Vorliegen eines Hofes i. S. d. Höfeordnung; Vermutungswirkung des Hofvermerks im Grundbuch
letzte Aktualisierung: 23.5.2024
OLG Hamm, Beschl. v. 6.11.2023 – 10 W 174/22
HöfeO §§ 1, 6 Abs. 7; HöfeVfO § 5
Vorliegen eines Hofes i. S. d. Höfeordnung; Vermutungswirkung des Hofvermerks
im Grundbuch
Die im Grundbuch vorhandene Eintragung eines Hofvermerks begründet die Vermutung, dass die
Besitzung die durch den Vermerk ausgewiesene Eigenschaft hat (§ 5 HöfeVfO). Diese Vermutung
kann widerlegt werden. Maßgeblich für einen Wegfall der Hofeigenschaft außerhalb des
Grundbuchs ist die Feststellung, dass die landwirtschaftliche Betriebseinheit im Zeitpunkt des
Erbfalls bereits auf Dauer aufgelöst war.
(Leitsatz der DNotI-Redaktion)
Gründe:
I.
Die Beteiligten streiten im Feststellungsverfahren gemäß § 11 HöfeVfO um die Frage, ob
es sich bei dem verfahrensgegenständlichen landwirtschaftlichen Betrieb im Zeitpunkt des
Eintritts des Erbfalls noch um einen Hof im Sinne von § 1 HöfeO handelte.
Im Beschwerdeverfahren begehrt die Antragstellerin (= Beteiligte zu 1.) weiterhin gemäß §
11 Abs. 1 Buchstabe a HöfeVfO die Feststellung, dass der im Grundbuch von H., Blatt N01
(Amtsgericht Bünde) eingetragene Grundbesitz (B.-straße 00 in U.) zum Zeitpunkt des
Todes ihres Vaters und Erblassers, dem zuletzt in U. wohnhaft gewesenen Z. M., kein Hof
im Sinne der Höfeordnung war. Im Zeitpunkt des Todes des Erblassers, der Eigentümer
des Grundbesitzes war, befand sich im Grundbuch ein Hofvermerk. Mit Bescheid vom 15.
Februar 1990 hat die Gemeinde U. den Einheitswert für „den Betrieb der Land- und
Forstwirtschaft“ auf 29.900,00 DM festgesetzt, als Wirtschaftswert weist der Bescheid
einen Betrag von 13.634,00 DM aus.
Am 00.00.2021 verstarb der am 00.00.1942 geborene Erblasser im Alter von 78 Jahren.
Seine am 00.00.1947 geborene Ehefrau P. M. war kurz zuvor, am 00.00.2021, im Alter von
73 Jahren vorverstorben. Der Erblasser lebte mit seiner Ehefrau im gesetzlichen
Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Aus der Ehe sind drei Kinder hervorgegangen. Die
Antragstellerin wurde am 00.00.1971 geboren, der Antragsgegner am 00.00.1973 und die
Beteiligte zu 3, G. M., am 00.00.1977.
Die landwirtschaftliche Besitzung des Erblassers hatte zum Zeitpunkt seines Todes eine
Größe von ca. 7,2 ha. Einen Teil des Grundbesitzes machte die Hofstelle (B.-straße 00, U.)
mit einer Größe von etwa 1 ha aus. Dort befanden sich zum Zeitpunkt des Todes des
Erblassers ein Wohnhaus, eine Gerätescheune sowie ehemalige Stallgebäude. Die
landwirtschaftlich nutzbaren Flächen bestanden aus ca. 3,7 ha Ackerland, ca. 1 ha
Grünland und etwa 1,5 ha Forstflächen. Der Erblasser hat seinen Grundbesitz stets nur im
Nebenerwerb bewirtschaftet. Hauptberuflich war er seit den 1970er Jahren bei der Post
beschäftigt.
Der Erblasser hinterließ ein handschriftliches Testament vom 05. November 2002. Darin
wird der Antragsgegner mehrfach als „Alleinerbe und Hofeserbe“ des Erblassers
bezeichnet. Das Testament enthält verschiedene Vermächtnisse, unter anderem
Regelungen hinsichtlich Altenteilleistungen zu Gunsten der Ehefrau des Erblassers,
darüber hinaus eine Verpflichtung des Antragsgegners, ein Einfamilienhaus in der E.-
straße 00 auf die Antragstellerin und die Beteiligte zu 3. jeweils zu gleichen Teilen als
Eigentum zu übertragen. Darüber hinaus hat der Erblasser in das Testament die
Verpflichtung aufgenommen, dass der Antragsgegner „im Falle von
Nachabfindungsansprüchen gem. der Bestimmungen des § 13 der Höfe-O“ verpflichtet sei,
„dies auf insgesamt 30 Jahre anzuwenden“. Seine Ehefrau hat dem Testament mit
handschriftlichem Zusatz vom 11. November 2002 „zugestimmt“. Nach dem Tod des
Erblassers wurde das Testament am 04. März 2021 bei dem Amtsgericht Bünde eröffnet (3
IV 217/04).
Am 01. Juli 2004 hatte der Erblasser mit dem Antragsgegner einen Pachtvertrag über
wesentliche Teile des Hofes geschlossen. Die Laufzeit des Vertrages sollte zunächst zwölf
Jahre betragen. Nicht verpachtet wurden seinerzeit ein „Wohnteil“ auf der Hofstelle in
Größe von 0,05 ha sowie die Fläche Gemarkung H., Flur N02, Flurstück N03 in einer
Größe von gut einem Hektar. Diese war zuvor bereits an einen Landwirt verpachtet und
wurde ab dem 01. Oktober 2004 mittels einer Zusatzvereinbarung zwischen dem Erblasser
und dem Antragsgegner mit an den Antragsgegner verpachtet.
Mit Pachtvertrag vom 01. April 2005 pachtete der Antragsgegner von einem Dritten eine
eingezäunte Grünlandfläche, gelegen hinter dem Wohnhaus L.-straße 00 in U., mit einer
Größe von 0,20 ha und eine Waldfläche mit einer Größe von 0,22 ha, hinzu.
Im Jahr 2013 verpachtete der Antragsgegner in Abstimmung mit dem Erblasser 1,2 ha
Ackerfläche und 1,5 ha Grünland an C., einen anderen Landwirt. Neun Rinder und sechs
bis zwölf Schafe wurden - ebenfalls in Abstimmung mit dem Erblasser - etwa zur gleichen
Zeit abgegeben.
Im Jahr 2015 veräußerte der Erblasser dasjenige Einfamilienhaus, das er in seinem
Testament als Vermächtnis zugunsten der Antragstellerin und der weiteren Beteiligten zu 3
erwähnt hatte, an einen Dritten.
