EuGH-Generalanwalt 25. Mai 2023
C-583/21 u.a.
RL 2001/23/EG

Übernahme eines Notariats durch einen anderen Notar als Unternehmensübergang?

letzte Aktualisierung: 27.7.2023
EuGH, Schlussantrag v. 25.5.2023 – C-583/21 u.a.

RL 2001/23/EG
Übernahme eines Notariats durch einen anderen Notar als Unternehmensübergang?

Der Generalanwalt beim EuGH schlägt in seinem Schlussantrag vor, die Vorlagefrage, ob die
Übernahme eines Notariats durch einen anderen Notar einen Unternehmensübergang darstellen
kann, dahingehend zu beantworten, dass die Betriebsübergangsrichtlinie (RL 2001/23/EG) auf
einen Fall anwendbar ist, in dem ein Notar den früheren Inhaber der Notarstelle in seinem Amt
ablöst, seine Tätigkeit am selben Arbeitsplatz und mit derselben Ausstattung ausübt und die
Urkundenrolle und das Personal, das bereits für den ehemaligen Inhaber der Notarstelle gearbeitet
hat, übernimmt. Das nationale Gericht habe zunächst zu prüfen, ob die Tätigkeit des Notars als die
eines Unternehmens eingestuft werden könne, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübe, und
sodann, ob die Voraussetzungen für den Übergang einer ihre Identität bewahrenden
wirtschaftlichen Einheit erfüllt seien.

(Leitsatz der DNotI-Redaktion)

„Vorabentscheidungsersuchen – Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim Übergang von
Unternehmen – Versetzung eines Notars auf eine andere Notarstelle – Anwendbarkeit der
Vorschriften der Richtlinie 2001/23/EG auf die Arbeitnehmer“

1. Kann die Übernahme eines Notariats durch einen anderen Notar einen
Unternehmensübergang darstellen, damit die Ansprüche der Arbeitnehmer gewahrt werden?

I. Rechtlicher Rahmen

A. Unionsrecht

Richtlinie 2001/23/EG

2. Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23(2) lautet:

„a) Diese Richtlinie ist auf den Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmensbzw.
Betriebsteilen auf einen anderen Inhaber durch vertragliche Übertragung oder durch
Verschmelzung anwendbar.

b) Vorbehaltlich Buchstabe a) und der nachstehenden Bestimmungen dieses Artikels gilt als
Übergang im Sinne dieser Richtlinie der Übergang einer ihre Identität bewahrenden
wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur
Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit.

c) Diese Richtlinie gilt für öffentliche und private Unternehmen, die eine wirtschaftliche
Tätigkeit ausüben, unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht. Bei der
Übertragung von Aufgaben im Zuge einer Umstrukturierung von Verwaltungsbehörden oder
bei der Übertragung von Verwaltungsaufgaben von einer Behörde auf eine andere handelt es
sich nicht um einen Übergang im Sinne dieser Richtlinie.“

3. Art. 3 Abs. 1 und 3 der Richtlinie sieht vor:

„1. Die Rechte und Pflichten des Veräußerers aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs
bestehenden Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis gehen aufgrund des Übergangs auf den Erwerber
über.
Die Mitgliedstaaten können vorsehen, dass der Veräußerer und der Erwerber nach dem Zeitpunkt
des Übergangs gesamtschuldnerisch für die Verpflichtungen haften, die vor dem Zeitpunkt des
Übergangs durch einen Arbeitsvertrag oder ein Arbeitsverhältnis entstanden sind, der bzw. das zum
Zeitpunkt des Übergangs bestand.

3. Nach dem Übergang erhält der Erwerber die in einem Kollektivvertrag vereinbarten
Arbeitsbedingungen bis zur Kündigung oder zum Ablauf des Kollektivvertrags bzw. bis zum
Inkrafttreten oder bis zur Anwendung eines anderen Kollektivvertrags in dem gleichen Maße
aufrecht, wie sie in dem Kollektivvertrag für den Veräußerer vorgesehen waren.
Die Mitgliedstaaten können den Zeitraum der Aufrechterhaltung der Arbeitsbedingungen
begrenzen, allerdings darf dieser nicht weniger als ein Jahr betragen.“

4. Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie bestimmt:

„Der Übergang eines Unternehmens, Betriebs oder Unternehmens- bzw. Betriebsteils stellt als
solcher für den Veräußerer oder den Erwerber keinen Grund zur Kündigung dar. Diese Bestimmung
steht etwaigen Kündigungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen, die
Änderungen im Bereich der Beschäftigung mit sich bringen, nicht entgegen.“

B. Spanisches Recht

5. Art. 1 der Ley del Notariado, de 28 de mayo de 1862 (Gesetz über das Notarwesen vom
28. Mai 1862)(3) definiert den Notar als „öffentlichen Amtsträger, der berechtigt ist, Verträge und
andere außergerichtliche Rechtshandlungen gemäß den Gesetzen zu beurkunden“ und fügt hinzu,
dass „es im gesamten Königreich nur eine Kategorie dieser Beamten gibt“.

6. Art. 44 Abs. 1 und 2 des Real Decreto Legislativo 2/2015, por el que se aprueba el texto
refundido de la Ley del Estatuto de los Trabajadores (Königliches gesetzesvertretendes Dekret
2/2015 zur Billigung der Neufassung des Arbeitnehmerstatuts vom 23. Oktober 2015, BOE Nr. 255
vom 24. Oktober 2015, S. 100224, im Folgenden: Arbeitnehmerstatut) sieht vor:
„1. Wechselt der Inhaber eines Unternehmens, einer Beschäftigungsstelle oder einer
selbstständigen Produktionseinheit, so führt dies nicht automatisch zur Beendigung des
Arbeitsverhältnisses; der neue Unternehmer tritt in die arbeits- und sozialversicherungsrechtlichen
Rechte und Pflichten des früheren Unternehmers, einschließlich der Rentenverbindlichkeiten nach
Maßgabe der insoweit geltenden besonderen Vorschriften sowie allgemein aller Verpflichtungen im
Bereich des zusätzlichen sozialen Schutzes, die der Veräußerer eingegangen ist, ein.
2. Für die Zwecke der vorliegenden Bestimmung gilt als Übergang eines Unternehmens die
Übertragung einer ihre Identität bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne einer organisierten
Zusammenfassung von Ressourcen zur Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder
Nebentätigkeit.“

II. Sachverhalt, Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

7. Die Arbeitnehmer NC, JD, TA und FZ arbeiteten in einem Notariat für verschiedene Notare,
die dort die Notarstelle besetzten. Der Notar DV übergab am 30. September 2019, zum Zeitpunkt
seiner Versetzung, jedem der Arbeitnehmer ein Schreiben, in dem er ihnen die Möglichkeit gab, sich
mit ihm an seinen neuen Dienstort versetzen zu lassen oder das Arbeitsverhältnis zu beenden. Die
Angestellten entschieden sich für eine Kündigung, und der Notar DV kündigte ihnen „wegen
wirtschaftlicher höherer Gewalt“ und zahlte ihnen eine Abfindung.

