OLG München 18. September 2019
31 Wx 274/19
BGB §§ 2361, 2365, 2366; FamFG §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 S. 2, 42 Abs. 1, 353

Berichtigung eines Erbscheins

letzte Aktualisierung: 18.10.2019
OLG München, Beschl. v. 18.9.2019 – 31 Wx 274/19

BGB §§ 2361, 2365, 2366; FamFG §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 S. 2, 42 Abs. 1, 353
Berichtigung eines Erbscheins

1. Eine Berichtigung des Erbscheins nach § 42 FamFG durch Korrektur der Erbquoten scheidet aus, weil dadurch der sachliche Inhalt des Erbscheins in Form des ausgewiesenen Erbrechts berührt und eine etwaige Unrichtigkeit nicht offenbar ist.
2. Eine Berichtigung scheidet ferner aus, wenn der erteilte Erbschein – mangels Erbscheinsantrags – unrichtig und deswegen von Amts wegen einzuziehen ist. (Leitsätze der DNotI-Redaktion)

Gründe

Die als sofortige Beschwerde zu behandelnde Beschwerde ist zulässig und im Ergebnis erfolgreich.

I.
Die ledige und kinderlose Erblasserin ist zwischen dem 5.12.2016 und dem 21.12.2016 verstorben.
Sie hat durch Testament vom 21.5.2014 die Beteiligten zu 1 bis 4 durch die Zuwendung von zwei Immobilien
in … und …, die im Wesentlichen den Nachlass ausmachen, bedacht.

Der vom Nachlassgericht bestellte Nachlasspfleger hat für die Immobilie in … einen Wert von 367.353, 20 €
und für die Immobilie in … einen Wert von 32.465 € ermittelt.

Ausgehend von diesen Werten gingen die Beteiligten zu 1 und 2, denen die Immobilie in … zugewendet
wurde, zunächst davon aus, sie hätten die Erblasserin zu je ½ beerbt und stellten am 11.5.2016 einen
entsprechenden Antrag auf Erteilung eines Erbscheins, gleichzeitig gaben sie die vom Gesetz geforderten
eidesstattlichen Erklärungen ab. Die Beteiligten zu 3 und 4 wurden lediglich als Vermächtnisnehmer
angesehen.

Am 8.6.2016 änderte das Nachlassgericht seine Rechtsauffassung und sah nunmehr alle Beteiligten als
Erben an; für die Erbquoten sollte das Wertverhältnis der zugewendeten Immobilien zueinander maßgeblich
sein.

Mit Schreiben vom 10.6.2016 hat das Nachlassgericht den Beteiligten mitgeteilt, dass auf sie jeweils
Erbquoten von 42,34% bzw. 7,79% entfielen und angefragt, „ob mit der geänderten Erbfeststellung
Einverständnis besteht“.

Im Nachgang haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis erklärt.

Das Nachlassgericht hat am 11.10.2016 einen Feststellungsbeschluss erlassen, der die genannten
Erbquoten zugrunde legt. Am selben Tag wurde ein entsprechender Erbschein erteilt.

Nachdem das Nachlassgericht in der Folgezeit festgestellt hat, dass unter Zugrundelegung der von ihm im
Erbschein ausgewiesenen Quoten insgesamt 100, 26% verteilt worden sind, hat es mit Beschluss vom
5.4.2019 den Erbschein im Hinblick auf die Quoten berichtigt (jeweils 7, 66% statt 7, 79%).
In seiner Rechtsbehelfsbelehrung:hat das Nachlassgericht als statthaften Rechtsbehelf die Beschwerde
bezeichnet und für deren Einlegung eine Frist von 1 Monat benannt.

Der Beschluss wurde dem Beschwerdeführer am 25.4.2019 mittels PZU zugestellt. Seine Beschwerde ging
am 13.5.2019 beim Nachlassgericht ein.

