Erteilung eines neuen Grundpfandrechtsbriefs; Zugang beim Gläubiger nicht feststellbar
letzte Aktualisierung: 15.3.2023
OLG Hamm, Beschl. v. 3.1.2023 – 15 W 395/21
GBO §§ 60, 67
Erteilung eines neuen Grundpfandrechtsbriefs; Zugang beim Gläubiger nicht feststellbar
Zu den Voraussetzungen für die Erteilung eines neuen Grundpfandrechtsbriefs in dem Fall, dass der
Brief vom Grundbuchamt abgesandt worden ist, aber ein Zugang beim Gläubiger nicht feststellbar
ist.
Gründe:
I.
Als Eigentümer des eingangs genannten Grundbesitzes sind zu je ½ Anteil der Beteiligte
zu 1) und die zwischenzeitlich verstorbene Frau A im Grundbuch eingetragen.
In der notariellen Urkunde vom 11.12.2008 (UR-Nr. 780/2008 der Notarin E mit Amtssitz in
F) bewilligten und beantragten der Beteiligte zu 1) und die verstorbenen Frau A die
Eintragung einer Gesamtgrundschuld in Höhe von 92.100,00 € nebst 18 % Jahreszinsen
zugunsten der Beteiligten zu 3), die damals noch unter B AG firmierte, an den im
Bestandsverzeichnis unter lfd. Nr. 3 und Nr. 4 verzeichneten Grundstücken. Sie
beantragten gegenüber dem Grundbuchamt, der Beteiligten zu 3) den Grundschuldbrief
direkt auszuhändigen.
In Abt. III des o.g. Grundbuchs wurde am 16.02.2009 unter lfd. Nr.4 zugunsten der B AG in
C eine dem Inhalt der Urkunde entsprechende Gesamtgrundschuld zugunsten der
Beteiligten zu 3) eingetragen.
Am selben Tag verfügte die Rechtspflegerin, dass der Gesamtgrundschuldbrief zu dem
Recht Abt. III lfd. Nr. 4 herzustellen und an die Gläubigerin gegen Empfangsbekenntnis zu
übersenden sei. Die Verfügung trägt einen Erledigungsvermerk vom 17.02.2009. Zudem
befindet sich in der Akte ein Ausdruck des am 17.02.2009 erteilten Grundschuldbriefes,
auf dem die laufende Nummer des amtlich ausgegebenen Vordrucks handschriftlich
vermerkt ist. Diese lautet: 17626601. Auf den Ausdruck auf Bl. 61 der Grundakte wird
Bezug genommen. Ein Empfangsbekenntnis ist in der Akte nicht enthalten. Bereits mit
einem an Notar D gerichteten Schreiben vom 06.05.2010 teilte die Beteiligte zu 3) mit,
dass sie den Grundschuldbrief nicht erhalten habe.
Nachdem die Beteiligte zu 3) zunächst selbst die Erteilung eines weiteren Briefes begehrt
hatte, forderte sie dann anwaltlich vertreten mit Schreiben vom 30.07.2020 ausdrücklich
zur Übersendung des ursprünglich hergestellten Grundschuldbriefes auf, der nicht
zugegangen sei. Das Grundbuchamt wies mit Schreiben vom 13.08.2020 darauf hin, dass
ausweislich der Akte ein Grundschuldbrief erstellt und an die Beteiligte zu 3) versandt
worden sei. Es sei davon auszugehen, dass dieser auf dem Postweg verloren gegangen
sei. Schon aus diesem Grund sei die Übersendung des ursprünglichen Briefes nicht
möglich. Ein neuer Brief könne nur auf Antrag des Berechtigten erteilt werden, wenn ein
entsprechender Ausschließungsbeschluss vorgelegt werde (
von der Beteiligten zu 3) eingeleitetes Aufgebotsverfahren wurde mangels Einzahlung des
Kostenvorschusses nicht durchgeführt.
Unter Bezugnahme auf das Schreiben des Grundbuchamtes vom 13.08.2020 beantragte
die Beteiligte zu 3) am 07.09.2021 eine förmliche Entscheidung über die erneute
Übersendung eines Grundschuldbriefes.