8. Am 20. Januar 2020 wurde BA zum Notar dieser Notarstelle ernannt und übernahm die
Arbeitnehmer seines Vorgängers, und zwar zu denselben wirtschaftlichen Bedingungen und am
selben Arbeitsort, an dem die Urkundenrolle aufbewahrt wird, die im nationalen Recht als
Sammlung öffentlicher Urkunden und sonstiger Dokumente, die dieser Sammlung jedes Jahr
hinzugefügt werden, definiert ist. Am 11. Februar 2020 schlossen BA und die Kläger
Arbeitsverträge mit einer Probezeit von sechs Monaten.

9. Am 15. März 2020 erließ die Dirección General de Seguridad Jurídica y Fe Pública
(Generaldirektion für Rechtssicherheit und öffentliche Beurkundung) des Ministerio de Justicia
(Justizministerium, Spanien) wegen der Covid-19-Pandemie eine Anweisung, wonach nur
Dringlichkeitsmaßnahmen durchgeführt werden sollten und die Notariate die von den Behörden
empfohlenen Maßnahmen zur Abstandshaltung umsetzen und eine Rotation der Mitarbeiter
einführen mussten. Am darauffolgenden Tag begaben sich NC, TA und JD in das Notariat und
forderten BA auf, diese Maßnahmen umzusetzen. BA lehnte dies ab und sandte noch am selben Tag
Kündigungsschreiben an NC, TA und JD sowie am 2. April 2020 an FZ, in denen es hieß, dass sie
ihre Probezeit nicht bestanden hätten.

10. Die Kläger beantragten daher beim vorlegenden Gericht, die Kündigungen für nichtig oder
rechtswidrig zu erklären, und machten geltend, dass ihre Betriebszugehörigkeit ab dem Tag zu
berechnen sei, an dem sie ihre Tätigkeit in dem Notariat aufgenommen hätten, das sich in den
Räumlichkeiten befinde, die nunmehr von BA genutzt würden.

11. BA trat ihren Forderungen entgegen und trug vor, dass als Stichtag für den Beginn der
Betriebszugehörigkeit der 11. Februar 2020, der Tag des Vertragsschlusses zwischen den Parteien,
gelten sollte.

12. Das vorlegende Gericht hat daher dem Gerichtshof die folgende Vorlagefrage zur
Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23 – und somit die gesamte Richtlinie – auf einen
Fall anwendbar, in dem ein Notar, der zugleich Beamter und privater Arbeitgeber des für ihn
arbeitenden Personals ist und dessen Stellung als Arbeitgeber durch das allgemeine Arbeitsrecht und
den Tarifvertrag des Sektors geregelt ist, den früheren Inhaber der Notarstelle in seinem Amt ablöst,
seine Tätigkeit am selben Arbeitsplatz und mit derselben Ausstattung ausübt und die Urkundenrolle
und das Personal, das bereits für den ehemaligen Inhaber der Notarstelle gearbeitet hat, übernimmt?

III. Rechtliche Würdigung

Vorbemerkungen

13. In den Ausgangsverfahren geht es um Arbeitnehmer, die jahrelang in einem Notariat
beschäftigt waren und denen aus wirtschaftlichen Gründen gekündigt wurde, als ihr Arbeitgeber, ein
Notar, an einen anderen Ort versetzt wurde. Diese Arbeitnehmer wurden dann nach Verhandlungen
von dem neuen Notar, der das Notariat übernommen hatte, mit einem neuen Vertrag wieder
eingestellt und in der Folge wegen Nichtbestehens der Probezeit entlassen.

14. Im Zusammenhang mit den Ausgangsverfahren stellen sich zahlreiche Rechtsfragen, die, wie
sich den Akten entnehmen lässt, Folgendes betreffen: die Rechtmäßigkeit der ersten Kündigung, die
Rechtmäßigkeit der zweiten Kündigung, die Dauer der Betriebszugehörigkeit der Arbeitnehmer, die
Rechtmäßigkeit der Festlegung einer Probezeit im zweiten Vertrag und andere die Vergütung
betreffenden Fragen. Dabei handelt es sich jedoch um Fragen, die nur von den nationalen Gerichten
geklärt werden können.

15. Meine Analyse wird sich auf die Rechtsfrage beschränken, die im Hintergrund des gesamten
Rechtsstreits steht und die nach Auffassung des vorlegenden Gerichts die rechtliche Voraussetzung
für die spätere Entscheidung in den Ausgangsverfahren ist: Ist die in der Richtlinie 2001/23
vorgesehene Regelung über den Übergang von Unternehmen zur Wahrung von Ansprüchen der
Arbeitnehmer auf den Fall anwendbar, in dem ein Notar seine Stelle wechselt und sein Nachfolger
die Tätigkeit am selben Ort mit derselben Ausstattung fortsetzt und die Urkundenrolle sowie das
Personal übernimmt, das bei seinem Vorgänger beschäftigt war?

16. Wenn die Richtlinie auf einen Fall wie den der Ausgangsverfahren anwendbar wäre und die
erste Kündigung vorbehaltlich einer Überprüfung der Folgen auf der Grundlage des nationalen
Rechts ohne eine andere Rechtfertigung als den Übergang selbst(4) ausgesprochen worden wäre,
befände man sich in einer Situation, in der der neue Notar das Arbeitsverhältnis mit den
Arbeitnehmern, die sich für einen ununterbrochenen Verbleib im Notariat entschieden hatten,
wahrscheinlich aufrechterhalten müsste.

17. Zur Beantwortung der gestellten Frage ist es erforderlich, eine kurze Analyse der folgenden
Punkte vorzunehmen: 1) die Einstufung der von einem Notar in Spanien ausgeübten Tätigkeit als
eine Tätigkeit einer Verwaltungsbehörde(5); 2) die Einstufung der von einem Notar in Spanien
ausgeübten Tätigkeit als eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 2001/23; 3) die
Einstufung der vorgenannten Ablösung des früheren Notars durch den neuen Notar auf der
Notarstelle als Unternehmensübergang im Sinne der Richtlinie 2001/23(6).

