Kammergericht 16. Dezember 2021
22 W 57/21
FamFG §§ 59 Abs. 1, 395; BGB §§ 29, 67

Ablehnung der Löschung von Vorstandsmitgliedern; unzulässige Beschwerde eines Vereinsmitglieds

letzte Aktualisierung: 15.6.2022
KG, Beschl. v. 16.12.2021 – 22 W 57/21

FamFG §§ 59 Abs. 1, 395; BGB §§ 29, 67
Ablehnung der Löschung von Vorstandsmitgliedern; unzulässige Beschwerde eines Vereinsmitglieds

Lehnt das Registergericht die Löschung von Vorstandsmitgliedern wegen angeblichen Rücktritts
eines eingetragenen Vereins nach § 395 FamFG ab, ist eine hiergegen gerichtete Beschwerde eines
Vereinsmitgliedes unzulässig, weil es an einer unmittelbaren Rechtsbeeinträchtigung fehlt
(Abweichung zu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Februar 2016, I-3 Wx 5/16).

Gründe

I.
1 Der Beteiligte zu 1) ist ein seit dem 6. Januar 1992 in das Vereinsregister des Amtsgerichts
Charlottenburg eingetragener Kleingartenverein, der Beteiligte zu 2) dessen Vereinsmitglied.
Mit Schreiben vom 21. Dezember 2020 begehrte der Beteiligte zu 2) die Löschung der
beiden im Vereinsregister im Jahr 2014 und 2016 eingetragenen Vorstandsmitglieder Herrn
K und Frau R von Amts wegen. Zur Begründung führte der Beteiligte zu 2) aus, dass die
entsprechende Eintragung fehlerhaft sei, da auf einer Vorstandssitzung am 26. Juli 2020
sämtliche Vorstandsmitglieder ihren Rücktritt erklärt haben sollen. Das entsprechende
Protokoll der Sitzung könne angefordert werden. Eine Anmeldung des Ausscheidens könne
durch die zurückgetretenen Vorstandsmitglieder nicht mehr erfolgen. Zugleich beantragte er
die Bestellung eines Notvorstandes.

Dieses Schreiben hat das Amtsgericht u.a. als Anregung auf Einleitung eines
Löschungsverfahrens nach § 395 FamFG ausgelegt. Die Einleitung hat es aber mit einem
Beschluss vom 7. April 2021 zurückgewiesen. Die im Jahr 2016 erfolgten Eintragungen
seien nicht zu beanstanden, da der Eintragung keine Mängel hinsichtlich wesentlicher
Voraussetzungen entgegenstehen. Aus den eingereichten Schriftsätzen der Beteiligten
ergebe sich, dass das Vorstandsmitglied Kirsch die Niederlegung seines Amtes bestreitet.
Außerdem fehle es an einem unterschriebenen Protokoll der Sitzung vom 26. Juli 2020.
Daneben hat das Amtsgericht mit gleichem Beschluss die Bestellung des Notvorstands
abgelehnt.

Der Beteiligte zu 2) hat gegen den Beschluss vom 7. April 2021 Beschwerde eingelegt. Das
Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur
Entscheidung vorgelegt, wobei das Verfahren bezüglich der abgelehnten Bestellung eines
Notvorstandes unter dem Aktenzeichen 22 W 54/21 geführt wird.

II.

1. Die Beschwerde ist bereits unzulässig.

a) Zwar ist die Beschwerde grundsätzlich statthaft. Die Entscheidung des Registergerichts,
die Eintragung der im Jahr 2014 und 2016 eingetragenen Vereinsmitglieder nicht zu
löschen, stellt eine beschwerdefähige Endentscheidung im Sinn von § 58 Abs. 1, § 38 Abs. 1
Satz 1 FamFG dar (vgl. BGH, Beschluss vom 24. April 2012 – II ZB 8/10 –, juris Rn. 12,
13). Denn das Amtsgericht hat damit in dem auf Anregung des Rechtsbeschwerdeführers
eingeleiteten Löschungsverfahren - wie für § 58 Abs. 1, § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG
erforderlich, aber auch ausreichend - eine den Verfahrensgegenstand erledigende
ablehnende Sachentscheidung getroffen.

b) Allerdings fehlt es dem Beteiligten zu 2) an der nach § 59 Abs. 1 FamFG erforderlichen
Beschwerdebefugnis.