Mit Beschluss vom 06.10.2021 hat das Amtsgericht den Antrag der Beteiligten zu 3) vom
07.09.2021 auf Erteilung eines neuen Briefes für die in Abt. III lfd. Nr. 4 eingetragene
Grundschuld kostenpflichtig zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dass die
Voraussetzungen für die Erteilung eines neuen Briefes nach
weder der Grundpfandrechtsbrief noch ein rechtskräftiger Ausschließungsbeschluss
vorgelegt worden seien. Hinsichtlich der weiteren Ausführungen wird auf den Beschluss
vom 06.10.2021 (Bl. 140 ff. d.A.) Bezug genommen.
Mit Schreiben vom 20.10.2021 hat die Beteiligte zu 3) gegen den Beschluss Beschwerde
eingelegt und beantragt, ihr einen Grundschuldbrief zu erteilen, und zwar entweder den
ursprünglich erstellten oder einen neuen Brief. Ihr sei das Recht eingeräumt worden, sich
den Grundschuldbrief unmittelbar vom Grundbuchamt aushändigen zu lassen. Der erste
vom Grundbuchamt erstellte Brief sei ihr jedoch niemals ausgehändigt worden. Die
vorliegende Vereinbarung nach
GBO erfülle die Voraussetzungen für die Aushändigung des Grundpfandrechtsbriefs an
sie. Eine ordnungsgemäße Aushändigung sei nicht erfolgt. Der Vermerk der
Geschäftsstelle, dass der Brief gegen Empfangsbekenntnis abgesandt worden sei,
erbringe den notwendigen Beweis nicht. Erforderlich wäre gewesen nach § 26 GBGA
NRW ein Zustellungsnachweis (Übergabe Einschreiben gegen Rückschein oder förmliche
Zustellung), der jedoch nicht vorliege. Dementsprechend stehe ihr nach wie vor ein
Anspruch auf Aushändigung des Briefes zu.
Mit Beschluss vom 25.10.2021 hat das Grundbuchamt der Beschwerde vom 20.20.2021
nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 04.08.2022 hat der Senat der Beteiligten zu 3) seine Rechtsauffassung
mitgeteilt. Auf die Ausführungen diesem Schreiben wird Bezug genommen (Bl. 157 ff.
d.A.). Weiterhin hat der Senat den Beteiligten zu 1) und die mittlerweile verstorbene Frau A
angehört.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in der Sache nicht begründet.
1.
Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Grundbuchamtes vom 06.10.2021 ist nach §
71 Abs. 1 GBO statthaft. Die Beteiligte zu 3) ist auch beschwerdeberechtigt, weil sie in
ihrer Rechtsstellung durch die ablehnende Entscheidung des Grundbuchamtes
beeinträchtigt wäre, wenn ihr ein öffentlich-rechtlicher Anspruch auf Aushändigung des
Briefes nach
zustünde. Sie kann ihren etwaigen öffentlich-rechtlichen Anspruch im
Beschwerdeverfahren verfolgen (Demharter, GBO, 32. Auflage 2021, § 60 Rn. 14). Die
Beschwerde ist auch formgerecht bei dem zuständigen Gericht eingelegt worden (§ 73
GBO).
2.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil der Beteiligten zu 3) weder ein öffentlichrechtlicher
Anspruch auf Herausgabe des ursprünglich erstellten Briefes gemäß § 60 Abs.
2 BGB noch ein Anspruch auf Erteilung eines neuen Briefes nach 67 GBO zusteht.
a)
Der Beteiligten zu 3) steht kein Anspruch nach
ursprünglich erstellten Briefes mehr zu, weil die Herausgabe des ursprünglich erstellten
Grundschuldbriefes mit der Nr. 17626601 unmöglich geworden ist.
Allerdings ist die Beteiligte zu 3) ursprünglich Gläubigerin des öffentlich-rechtlichen
Herausgabeanspruchs (
Herausgabeanspruch dadurch erworben, dass der Beteiligte zu 1) und die zwischenzeitlich
verstorbene Frau A in der Bestellungsurkunde vom 11.12.2008 (UR-Nr. 780/2008 der
Notarin E mit Amtssitz in F) bestimmt haben, dass der Grundschuldbrief abweichend von §
60 Abs. 1 GBO unmittelbar an die Grundschuldgläubigerin ausgehändigt werden soll.
Hierdurch ist der öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch auf die Beteiligte zu 3)
übertragen worden (vgl. Kral in: Hügel, BeckOK GBO, 47. Edition, Stand: 30.09.2022, § 60
Rn. 11).