Der Antragsgegner hat am 31. März 2021 zur UR-Nr. 262/2021 des Notars F. in T. einen
Antrag auf Erteilung eines Hoffolgezeugnisses nebst Erbschein beurkunden lassen. Das
Verfahren wurde beim Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht – Herford zum dortigen
Aktenzeichen 2 Lw 22/21 geführt. Das Landwirtschaftsgericht hat in diesem
Hoffolgezeugnisverfahren die Landwirtschaftskammer gemäß § 17 LwVG um eine
Stellungnahme dazu gebeten, ob es sich bei der landwirtschaftlichen Besitzung am 14.
Februar 2021 noch um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt habe, oder ob, trotz
des eingetragenen Hofvermerkes, die Hofeigenschaft außerhalb des Grundbuches
entfallen sei. Ferner hat es eine Auskunft dazu eingeholt, ob der Antragsgegner
wirtschaftsfähig im Sinne von § 6 Abs. 7 HöfeO sei. Die Landwirtschaftskammer hat in
ihrer daraufhin abgegebenen Stellungnahme vom 12. August 2021 unter näherer
Begründung im Detail ausgeführt, dass und warum es sich nach ihrer Einschätzung um
einen Hof im Sinne der Höfeordnung handele und warum der Antragsgegner
wirtschaftsfähig sei. Mit Beschluss vom 01. Dezember 2021 hat das Amtsgericht –
Landwirtschaftsgericht – Herford sodann die zur Erteilung eines Hoffolgezeugnisses nach
dem Erblasser entsprechend dem Antrag des Antragsgegners vom 31. März 2021
erforderlichen Tatsachen für festgestellt erachtet. Gegen diesen Beschluss hat die
Antragstellerin Beschwerde eingelegt und wendet sich weiterhin gegen die Erteilung eines
Hoffolgezeugnisses. Das Beschwerdeverfahren ist bei dem Senat unter dem Aktenzeichen
10 W 8/22 anhängig und derzeit bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens
ausgesetzt.
Die Antragstellerin hat die Ansicht vertreten, es habe sich zum Zeitpunkt des Erbfalles
nicht mehr um einen Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt. Die Hofeigenschaft sei im
maßgeblichen Zeitpunkt des Erbfalls außerhalb des Grundbuchs entfallen. Ungeachtet der
Auskunft des Finanzamts ginge sie davon aus, dass der Wirtschaftswert unterhalb von
5.000,00 € liege. Der in dem Bescheid des Finanzamts vom 15. Februar 1990 angegebene
Wert sei überholt. Die Aufgabe der Eigenbewirtschaftung sei sukzessive erfolgt, zum
Zeitpunkt des Erbfalls könne allenfalls noch von einer hobbymäßigen landwirtschaftlichen
Betätigung ausgegangen werden, weshalb eine am Markt aktive, eigenständige
wirtschaftliche Einheit im Zeitpunkt des Erbfalls nicht vorgelegen habe. Dies begründet die
Antragstellerin neben Ausführungen zum veralteten Hofinventar mit der Verpachtung des
Grundbesitzes an den Antragsgegner sowie mit einer näher dargelegten sukzessiven
landwirtschaftsfremden Nutzung der Hofstelle. Das vorhandene „tote Inventar“, sei ihrer
Ansicht nach nicht geeignet, Landwirtschaft im Sinne einer „guten fachlichen Praxis“ zu
betreiben. Die Verpachtung durch den Erblasser an den Antragsgegner sei seinerzeit nur
zur Sicherung der landwirtschaftlichen Altersrente des Erblassers erfolgt, der
Antragsgegner hingegen habe zu keinem Zeitpunkt selbst den Hof bewirtschaftet, sondern
allenfalls landwirtschaftliche Hilfstätigkeiten übernommen. Hinsichtlich der Einzelheiten der
von der Antragstellerin dargelegten Indizien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug
genommen.
Der Antragsgegner ist dem entgegen getreten und hat unter Bezugnahme auf den seiner
Ansicht nach zutreffend mitgeteilten Wirtschaftswert näher zu der von ihm durchgeführten
landwirtschaftlichen Tätigkeit vorgetragen. Auf die Frage der Rentabilität des Hofes
komme es für die Hofeigenschaft nicht an. Ein Hofaufgabewillen des Erblassers habe zu
keinem Zeitpunkt bestanden, was das bis zuletzt gültige Testament aus dem Jahre 2002
belege. Die teilweise Vermietung von Räumlichkeiten an Dritte sei nicht entscheidend, das
vermietete Gebäude sei nicht so beherrschend, dass allein hierdurch die Hofeigenschaft
entfallen sei. Die weiterhin vorhandenen Räume seien als Werkstattraum zur
Wiederherstellung und Reparatur von Maschinen des Hofes geeignet und angelegt
worden. Die vorgehaltenen landwirtschaftlichen Geräte seien vollkommen ausreichend, um
den Nebenerwerbsbetrieb aufrechtzuerhalten. Der Betrieb werde von dem Antragsgegner
bewirtschaftet, wenn auch unter Hinzuziehung von Hilfskräften (Lohnunternehmern). Bis
heute habe er seit dem Jahr 2014 Agrarfördermittel ununterbrochen erhalten.
Im Verlauf des vorliegenden Verfahrens ist eine Auskunft des Finanzamts T. zum
Wirtschaftswert des im Grundbuch eingetragenen Hofes zum Zeitpunkt des Todes des
Erblassers eingeholt worden. Mit Schreiben vom 05. September 2022 hat das Finanzamt