aa) Nach § 59 Abs. 1 FamFG steht demjenigen die Beschwerde zu, der durch einen
gerichtlichen Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Es muss sich um die
unmittelbare Beeinträchtigung eines eigenen materiellen Rechts handeln (vgl. BGH,
Beschluss vom 15. Juli 2014 – II ZB 18/13 –, juris, Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 14.
Januar 1993 – 3Z BR 5/93 –, juris, Rn. 5; Müther in Bork/Jacoby/Schwab, 3. Aufl. 2018, §
59 FamFG, Rn. 7; Meyer-Holtz in Keidel, 20. Aufl. 2020, § 59 FamFG, Rn. 9). Die
tatsächlichen Grundlagen der Rechtsbeeinträchtigung, bei denen es sich um doppelrelevante
Tatsachen handelt, die sowohl für die Zulässigkeit als auch für die Begründetheit der
Beschwerde entscheidend sind, sind schlüssig vorzutragen (vgl. BGH, Beschluss vom 24.
April 2012 – II ZB 8/10 –, juris, Rn. 15).

bb) Der Beteiligte zu 2) hat eine Beeinträchtigung in einem eigenen Recht nicht schlüssig
dargelegt. Insbesondere ist er als Vereinsmitglied nicht unmittelbar in seinen
Mitgliedschaftsrechten beeinträchtigt.

(1) Eine Beschwerdebefugnis folgt nicht bereits aus der Zurückweisung der Anregung des
Beteiligten zu 2) auf Einleitung eines Löschungsverfahrens. Das Verfahren nach § 395
FamFG ist auf Antrag einer berufsständischen Organisation oder von Amts wegen
einzuleiten. Vereinsmitgliedern wird insoweit kein eigenes Antragsrecht eingeräumt, aus
dem eine Rechtsbeeinträchtigung hergeleitet werden könnte (vgl. Senat, Beschluss vom 17.
Juli 2020 - 22 W 8/20 -, juris, Rn. 7).

Aus der vom Beteiligten zu 2) zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom
09. Februar 2016 – I-3 Wx 5/16 –, juris, Rn. 30) folgt aus Sicht des Senats nichts Anderes.
Die Entscheidungen sowie Kommentarstellen, auf die sich das OLG stützt, betreffen den
Fall, dass Beschwerden gegen eine Eintragung als Anregung auf Einleitung eines
Amtslöschungsverfahrens nach § 395 FamFG auszulegen sind. Wird der Anregung nicht
entsprochen, ist die Beschwerde mit dem Ziel der Anweisung an das Registergericht auf
Einleitung eines Amtslöschungsverfahrens statthaft (so auch OLG Hamm, Beschluss vom
01. Juli 2010 – I-15 W 261/10 –, Rn. 3, juris). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor, da
das Amtsgericht bereits unter Anhörung der Beteiligten eine Sachentscheidung getroffen
hat. Soweit der Beteiligte zu 2) aus der zitierten Entscheidung des OLG Düsseldorf
allgemein eine Beschwerdebefugnis des einzelnen Vereinsmitglieds gegen Eintragungen im
Register herleiten will, obwohl dies dort nicht näher begründet wurde, folgt der Senat dem
nicht (vgl. bereits Beschluss vom 17. Juli 2020, - 22 W 8/20 -, juris, Rn. 7).

(2) In Bezug auf die Eintragungen im Vereinsregister ist ein Vereinsmitglied, soweit es nicht
selbst etwa als Vorstandsmitglied im Register ausgewiesen werden soll oder ihm ein
betroffenes Sonderrecht zusteht, allenfalls mittelbar beeinträchtigt, weil etwa sein in der
Mitgliederversammlung ausgeübtes Stimmrecht unbeachtet geblieben ist (vgl. OLG Hamm,
Beschluss vom 20. November 2019 – 27 W 76/19 –, juris, Rn. 2 und 3; OLG Düsseldorf,
Beschluss vom 22. August 1997 - 3 Wx 302/95 -, ZIP 1997, 2084, 2085 für die AG;
Heinemann in Keidel, aaO, § 395 FamFG, Rn. 44a; Stöber/Otto, Handbuch des
Vereinsrechts, 12. Aufl. 2021, Rn. 1657). Eine Rechtsbeeinträchtigung ist aber dann
angenommen worden, wenn das Vereinsmitglied die Löschung eines Beschlusses der
Mitgliederversammlung des Vereins begehrt, gegen welchen er wegen Verstoßes gegen das
Gesetz oder die Satzung Widerspruch erhoben hat oder den er auch im Klagewege durch
Anfechtungs- oder Feststellungsklage angreifen könnte (vgl. bereits KG, Beschluss vom 21.
November 1966 - 1 W 2437/66 -, NJW 1967, 933, 934, beck-online; KG, Beschluss vom
22. März 2005 - 1 W 263/04 -, juris, Rn. 7; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 19.
Dezember 2001 – 3 W 272/01 –, juris, Rn. 3).

