OLG Hamm 19. Dezember 2022
22 U 97/17
BGB § 313

Grundstücksübertragungsvertrag; Pflegeverpflichtung; Wegfall der Geschäftsgrundlage

letzte Aktualisierung: 22.2.2023
OLG Hamm, Urt. v. 19.12.2022 – 22 U 97/17

BGB § 313
Grundstücksübertragungsvertrag; Pflegeverpflichtung; Wegfall der Geschäftsgrundlage

Zum Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) bei einem Grundstücksübertragungsvertrag mit
Pflegevereinbarung, wenn das Verhältnis zwischen den Vertragsparteien heillos zerrüttet ist und
nicht festgestellt werden kann, dass dem Übertragenden die Zerrüttung allein anzulasten ist.

Gründe

I.
Mit notariellem Vertrag vom 20. November 2013 (Bl. 10 ff. d.A.) übertrug der 0000
geborene Kläger, der zuvor einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte, sein mit einem
Wohnhaus bebautes Grundstück A-Straße 00 in B auf die Beklagte, seine Schwester. Als
Gegenleistung bestellte diese dem Kläger ein Wohnrecht an bestimmten Räumen des
Hauses und verpflichtete sich, ihn lebenslang zu betreuen und zu pflegen. Die Beklagte
wurde als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.

In der Folgezeit kam es zu Streitigkeiten zwischen den Parteien. Ab Februar oder März
2014 erbrachte die Beklagte keine Pflegeleistungen mehr. Im März 2014 erklärte der
Kläger den Rücktritt von dem Vertrag, weil die Beklagte von ihm Miete verlange und ihn
bedrängt und genötigt habe. Die Streitigkeiten mündeten in einem Zerwürfnis der Parteien.
Die Beklagte bewohnt das Haus derzeit zusammen mit ihren beiden Kindern, deren
Partnern und zwei Enkelkindern. Seit dem Tode ihres Ehemannes, der das Haus ebenfalls
bewohnt hatte, bezieht die Beklagte eine Witwenrente in Höhe von 360,00 Euro monatlich;
sie wird von ihren Kindern finanziell unterstützt.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil, auf welches wegen des
zugrundeliegenden Tatbestandes, der erstinstanzlich gestellten Anträge und der
Einzelheiten der Entscheidungsgründe verwiesen wird, die Klage auf Zustimmung zur
Grundbuchberichtigung, hilfsweise auf Rückauflassung des mit notariellem
Übertragungsvertrag vom 20.11.2013 vom Kläger auf die Beklagte übertragenen
Grundbesitzes A-Straße 00 in B abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die
mit anwaltlichem Schreiben des Klägers vom 28.08.2014 erklärte Anfechtung seiner auf
Abschluss des Übertragungsvertrages gerichteten Willenserklärung weder wegen
Erklärungsirrtums noch wegen Drohung durchgreife und mangels Geschäftsunfähigkeit
des Klägers zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Übertragungsvertrag nebst
Auflassung auch nicht gemäß § 105 BGB nichtig sei. Ein Anspruch auf Rückübertragung
des Grundstücks stehe dem Kläger gegen die Beklagte nicht zu. Mangels Vorliegens eines
in § 7 des Übertragungsvertrages geregelten Rücktrittsgrundes sei der Kläger weder
wirksam von dem Übertragungsvertrag zurückgetreten, noch greife sein mit anwaltlichem
Schreiben vom 28.08.2014 erklärter Widerruf wegen groben Undanks durch, da in dem
Übertragungsvertrag vom 20.11.2013 keine Schenkung liege.