T. den Wirtschaftswert mit 14.753,00 DM angegeben.
In der erstinstanzlichen nichtöffentlichen Sitzung vom 05. Oktober 2022 ist der
Antragsgegner persönlich angehört worden. Sodann hat das Landwirtschaftsgericht mit
einem am gleichen Tag erlassenen Beschluss den Feststellungsantrag der Antragstellerin
zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es stünde nicht zur vollen
Überzeugung fest, dass die im Grundbuch eingetragene Besitzung zum Zeitpunkt des
Todes des Erblassers am 14. Februar 2021 kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr
gewesen sei. Der in Rede stehende Grundbesitz habe vielmehr zum Zeitpunkt des
Erbfalles noch die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Hofes im Sinne des § 1 HöfeO
erfüllt. Der Hof habe seinerzeit – so wie heute noch – auch über eine Hofstelle im Sinne
des § 1 HöfeO verfügt, was insbesondere unter näherer Darlegung zu dem vorhandenen
Inventar sowie der eingeholten Stellungnahme der Landwirtschaftskammer begründet
wird. Auf der Hofstelle betreibe der Antragsgegner Landwirtschaft, so habe er in diesem
Jahr Weizen und später Gerste angebaut, darüber hinaus ergebe sich aus dem
Zuwendungs- und Bewilligungsbescheid der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen
für 2020 der Anbau von Wintergerste auf 2,6 ha. Auch wenn die Gewinne gering seien,
gehe das Landwirtschaftsgericht von einer nicht nur hobbymäßigen, sondern mit
Gewinnerzielungsabsicht betriebenen Bewirtschaftung im Nebenerwerb aus. Zweifel an
dem mitgeteilten Wirtschaftswert bestünden nicht, es gebe keine Veranlassung, hier
weitere Aufklärung zu betreiben. Auf Aspekte der Rentabilität komme es nicht an. Die
Hofeigenschaft sei nicht außerhalb des Grundbuchs verloren gegangen. Zureichende
Anhaltspunkte für eine von dem Willen des Erblassers getragene dauerhafte und
endgültige Aufgabe des landwirtschaftlichen Betriebes bestünden nicht, die Vermutung des
§ 5 HöfeVfO sei nicht widerlegt. Der von dem Erblasser mit dem Antragsgegner
abgeschlossene Pachtvertrag vom 01. April 2004 habe nicht zur dauerhaften Auflösung
der Betriebseinheit geführt. Verpachtet worden sei der Hof als Ganzes, worin erkennbar
der Wille des Erblassers zum Ausdruck komme, dass der Antragsgegner als Pächter den
Betrieb fortführe. Aus dem Testament lasse sich ein Wille des Erblassers, der auf die
Fortführung des Hofes ausgerichtet sei, ablesen. Später mitgeteilte Umstände führten zu
keinem anderen Ergebnis. Die Aufgabe der Viehwirtschaft sowie die teilweise Verpachtung
von Flächen im Jahr 2013 würden keinen Hofaufgabewillen nahelegen, der
landwirtschaftliche Betrieb bestünde vielmehr, wenngleich in überschaubarem Rahmen,
fort.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, die weiterhin
unter näherer Darlegung im Übrigen die Feststellung begehrt, dass die Grundbesitzung
zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers am 14. Februar 2021 kein Hof im Sinne der
Höfeordnung gewesen sei. Die Hofstelle sei zum Zeitpunkt des Erbfalls nicht geeignet
gewesen, landwirtschaftliche Flächen zu bewirtschaften. Die pauschalen und
unfachmännischen Feststellungen der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen dazu
seien nicht geeignet, anderes anzunehmen, es müsse vielmehr ein
Sachverständigengutachten eingeholt werden. Es habe sich bereits zu Lebzeiten des
Erblassers lediglich um einen kleinen Mischbetrieb gehandelt, der über die Jahre
ausgelaufen und zuletzt im Zeitpunkt des Erbfalls nur noch hobbymäßig durch den
Antragsgegner betrieben worden sei. Der von dem Finanzamt mitgeteilte Wirtschaftswert
sei nicht nachvollziehbar. Ferner werde daran festgehalten, dass es darauf ankomme, ob
der Betrieb zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers rentabel zu bewirtschaften gewesen
sei. Jedenfalls zum Zeitpunkt des Erbfalls habe es sich bei der landwirtschaftlichen
Besitzung des Erblassers nicht um eine leistungs- bzw. lebensfähige landwirtschaftliche
Betriebseinheit gehandelt, was unter wiederholender Darlegung zur Größe und zum
vorhandenen veralteten Inventar sowie zur teils landwirtschaftsfremden Nutzung des
Hofes näher ausgeführt wird. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass die Flächen nicht
von dem Antragsgegner bestellt würden, dieser sei vielmehr auf die Hilfe Dritter
angewiesen und verfolge mit der Bewirtschaftung nicht die Absicht, Gewinne zu erzielen.
Sie gehe sogar davon aus, dass alle Flächen verpachtet und anderen Landwirten zur
Nutzung überlassen worden seien. An der fehlenden Hofeigenschaft würden auch die
zuletzt unstreitig von dem Antragsgegner seit 2014 bezogenen Agrarfördermittel nichts
ändern. Der darin enthaltene Hinweis auf die „Teilnahme an der Kleinerzeugerregelung“
deute darauf hin, dass es sich nicht um einen leistungs- bzw. lebensfähigen
landwirtschaftlichen Betrieb handele. Das Landwirtschaftsgericht habe in seiner
Gesamtbetrachtung nicht berücksichtigt, dass der Erblasser schon 1993 die
landwirtschaftliche Grundbesitzung an seine vorverstorbene Ehefrau verpachtet habe, was
gegen eine gleitende Hofübergabe an die nächste Generation spreche. Ferner sei nicht
hinreichend berücksichtigt, dass Teile des Testaments hinfällig geworden seien, weil im
Jahr 2015 die den Töchtern eigentlich vermachte Immobilie veräußert worden sei. Die
mangelnde Wirtschaftsfähigkeit des Antragsgegners spreche ebenfalls gegen einen
Hoffortführungswillen des Erblassers.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Amtsgerichts – Landwirtschaftsgericht – Herford vom 05. Oktober 2022
(Az.: 2 Lw 4/22) aufzuheben und festzustellen, dass die im Grundbuch von H., Blatt N01
(AG Bünde) eingetragene Besitzung zum Zeitpunkt des Todes des damaligen
Eigentümers, des Erblassers Z. M., am 14. Februar 2021 kein Hof im Sinne der
Höfeordnung gewesen ist.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner verteidigt die angegriffene Entscheidung unter anderem durch
Bezugnahme auf die Einschätzung der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen in
ihrer Stellungnahme vom 12. August 2021. Die von der Antragstellerin gegen das
vorhandene Inventar vorgebrachten Einwendungen seien nicht durchgreifend. Das
Inventar sei vielmehr unstreitig voll funktionstüchtig. Es könne dem Antragsgegner nicht
entgegengehalten werden, dass er Hilfe in Anspruch nehme und sich auch von mit ihm
bekannten Landwirten Maschinen ausleihe. Dies entspreche der geübten Praxis in der
Landwirtschaft. Auf Einwendungen zu der Rentabilität komme es nicht an, weil der Hof
über dem maßgeblichen Wirtschaftswert des § 1 Abs. 1 Satz 3 HöfeO liege. Er erziele
zumindest einen kleinen Gewinn, insbesondere durch den Verkauf von Getreide. Der
Erblasser habe auch nach Renteneintritt noch ein hohes Interesse an der Landwirtschaft
gehabt, das Testament nicht geändert und den Antragsgegner darin als Hoferben
bezeichnet, was gegen einen Hofaufgabewillen spreche.