Eine unmittelbare Beeinträchtigung des Stimmrechts liegt hier nicht vor, weil der Beteiligte
zu 2) sein Recht auf Mitbestimmung bei der Auswahl eines Vorstands allein im Rahmen der
Wahlen auf der Mitgliederversammlung ausüben kann. Dieses Recht wird durch die
Eintragung nicht beeinträchtigt. Die Verletzung eines in einer Mitgliederversammlung erst
künftig auszuübenden Stimmrechts stellt keine unmittelbare Beeinträchtigung dar; schon,
weil diese Beeinträchtigung viel zu vage ist. Zudem begehrt der Beteiligte zu 2) die
Löschung der im Register eingetragenen Vorstandsmitglieder nicht wegen eines
entgegenstehenden Beschlusses der Mitgliederversammlung, sondern wegen behaupteter
Rücktrittserklärungen vom Vorstandsamt. Eine Beeinträchtigung weiterer Mitgliedsrechte
ist nicht ersichtlich. Auf die Einhaltung der Satzung sowie der Verfahrensvorschriften hat
der Beteiligte zu 2) als einzelnes Mitglied keinen Anspruch. Etwaige Ansprüche gegen den
Vorstand auf Durchführung oder Unterlassung bestimmter Geschäftsführungsmaßnahmen
wegen nicht ordnungsgemäßer Geschäftsführung stünden dem Beteiligten zu 1) zu. Die
Entscheidung darüber, ob ein solcher Anspruch gegen den Vorstand durchgesetzt werden
soll, liegt bei der Mitgliederversammlung (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 12. Dezember
2017 – 20 W 20/17 –, juris, Rn. 59; Grunewald, ZIP 1989, 962, 964; Leuschner in
Münchener Kommentar, 9. Aufl. 2021, § 38 BGB, Rn. 16; Neudert/Waldner in
Sauter/Schweyer/Waldner, 21. Aufl. 2021, Rn. 334a - 335), nicht jedoch beim einzelnen
Vereinsmitglied.

(3) Soweit der Beteiligte zu 2) darlegt, dass er effektiven Rechtsschutz nicht anders erlangen
könne und daraus eine Beschwerdebefugnis nach § 59 Abs. 2 FamFG folge, scheitert diese
Ansicht schon daran, dass der Beteiligte zu 2) als Vereinsmitglied grundsätzlich
zivilprozessual gegen den Beteiligten zu 1) vorgehen kann. Außerdem ist der Beteiligte zu 2)
auf seine Minderheitenrechte nach § 37 Abs. 1 BGB zu verweisen, wonach die Einberufung
einer Versammlung zum Zwecke der Abberufung des alten Vorstands und Wahl eines
neuen Vorstands durch eine Minderheit möglich ist. Der Satzung in § 9 Absatz 1 zufolge ist
dafür ein Quorum von einem Drittel der Mitglieder erforderlich.

2. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Abwägung - da sich hier beide Beteiligte
ähnlich wie im Zivilprozess kontradiktorisch gegenüber stehen - führt zu dem Ergebnis,
dass der Beteiligte zu 2) die Gerichtskosten zu tragen hat, was sich bereits aus dem Gesetz
ergibt. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten scheidet aus. Es liegen keine Umstände
vor, die eine Abweichung von dem Grundsatz der Verfahren der freiwilligen
Gerichtsbarkeit, dass jeder Beteiligte seine eigenen Kosten selbst zu übernehmen hat,
rechtfertigen.

Die Wertfestsetzung folgt aus § 67 Abs. 1 Nr. 3 GNotKG.

Die Rechtsbeschwerde war nach § 70 Abs. 2 Satz Nr. 2 Alt. 2 FamFG zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Der Senat weicht mit seiner Auffassung über die
Beschwerdebefugnis von der Rechtsprechung des OLG Düsseldorf ab, welches die
Auffassung vertreten hat, ein Vereinsmitglied werde im Sinne des § 59 Abs. 1 FamFG durch
eine fehlerhafte Eintragung eines Vorstandsmitglieds unmittelbar in eigenen Rechten
beeinträchtigt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09. Februar 2016 – I-3 Wx 5/16 –, juris,
Rn. 30). Insoweit weicht der Sachverhalt auch von dem Sachverhalt ab, der der
Entscheidung des Senats vom 17. Juli 2020 - 22 W 8/20 - zugrunde lag.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

Kammergericht

Erscheinungsdatum:

16.12.2021

Aktenzeichen:

22 W 57/21

Rechtsgebiete:

Verein
Kostenrecht
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

FamFG §§ 59 Abs. 1, 395; BGB §§ 29, 67