OLG Hamm 27. Mai 2010
I-15 W 212/10
GBO §§ 35 Abs. 1, 71 Abs. 1, 82; FamFG § 35

Zurückstellung von Zwangsmaßnahmen zur Grundbuchberichtigung durch Grundbuchamt nur bei Vorliegen berechtigter Gründe

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: i15w212_10
letzte Aktualisierung: 6.9.2010
OLG Hamm, 27.5.2010 - I-15 W 212/10
GBO §§ 35 Abs. 1, 71 Abs. 1, 82; FamFG § 35
Zurückstellung von Zwangsmaßnahmen zur Grundbuchberichtigung durch Grundbuchamt nur bei Vorliegen berechtigter Gründe

1. Über die Beschwerde gegen die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach § 82 GBO hat der Einzelrichter zu entscheiden.

2. Bei der Beurteilung der Frage, ob berechtigte Gründe für eine Zurückstellung des Berichtigungszwangs vorliegen, ist als Parallelwertung des
Gesetzgebers die Gebührenfreiheit nach § 60 Abs. 4 KostO für Erben des eingetragenen Eigentümers in den Blick zu nehmen,
wenn der Eintragungsantrag binnen zwei Jahren seit dem Erbfall bei dem Grundbuchamt eingereicht wird.

Tenor:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Gründe
I.
In dem eingangs genannten Grundbuch ist Frau G geborene M als Eigentümerin
eingetragen. Mit Schreiben vom 17.11.2009 übersandte das Nachlassgericht dem
Grundbuchamt eine Ablichtung der Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung von
Todes wegen vom 17.11.2009, aus der sich ergibt, dass die eingetragene Eigentümerin am
16.09.2009 verstorben ist und ein notarielles Testament vom 06.08.1949 (UR-Nr.
###/1949 des Notars Dr. N in I3) hinterlassen hat. In dem Testament setzte die Erblasserin
(Zitat:) "meine Kinder" ein.
Mit Verfügung vom 03.12.2009 gab das Grundbuchamt dem Beteiligten auf, bis zum
01.03.2010 einen Grundbuchberichtigungsantrag zu stellen. Der Beteiligte hatte bereits mit
dem am 04.12.2009 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schreiben vom 02.12.2009 mit
der Begründung, er sei das einzige Kind seiner Mutter, sein Vater habe ein
Nießbrauchsrecht an dem Nachlassvermögen erhalten, einen
Grundbuchberichtigungsantrag gestellt. Mit Schreiben vom 08.12.2009 forderte das
Grundbuchamt von dem Beteiligten die Vorlage eines Erbscheins, weil die Erblasserin in
dem Testament pauschal "die Kinder" eingesetzt habe, das Grundbuchamt aber nicht
Ermittlungen zu den Familienverhältnissen anstellen könne. Der
Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten übersandte daraufhin unter dem 15.01.2010
eine notariell beurkundete eidesstattliche Versicherung vom 17.12.2009 und beantragte
erneut dessen Eintragung als Alleineigentümer. In der notariellen Urkunde versicherte der
Beteiligte, er sei der einzige Abkömmling seiner Mutter, die auch keine außerehelichen
oder adoptierte Abkömmlinge habe.
Das Grundbuchamt teilte mit mehreren Schreiben mit, es sei weiterhin ein Erbschein
vorzulegen, da der Erbnachweis nicht durch das Testament und die eidesstattliche
Versicherung erbracht sei. Es bestimmte eine Frist zur Vorlage eines Erbscheins bis zum
08.03.2010 und kündigte an, andernfalls das Berichtigungszwangsverfahren fortzuführen
und ein Zwangsgeld festzusetzen.
Mit Beschluss vom 18.03.2010 setzte das Amtsgericht ein Zwangsgeld von 200 € fest,
weil der Beteiligte der Beteiligte die Verfügung vom 03.12.2009 bezüglich der Vorlage
eines Erbscheins nicht befolgt habe, und forderte den Beteiligten unter Androhung der
Festsetzung eines weiteren Zwangsgeldes auf, den Erbschein bis zum 23.04.2010
vorzulegen.
Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingelegte Beschwerde, mit welcher der Beteiligte
beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Grundbuchamt anzuweisen,
die Grundbuchberichtigung nach Maßgabe des Antrags vom 15.01.2010 zu vollziehen.
II.
Über die Beschwerde hat gemäß §§ 35 Abs. 5 FamFG, 568 ZPO der Einzelrichter zu
entscheiden (Demharter, GBO, § 71 Rn 3 und 81 Rn 3). Sie ist gemäß § 71 Abs.1 GBO
zulässig und hat in der Sache Erfolg, soweit der Beteiligte mit dem Rechtsmittel die
Aufhebung der Zwangsgeldfestsetzung erstrebt.
grundbuchrechtlichen Amtsverfahren nach § 82 S. 1 GBO ergangen. Nach dieser
Vorschrift soll das Grundbuchamt, wenn das Grundbuch hinsichtlich der Eintragung des
Eigentümers durch Rechtsübergang außerhalb des Grundbuchs unrichtig geworden ist,
dem Eigentümer die Verpflichtung auferlegen, den Antrag auf Berichtigung des
Grundbuches zu stellen und die zur Berichtigung des Grundbuchs notwendigen Unterlagen
zu beschaffen. Die Erzwingung der auferlegten Verpflichtung erfolgt nach Maßgabe des