18. Zu den sich aus den Akten ergebenden Informationen, die für die Analyse nützlich sind: Der
Notar in Spanien übt die Aufgaben eines öffentlichen Amtsträgers aus, ist aber gleichzeitig privater
Arbeitgeber seiner Angestellten, wobei die Gesetze über private Arbeitsverhältnisse sowie
Tarifverträge Anwendung finden; in seiner Eigenschaft als öffentlicher Amtsträger ist er befugt,
gemäß dem Gesetz Verträge und außergerichtliche Rechtshandlungen zu beurkunden (er muss sich
daher vergewissern, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Bedingungen für die Ausführung der
betreffenden Rechtshandlung oder des betreffenden Vertrags erfüllt sind); er ist zuständig für die
Änderung des Personenstands und die Überprüfung der Wahrung der Rechtsvorschriften, die auf
einen zwischen zwei Parteien geschlossenen privatrechtlichen Vertrag anwendbar sind; er ist die
öffentliche Stelle, die dafür zuständig ist, einer Handlung, die auf dem Willen der Parteien beruht,
den Rang einer notariellen Urkunde zu verleihen, was bedeutet, dass der Handlung Wirkungen
beigemessen werden, die nicht vom Willen der Parteien abhängen, sondern sich aus der gesetzlichen
Bestimmung über die öffentliche Urkunde ergeben(7); der Nutzer kann wählen, an welchen Notar er
sich wenden möchte(8); ein Teil des Notarhonorars ist gesetzlich durch Tarife festgelegt, allerdings
kann sich die Qualität der erbrachten Dienstleistungen (und die sich daraus ergebende Vergütung)
von einem Notar zum anderen unterscheiden(9); in der Praxis kommen die Mandanten in den
spanischen Notariaten überwiegend mit den Angestellten in Kontakt, die mit der Vorbereitung der
Urkunden, der Kommunikation mit den Finanzbehörden und der Aushändigung der Urkunden an
den Mandanten betraut sind, und nur selten direkt mit dem Notar(10); in dem in den
Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fall arbeiteten die Angestellten des Notariats über einen
Zeitraum von 20 bis 30 Jahren für verschiedene Notare, und zwar in den gleichen Räumlichkeiten
und unter der seit der Gründung des Notariats im Jahr 1981 immer gleichen Telefonnummer(11);
wenn ein Notar seine Tätigkeit beendet, weil er versetzt wird oder in den Ruhestand eintritt, ist der
neue Notar verpflichtet, die Urkundenrolle seines Vorgängers 25 Jahre lang aufzubewahren und auf
Ersuchen von Mandanten Kopien und Beglaubigungen von Urkunden auszustellen(12).

19. Bevor die oben genannten Aspekte geprüft werden, muss im Hinblick auf den rechtlichen
Kontext daran erinnert werden, dass der Zweck der Richtlinie 2001/23 darin besteht, die Wahrung
der Ansprüche der Arbeitnehmer bei einem Inhaberwechsel zu gewährleisten(13), dass die Rechte
und Pflichten, die sich für den Veräußerer aus einem zum Zeitpunkt des Übergangs bestehenden
Arbeitsvertrag oder Arbeitsverhältnis ergeben, auf den Erwerber übergehen(14) und dass der
Übergang eines Unternehmens weder für den Veräußerer noch für den Erwerber einen gültigen
Kündigungsgrund darstellen kann(15). Den angeführten Schutzzwecken ist zu entnehmen, dass die
Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie auf einen wirksamen Schutz des Arbeitnehmers
ausgerichtet sein muss.

20. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass es wegen der beträchtlichen Vielfalt und
Heterogenität der Aufgaben der Notare und der für sie geltenden Vorschriften in den verschiedenen
Mitgliedstaaten (und damit des Fehlens eines unionsrechtlichen Notarbegriffs) und der Bedeutung
der tatsächlichen Umstände für die Frage, ob die Tätigkeiten der Notare in Spanien als
wirtschaftliche Tätigkeiten im Sinne der Richtlinie 2001/23 eingestuft werden können, unbeschadet
der vom Gerichtshof aufgestellten Grundsätze, an die ich im Folgenden erinnern werde, Sache des
vorlegenden Gerichts ist, alle Umstände zu prüfen, die für die Anwendbarkeit der Bestimmungen
der Richtlinie 2001/23 auf einen Fall wie den der Ausgangsverfahren sprechen können.
1. Einstufung der Tätigkeit des Notars: Verwaltungsbehörde oder Unternehmen, das eine
wirtschaftliche Tätigkeit ausübt?

21. Wie oben erwähnt, übt der Notar in Spanien die Aufgaben eines öffentlichen Amtsträgers
aus, ist aber gleichzeitig privater Arbeitgeber seiner Angestellten(16); als öffentlicher Amtsträger ist
er befugt, gemäß dem Gesetz Verträge und außergerichtliche Rechtshandlungen zu beurkunden; er
ist zuständig für die Änderung des Personenstands und die Überprüfung der Wahrung der
Rechtsvorschriften, die auf einen zwischen zwei Parteien geschlossenen privatrechtlichen Vertrag
anwendbar sind; er ist die öffentliche Stelle, die dafür zuständig ist, einer Handlung, die auf dem
Willen der Parteien beruht, den Rang einer notariellen Urkunde zu verleihen.

22. Das Königreich Spanien hat ausgeführt, dass der Notar den Status eines Beamten habe und
seine Tätigkeit aufgrund seiner engen Verbindung zum Staat daher nicht dem gewerblichen Sektor
zuzuordnen sei(17). Im Übrigen sei die Tätigkeit des Notars auch keine freiberufliche Tätigkeit(18):
Dabei handele es sich um ein öffentliches Amt, da der Notar für die ihm vom Staat übertragenen
Tätigkeiten verantwortlich sei.

23. Es trifft zwar unzweifelhaft zu, dass die von den Notaren in Spanien ausgeübten Tätigkeiten
öffentliche Aufgaben umfassen, die ihnen vom Staat übertragen werden(19). Dieser Umstand allein
kann aber nicht für den Schluss ausreichen, dass die notarielle Tätigkeit in Spanien eine
Verwaltungsbehörde im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2001/23 darstellt.

