Bindungsfristen bei Verkauf von verbilligtem Bauland
Bindungsfristen bei Verkauf von verbilligtem Bauland
a) Bei einem Verkauf verbilligten Baulandes an einen privaten Käufer im Rahmen eines städtebaulichen Vertrages ist eine Bindungsfrist von 30 Jahren für die Ausübung eines Wiederkaufsrechts der Gemeinde grundsätzlich nur dann angemessen, wenn dem Erwerber ein besonders hoher Preisnachlass gewährt wurde oder sonst außergewöhnliche Umstände vorliegen, die eine derart lange Bindung des Erwerbers rechtfertigen. Die Gewährung eines Preisnachlasses von 29 % gegenüber dem Verkehrswert genügt hierfür nicht.
b) Bei einer Kaufpreisverbilligung von 20 % ist eine Bindungsfrist von 20 Jahren grundsätzlich noch angemessen.
BGH, Urt. v. 15.2.2019 – V ZR 77/18
Problem
Die Entscheidung befasst sich mit der zulässigen Länge von Bindungsfristen bei gemeindlichen Wiederkaufsrechten in städtebaulichen Verträgen.
Im Jahr 1996 verkaufte die beklagte Gemeinde dem klagenden Erwerber ein Grundstück zu einem Kaufpreis unterhalb des Verkehrswerts. Streitig ist, ob der dem Kläger gewährte Preisnachlass 20 % oder 29 % betrug. Die Beklagte behielt sich im Kaufvertrag ein Wiederkaufsrecht mit einer Ausübungsfrist von 30 Jahren ab der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer vor, insbesondere für den Fall, dass der Erwerber das Grundstück Dritten ganz oder teilweise verkauft oder zu eigentumsähnlicher Nutzung überlässt. Im Jahr 1999 wurde der Kläger als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen.
Im Jahr 2013 informierte der Kläger die beklagte Gemeinde über seine Absicht, das Grundstück zu verkaufen. Diese erklärte, auf die Ausübung des Wiederkaufsrechts verzichten zu wollen, wenn der Kläger einen Ablösebetrag von 47.078,78 € zahle. Zudem wies sie ihn darauf hin, dass das Wiederkaufsrecht ihrer Meinung nach im März 2017 ende. Der Kläger bezahlte den Ablösebetrag vorbehaltlich einer Klärung der Wirksamkeit des Wiederkaufsrechts. Er verkaufte das bebaute Grundstück im Jahr 2016 zu einem Kaufpreis von 335.000 €.
Das Landgericht verurteilte die beklagte Gemeinde zur Rückzahlung des Ablösebetrags, das Oberlandesgericht wies die Berufung der Beklagten zurück.
Entscheidung
Der V. Senat hebt das Urteil des Oberlandesgerichts auf und weist die Klage auf Rückzahlung des Ablösebetrags ab.
Ein Anspruch aus
Ein städtebaulicher Vertrag nach
Die Vereinbarung des Wiederkaufsrechts an sich sei bei einem subventionierten Kaufvertrag stets zulässig, weil die Gemeinde eine Unter-Wert-Veräußerung nur mit derartigen Bindungen rechtfertigen könne. Unangemessen sei aber die 30-jährige Bindungsfrist, weil selbst bei einem unterstellten Preisnachlass von 29 % kein besonders hoher Nachlass gegeben sei und Bindungen über einen Zeitraum von 30 Jahren nur unter besonders außergewöhnlichen Umständen möglich seien. Folge dieser Unangemessenheit sei die Unwirksamkeit der Ausübungsfrist des Wiederkaufsrechts.
Allerdings sei damit nicht das Wiederkaufsrecht in toto unwirksam. Vielmehr sei die entstehende Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) dadurch zu schließen, dass die Ausübungsfrist 20 Jahre betrage. Zwar sei das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zu beachten, allerdings gelte dies nicht ausnahmslos. So sei eine ergänzende Vertragsauslegung nötig, wenn gesetzliche Vorschriften fehlten und ein Festhalten angesichts des verschobenen Vertragsgefüges nicht zumutbar sei (so explizit:
Diese Voraussetzungen lägen hier vor, da das zeitlich befristete Wiederkaufsrecht die Unter-Wert-Veräußerung erst möglich gemacht habe; streiche man das Wiederkaufsrecht ersatzlos, würde der gesamte Vertrag angesichts der kommunalrechtlichen Pflicht zur verkehrswertgemäßen Veräußerung in Frage gestellt. Dies wiederum würde den klagenden Verbraucher schlechter stellen als im Falle einer ergänzenden Vertragsauslegung.
Im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung erweise sich eine Frist von 20 Jahren bei einem Preisnachlass von 20 % als angemessen, weil dadurch sowohl dem Interesse der beklagten Gemeinde an einer Rechtfertigung der Grundstücksveräußerung unter dem Verkehrswert als auch dem Interesse des Käufers, keinen unzumutbaren Bindungen unterworfen zu sein, in angemessener Weise Rechnung getragen werde.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:15.02.2019
Aktenzeichen:V ZR 77/18
Rechtsgebiete:
AGB, Verbraucherschutz
Öffentliches Baurecht
DNotI-Report 2019, 118-119
ZNotP 2020, 169-172
NJW 2019, 2602-2604
NotBZ 2019, 381-383
BauGB § 11 Abs. 2 S. 1; BGB § 307 Abs. 1