II.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.

a) Die vorliegende Beschwerde ist als sofortige Beschwerde zu behandeln, denn entgegen der vom
Nachlassgericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung:ist der Beschluss, der eine Berichtigung ausspricht,
gemäß §§ 42 Abs. 3 S. 2 FamFG, 567 ff ZPO mit der sofortigen Beschwerde und nicht mit der (einfachen)
Beschwerde, und damit binnen einer 2-wöchigen Frist anfechtbar.

b) Die Frist für die Einlegung der sofortigen Beschwerde wurde vorliegend versäumt, denn die
Beschwerdeschrift vom 10.5.2019 ging erst am 13.5.2019 und damit außerhalb der Einlegungsfrist beim
Nachlassgericht ein.

c) Dies ist jedoch unschädlich, weil die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
hinsichtlich der versäumten Frist für die sofortige Beschwerde vorliegen:

Die versäumte Verfahrenshandlung (Einlegung der sofortigen Beschwerde) ist nachgeholt (Schriftsatz vom
10.5.2019, vgl. § 18 Abs. 3 S. 2 FamFG) und die Fristversäumnis ist auch unverschuldet. Das Fehlen des
Verschuldens ist wegen der fehlerhaften Rechtsbehelfsbelehrung:bei der Naturalpartei zu vermuten (vgl. §
17 Abs. 2 FamFG).

Wiedereinsetzung konnte daher von Amts wegen gewährt werden, § 18 Abs. 3 S. 3 FamFG.
2. Die sofortige Beschwerde ist auch in der Sache erfolgreich, da die Voraussetzungen für eine Berichtigung
des Erbscheins vom 11.10.2016 nicht vorliegen.

Ob Erbscheine überhaupt und gegebenenfalls in welchem Umfang einer Berichtigung nach § 42 FamFG
zugänglich sind, ist umstritten.

a) Teilweise wird vertreten, Schreibfehler, unerhebliche Falschbezeichnungen oder „ähnliche offenbare
Unrichtigkeiten“ könnten im Erbschein berichtigt werden, sofern dessen sachlicher Gehalt nicht berührt wird
(Palandt/Weidlich 78. Auflage <2019> § 2361 Rn. 5; Grziwotz in: MüKoFamFG, 3. Auflage <2019> § 353
FamFG Rn. 13; Krätzschel in: Firsching/Graf, Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 39 Rn. 6).

b) Nach anderer Ansicht scheidet eine Berichtigung des Erbscheins aus, weil dieser kein Beschluss im Sinne
des § 42 FamFG sei (Ulrici in: MüKoFamFG 3. Auflage <2018> § 42 Rn. 2; Bartels/Elzer in: Bork/Jacoby
/Schwab, FamFG, 3. Auflage <2018>, § 42 Rn. 2).

c) In der Rechtsprechung hat das BayObLG die Berichtigung einer fehlerhaften Zeitangabe im Erbschein für
möglich gehalten (BayObLGZ 6, 388) und das Kammergericht entschieden, dass eine Berichtigung in
Betracht kommt, wenn es sich um die Beseitigung unzulässiger oder die Aufnahme vorgeschriebener
Zusätze handelt, die den sachlichen Inhalt des Erbscheins unberührt lassen und am öffentlichen Glauben
nicht teilnehmen (KG OLGZ 1966, 612).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kommt vorliegend eine Berichtigung nach keiner der
vorgenannten Ansichten in Betracht, denn die vom Nachlassgericht beabsichtigte Korrektur der Erbquote ist
nach Ansicht des Senats einer Berichtigung von vornherein deswegen nicht zugänglich, weil sie den
sachlichen Kernbereich des Erbscheins berührt (sogleich a)).

Darüber hinaus scheidet sich vorliegend auch deswegen aus, weil sie sich nicht auf einen offenbaren Fehler
bezieht (sogleich b)).

a) Die im Erbschein ausgewiesene Erbquote ist ein essentieller Bestandteil des Erbscheins, sie nimmt an
der Gutglaubenswirkung im Sinne der §§ 2365, 2366 BGB teil. Ihre Berichtigung kommt im bereits erteilten
Erbschein nicht Betracht, weil dadurch der sachliche Inhalt des Erbscheins in Form des ausgewiesenen
Erbrechts berührt ist, dieses wird nach der Berichtigung kleiner als ursprünglich ausgewiesen.
b) Darüber hinaus ist die Unrichtigkeit nicht offenbar im Sinne des § 42 FamFG. Voraussetzung insoweit
wäre, dass sich die Unrichtigkeit aus dem Beschluss selbst oder wenigstens aus den Vorgängen bei seinem
Erlass bzw. seiner Bekanntgabe ergibt und ohne weiteres erkennbar ist (Keidel/Meyer-Holz FamFG 19.
Auflage <2017> § 42 Rn. 8).

Nach den Ausführungen des Nachlassgerichts im angefochtenen Beschluss ergibt sich die Unrichtigkeit aus
einem Rechenfehler bei der Errechnung der Erbquoten aus der Relation der vom Nachlasspfleger ermittelten
Werte der einzelnen zum Nachlass gehörenden Grundstücke. Allerdings sind diese Werte wiederum weder
Inhalt des erteilten Erbscheins noch des zugrundeliegenden Feststellungsbeschlusses, vielmehr sind sie
lediglich im Nachlassverzeichnis enthalten.