24. Nach ständiger Rechtsprechung haben Tätigkeiten, die in Ausübung hoheitlicher Befugnisse
erfolgen, keinen wirtschaftlichen Charakter(20), und der Umstand, dass eine Einheit über
hoheitliche Befugnisse verfügt, um einen Teil ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit auszuüben, hindert als
solcher nicht daran, sie für diejenigen ihrer Tätigkeiten, die als wirtschaftliche Tätigkeiten
einzustufen sind, als Unternehmen im Sinne des Wettbewerbsrechts oder, wie im vorliegenden Fall,
des Rechts auf sozialen Schutz der Arbeitnehmer einzustufen, sofern diese Tätigkeiten von der
Ausübung ihrer hoheitlichen Befugnisse losgelöst werden können(21).

25. Der Gerichtshof hat meines Wissens bisher weder einen Begriff der Verwaltungsbehörde im
Sinne der Richtlinie 2001/23 definiert, um deren Anwendungsbereich festzulegen, noch hat er die
Frage geklärt, ob die Tätigkeiten eines Notars als Tätigkeiten einer Verwaltungsbehörde eingestuft
werden können, u. a. wegen der bereits erwähnten Heterogenität der Regelung des Notarberufs in
den verschiedenen Mitgliedstaaten.

26. Der Gerichtshof hat jedoch mehrfach(22) darauf hingewiesen, dass einige der gängigsten
notariellen Tätigkeiten zwar in Erfüllung öffentlicher Aufgaben allgemeine Interessen verfolgen,
jedoch nicht mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse verbunden sind(23). Dies betrifft die
Erstellung öffentlicher Urkunden und die Anbringung der Vollstreckungsklausel sowie die dem
Notar im Rahmen bestimmter Immobilienverkäufe, im BereichErstellung des Verzeichnisses von
Nachlässen, Gemeinschaften oder Miteigentümergemeinschaften, der Anbringung und Entfernung
von Siegeln und gerichtlich angeordneter Teilungen übertragenen Befugnisse(24).

27. Der in Art. 51 AEUV enthaltene Begriff „Ausübung öffentlicher Gewalt“ lässt sich meines
Erachtens mit dem in Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2001/23 enthaltenen Begriff „öffentliche
Verwaltungsbehörde“ gleichsetzen. In beiden Fällen schließt der Unionsgesetzgeber nämlich von
der Anwendung einer Vorschrift – im ersten Fall über die Niederlassungsfreiheit, im zweiten Fall
über die Unternehmensübertragung – Einheiten aus, die als Behörden keine wirtschaftlichen
Tätigkeiten auf einem Markt, sondern hoheitliche Befugnisse im Namen des Staates(25) ausüben.

28. Den in den Akten enthaltenen Informationen zufolge üben die Notare ihren Beruf unter
Wettbewerbsbedingungen aus, da der Nutzer die Möglichkeit hat, den Notar zu wählen, der die
Dienstleistungen erbringen soll(26), und das Honorar für die Dienstleistungen zumindest zum Teil
variabel ist. Darüber hinaus haften die Notare bei der Ausübung ihrer Tätigkeit gegenüber ihren
Mandanten direkt und persönlich für Schäden, die sich aus ihren Handlungen oder Unterlassungen
ergeben, und können verschiedene Rechtsformen wählen, um sich zusammenschließen(27). Hierbei
handelt es sich um Umstände, die für die Ausübung öffentlicher Gewalt untypisch sind(28).

29. Was die Haupttätigkeit der spanischen Notare betrifft, d. h. die Erstellung öffentlicher
Urkunden, denen öffentliches Vertrauen und eine erhebliche Beweiskraft beigemessen wird, so
stellen solche Urkunden nicht das Ergebnis einer Entscheidungsbefugnis dar(29). Die
Vollstreckbarkeit der öffentlichen Urkunde beruht insbesondere auf der Bereitschaft der Parteien,
eine Handlung vorzunehmen oder eine Vereinbarung zu schließen und ihr nach der Überprüfung
ihrer Rechtskonformität durch den Notar die Vollstreckbarkeit zu verleihen(30). Die Mitwirkung des
Notars setzt also eine vorherige Zustimmung oder Vereinbarung voraus, ohne die der Notar die
Vereinbarung nicht einseitig ändern kann.

30. Ich stimme daher mit der Kommission darin überein, dass die Notare in Spanien eine
öffentliche Dienstleistung erbringen, die ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt, nämlich
die Gewährleistung der Rechtmäßigkeit und Rechtssicherheit der zwischen den Parteien
geschlossenen Rechtsgeschäfte, dass diese Dienstleistung jedoch von der vom Staat in anderen
Bereichen erbrachten Dienstleistung zu unterscheiden ist, da die Verfolgung dieses Ziels nicht
rechtfertigen kann, dass die notariellen Tätigkeiten mit einer unmittelbaren und spezifischen
Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind(31).

31. Vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen, wäre daher
davon auszugehen, dass die Tätigkeiten eines Notars nicht zu den Tätigkeiten gezählt werden
dürfen, die mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind, und daher nicht als Tätigkeiten
einzustufen sind, die von einer Verwaltungsbehörde ausgeübt werden.

32. Der Ausschluss der Notare in Spanien vom Begriff der „Verwaltungsbehörde“ im oben
beschriebenen Sinne, d. h. einer Behörde, die vom Staat übertragene hoheitliche Befugnisse in
einem rein öffentlichen Rahmen und außerhalb eines Marktes, auf dem Dienstleistungen unter
Wettbewerbsbedingungen angeboten werden, ausübt, kann dazu führen, dass sie unter den Begriff
der Unternehmen fallen, die wirtschaftliche Tätigkeiten ausüben.

33. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Unternehmen jede eine wirtschaftliche Tätigkeit
ausübende Einheit, unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung(32).

34. Eine wirtschaftliche Tätigkeit(33) besteht darin, Güter oder Dienstleistungen auf einem
bestimmten Markt anzubieten. Ihre Einstufung hängt auch davon ab, ob die betreffenden Beteiligten
die mit der Ausübung dieser Tätigkeit verbundenen finanziellen Risiken übernehmen, und zwar
insbesondere dann, wenn sie Angehörige eines freien Berufs sind. Denn im Fall von Verlusten muss
der Gewerbetreibende diese persönlich tragen. Darüber hinaus haftet er gegenüber seinen Kunden
auch zivilrechtlich für Fehler oder Unterlassungen im Zusammenhang mit seiner beruflichen
Tätigkeit.

35. Dass es sich bei den erbrachten Dienstleistungen um komplexe und fachliche
Dienstleistungen handelt und die Berufsausübung geregelt ist, können die Einstufung einer Tätigkeit
als wirtschaftliche Tätigkeit nicht in Frage stellen.