Mit Beschluss vom 29. November 2022 hat das Amtsgericht – Landwirtschaftsgericht –
Herford der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur
Entscheidung vorgelegt.
Der Senat hat die Antragstellerin sowie den Antragsgegner im Termin am 19. Oktober
2023 persönlich angehört und zudem eine mündliche Stellungnahme der Vertreterin der
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen eingeholt. Wegen des Ergebnisses der
Anhörung und des Inhalts der Stellungnahme wird auf den Berichterstattervermerk zum
Senatstermin Bezug genommen.
Der Senat hat die Akten des Hoffolgezeugnisverfahrens 2 Lw 22/21 Amtsgericht -
Landwirtschaftsgericht - Herford (= 10 W 8/22 Oberlandesgericht Hamm) beigezogen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
1.
Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 1 Abs. 1 HöfeVfO, 9 LwVG in Verbindung mit §§ 58, 63, 64
FamFG zulässig, insbesondere ist es rechtzeitig eingelegt worden. Die Antragstellerin hat
auch ein berechtigtes Interesse an der negativen Hoffeststellung, denn in dem Fall, dass
es sich bei dem verfahrensgegenständlichen Besitz nicht um einen Hof im Sinne des § 1
HöfeO handelt, erhöht sich ihr Pflichtteilsanspruch.
2.
Die Beschwerde erweist sich hingegen als unbegründet.
Das Landwirtschaftsgericht hat den Antrag der Antragstellerin zu Recht zurückgewiesen.
Der Senat kann nicht mit der erforderlichen Gewissheit feststellen, dass es sich bei dem
verfahrensgegenständlichen Grundbesitz im Zeitpunkt des Erbfalls nicht mehr um einen
Hof im Sinne der Höfeordnung gehandelt hat.
a) Nach § 1 Abs. 1 HöfeO ist Hof im Sinne des Gesetzes eine im Geltungsbereich der
Höfeordnung belegene land- oder forstwirtschaftliche Besitzung mit einer zu ihrer
Bewirtschaftung geeigneten Hofstelle in einer der im Gesetz genannten Eigentumsformen.
Die im Streitfall zum Zeitpunkt des Erbfalls vorhandene Eintragung des Hofvermerks
begründet die Vermutung, dass die Besitzung die durch den Vermerk ausgewiesene
Eigenschaft hat (§ 5 HöfeVfO). Die Vermutung, dass die Besitzung bzw. die sie bildenden
Grundstücke die Hofeigenschaft haben, ist zwar zeitlich unbegrenzt widerlegbar und
widerlegt, wenn zum maßgeblichen Stichtag am
14. Februar 2021 keine der in § 1 Absatz 1 HöfeO aufgezählten Eigentumsformen mehr
besteht oder eine der übrigen Voraussetzungen auf Dauer wegfällt (vgl. § 1 Abs. 3 Satz 1
HöfeO). Die Hofeigenschaft kann damit „außerhalb der HöfeO“ entfallen; also selbst dann,
wenn die Merkmale Alleineigentum, vorhandene Hofstelle
und ausreichender Wirtschaftswert des § 1 HöfeO vorliegen. Das ist hingegen im Streitfall
nicht zur Überzeugung des Senates hinreichend sicher feststellbar.
aa) Die formalen Kriterien für einen Hof gemäß § 1 Abs. 1 HöfeO sind erfüllt.
Der erforderliche Wirtschaftswert ist erreicht. Ein Hof muss grundsätzlich einen
Wirtschaftswert in Höhe von 10.000,00 € aufweisen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 HöfeO). Liegt dieser
– wie hier ausweislich der Auskunft des Finanzamts vom 05. September 2022 wie auch
des Bescheides vom 15. Februar 1990 – zwischen 5.000,00 und 10.000,00
€, sind die Erklärung des Hofeigentümers und die Eintragung des Hofvermerks im
Grundbuch nach § 1 Abs. 1 Satz 3 konstitutiv.
Beides ist im Streitfall unstreitig erfolgt. Nach dem Bescheid vom 15. Februar 1990 lag der
Wirtschaftswert bei 13.634,00 DM, nach der Auskunft vom 05. September 2022 zum
maßgeblichen Stichtag am 14. Februar 2021 bei 14.753,00 DM (vgl. Blatt 147 der Akte
erster Instanz). Soweit die Antragstellerin dazu hat ausführen lassen, sie ginge davon aus,
dass der Wirtschaftswert in den vergangenen Jahrzehnten nicht angepasst worden sei,
und damit wohl meint, der Wert sei unter die maßgebliche Schwelle von 5.000,00 €
gesunken, führt das zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Sinkt der Wirtschaftswert
des Hofes unter 5.000,00 €, tritt ausweislich des Wortlautes des § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO
der Verlust der Hofeigenschaft erst mit Löschung des Hofvermerkes ein. Eine solche aber
ist vorliegend unstreitig nicht erfolgt.
Ungeachtet dessen hat der Senat diese Auskunft des Finanzamts zum Wirtschaftswert der
Entscheidung zugrunde zu legen (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 23
WLw 10/12 –, Rn. 30, juris).
bb) Vorstehende Ausführungen gelten gleichfalls bezüglich der Hofstelle. Der Wegfall der
Hofstelle, zum Beispiel durch Veräußerung, Zerstörung oder Ungeeignetheit, führt für sich
genommen noch nicht zu dem Verlust der Hofeigenschaft. Zusätzlich bedarf es auch hier
nach § 1 Abs. 3 Satz 2 HöfeO der Löschung des Hofvermerks. Die Ausführungen der
Antragstellerin dazu, dass ehemalige Stallungen in dem Haupthaus auf der Hofstelle
bereits in den 1970er Jahren zu Vorratsräumen, zwei Badezimmern, einem Treppenhaus
und einem Schlafzimmer umgebaut wurden, sind deshalb für diese Fragestellung nicht
relevant. Gleiches gilt für die Vermietung des Hühnerstalls an den ehemaligen „S.-Club-
D.“.
b) Der Senat kann nicht zu seiner vollen Überzeugung mit der gebotenen Sicherheit
feststellen, dass der Hof seine Hofeigenschaft „außerhalb des Grundbuchs“ verloren hat.
Die gesetzliche Vermutung zu Gunsten der bestehenden Hofeigenschaft hat die
Antragstellerin nicht zu widerlegen vermocht, es bedarf auch keiner weitergehenden
Sachaufklärung, beispielsweise durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
aa) Der im Grundbuch eingetragene Hofvermerk begründet gemäß § 5 HöfeVfO die
Vermutung, dass die Besitzung die durch den Vermerk ausgewiesene Eigenschaft hat,
mithin das Vorliegen der Hofeigenschaft. Diese gesetzliche Vermutung kann, wie bereits
dargestellt, widerlegt werden, sofern ein Wegfall der Hofeigenschaft außerhalb des
Grundbuchs festzustellen ist. Dies kann unabhängig von der Löschung eines Hofvermerks
eintreten, wenn die landwirtschaftliche Betriebseinheit vom Erblasser bereits zum
Zeitpunkt des Erbfalls dauerhaft eingestellt worden ist.