Die Unrichtigkeit wird also nur dann erkennbar, wenn der vollständige Willensbildungsprozess, d.h. der
gesamte Akteninhalt des Nachlassgerichts im Einzelnen nachvollzogen wird und somit zum Inhalt bzw. zur
Grundlage des Berichtigungsverfahrens gemacht würden.

Angesichts dessen liegt eine offenbare Unrichtigkeit nach Ansicht des Senats nicht vor.

3. Schließlich kann die beabsichtigte Berichtigung des Erbscheins auch deshalb nicht in Betracht kommen,
weil der erteilte Erbschein unrichtig ist, da für seine Erteilung keine Erbscheinsanträge vorliegen und dieser
deswegen einzuziehen ist (§ 2361 BGB).

a) Ein erteilter Erbschein ist dann unrichtig, wenn die Voraussetzungen für eine Erteilung aus tatsächlichen
oder rechtlichen Gründen von Anfang an nicht gegeben gewesen sind, wenn ihn also das Nachlassgericht
nicht erteilen dürfte, falls es jetzt über die Erteilung zu entscheiden hätte (BayObLGZ 1980, 72; Weidlich,
a.a.O. § 2361 Rn. 2; Krätzschel, a.a.O. § 39 Rn. 2). Unrichtig ist der Erbschein auch dann, wenn er vom
Antrag abweicht oder auf Antrag eines Nichtbeteiligten erteilt wird, wenn nachträglich keine Genehmigung
erfolgt (BayObLG NJW-RR 2001, 950).

b) Hinreichende Erbscheinsanträge haben im vorliegenden Verfahren bislang (lediglich) die Beteiligten zu 1
und 2 am 11.5.2016 zu Protokoll der Geschäftsstelle gestellt und dabei einen Erbschein beantragt, der sie
als Erben zu je ½ ausweist. Die Beteiligten zu 3 und 4 haben bislang keinen Erbscheinsantrag gestellt.

Soweit das Nachlassgericht seinerseits mit Schreiben vom 10.6.2016 bei den Beteiligten angefragt hat, ob
mit „der geänderten Erbenstellung Einverständnis besteht“, erfüllen die daraufhin abgegebenen
Zustimmungserklärungen nicht die Anforderungen an einen Erbscheinsantrag. Da der Erbschein nur auf
Antrag erteilt wird und dieser Antrag im Erbscheinserteilungsverfahren das Gericht mit der Folge bindet,
dass der erteilte Erbschein nur wie beantragt erteilt werden kann (h.M., vgl. nur Keidel/Sternal, FamFG 19.
Auflage <2017> § 23 Rn. 14), setzt ein ordnungsgemäßer Antrag voraus, dass das beantragte Erbrecht
einschließlich der Quoten genau bezeichnet ist (Keidel/Sternal, a.a.O.; Krätzschel in: Firsching/Graf,
Nachlassrecht, 11. Auflage <2019> § 38 Rn. 30).

Das ist hier im Hinblick auf die Schreiben der Beteiligten zu 3 und 4 ersichtlich nicht der Fall. Somit unterliegt
der Erbschein jedenfalls der Einziehung von Amts wegen, die seiner Berichtigung entgegensteht.

c) Eine entsprechende Anweisung an das Nachlassgericht, den erteilten Erbschein einzuziehen, kann
gleichwohl nicht erfolgen, weil die Einziehung des Erbscheins vorliegend nicht verfahrensgegenständlich ist.

d) Vorsorglich weist der Senat jedoch darauf hin, dass nach einer möglichen Einziehung des Erbscheins in
einem möglichen Verfahren zur Neuerteilung eines Erbscheins die Einwände des Beschwerdeführers in
dessen Schreiben vom 19.3.2019 im Hinblick auf die für die Ermittlung der Erbquoten zugrunde gelegten
Werte der Immobilien zu berücksichtigen wären.

III.
Gerichtliche Kosten fallen für die erfolgreiche Beschwerde nicht an.

IV.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

18.09.2019

Aktenzeichen:

31 Wx 274/19

Rechtsgebiete:

Nachlaßabwicklung (insbes. Erbschein, Nachlaßinventar)
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Erschienen in:

ZEV 2019, 661

Normen in Titel:

BGB §§ 2361, 2365, 2366; FamFG §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 S. 2, 42 Abs. 1, 353