36. Aus der Rechtsprechung geht hervor, dass der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit jede
Tätigkeit umfasst, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt
anzubieten.

37. Ein Notariat im Sinne dieser Definition könnte also insofern als solche Tätigkeit betrachtet
werden, als es eine Gesamtheit von Sachen und Personen darstellt, die es ihm ermöglicht, eine
wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, indem es Güter und Dienstleistungen wie die Beurkundung von
Verträgen und anderer außergerichtlicher Rechtshandlungen auf dem Markt anbietet(34). Diese
Tätigkeiten bestehen darin, Dienstleistungen auf einem bestimmten Markt anzubieten(35), d. h. auf
dem Markt, der den von den Mandanten ausgewählten Notaren offensteht, und zwar gegen eine
(teilweise variable) Vergütung, die den erbrachten Dienstleistungen entspricht und für die die Notare
ihren Mandanten gegenüber voll haften.

38. Nach dem Akteninhalt halte ich es für vertretbar, dass die notarielle Tätigkeit in Spanien
vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht vorzunehmenden Überprüfungen unter den Begriff des
Unternehmens fallen kann, das eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne der Richtlinie 2001/23
ausübt.

2. Vorlagefrage

39. Dass der Notar in Spanien nach den Feststellungen des vorlegenden Gerichts keine
Verwaltungsbehörde im Sinne von Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2001/23 ist und dass er
vielmehr unter den Begriff des Unternehmens, das eine wirtschaftliche Tätigkeit im Sinne dieser
Bestimmung ausübt, fallen kann, reicht nicht aus, um den Schluss zu ziehen, dass es sich in den
Ausgangsverfahren um einen Unternehmensübergang handelt.

40. Damit der Tatbestand von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b erfüllt ist, müssen folgende Merkmale
vorliegen: Es muss sich um einen „Übergang“ einer dabei „ihre Identität“ bewahrenden
„wirtschaftlichen Einheit“ im Sinne einer organisierten Zusammenfassung von Ressourcen zur
Verfolgung einer wirtschaftlichen Haupt- oder Nebentätigkeit handeln.

41. Was den „Übergang“ betrifft, so hat der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung
entschieden, dass der Umstand, dass der Übergang auf einseitigen Entscheidungen staatlicher
Stellen und nicht auf einer Willensübereinstimmung beruht, die Anwendung der Richtlinie 2001/23
nicht ausschließt(36).

42. Der Begriff „Übergang“ muss daher weit ausgelegt werden(37): Ein Übergang liegt immer
dann vor, wenn die für die Leitung des Unternehmens verantwortliche natürliche oder juristische
Person wechselt, und zwar unabhängig davon, mit welchem Rechtsinstrument dieser Wechsel
herbeigeführt wird und auf welche Art und Weise er vollzogen wird(38). Es ist daher nicht
erforderlich, dass zwischen dem Veräußerer und dem Erwerber ein Vertragsverhältnis besteht(39).
Wie der Gerichtshof in zahlreichen Urteilen festgestellt hat, ist das wesentliche Kriterium der
Wechsel des Arbeitgebers(40).

43. Daher ist es im vorliegenden Fall unerheblich, dass der Übergang des Notariats durch eine
Handlung einer Verwaltungsbehörde erfolgte (die die Versetzung des bisherigen Notars angeordnet
hat) und dass es zwischen dem versetzten Notar und dem ihm nachfolgenden Notar keine
Vertragsbeziehungen gab.

44. Was den Begriff „wirtschaftliche Einheit“ betrifft, die Gegenstand des Übergangs ist, so
handelt es sich, wie in der Lehre zutreffend festgestellt wurde, „um einen Begriff mit
veränderlichem Inhalt, der auf der Gesamtheit der tatsächlichen Umstände des Einzelfalls aufbaut,
zu denen die Art des betreffenden Unternehmens, der etwaige Übergang der materiellen
Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt
des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft durch den neuen Inhaber, der etwaige
Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem
Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser
Tätigkeiten gehören“(41), wobei „diese Umstände … nur Teilaspekte der … Gesamtbeurteilung
[sind] und … deshalb nicht isoliert betrachtet werden [dürfen], aber auch nicht alle gleichzeitig
vorliegen müssen“(42).

45. Die wirtschaftliche Einheit ist also ein Begriff, der in Anbetracht der Merkmale, aus denen er
sich zusammensetzt, „je nach Art der Tätigkeit und je nach der ausgeübten Tätigkeit variiert“(43).

46. Selbst wenn man aber die Variabilität des Begriffs berücksichtigt, stellt die bloße Übernahme
einer Tätigkeit noch keinen Übergang einer wirtschaftlichen Einheit dar: Dafür muss auch eine
Übertragung von Vermögensbestandteilen (im oben beschriebenen weiten Sinne) vorliegen.

47. Im vorliegenden Fall erscheint – unbeschadet der erforderlichen Tatsachenfeststellungen
durch das vorlegende Gericht – außer Frage zu stehen, dass ein Übergang einer wirtschaftlichen
Einheit stattgefunden hat: Wie bereits erwähnt, sind die Räumlichkeiten des Notariats, die
Urkundenrolle, die Mehrheit der Angestellten, die Betriebsmittel und wohl auch ein Teil des
Mandantenstamms auf den nachfolgenden Notar übergegangen.

48. Das dritte Erfordernis, das für die Erfüllung des Tatbestands notwendig ist, ist die Bewahrung
der „Identität“ der wirtschaftlichen Einheit bei ihrem Übergang, einer Einheit, die die
Anforderungen der Selbständigkeit und der Stabilität bewahren muss.

49. Die Bewahrung der Identität der wirtschaftlichen Einheit ergibt sich vor allem aus der
tatsächlichen Weiterführung ihres Betriebs(44). Allerdings hat der Gerichtshof klargestellt, dass
„nicht die Beibehaltung der konkreten Organisation der verschiedenen übertragenen
Produktionsfaktoren durch den Unternehmer, sondern die Beibehaltung der funktionellen
Verknüpfung der Wechselbeziehung und gegenseitigen Ergänzung zwischen diesen Faktoren das
maßgebliche Kriterium für die Bewahrung der Identität des übertragenen Unternehmens darstellt.
Die Beibehaltung einer solchen funktionellen Verknüpfung zwischen den übertragenen Faktoren
erlaubt es dem Erwerber, diese Faktoren, selbst wenn sie nach der Übertragung in eine neue, andere
Organisationsstruktur eingegliedert werden, zu nutzen, um derselben oder einer gleichartigen
wirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen“(45).