Dieser der Beteiligten zu 3) zustehende öffentlich-rechtliche Herausgabeanspruch ist
mangels eines nachweisbaren Zugangs des Grundschuldbriefes bei ihr auch nicht durch
Aushändigung erloschen.
Die in
Übergabe an der Amtsstelle oder gem.
Übersendung per Post erfolgen (Kral in: Hügel, BeckOK GBO, 47. Edition, Stand
30.09.2022, § 60 Rn. 22). Die Aushändigung durch Übersendung per Post ist erst dann
erfolgt, wenn der Brief tatsächlich in den Besitz des Empfängers gelangt. Der Begriff der
Aushändigung ist insoweit gleichbedeutend mit Übergabe im Sinne von § 1117 Abs. 1
BGB. Denn bei der Übergabe des Grundschuldbriefes durch das Grundbuchamt an den
Gläubiger handelt es sich um eine besondere Form des Geheißerwerbs (Wolfsteiner in:
Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 1117 Rn. 10). Die Aushändigung setzt daher
insbesondere einen vollständigen Besitzverlust auf Seiten des Grundbuchamtes und einen
Besitzerwerb auf Seiten des Gläubigers voraus (vgl. zur Übergabe nach § 1117 Abs. 1
BGB: Kern in: BeckOGK BGB, Stand: 01.11.2022, § 1117 Rn. 11). Ein Nachweis des
Besitzerwerbs seitens der Beteiligten zu 3), der gem. § 26 Abs. 1 Satz 1 GBGA NRW zu
den Grundakten zu nehmen ist, fehlt vorliegend jedoch. Ein Besitzerlangung seitens der
Beteiligten zu 3) an dem Grundschuldbrief und damit die Erfüllung ihres
Aushändigungsanspruchs ist infolgedessen nicht feststellbar.
Der Anspruch der Beteiligten zu 3) auf Aushändigung des ursprünglich erstellten Briefes
mit der Nr. 17626601 ist jedoch unmöglich geworden.
Der Anspruch der Beteiligten zu 3) auf Aushändigung des Grundschuldbriefes hat sich
spätestens mit der Aufgabe zur Post auf den vom Grundbuchamt erstellten Brief mit der
Nr. 17626601 konkretisiert, weil hierdurch erstmalig ein Grundschuldbrief erteilt wurde. Die
Erteilung eines neuen Briefes ist nur unter den Voraussetzungen des
Das insoweit maßgebliche Abgrenzungskriterium für die Anwendung der beiden Normen
ist die Frage der Brieferteilung, weil
erstmalig erteilten Briefes betrifft (vgl. Wagner in: Meikel, GBO, 11. Auflage 2015, § 68 Rn.
23), während die Erteilung eines neuen Briefs speziell in
besonderen Voraussetzungen abhängig ist.
Was unter „Erteilung“ eines Briefes konkret zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht definiert.
Nach Auffassung des Senats ist unter Brieferteilung die Herstellung und das willentliche
Inverkehrbringen des Briefes durch das Grundbuchamt zu verstehen (a.A. Kern in:
BeckOGK BGB, § 1116 Rn. 19, der darunter ohne nähere Begründung die Herstellung und
ordnungsgemäße Aushändigung versteht). Letzteres erfolgt entweder durch die
persönliche Übergabe des Briefes oder dessen Aufgabe zur Post.
Bereits aus dem Wortlaut des § 60 Abs. 1 Alt. 2 GBO, wonach der Brief im Fall der
nachträglichen Erteilung dem Gläubiger auszuhändigen ist, ergibt sich, dass zwischen
Erteilung und Aushändigung des Briefes zu differenzieren ist. Aus dem Sinn und Zweck
der Regelung des
GBO und
eröffnet ist, ab dem der Brief durch das Grundbuchamt in den Verkehr gebracht wurde und
somit die Verfügungsmacht des Grundbuchamtes endet. Im Fall des Abhandenkommens
des Briefes nach diesem Zeitpunkt sieht
eines Ausschließungsbeschlusses einen neuen Brief zu erhalten. Würde der Anspruch aus
des Zugangs beim Gläubiger fortbestehen, bestünde die Gefahr, dass zwei Briefe in den
Besitz des eingetragenen Grundschuldgläubigers gelangen. Dies würde ihm eine doppelte
Abtretung der Grundschuld nach den §§ 413, 398, 1192, 1154 Abs.1 BGB ermöglichen,
wobei die zweite Abtretung nur unter den weiteren Voraussetzungen des
wirksam wäre (vgl. Wolfsteiner in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2019, § 1116 Rn. 28).