Der Senat hat die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegte Berufung des Klägers mit
Urteil vom 17. Januar 2019 zurückgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf
Rückübertragung des Grundstücks gemäß § 323 Abs. 1 BGB. Zwar habe die Beklagte die
im Gegenseitigkeitsverhältnis zu der Grundstücksübertragung stehende
Pflegeverpflichtung nicht mehr erfüllt. Der Kläger hätte aber von der Beklagten unter
Fristsetzung konkrete Pflegeleistungen verlangen müssen. Daran fehle es. Eine
Rückabwicklung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gemäß
§ 313 Abs. 3 BGB scheide ebenfalls aus. Da der Kläger in erheblicher Weise die Pflicht zur
Rücksichtnahme auf die Belange der Beklagten verletzt habe, sei der Rücktritt vom Vertrag
nicht zur Vermeidung untragbarer, mit Recht und Gerechtigkeit schlechthin unvereinbarer
Folgen geboten. Vielmehr erscheine es unbillig, wenn das schuldhaft pflichtwidrige
Handeln des Klägers diesem die Möglichkeit eröffne, sich von dem Vertrag zu lösen.
Auf die hiergegen eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers hat der
Bundesgerichtshof mit Urteil vom 9. Juli 2021 – V ZR 30/20 – das Urteil des Senats
insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich des Hilfsantrags (Rückauflassung und
Zustimmung zur Eigentumsübertragung) zurückgewiesen worden ist und die Sache in
diesem Umfang zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Zur
Begründung ist ausgeführt, dass in Anbetracht der „heillosen Zerrüttung“ der Parteien ein
Anspruch aus § 313 Abs. 3 BGB wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht
komme. Die Vorschrift des § 313 Abs. 3 BGB sehe bei Wegfall der Geschäftsgrundlage die
Rechtsfolge der Auflösung des Vertrags vor, wenn eine Anpassung nicht möglich oder
einem Teil nicht zumutbar sei (§ 313 Abs. 3 BGB). Eine vertragliche Regelung im
notariellen Kaufvertrag, die allein dem Kläger das Risiko einer Zerrüttung zuweise, finde
sich nicht, insbesondere nicht in § 7, der – nicht abschließend – anderweitige
Rücktrittsgründe vorsehe. Eine ergänzende Vertragsauslegung komme vor diesem
Hintergrund nicht in Betracht. Dennoch scheide ein Anspruch auf Rückauflassung aus,
wenn es der Beklagten gelinge, darzulegen und zu beweisen, dass der Kläger allein für die
Zerrüttung verantwortlich und daher nicht schutzwürdig sei. Sei danach ein Wegfall der
Geschäftsgrundlage anzunehmen, müsse vorrangig geprüft werden, ob eine
Vertragsanpassung in Form von Geldzahlungen dem Kläger – insbesondere wegen der
wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten – unmöglich oder unzumutbar sei, was der
Kläger darzulegen und zu beweisen habe. Gelinge dem Kläger dies, müsse der Vertrag mit
Wirkung ex nunc aufgelöst werden mit der Folge, dass die Beklagte das Grundstück
zurückzuübertragen hätte und von ihrer Pflegeverpflichtung befreit würde.
Mit Blick auf die im Übrigen rechtskräftige Entscheidung des Senats vom 19. Januar 2019
beantragt der Kläger nunmehr noch,
unter Abänderung des am 18.07.2017 verkündeten Urteils der 4. Zivilkammer
des Landgerichts Hagen (Az. 4 O 314/14) die Beklagte zu verurteilen, das
Grundstück Flur 01, Flurstücke Nr. 01, 02 und 03 in der Gemarkung B,
eingetragen im Grundbuch des Amtsgericht Lüdenscheid, Blatt 01 auf ihn
rückaufzulassen und die Eigentumsumschreibung im Grundbuch zu beantragen
und zu bewilligen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz wird ergänzend auf
die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Wegen der Angaben der in im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28.11.2022
angehörten Parteien wird auf den Inhalt des Berichterstattervermerks vom 28.11.2022
verwiesen.

II.
Die Berufung des Klägers ist im zuletzt noch rechtshängigen Umfang begründet.

1.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten ein Anspruch auf Rückauflassung des
streitgegenständlichen Hausgrundstücks und Zustimmung zur Eigentumsübertragung aus
§ 313 Abs. 3 BGB zu.

a.
Mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juli 2021 – V ZR 30/20 (im
Folgenden Revisionsurteil) – ist für das vorliegende Verfahren gemäß § 563 Abs. 2 ZPO
zugrunde zu legen, dass ein Anspruch auf Rückübertragung wegen Wegfalls der
Geschäftsgrundlage des Grundstücksübertragungsvertrags mit Pflegeverpflichtung dann in
Betracht kommt, wenn das Verhältnis zwischen dem Übertragenden und dem
Übernehmenden „heillos zerrüttet“ ist.