50. Mit der Klarstellung, dass zur Erfüllung des Erfordernisses der Selbständigkeit, die die
übertragene Einheit vor dem Übergang besitzen und auch danach beibehalten muss, zwar
erforderlich ist, dass der Arbeitgeber der Gruppe von Arbeitnehmern genaue Verpflichtungen
auferlegt und so auf deren Tätigkeiten weitgehend Einfluss nimmt, „die genannte Gruppe für die
Organisation und Durchführung ihrer Aufgaben doch eine gewisse Freiheit haben [muss]“(46).

51. Mit anderen Worten: Das Kriterium der Selbständigkeit dient als Zeichen für die Kontinuität
der Produktionstätigkeit vor und nach dem Wechsel des Eigentümers und damit als Bestätigung der
Eignung der übertragenen Einheit zur Ausübung einer Produktionstätigkeit(47).

52. Dies bedeutet, dass der Schutz des Arbeitnehmers nicht mit dem Übergang eines
Vermögensgegenstands ausgelöst wird, sondern mit dem „Eintritt des Umstands, der in der
Fortführung einer unternehmerischen Tätigkeit besteht, die ihre Identität bewahren muss, und der
beweist, dass das, was übertragen wurde, zur Ausübung einer unternehmerischen Tätigkeit in der
Lage ist“(48).

53. Wie bereits im Zusammenhang mit dem Begriff der wirtschaftlichen Einheit erwähnt wurde,
müssen jedoch bei der Prüfung der Frage, ob eine Einheit ihre Identität bewahrt, alle tatsächlichen
Tatsachen berücksichtigt werden, und das Gewicht, das den verschiedenen Kriterien zukommt,
unterscheidet sich notwendigerweise je nach der ausgeübten Tätigkeit oder auch nach den
Produktions- oder Betriebsmethoden, die in dem betreffenden Unternehmen angewendet
werden(49).

54. Die Funktion eines Vermögensgegenstands oder eines Bestandteils einer Übertragung kann je
nach Zusammenhang mehr oder weniger bedeutend sein, so dass die Beurteilung je nach Einzelfall
relativiert werden muss.

55. Was die Prüfung des vorliegenden konkreten Falles angeht, der Gegenstand der Vorlagefrage
ist, so sind bei der Untersuchung der Frage, ob ein Unternehmensübergang vorliegt, alle Faktoren zu
berücksichtigen, die die Ausübung der notariellen Tätigkeit ermöglichen sollen.

56. Da es sich um einen intellektuellen Beruf handelt, der eine hohe Qualifikation erfordert, ist
der persönliche Beitrag des Notars ohne Zweifel von großer Bedeutung für die Ausübung der
Tätigkeit der Kanzlei. Fragwürdiger erscheint die von den Beklagten der Ausgangsverfahren
vertretene Auffassung, dass das Notariat mit dem Notar als solchem gleichzusetzen sei, da keine der
dort ausgeübten Tätigkeiten ohne seinen persönlichen Beitrag ausgeübt werden könne. Träfe diese
Auffassung zu, hätte dies nämlich zur Folge, dass nach der Versetzung des Notars auf eine andere
Notarstelle, das Notariat, das aus beweglichen Sachen, Immobilien, Verzeichnissen und Personal
besteht, keine Selbständigkeit hätte und somit nicht alle für einen Übergang erforderlichen
Voraussetzungen, insbesondere die der Selbständigkeit, erfüllte. Es gäbe dann keine wirkliche
Fortführung der Unternehmenstätigkeit.

57. Aus den in den Akten enthaltenen Unterlagen und den Ausführungen der Parteien in der
mündlichen Verhandlung schließe ich, dass ein Notariat nach der Versetzung eines Notars und der
Übernahme durch einen anderen Notar seine Tätigkeit als Unternehmen fortsetzt, da sich die
Mandanten vernünftigerweise aufgrund der geografischen Lage, der bestehenden Beziehungen zu
den Angestellten und der vorhandenen Urkundenrolle weiterhin an dieses Notariat wenden werden,
um notarielle Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.

58. Es ist jedoch Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob auf der Grundlage aller Tatsachen
im Licht der oben genannten Grundsätze und Kriterien alle Voraussetzungen für einen
Unternehmensübergang erfüllt sind.

IV. Ergebnis

59. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefrage wie folgt zu beantworten:
Art. 1 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung
der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer
beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Unternehmens- oder Betriebsteilen – und somit
die gesamte Richtlinie 2001/23 – ist auf einen Fall anwendbar, in dem ein Notar, der zugleich
Beamter und privater Arbeitgeber des für ihn arbeitenden Personals ist und dessen Stellung als
Arbeitgeber durch das allgemeine Arbeitsrecht und den Tarifvertrag des Sektors geregelt ist, den
früheren Inhaber der Notarstelle in seinem Amt ablöst, seine Tätigkeit am selben Arbeitsplatz und
mit derselben Ausstattung ausübt und die Urkundenrolle und das Personal, das bereits für den
ehemaligen Inhaber der Notarstelle gearbeitet hat, übernimmt.

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zunächst zu prüfen, ob die Tätigkeit des Notars in Spanien
nach den vom Gerichtshof dargelegten Grundsätzen als die eines Unternehmens eingestuft werden
kann, das eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, und sodann, ob in Anbetracht aller Tatsachen in den
Ausgangsverfahren die Voraussetzungen für das Vorliegen des Übergangs einer ihre Identität
bewahrenden wirtschaftlichen Einheit im Sinne der Richtlinie 2001/23 erfüllt sind.

1 Originalsprache: Italienisch.

2 Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder
Unternehmens- und Betriebsteilen (ABl. 2001, L 82, S 16).

3 Gaceta de Madrid, Nr. 149, 29. Mai 1862, S. 1.

4 Dies wäre nach Art. 4 der Richtlinie 2001/23 rechtswidrig.

5 Deren Umstrukturierung oder Übertragung von Verwaltungsaufgaben auf eine andere Behörde nach
Art. 1 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2001/23 keinen Unternehmensübergang darstellt.

6 Und damit, ob die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 1 Buchst. b erfüllt sind, d. h., ob es sich um eine
wirtschaftliche Einheit handelt, ein Übergang stattgefunden hat und die Unternehmensidentität nach dem
Übergang erhalten geblieben ist.