Maßgeblich für einen Wegfall der Hofeigenschaft außerhalb des Grundbuchs ist die
Feststellung, dass die landwirtschaftliche Betriebseinheit im Zeitpunkt des Erbfalls bereits
auf Dauer aufgelöst war. Von einem Hof im Sinne der Höfeordnung kann unter
Berücksichtigung von Sinn und Zweck der höferechtlichen Sondererbfolge und deren
verfassungsrechtlicher Rechtfertigung nur dann ausgegangen werden, wenn und solange
über den Bestand einzelner landwirtschaftlicher Grundstücke hinaus noch eine
wirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden ist oder jedenfalls ohne weiteres
wiederhergestellt werden kann. Wenn der landwirtschaftliche Betrieb als potentiell
leistungsfähige Wirtschaftseinheit in der Lebenswirklichkeit nicht mehr existiert und es
keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass der Eigentümer eine funktionsfähige Betriebseinheit
in absehbarer Zeit wiederherstellen kann oder will, ist ein Hof im Sinne der Höfeordnung
nicht mehr vorhanden (Senat, Beschluss vom 23. Juli 2021 – I-10 W 131/20 –, Rn. 31,
juris). Die Frage der Hofeigenschaft ist hierbei nach objektiven und subjektiven
Gesichtspunkten zu beurteilen. Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung aller in Betracht
kommenden Tatsachen (vgl. BGH, Beschluss vom 29. November 2013 – BLw 4/12 –, Rn.
44, juris).
Als wesentliche objektive Indizien für die Auflösung der Betriebseinheit gelten
insbesondere eine Aufgabe der Bewirtschaftung durch den Erblasser, das Fehlen einer für
den landwirtschaftlichen Betrieb geeigneten Hofstelle, das Fehlen von lebendem und
totem Inventar, eine langfristige parzellierte oder geschlossene Verpachtung von
landwirtschaftlichen Flächen, die Nutzung von Gebäuden zu nicht landwirtschaftlichen
Zwecken und die fehlende Möglichkeit, den Hof aus eigenen Erträgen wieder
anzuspannen (Senat, Beschluss vom 16. Juni 2020 – I-10 W 35/19 –, Rn. 40, juris mit
weiteren Nachweisen).
bb) Der Senat kann im Hinblick auf die Umstände des Falles eine solche Aufgabe des
Hofes zu Lebzeiten des Erblassers nicht mit der erforderlichen Sicherheit und
Überzeugung feststellen.
(1) Ein maßgeblicher subjektiver Gesichtspunkt ist der Wille des Hofeigentümers, dass von
seiner Hofstelle aus nie wieder Landwirtschaft betrieben werden kann oder soll. Ein
solcher Wille kann gegebenenfalls durch eine Gesamtschau der objektiven Umstände
indiziert sein (BGH, Beschluss vom 29. November 2013 – BLw 4/12 –, Rn. 45, juris).
Anhaltspunkte dafür sind im vorliegenden Fall hingegen nicht feststellbar. Die objektiven
Gesichtspunkte lassen nicht auf einen solchen subjektiven Aufgabewillen des Erblassers
schließen. Es lässt sich hier nicht feststellen, dass der Erblasser zu irgendeinem Zeitpunkt
den Willen geäußert haben könnte, dass von seiner Hofstelle aus nie wieder
Landwirtschaft betrieben werden kann oder soll. Ein gewichtiges Indiz gegen die Annahme
eines solchen Willens stellt der Inhalt des bis zum Tode des Erblassers unverändert
gültigen Testaments vom 05. November 2002 dar, in welchem er den Antragsgegner
ausdrücklich zu seinem Hoferben bestimmte und sogar eine Regelung aufnahm, wonach
der Antragsgegner verpflichtet wird, „im Falle von Nachabfindungsansprüchen gemäß der
Bestimmungen des § 13 der HöfeO, dies auf insgesamt 30 Jahre anzuwenden.“ Jedenfalls
zum damaligen Zeitpunkt der Testamentserrichtung ging der Erblasser also davon aus,
dass es sich bei seiner Besitzung noch um einen Hof im Sinne der Höfeordnung handelte.
Er hatte die Vorstellung, dass weiterhin – ggf. sogar 30 Jahre nach Eintritt des Erbfalls –
noch Landwirtschaft auf diesem Hof betrieben werde.
Objektive Gesichtspunkte, die für die Zeit nach der Errichtung dieses Testaments auf einen
Hofaufgabewillen des Erblassers schließen lassen könnten, sind nicht erkennbar. Die von
der Antragstellerin vorgetragenen Umstände, insbesondere ein sukzessiver Verkauf des
Hofes, sind nicht feststellbar. Eine in den 90er-Jahren erfolgte Aufgabe der Haltung
eigener Hühner und die anschließende Drittvermietung des Hühnerstalls an einen "S.-
Club" indizieren einen Hofaufgabewillen bereits deshalb nicht, weil diese Umstände weit
vor der Erstellung des verfahrensgegenständlichen Testaments erfolgten, in welchem der
Erblasser aber - wie dargestellt - noch von einem fortzuführenden Hof ausging. Dass in der
Maschinenhalle neben Maschinen, einem Trecker, einem Anhänger, auch ein Holzlager für
die Heizungsanlage des Wohnhauses eingerichtet ist, kann ebenfalls keinen
Hofaufgabewillen indizieren. Gleiches gilt für eine Verpachtung einzelner Hofflächen. Es
lässt sich durch die streitgegenständlichen Pachtverträge entgegen den Ausführungen der
Beschwerdeführerin nicht feststellen, dass der Erblasser ab dem Jahr 2004 seinen
Entschluss, im Testament verschriftlicht, etwa revidiert hätte und nunmehr den Hof
sukzessive aufgeben wollte. Letztlich erfolgte durch die Verpachtung an den
Antragsgegner gerade die Zusammenlegung der Flächen an genau diejenige Person, von
welcher der Erblasser in seinem kurz zuvor verfassten Testament ausging, dass diese
Person – der Antragsgegner – später den Hof als Hoferbe übernehmen wird. Dass zuvor
noch eine Teilfläche (Gemarkung H., Flur N02, Flurstück N03) in der Größe von 1,196 ha
an einen anderen Landwirt verpachtet war, spricht nicht für einen Hofaufgabewillen.