§ 35 FamFG, also durch Androhung eines der Höhe nach bestimmten Zwangsgeldes für
den Fall, dass der Beteiligte die ihm auferlegte Verpflichtung nicht innerhalb einer zu
bestimmenden Frist erfüllt. Bleibt die Androhung erfolglos, kann das Zwangsgeld
nunmehr festgesetzt werden.
Allerdings soll das Grundbuchamt nach § 82 S. 2 GBO Maßnahmen des
Grundbuchberichtigungszwangs zurückstellen, solange berechtigte Gründe dafür
vorliegen; liegen solche vor, kann von der für eine Zwangsgeldfestsetzung erforderlichen
schuldhaften Nichterfüllung der einem Beteiligten auferlegten Verpflichtung nicht
ausgegangen werden. Bei der Beurteilung der Frage, ob berechtigte Gründe für eine
Zurückstellung des Berichtigungszwangs vorliegen, ist als Parallelwertung des
Gesetzgebers die Gebührenfreiheit nach § 60 Abs. 4 KostO für Erben des eingetragenen
Eigentümers in den Blick zu nehmen, wenn der Eintragungsantrag binnen zwei Jahren seit
dem Erbfall bei dem Grundbuchamt eingereicht wird. Wenn einerseits das Gesetz die
innerhalb dieser Frist beantragte Eintragung noch als förderungswürdige Beschleunigung
der Grundbuchberichtigung ansieht, kann andererseits nicht angenommen werden, dass
schon vor Ablauf dieser Frist Anlass zur Erzwingung der Berichtigung bestehen soll,
sofern im Einzelfall nicht besondere Gesichtspunkte eine andere Handhabung erfordern
(OLG Frankfurt Rpfleger 2002, 433; Bauer/von Oefele/Budde, GBO, 2. Aufl., § Rn 11).
So liegen die Dinge hier, weil die Mutter des Beteiligten am 16.09.2009 verstorben war, so
dass für die Einleitung eines Zwangsverfahrens nach § 82 S. 1 GBO im Jahr 2009 noch
keinerlei Veranlassung bestand. Hier kommt hinzu, dass der Beteiligte bereits mit
Schreiben vom 02.12.2009 einen Berichtigungsantrag gestellt hatte, so dass auch deshalb
kein Anlass zur Verhängung von Zwangsmaßnahmen bestand. Die in der Folgezeit
zwischen Grundbuchamt und Beteiligtem unterschiedlich beantwortete Frage, ob der
Beteiligte durch das notarielle Testament und die Vorlage der eidesstattlichen
Versicherung den erforderlichen Nachweis seiner Alleinerbenstellung erbracht hat, hätte
daher nicht im Zwangsgeldverfahren, sondern in dem Antragsverfahren geklärt und
entschieden werden müssen.
Soweit der Beteiligte mit der Beschwerde beantragt, das Grundbuchamt zur
Grundbuchberichtigung anzuweisen, übersieht er, dass der Antrag auf
Grundbuchberichtigung nicht Gegenstand des vorliegenden Zwangsverfahrens ist, so dass
der Senat hierüber nicht entscheiden kann.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
Nach § 35 Abs. 1 S. 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge beim Grundbuchamt
grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht die Erbfolge auf einer Verfügung
von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, so genügt die Vorlage
dieser Urkunde und der Eröffnungsniederschrift; wenn das Grundbuchamt die Erbfolge
dadurch nicht für nachgewiesen erachtet, kann es die Vorlage eines Erbscheins verlangen,
§ 35 Abs. 1 S. 2 GBO. Aus der Erbeinsetzung "meine Kinder" ergibt sich vorliegend nicht,
ergebende Lücke in der Beweisführung kann möglicherweise aber auch ohne Erbschein
geschlossen werden. Es ist in Rechtsprechung und Literatur weitgehend anerkannt, dass
zum Nachweis der Erbfolge im Falle des § 35 Abs. 1 S. 2 GBO auch andere öffentliche
Urkunden, insbesondere Personenstandsurkunden herangezogen werden können und
müssen (BayObLG FGPrax 2000, 179; Rpfleger 2003, 351; OLG Frankfurt OLGZ 1981,
30 = Rpfleger 1980, 434; OLG Stuttgart BWNotZ 1967, 154 ff.; OLG Zweibrücken OLGZ
1985, 408 = DNotZ 1986, 240; Senat FGPrax 1997, 46; Bauer/von Oefele/Schaub,
a.a.O.,§ 35 Rn. 138, 147f), wenn auch das Nachlassgericht ohne weitere Ermittlungen
diese nach § 2356 Abs. 3 BGB der Erbscheinserteilung zugrunde legen würde. Dies gilt
z.B. im vorliegenden Fall, in dem der Nachweis des Nichtvorliegens bestimmter Tatsachen
erbracht werden muss, nämlich dass keine weiteren Kinder als der Beteiligte bekannt sind.
Ist nach Auffassung des Grundbuchamtes der Nachweis durch eine den Voraussetzungen
des § 29 GBO entsprechende eidesstattliche Versicherung nicht erbracht, so ist dies
nachvollziehbar zu begründen.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

27.05.2010

Aktenzeichen:

I-15 W 212/10

Rechtsgebiete:

Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundbuchrecht

Erschienen in:

FGPrax 2010, 276-277
ZEV 2010, 596-597

Normen in Titel:

GBO §§ 35 Abs. 1, 71 Abs. 1, 82; FamFG § 35