7 Schriftliche Erklärungen des Königreichs Spanien, Rn. 45.

8 Art. 126 der Verordnung über das Notarwesen, wonach „jede Person, die notarielle Dienstleistungen
in Anspruch nehmen möchte, das Recht hat, den Notar zu wählen, der sie erbringt“, angeführt vom
Königreich Spanien in Rn. 69 seiner schriftlichen Erklärungen.

9 Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 3.

10 Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 4. Dies ist neben anderen Gründen, die sowohl mit der
geografischen Lage als auch mit den gewohnten Beziehungen zu den Mitarbeitern zu tun haben, ein
Grund dafür, weshalb die Mandanten dem Notariat treu bleiben, auch wenn der Notar wechselt. Im
vorliegenden Fall kann festgestellt werden, dass die Mandanten trotz der verschiedenen Wechsel der
Notare im Lauf der Jahre dem Notariat treu geblieben sind.

11 Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 5.

12 Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 12.

13 Wie aus dem dritten Erwägungsgrund hervorgeht.

14 Gemäß Art. 3 der Richtlinie 2001/23.

15 Gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2001/23. Nicht ausgeschlossen ist die Möglichkeit des
Arbeitgebers, Entlassungen aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen
vorzunehmen.

16 Als private Arbeitgeber gelten für sie die Gesetze des privaten Arbeitsrechts und die Tarifverträge.

17 Schriftliche Erklärungen, Rn. 36.

18 Schriftliche Erklärungen, Rn. 39.

19 Ich schließe mich der Analyse von Generalanwalt Cruz Villalón in seinen Schlussanträgen in der
Rechtssache Kommission/Belgien (C‑47/08, EU:C:2010:513, Nr. 56) an. Der Generalanwalt stellt in der
von ihm vorgenommenen Zusammenfassung des belgischen, des deutschen, des griechischen, des
französischen, des luxemburgischen und des österreichischen Notarrechts (Nrn. 12 bis 55) fest, „dass der
Notar in allen [wegen Vertragsverletzung] beklagten Staaten eine besondere, hybride Rechtsstellung
innehat, angesiedelt auf halbem Weg zwischen öffentlicher Verwaltung und freiem Beruf und verbunden
mit Rechten und Pflichten, die das Notariat in ein Amt verwandeln, mit dem eine wirtschaftliche Tätigkeit
sui generis ausgeübt wird.

20 Vgl. Urteile vom 12. Juli 2012, Compass-Datenbank (C‑138/11, EU:C:2012:449, Rn. 36 und die
dort angeführte Rechtsprechung), und vom 6. Mai 2021, Analisi G. Caracciolo (C‑142/20,
EU:C:2021:368, Rn. 56).

21 Vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. Juli 2012, Compass-Datenbank (C‑138/11, EU:C:2012:449,
Rn. 37 und 38 und die dort angeführte Rechtsprechung), vom 7. November 2019, Aanbestedingskalender
u. a./Kommission (C‑687/17 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2019:932, Rn. 18), und vom 24. März 2022,
GVN/Kommission (C‑666/20 P, nicht veröffentlicht, EU:C:2022:225, Rn. 71).

22 Insbesondere im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit im Sinne von Art. 49 und 51 AEUV. Dabei
handelte es sich um Vertragsverletzungsklagen der Europäischen Kommission gegen Mitgliedstaaten, die
den Zugang zum Notarberuf an das Vorliegen der Staatsangehörigkeit geknüpft hatten und somit ihren
Verpflichtungen aus Art. 43 EG (jetzt Art. 49 AEUV) nicht nachgekommen waren. Am 24. Mai 2011
ergingen sieben Urteile betreffend das Königreich Belgien, die Französische Republik, das
Großherzogtum Luxemburg, die Portugiesische Republik, die Republik Österreich, die Bundesrepublik
Deutschland und die Hellenische Republik: Kommission/Belgien (C‑47/08, EU:C:2011:334),
Kommission/Frankreich (C‑50/08, EU:C:2011:335), Kommission/Luxemburg (C‑51/08, EU:C:2011:336),
Kommission/Portugal (C‑52/08, EU:C:2011:337), Kommission/Österreich (C‑53/08, EU:C:2011:338),
Kommission/Deutschland (C‑54/08, EU:C:2011:339) und Kommission/Griechenland (C‑61/08,
EU:C:2011:340). Die späteren Urteile vom 1. Dezember 2011, Kommission/Niederlande (C‑157/09, nicht
veröffentlicht, EU:C:2011:794), vom 10. September 2015, Kommission/Lettland (C‑151/14,
EU:C:2015:577), vom 1. Februar 2017, Kommission/Ungarn (C‑392/15, EU:C:2017:73), und vom
15. März 2018, Kommission/Tschechische Republik (C‑575/16, EU:C:2018:186), betreffen das
Königreich der Niederlande, die Republik Lettland, Ungarn und die Tschechische Republik.

23 Vgl. Urteile vom 24. Mai 2011, Kommission/Belgien (C‑47/08, EU:C:2011:334, Rn. 123), und vom
15. März 2018, Kommission/Tschechische Republik (C‑575/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:186,
Rn. 107 und 108 und die dort angeführte Rechtsprechung). Die Regelung des Notarberufs im belgischen
Recht ähnelt derjenigen im spanischen Recht.

24 Vgl. Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Belgien (C‑47/08, EU:C:2011:334, Rn. 105 bis 111).

25 Vgl. Erklärungen der Kommission, Rn. 48, in der unter Verweis auf die Rechtsprechung des
Gerichtshofs zur Ausübung öffentlicher Gewalt im Zusammenhang mit der Niederlassungsfreiheit ganz
selbstverständlich von der Deckungsgleichheit der beiden Begriffe ausgegangen wird.

26 Art. 126 der Verordnung über das Notarwesen.

27 Protokoll der mündlichen Verhandlung, S. 3: „Sie tragen die alleinige zivil- und strafrechtliche
Verantwortung für ihr berufliches Handeln, und der Staat haftet anders als bei den Beamten im engeren
Sinne nicht für Fehler, die sie in Ausübung ihres Berufs begehen; die Notare müssen eine
Haftpflichtversicherung abschließen, um im Haftungsfall gedeckt zu sein. … Sie können jede Art von
Rechtsform wählen, wie jeder Unternehmer in Spanien: eine Gesamthandsgesellschaft, eine Gesellschaft
bürgerlichen Rechts oder eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung“. Es handelt sich um das Vorbringen
der Kläger der Ausgangsverfahren, das von den anderen Verfahrensbeteiligten nicht ausdrücklich
bestritten wird.

