OLG München 18. Dezember 2023
34 Wx 311/23 e
BGB §§ 107, 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 1

Grundstücksüberlassung an Minderjährige zu Miteigentum; rechtliche Vorteilhaftigkeit

BGB §§ 107, 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 1
Grundstücksüberlassung an Minderjährige zu Miteigentum; rechtliche Vorteilhaftigkeit

Die Überlassung eines Grundstücks zu Miteigentum ist grundsätzlich als nicht lediglich rechtlich vorteilhaft im Sinne von § 107 BGB anzusehen.

OLG München, Beschl. v. 18.12.2023 – 34 Wx 311/23 e

Problem
Ein Großvater übertrug ein bebautes Grundstück unentgeltlich seinen drei Enkelinnen, zwei davon minderjährig, zu Miteigentum. Dabei behielt er sich und seiner Ehefrau ein unentgeltliches Wohnungs- und Mitbenutzungsrecht am Vertragsgegenstand vor; insoweit wurde vereinbart, dass der Berechtigte sämtliche Instandhaltungsaufwendungen tragen sollte. Die minderjährigen Enkelinnen wurden von ihrer Mutter, der Tochter des Großvaters, vertreten.

Das Grundbuchamt verlangt die Genehmigung der Auflassung durch einen Ergänzungspfleger. Hinsichtlich der Eigentumsübertragung an die minderjährigen Enkelinnen seien deren Eltern von der Vertretung ausgeschlossen. Das Rechtsgeschäft sei nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, da die minderjährigen Erwerberinnen in eine Bruchteilsgemeinschaft einträten.

Hiergegen legte der Urkundsnotar Beschwerde ein. Der Erwerb eines Grundstücksbruchteils durch einen Minderjährigen erweise sich nach der obergerichtlichen Rechtsprechung und der ihr folgenden Kommentarliteratur als lediglich rechtlich vorteilhaft, auch wenn der Minderjährige in eine Bruchteilsgemeinschaft eintrete.

Entscheidung
Nach Auffassung des OLG München verlangt das Grundbuchamt mit Recht die Genehmigung der Auflassung durch einen Ergänzungspfleger. Die Mutter sei gem. § 1629 Abs. 2 i. V. m. § 1824 Abs. 1 Nr. 1 BGB von der Vertretung ausgeschlossen, da die Grundstücksübertragung zu Miteigentum nicht lediglich rechtlich vorteilhaft sei.

Ein auf den Erwerb einer Sache gerichtetes Rechtsgeschäft sei für den Minderjährigen dann nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, wenn er in dessen Folge mit Verpflichtungen belastet werde, für die er nicht nur dinglich mit der erworbenen Sache, sondern auch persönlich mit seinem sonstigen Vermögen hafte. Ob das der Fall sei, bestimme sich nicht nach einer Gesamtbetrachtung des dinglichen und des schuldrechtlichen Teils des Rechtsgeschäfts, sondern nach einer isolierten Betrachtung allein des dinglichen Erwerbsgeschäfts.

Beim Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück verhalte es sich jedenfalls in der vorliegenden Konstellation nicht anders als beim Erwerb einer Eigentumswohnung. Ähnlich wie ein Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 16 Abs. 2 WEG sei auch der Bruchteilseigentümer gem. § 748 BGB verpflichtet, die Lasten des gemeinschaftlichen Gegenstands sowie die Kosten der Erhaltung, der Verwaltung und einer gemeinsamen Benutzung nach dem Verhältnis seines Anteils zu tragen, und zwar ohne Beschränkung auf dessen Wert. Die Vergleichbarkeit werde jedenfalls in der hier gegebenen Konstellation dadurch unterstrichen, dass auch das verfahrensgegenständliche Grundstück bebaut und deshalb der Anfall von Kosten für Erhaltung, Verwaltung und gemeinsame Benutzung nicht nur theoretischer Natur sei. Ob ein Gebäude in Sondereigentum aufgeteilt sei oder sich in ungeteiltem Miteigentum der Anteilsinhaber befinde, sei hierfür nicht relevant. Vielmehr würden die Verpflichtungen aus § 16 Abs. 2 WEG gleichermaßen wie diejenigen aus § 748 BGB an das Bestehen einer Gemeinschaft anknüpfen.

An diesem Ergebnis ändere hier auch der Umstand nichts, dass nach dem Inhalt des Überlassungsvertrags die Instandhaltungsaufwendungen vom Großvater zu tragen seien. Denn zum einen würden diese nur einen Teil der gesamten Kosten ausmachen. Zum anderen sei die entsprechende Verpflichtung auf die Lebenszeit der Berechtigten befristet.

Praxishinweis
Zuvor hatte bereits das KG in zwei bislang unveröffentlichten Entscheidungen (Beschlüsse vom 1.8.2023 – 1 W 93/23, BeckRS 2023, 37300 und vom 20.9.2022 – 1 W 280/22) die Ansicht vertreten, der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück sei nicht lediglich rechtlich vorteilhaft.

Die vom OLG München (und zuvor vom KG) vertretene Rechtsmeinung steht, wie das Gericht selbst einräumt, nicht im Einklang mit der übrigen obergerichtlichen Rechtsprechung und der – soweit ersichtlich – einhelligen Auffassung in der Literatur. Insbesondere das Bayerische Oberste Landesgericht hatte vertreten, die Überlassung eines Grundstücks zu Miteigentum sei nicht anders zu beurteilen als die Übereignung eines ganzen Grundstücks. Demzufolge begründe der Eintritt in eine Bruchteilsgemeinschaft für sich genommen keinen rechtlichen Nachteil (BayObLGZ 1998, 139, 145, so auch BeckOGK-BGB/Duden, Std.: 1.11.2023, § 107 Rn. 95.1; MünchKommBGB/Spickhoff, 9. Aufl. 2021, § 107 Rn. 72; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 3610l). Zu bemerken ist jedoch, dass eine vertiefte Auseinandersetzung des BayObLG mit den Folgen des Eintritts des Minderjährigen in die Bruchteilsgemeinschaft nicht stattfand. Ebenso wenig begründet freilich das OLG München die Annahme, die Verpflichtungen aus § 748 BGB entsprächen denjenigen aus § 16 Abs. 2 WEG.

Auch unter Zugrundelegung dieser Ansicht kann sich ein rechtlicher Nachteil freilich aus anderen Gründen ergeben, etwa wenn das zu übertragende Grundstück vermietet ist (vgl. BeckOGK-BGB/Krafka, Std.: 1.8.2023, § 181 Rn. 277).

Bis zu einer höchstrichterlichen Klärung wird es für die Praxis gleichwohl ratsam sein, vorsorglich einen Ergänzungspfleger handeln zu lassen, wenn ein Minderjähriger einen Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück erwerben soll. Sind die Eltern von der Vertretung ausgeschlossen, wäre die entsprechend erklärte Auflassungserklärung schwebend unwirksam.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

18.12.2023

Aktenzeichen:

34 Wx 311/23 e

Rechtsgebiete:

Vormundschaft, Pflegschaft (familien- und vormundschaftsgerichtliche Genehmigung)
Sachenrecht allgemein
WEG
Elterliche Sorge (ohne familiengerichtliche Genehmigung)

Erschienen in:

DNotI-Report 2024, 21-22

Normen in Titel:

BGB §§ 107, 1629 Abs. 2, 1824 Abs. 1