Letztlich hat der Erblasser auch diese Fläche mit der Zusatzvereinbarung vom 01. Oktober
2004 an den Antragsgegner verpachtet.
Ein Hofaufgabewillen des Erblassers, verkörpert in einer sukzessiven Verpachtung an
unterschiedliche Dritte, lässt sich ebenfalls nicht feststellen. Mit Pachtvertrag vom 01. April
2005 pachtete der Antragsgegner unter anderem eine Waldfläche von 0,22 ha hinzu. Dass
der Antragsgegner in Abstimmung mit dem Erblasser im Jahr 2013 weitere 1,2 ha
Ackerfläche und 1,5 ha Grünland an einen anderen Landwirt – C. – verpachtete, führt zu
keiner anderen Beurteilung. Gleiches gilt bezüglich der Aufgabe der bis dahin noch
gehaltenen neun Rinder und sechs bis zwölf Schafe. Weder die Verpachtung der
Teilflächen noch die Aufgabe der - auch aus der Sicht der Antragstellerin - geringfügigen
Tierhaltung hatten eine indizielle Bedeutung dafür, dass der Erblasser nunmehr doch
seinen auf Ackerbau ausgerichteten Hof hätte aufgeben wollen. Dagegen spricht, dass
auch nachfolgend weiterhin Landwirtschaft auf dem Hof betrieben worden ist.
Soweit die Antragstellerin mutmaßt, dass letztlich der gesamte Hof ausschließlich von
Pächtern bewirtschaftet werde und der Antragsgegner hinsichtlich seiner Verantwortlichkeit
für die Bewirtschaftung der zuletzt noch von ihm vorgehaltenen Flächen dies lediglich
vortäusche, vermochte der Senat derartiges nicht festzustellen. Nach Anhörung der
Vertreterin der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen gibt es keinen noch so vagen
Anhaltspunkt dafür, dass der Antragsgegner in Abstimmung mit dem Erblasser die
Eigenbewirtschaftung nach außen hin nur vorgetäuscht hätte und tatsächlich wirtschaftlich
Verantwortliche in Wahrheit dahinterstehende fremde Dritte sein könnten. Die zunächst
noch erfolgten Spekulationen der Antragstellerin, geäußert im Hoffolgezeugnisverfahren
(Beiakte 2 Lw 22/21 Amtsgericht - Landwirtschaftsgericht - Herford = 10 W 8/22
Oberlandesgericht Hamm), der dortige Antragsteller habe den Hof tatsächlich gar nicht
wirklich bewirtschaftet, er habe vermutlich keine eigene Betriebsnummer und niemals
landwirtschaftliche Fördermittel beantragt, und ihm sei auch niemals als Bewirtschafter
irgendein Zahlungsanspruch nach dem Programm der gemeinsamen Agrarpolitik (GAP)
zugewiesen worden, hat sich als unzutreffend herausgestellt. Die Vertreterin der
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen hat in der nichtöffentlichen Sitzung vom 19.
Oktober 2023 für den Senat gut nachvollziehbar dargelegt, mit welchen Methoden sie die
Betriebsinhabereigenschaft überprüfe und dass und warum sie davon ausginge, dass der
Antragsgegner Landwirtschaft im kleinen Stile betreibe und die Verfügungsgewalt über den
Hof und die bestellten Flächen innehabe. Der Senat hat nach diesen - das Vorbringen des
Antragsgegners bestätigenden - Ausführungen keine vernünftigen Zweifel daran, dass es
noch zu Lebzeiten des Erblassers der Antragsgegner war, der wirtschaftlich verantwortlich
Teilflächen des Hofes bestellt hat.
Die Ausführungen der Antragstellerin zu dem Inventar des Hofes lassen ebenfalls nicht auf
einen Hofaufgabewillen des Erblassers schließen. Gleiches gilt bezüglich der
Ausführungen zu fehlenden Investitionen in den Betrieb. Der Senat hat zwar in der
Vergangenheit solche Gesichtspunkte durchaus im Rahmen der für die zu treffenden
Feststellungen gebotenen Gesamtabwägung berücksichtigt (OLG Hamm, Beschluss vom
15. Oktober 2021 – 10 W 87/20,
auf das im Hof vorhandene Inventar verfängt im Streitfall aber nicht. Das Inventar auf dem
Hof ist zwar alt, aber noch funktionstüchtig und in Gebrauch. Davon hat sich die
Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen auch einen eigenen Eindruck verschafft. So
heißt es in deren Stellungnahme, in der Scheune seien land- und forstwirtschaftliche
Geräte sowie Anbaugeräte zu finden, die in einem gepflegten Zustand und auch
funktionstüchtig seien (Seite 2 der Stellungnahme vom 12. August 2021, Blatt 64 der Akte
erster Instanz). Diese Einschätzung hat die Vertreterin der Landwirtschaftskammer
Nordrhein-Westfalen sodann auch im Senatstermin noch einmal nachvollziehbar
wiederholt.
Die Einschätzung der Antragstellerin, dass diese Gerätschaften sinnvoll heute nicht mehr
zum Einsatz kämen, mag zutreffend sein, lässt aber nicht den Schluss zu, dass deshalb
ein Hofaufgabewillen des Erblassers vorhanden gewesen sein soll. Das gilt auch, soweit
die Antragstellerin zur Bewirtschaftung notwendiges Inventar wie eine Drillmaschine in
dem vorhandenen Hofinventar vermisst. Weder dies noch der Umstand, dass auf den zum
Hof gehörenden Flächen in der Vergangenheit Mais angebaut worden ist, welcher mit dem
vorhandenen Inventar jedoch nicht beackert werden könnte, lässt auf einen
Hofaufgabewillen schließen. Der Erblasser wie auch der Antragsgegner durften auf die
Hilfe Dritter zurückgreifen, um diese Bewirtschaftungen zu ermöglichen. Der Einsatz von
Lohnunternehmern indiziert nicht einen Hofaufgabewillen, zumal es sich im Streitfall um
einen Kleinstbetrieb handelt, bei welchem die Anschaffung sämtlichen Inventars,
beispielsweise zum Maisanbau, nach den überzeugenden Ausführungen der Vertreterin
der Landwirtschaftskammer wirtschaftlich nicht möglich gewesen wäre.
Ebenfalls kein Indiz für einen Hofaufgabewillen stellt der Umstand dar, dass die
Antragstellerin meint, dem von dem Erblasser zum Hoferben bestimmten Antragsgegner
fehle die erforderliche Wirtschaftsfähigkeit. Dass der Erblasser etwa in dem Bewusstsein
gehandelt haben könnte, der Antragsgegner wäre tatsächlich gar nicht in der Lage, den
Hof selbständig fortzuführen und dass es durch diese Einsetzung letztlich zur Hofaufgabe
kommen würde, erscheint wenig lebensnah und ist auch nicht im Ansatz ersichtlich. Auf
die Frage der tatsächlichen Wirtschaftsfähigkeit kommt es danach – jedenfalls in diesem
hier vorliegenden Verfahren – nicht an.