Die Regelung des
Briefes oder dessen Kraftloserklärung nach
Aufgebotsverfahrens gerade diese Gefahr, die bei Vorhandensein mehrerer gültiger Briefe
im Rechtsverkehr bestünde, verhindern. Um dieser Gefahr wirksam begegnen zu können,
muss der Anwendungsbereich des
Inverkehrbringens des erstmalig erstellten Grundschuldbriefes eröffnet sein und ein
öffentlich-rechtlicher Herausgabeanspruch aus
Zeitpunkt der Aufgabe zur Post ist demnach der Herausgabeanspruch auf den erstellten
Brief konkretisiert.
Der Umstand, dass das Grundbuchamt vorliegend eine Übersendung des Briefes mittels
Einschreiben verfügt hat, obwohl hier gem.
NRW die Übersendung des Briefes – weil gerade keine Vereinbarung nach § 1117 Abs. 2
BGB vorlag (vgl. § 26 Abs. 2 GBGA NRW) – nur gegen Übergabeeinschreiben oder
Zustellung hätte erfolgen dürfen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Denn
Fehler bei der Form der Übersendung haben keinen Einfluss auf die Gültigkeit des
erstellten Briefes (vgl. für den Demharter, GBO, 32. Aufl. 2021, § 60 Rn. 16; Schneider in:
Bauer/Schaub, GBO, 4. Aufl. 2018, § 60 Rn. 13).
Die Herausgabe des mit der Nr. 17626601 erstellten Grundschuldbriefes ist dem
Grundbuchamt unmöglich. Denn der Brief befindet sich nach Aufgabe zur Post, die sich
unzweifelhaft aus den Akten ergibt, nicht mehr in den Händen des Grundbuchamtes und
ist auch nicht dorthin zurückgelangt.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass es dem Grundbuchamt auch rein
faktisch nicht möglich ist, einen weiteren gleichlautenden Grundschuldbrief mit der
identischen Nummer zu erstellen. Denn neben dem in
des Grundschuldbriefes, bestimmen
für die Ausfertigung von Grundpfandrechtsbriefen die amtlich ausgegebenen, mit
laufenden Nummern versehenen Vordrucke zu verwenden sind. Die
Ausfertigungsvordrucke enthalten jeweils eine Gruppenbezeichnung von 01 bis 03, wobei
der Grundschuldbrief ausweislich der Anlage 3 zur GBGA NRW der Gruppe 02 (Vordruck
B) zuzuordnen ist, und eine Nummernbezeichnung. Innerhalb jeder Gruppe erhalten die
Vordrucke für das gesamte Bundesgebiet fortlaufende Nummern. Da ausweislich des nach
§ 21 Abs. 3 GBGA zur Akte zu nehmenden Ausdrucks des Grundschuldbriefes und dem
entsprechenden Vermerk über die vergebene fortlaufende Nummer bereits ein
Grundschuldbrief mit der Nr. 17626601 generiert wurde und die Nummern
bundeseinheitlich fortlaufend sind, ist die Erstellung eines weiteren Grundschuldbriefes mit
dieser Nummer nicht möglich.
b)
Der Beteiligten zu 3) steht auch kein Anspruch auf Herausgabe eines neuen Briefes nach
Insoweit fehlt es unzweifelhaft bereits an der Vorlage des bisherigen Briefes oder eines
entsprechenden Ausschließungsbeschlusses.
Darüber hinaus ist die Beteiligte zu 3) aber auch nicht antragsberechtigt, da sie mangels
Erlangung des Briefbesitzes nicht Gläubigerin der Grundschuld geworden ist (§§ 1192 Abs.
1, 1117 Abs. 1 BGB). Insoweit wird auf die Ausführungen in der Verfügung des Senats vom
04.08.2022 Bezug genommen.
3.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (
beruht auf
Die Voraussetzungen zur Zulassung der Rechtsbeschwerde nach
liegen nicht vor.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:03.01.2023
Aktenzeichen:15 W 395/21
Rechtsgebiete:
Verein
Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Grundpfandrechte
GBO §§ 60, 67