28 Vgl. Urteil vom 24. Mai 2011, Kommission/Belgien (C‑47/08, EU:C:2011:334, Rn. 117 und 118),
und schriftliche Erklärungen der Kommission, Rn. 49.

29 Vgl. Urteile vom 1. Juli 2008, MOTOE (C‑49/07, EU:C:2008:376, Rn. 26, angeführt in Rn. 44 des
Urteils vom 6. September 2011, Scattolon [C‑108/10, EU:C:2011:542]), vom 24. Mai 2011,
Kommission/Belgien (C‑47/08, EU:C:2011:334, Rn. 90), und vom 15. März 2018,
Kommission/Tschechische Republik (C‑575/16, nicht veröffentlicht, EU:C:2018:186, Rn. 102 und die
dort angeführte Rechtsprechung).

30 Schriftliche Erklärungen der Kommission, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung.

31 Schriftliche Erklärungen der Kommission, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung.

32 Zu Art. 101 AEUV vgl. insbesondere Urteile vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99,
EU:C:2002:98, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung), und vom 28. Februar 2013, Ordem dos
Técnicos Oficiais Contas (C‑1/12, EU:C:2013:127, Rn. 35).

33 Urteile vom 19. Februar 2002, Wouters u. a. (C‑309/99, EU:C:2002:98, Rn. 47 und die dort
angeführte Rechtsprechung), und vom 28. Februar 2013, Ordem dos Técnicos Oficiais de Contas (C‑1/12,
EU:C:2013:127, Rn. 36).

34 Schriftliche Erklärungen der Kommission, Rn. 45.

35 Vgl. Urteile vom 6. September 2011, Scattolon (C‑108/10, EU:C:2011:542, Rn. 43 und die dort
angeführte Rechtsprechung), und vom 20. Juli 2017, Piscarreta Ricardo (C‑416/16, EU:C:2017:574,
Rn. 34).

36 Vgl. zur Auslegung von Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 77/187/EWG des Rates vom 14. Februar 1977
zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Wahrung von Ansprüchen der
Arbeitnehmer beim Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen (ABl. 1977, L 61, S. 26),
der unverändert in die Richtlinie 2001/23 übernommen wurde, Urteile vom 10. Dezember 1998, Hidalgo
u. a. (C‑173/96 und C‑247/96, EU:C:1998:595, Rn. 21 und 22), und vom 14. September 2000, Collino
und Chiappero (C‑343/98, EU:C:2000:441, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung), sowie, was
die vorliegende Richtlinie betrifft, Urteile vom 29. Juli 2010, UGT‑FSP (C‑151/09, EU:C:2010:452,
Rn. 24 zu einer per Dekret erlassenen Entscheidung), und vom 20. Juli 2017, Piscarreta Ricardo
(C‑416/16, EU:C:2017:574, Rn. 38).

37 Auch in der Lehre wurde festgestellt, dass der Begriff „Unternehmensübergang“ infolge der
Auslegung durch den Gerichtshof „erheblich erweitert wurde und über die enge Verweisung auf die bloße
vertragliche Übertragung, die in der Richtlinie enthalten ist, hinausgeht“, Carinci, F., Pizzoferrato, A., Il
diritto del lavoro dell'Unione europea, Turin, 2021, S. 292.

38 Carinci, F., Pizzoferrato, A., Il diritto del lavoro dell'Unione europea, a. a. O., S. 294.

39 Als Beispiel kann auf das Urteil vom 19. Oktober 2017, Securitas (C‑200/16, EU:C:2017:780,
Rn. 23 und 24), verwiesen werden, in dem entschieden wurde, dass das Fehlen eines Vertragsverhältnisses
zwischen den beiden Unternehmen, die später mit der Verwaltung der Überwachung und Kontrolle der
Hafenanlagen übertragen wurden, für die Anwendbarkeit der Richtlinie 2001/23 unerheblich ist, sowie auf
das Urteil vom 20. Juli 2017, Piscarreta Ricardo (C‑416/16, EU:C:2017:574, Rn. 39), in dem entschieden
wurde, dass der Umstand, dass ein Übergang auf die Auflösung eines kommunalen Unternehmens kraft
eines Beschlusses des Exekutivorgans der Gemeinde zurückgeht, an sich das Vorliegen eines Übergangs
nicht ausschließt.

40 Vgl. Urteil vom 20. Juli 2017, Piscarreta Ricardo (C‑416/16, EU:C:2017:574, Rn. 39), aber auch
bereits zur Vorgängerrichtlinie Urteil vom 2. Dezember 1999, Allen u. a. (C‑234/98, EU:C:1999:594,
Rn. 17).

41 Romei, R., La Direttiva europea sul trasferimento di imprese. Profili generali, in Cosio, R.,
Curcuruto, F., Di Cerbo, V., Mammone, G., Il diritto del lavoro dell’Unione europea, Giuffrè, 2023,
S. 775. Im gleichen Sinne vgl. Urteil vom 20. November 2003, Abler (C‑340/01, EU:C:2003:629, Rn. 33).
Es ist nicht erforderlich, dass das Eigentum an den Gegenständen übertragen wird, es reicht aus, dass sie
dem Erwerber zur Verfügung gestellt werden, vgl. Urteil vom 15. Dezember 2005, Güney-Görres und
Demir (C‑232/04 und C‑233/04, EU:C:2005:778).

42 Romei, R., La Direttiva europea, a. a. O., S. 775. Im gleichen Sinne vgl. Urteil vom 20. November
2003, Abler (C‑340/01, EU:C:2003:629, Rn. 34).

43 Romei, R., La Direttiva europea, a. a. O., S. 777.

44 Vgl. z. B. Urteil vom 8. Mai 2019, Dodič (C‑194/18, EU:C:2019:385, Rn. 33).

45 Vgl. Urteil vom 20. Juli 2017, Piscarreta Ricardo (C‑416/16, EU:C:2017:574, Rn. 44).

46 Vgl. Urteil vom 6. September 2011, Scattolon (C‑108/10, EU:C:2011:542, Rn. 51).

47 Romei, R., La Direttiva europea, a. a. O., S. 779.

48 Romei, R., La Direttiva europea, a. a. O., S. 780.

49 Vgl. z. B. Urteil vom 8. Mai 2019, Dodič (C‑194/18, EU:C:2019:385, Rn. 34 und 35).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

EuGH-Generalanwalt

Erscheinungsdatum:

25.05.2023

Aktenzeichen:

C-583/21 u.a.

Normen in Titel:

RL 2001/23/EG