Für einen Hofaufgabewillen spricht nicht der Umstand, dass der Erblasser die
landwirtschaftliche Grundbesitzung 1993 an seine vorverstorbene Ehefrau verpachtet
hatte. Dies mag der Erblasser zur Absicherung der Ehefrau vorgenommen haben, lässt
aber – gerade auch im Hinblick auf das zeitlich nachfolgende Testament – einen
Hofaufgabewillen auch nicht einmal andeutungsweise erkennen.
Gleichfalls kein hinreichendes Indiz für einen Hofaufgabewillen stellt der Umstand dar,
dass der Erblasser noch zu seinen Lebzeiten ein Wohnhaus verkaufte, wodurch die in
seinem Testament enthaltene Vermächtnisanordnung zu Gunsten der Antragstellerin und
der weiteren Beteiligten zu 3. gegenstandslos wurde, ohne nachfolgend eine Änderung
des Testaments vorzunehmen.
(2) Sonst sind keine Umstände ersichtlich, die auf einen Verlust der Hofeigenschaft
schließen lassen könnten. Zwar kann ein bloßer Wille eines Erblassers, seinen
Grundbesitz trotz Betriebseinstellung weiter als Hof zu behandeln und nach
höferechtlichen Grundsätzen zu vererben, dann nicht entscheidend sein, wenn die
Voraussetzungen der Hofeigenschaft nach § 1 HöfeO objektiv entfallen sind, wenn also im
Zeitpunkt eines Erbfalls bei realistischer Betrachtungsweise keine Anhaltspunkte dafür
gegeben sind, dass ein Betrieb in Zukunft wieder aufgenommen werden könnte (vgl. auch
BGH, Beschluss vom 29. November 2013 – BLw 4/12,
Das setzt allerdings voraus, dass die Eigenbewirtschaftung zuvor zu irgendeinem
Zeitpunkt objektiv eingestellt wurde und ggf. noch der Betrieb bei der
Berufsgenossenschaft gelöscht wird (zu einem solchen Fall vgl. OLG Celle, Beschluss
vom 21. März 2011 – 7 W 126/10 (L) –, Rn. 50, juris).
Nur in einer solchen Konstellation kann sich überhaupt die Frage stellen, ob ein Betrieb „in
Zukunft wieder aufgenommen werden könnte“. Die Frage eines „Wiederanspannens“ (vgl.
BGH, Beschluss vom 29. November 2013 – BLw 4/12 –, Rn. 4, juris) stellt sich im Streitfall
hingegen nicht. Die Eigenbewirtschaftung des Hofes war nämlich von dem Erblasser gar
nicht eingestellt worden. Davon geht auch die Antragstellerin nach der Klarstellung im
Rahmen der Senatssitzung aus. Das korrespondiert zudem mit den vom Antragsgegner
seit 2014 durchgehend beantragten Agrarfördermitteln.
(3) Die Ausführungen der Antragstellerin zu der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des
Hofes führen zu keiner anderen Beurteilung. Dass es sich seither und auch bis heute
lediglich um einen (und auch nur relativ kleinen) Nebenerwerbsbetrieb handelt, steht der
Hofeigenschaft nicht entgegen. Es kommt nicht darauf an, ob der Betrieb als Voll- oder
Nebenerwerbsbetrieb geführt wird (vgl. etwa zum Wiederanspannen als
Nebenerwerbsbetrieb: OLG Celle, Beschluss vom 29. Oktober 2015 – 7 W 40/15 (L) –, Rn.
48, juris). Ebenso wenig sind Aspekte der Rentabilität oder einer nachhaltigen
Leistungsfähigkeit (Ertragsfähigkeit) entscheidend. Es lässt sich mit dem Wortlaut des
Gesetzes nicht vereinbaren, solchen Umständen – ggf. als ungeschriebenes ergänzendes
Tatbestandsmerkmal – maßgebliches Gewicht beizumessen (vgl. Senat, Beschlüsse vom
7. Juni 2011 – 10 W 123/10 –, Rn. 59, juris, und vom 5. Juli 2016 – I-10 W 37/16 –, Rn. 36,
juris; OLG Köln, Beschluss vom 17. Januar 2013 – 23 WLw 10/12 –, Rn. 32, juris; OLG
Oldenburg (Oldenburg), Beschluss vom 17. Dezember 1998 – 1 W 2/98 –, Rn. 13, juris).
Die Voraussetzungen der Hofeigenschaft und der Anwendbarkeit der Höfeordnung sind im
Gesetz detailliert und unmissverständlich formuliert. Indem das Gesetz die erforderliche
Mindestleistungsfähigkeit des Hofes anhand des Ertragswertes in der Form eines
Mindestwirtschaftswerts bestimmt, ist eine klar umrissene und praxistaugliche Anknüpfung
für die Anwendung des Höferechts vorgegeben. Inwieweit die dabei zugrunde zu legenden
Anknüpfungstatsachen, ein 1976 für angemessen gehaltener Mindestwirtschaftswert von
10.000,00 DM, noch den heutigen wirtschaftlichen Gegebenheiten entspricht, hat der
Senat nicht zu entscheiden. Die von der Antragstellerin angedeuteten
verfassungsrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Es lassen sich keine tragfähigen
Anhaltspunkte für einen verfassungswidrig gehaltenen Mindestwirtschaftswert erkennen.
