecht wegen des darin liegenden
Verfahrensfehlers nicht wirksam ausgeübt (näher BGH, Beschluss vom
10. Mai 2019 - BLw 1/18,
bescheid können die Vertragsparteien zum Anlass nehmen, den Antrag zurückzuziehen
und der drohenden Ausübung des Vorkaufsrechts auf diese Weise die
Grundlage zu entziehen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Mai 2019 - BLw 1/18, aaO
Rn. 19). Machen sie hiervon jedoch - wie hier - keinen Gebrauch und wird in der
Folge das Vorkaufsrecht ausgeübt, ist es nicht unbillig, der bereits verfestigten
Rechtsposition des Siedlungsunternehmens den Vorrang gegenüber den Interessen
des Verkäufers an einer Vertragsaufhebung einzuräumen.
3. Die Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig
dar (
Vorkaufsrecht ist im Zivilprozess zwischen dem Verkäufer und dem Siedlungsunternehmen
und nicht im Einwendungsverfahren nach
ob die gesetzliche Größengrenze des § 4 Abs. 1 RSiedlG erreicht ist (vgl. BGH,
Beschluss vom 20. April 2017 - BLw 2/16,
Verweis auf BT-Drucks. 3/2635 S. 15 f.). Dies ist hier der Fall. Zwar beträgt die
hierfür erforderliche Mindestgröße grundsätzlich zwei Hektar, diese Größe erreicht
nur das eine Flurstück (2,3695 ha), während das andere Flurstück eine
Größe von lediglich 1,4272 ha aufweist. Nach der auf der Grundlage von § 4
Abs. 4 RSiedlG erlassenen Hessischen Verordnung zur Ausführung des Reichssiedlungsgesetzes
vom 18. November 2002 (GVBl I 2002, S. 689) hat das Land
Hessen aber die Mindestgröße der Grundstücke, die dem Vorkaufsrecht nach § 4
Abs. 1 RSiedlG unterliegen, auf 0,5 ha festgesetzt. Deshalb kommt es nicht darauf
an, ob die verkauften Flächen ein einheitliches Grundstück im wirtschaftlichen
Sinn bilden und deshalb zusammenzurechnen sind (vgl. hierzu BGH,
Beschluss vom 9. Mai 1985 - BLw 9/84,
III.
1. Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben; er ist
aufzuheben (
weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur
Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Da das siedlungsrechtliche Vorkaufsrecht
wirksam ausgeübt worden ist, ist die negative Feststellungsklage abzuweisen.
Hiervon bleibt das von den Klägern zusätzlich eingeleitete Einwendungsverfahren
nach
in diesem Verfahren und dem Zivilprozess (vgl. oben Rn. 7) kann
das in einem Zivilprozess erfolgreiche Siedlungsunternehmen seine Rechtsstellung
als Vorkaufsberechtigter wieder verlieren, wenn in dem Verfahren nach § 10
RSiedlG der Bescheid über die Ausübung des siedlungsrechtlichen Vorkaufsrechts
aufgehoben wird.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:11.04.2025
Aktenzeichen:V ZR 194/23
Rechtsgebiete:
Stiftung
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Erbteilsveräußerung
Öffentliches Baurecht
Vorkaufsrecht schuldrechtlich, Wiederkauf
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Sonstiges Öffentliches Recht
BGB §§ 463, 177, 84; RSiedlG §§ 4, 6 Abs. 1 S. 3