Soweit der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 ausgeführt hat,
die Feststellung der Nichtigkeit von Grundstücksvermächtnissen nach § 16 Abs. 1 Satz 1
HöfeO in Verbindung mit §§ 134, 2171 Abs. 1 BGB setze ein nach dem Zweck der
Höfeordnung zu schützendes Erbrecht gemäß § 4 Satz 1 HöfeO voraus, woran es fehle,
wenn der Hof im Zeitpunkt des Erbfalls kein leistungsfähiger zu erhaltender Betrieb mehr
gewesen wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 25. April 2014 – BLw 6/13 –, Rn. 25, juris, NJWRR
2014, 1112 Rn. 25, beck-online), führt das zu keiner anderen Beurteilung der
Rechtslage. Der Bundesgerichtshof hat die Hofeigenschaft vielmehr in dieser
Entscheidung ausdrücklich bejaht (BGH, a.a.O., Rn. 22) und die Frage der
Leistungsfähigkeit ausschließlich bei der Beurteilung der Auswirkungen der
Vermächtnisanordnungen verortet. Deshalb werden die Ausführungen der Antragstellerin
dazu, es handele sich um eine reine Hobbywirtschaft ohne Gewinnerzielungsabsicht, dem
vorliegend zu beurteilenden Sachverhalt letztlich nicht gerecht. Im Zeitpunkt des Erbfalls
im Jahr 2021 war eine wirtschaftliche Betriebseinheit vorhanden. Der Antragsgegner
bewirtschaftet nach den Ausführungen der Vertreterin der Landwirtschaftskammer
Nordrhein-Westfalen auch in diesem Jahr 3,3 ha. Von der Antragstellerin geäußerte
Zweifel an einer Eigenbewirtschaftung durch den Antragsgegner teilt der Senat nicht,
objektive Anhaltspunkte in dieser Hinsicht lassen sich nicht finden. Seit dem Jahr 2014 hat
der Antragsgegner ununterbrochen Agrarförderanträge gestellt, denen eine tatsächliche
Bewirtschaftung jedenfalls von Teilflächen durch den wirtschaftlich verantwortlichen
Antragsgegner zugrunde lag. Für gegenteilige Mutmaßungen der Antragstellerin fehlen
belastbare Hinweise. Die von der Antragstellerin vertretene Abgrenzung zwischen einem
bloßen Hobby und einer (noch) landwirtschaftlichen Betätigung führt im Streitfall bereits
deshalb zu keiner anderen Beurteilung, weil der Antragsgegner die von ihm
erwirtschafteten Erzeugnisse ununterbrochen auch seit dem Jahr 2014 tatsächlich
vermarktet hat. Damit handelt es sich um einen, wenngleich im kleinen Stile, lebensfähigen
landwirtschaftlichen Betrieb, dessen Erhaltung agrarpolitisch erwünscht ist (vgl. zum
Zweck der Höfeordnung BGH, Beschluss vom 26. Juni 2014 – V ZB 1/12 –, Rn. 25, juris;
Gerlach-Worch,
deshalb die von dem Antragsgegner in der Senatssitzung mitgeteilten und kontrovers
diskutierten angeblichen Gewinne aus der Bewirtschaftung. Ob eine andere Beurteilung
dann gerechtfertigt gewesen wäre, wenn der Antragsgegner noch zu Lebzeiten des
Erblassers lediglich eine eigennützige Selbstversorgung mit Lebensmitteln betrieben hätte
(vgl. als mögliches Abgrenzungskriterium: Lückemeier in RdL 05/06 2023, „Hof im Sinne
der Höfeordnung oder doch nur Hobbylandwirtschaft?“), braucht der Senat bereits nicht zu
entscheiden. Abstrakt mag ein solcher Gedanke zwar durchaus erwogen werden, weil bei
einer in diesem Sinne verstandenen ausschließlich eigennützigen Hobbylandwirtschaft
nicht einmal im Ansatz ein nach der gesetzlichen Gesamtkonzeption wünschens- und
schützenswerter Ertrag zu Gunsten der Allgemeinheit intendiert und ermöglicht ist. Ein
dahingehender Sachverhalt ist vorliegend jedoch gerade nicht gegeben. Dem steht schon
die Vermarktung der Hoferzeugnisse durch den Antragsgegner - auch bereits zu Lebzeiten
des Erblassers - entgegen.
Der Senat hat angesichts dessen keine vernünftigen Zweifel, dass der Antragsgegner
Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt und dies auch zu Lebzeiten des Erblassers
erfolgte. Jedenfalls aber, und darauf kommt es angesichts der Feststellungslast im
vorliegenden Feststellungsverfahren maßgeblich an, begründen diese Umstände Zweifel
daran, dass im Zeitpunkt des Erbfalls kein Hof im Sinne der Höfeordnung mehr vorlag -
womit es im Ergebnis bei der durch den eingetragenen Hofvermerk ausgelösten
einschlägigen Vermutung des § 5 HöfeVfO verbleibt.
III.
1.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 44, 45 LwVG. Die Antragstellerin hat gemäß
§ 44 LwVG als unterliegende Partei nach billigem Ermessen die Gerichtskosten zu tragen.
Einen Grund, von der Anordnung zur Erstattung der außergerichtlichen Kosten abzusehen,
hat der Senat nicht feststellen können.
2.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens bestimmt sich gemäß § 61 Abs. 1 Satz 1
GNotKG nach den Anträgen der Rechtsmittelführerin. Ihr Interesse an der Feststellung
nach § 11 Abs. 1 Buchstabe a HöfeVfO, dass es sich nicht um einen Hof im Sinne der
Höfeordnung handelt, bemisst sich nach den geltend gemachten Erbanteilen, die im
Streitfall als Pflichtteil 1/6 des Hofvermögens betragen. Der Verkehrswert des Hofes ist
gemäß § 36 Abs. 1 GNotKG nach den unwidersprochenen Angaben der Antragstellerin auf
400.000,00 € zu bestimmen. Die Privilegierung in § 48 GNotKG ist hingegen nach ihrem
Zweck, die Erhaltung und die Fortführung von Höfen im Familienbesitz zu ermöglichen, auf
einen negativen Feststellungsantrag nicht anzuwenden (BGH, Beschluss vom 30. Oktober
2014 – BLw 1/14 –, Rn. 12, juris). Damit kann sich auch die erstinstanzliche
Wertfestsetzung gemäß §§ 36, 46 GNotKG am Verkehrswert des Hofes bemessen. Auch
hier hat der Senat nach billigem Ermessen nur das mit 1/6 des Verkehrswertes zu
bemessende Interesse der Antragstellerin an der negativen Feststellung zugrunde gelegt.
3.
Gründe, die Rechtsbeschwerde gemäß §§ 1 Abs. 1 HöfeVfO, 9 LwVG in Verbindung mit §
70 Abs. 2 FamFG zuzulassen, sind nicht gegeben, weil die hierfür erforderlichen
Voraussetzungen nicht vorliegen. Soweit die Antragstellerin die Frage der Rentabilität als
weiteres Kriterium zur Feststellung der Hofeigenschaft als Zulassungsgrund angeführt hat,
teilt der Senat diese Einschätzung im Hinblick auf den klar formulierten Gesetzeswortlaut
aus den dargestellten Gründen nicht. Insoweit besteht kein Klärungsbedarf.
Entscheidung, Urteil
Gericht:OLG Hamm
Erscheinungsdatum:06.11.2023
Aktenzeichen:10 W 174/22
Rechtsgebiete:Landwirtschaftserbrecht (insbes. Höferecht)
Normen in Titel:HöfeO §§ 1, 6 Abs. 7; HöfeVfO § 5