Dass ein derartiges „tiefgreifendes Zerwürfnis“ der Parteien vorliegt, hat die Beklagte
zuletzt mit Schriftsatz vom 25.02.2022 (Bl. 500 d.A.) unstreitig gestellt.

b.
Weiter ist nach dem Revisionsurteil für den Senat bindend festgestellt, dass keine –
insoweit vorrangige – vertragliche Regelung besteht, die das Risiko des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage wegen eines „tiefgreifenden Zerwürfnisses“ – entweder ausdrücklich,
konkludent oder auf Grund ergänzender Auslegung – regelt. Der Bundesgerichtshof hat im
Revisionsurteil klargestellt, dass eine solche vorrangige Regelung weder dem notariellen
Vertrag entnommen werden kann, noch eine ergänzende Vertragsauslegung in Betracht
kommt, weil keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Parteien – hätten sie die
Möglichkeit der Zerrüttung ihres Verhältnisses bedacht – das Risiko einer solchen
Entwicklung allein dem Kläger zugewiesen hätten.

c.
Der Senat kann nach Anhörung der Parteien im Senatstermin am 28.11.2022 nicht
feststellen, dass die Zerrüttung dem Kläger allein anzulasten ist.

aa.
Der Bundesgerichtshof geht im Revisionsurteil davon aus, dass sich in der Regel durch
eine Beweisaufnahme kaum aufklären lasse, ob der Anteil des einen oder des anderen an
der eingetretenen Zerrüttung überwiege. Allerdings könne sich die betroffene Person nach
Treu und Glauben dann nicht auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage berufen, wenn sie
nicht schutzwürdig sei. Ausgehend davon hat der Senat vorliegend zu prüfen, ob die
Zerrüttung ausnahmsweise dem Kläger allein anzulasten ist. Für die Umstände ist – nach
den für den Senat bindenden Feststellungen des Bundesgerichtshofs im Revisionsurteil –
die Beklagte darlegungs- und beweispflichtig.

bb.
Das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls hat Beklagte jedoch bereits nicht schlüssig
darzulegen vermocht.

Der Senat vermag auf Grundlage der Angaben der Beklagten im Senatstermin nicht
auszuschließen, dass es in der Vergangenheit zumindest zwei Vorfälle gegeben hat, die
maßgeblich zur Zerrüttung des Verhältnisses beigetragen haben, ohne dass der Kläger
einen – bezogen auf den konkreten Vorfall – nachvollziehbaren Anlass für das Verhalten
der Beklagten gegeben hätte.

(1)
So hat die Beklagte im Rahmen ihrer Anhörung im Senatstermin angegeben, dass sie und
ihr Ehemann mit dem Besuch einer Bekannten des Klägers in dessen – vom
Wohnungsrecht umfassten – Wohnbereich nicht einverstanden gewesen seien, weil der
Kläger ihnen in der Vergangenheit die Zahlung von Betriebskosten schuldig geblieben sei.
Ihr – der Beklagten – Ehemann habe die Bekannte des Klägers deshalb des Hauses
verwiesen.

(a)
Einen – nachvollziehbaren – Anlass für die gegenüber der Bekannten des Klägers
ausgesprochene Wohnungsverweisung hat die Beklagte nicht anzugeben vermocht.
Zwar mag die von der Beklagten vertretene Ansicht, dass der Kläger – trotz Fehlens einer
ausdrücklichen Umlagevereinbarung im notariellen Kaufvertrag – die auf die vom
Wohnrecht betroffenen Räume entfallende verbrauchsabhängigen Betriebskosten
grundsätzlich zu zahlen hat, zutreffend sein (vgl. BGH, Urt. v. 21. Oktober 2011 – V ZR
57/11, BeckRS 2011, 27335 Rn. 5, beck-online). Es ist auch unstreitig, dass der Kläger an
die Beklagte seit dem Jahre 2014 keine verbrauchabhängigen Betriebskosten gezahlt hat.
Ebenso unstreitig ist indes, dass die Beklagte die Betriebskosten in der Vergangenheit
gegenüber dem Kläger nicht abgerechnet und die Forderung dem Grunde und der Höhe
nach – entsprechend den Regelungen der §§ 556 ff. BGB, die für die Abrechnung der
Betriebskosten auch dann analog anwendbar sind, wenn keine Vorauszahlungen des
Wohnrechtinhabers vereinbart sind (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2018 – V ZR 60/17 –,
NZM 2018, 675, beck-online) – konkretisiert hat.

Aber selbst wenn die Beklagte die Betriebskosten gegenüber dem Kläger abgerechnet
hätte, wäre sie nicht berechtigt gewesen, dem Kläger – allein unter Hinweis auf vom
Kläger nicht gezahlte Betriebskosten – den Empfang von Besuch in seinem Wohnbereich
zu untersagen und Besucher des Hauses zu verweisen.

(b)
Es steht zur Überzeugung des Senats fest, dass dieser – unstreitige – Vorfall in
erheblichem Maße zu der eingetretenen Zerrüttung des Verhältnisses der Parteien
beigetragen hat. Denn der Vorfall war ausweislich des Protokolls des Amtsgerichts –
Familiengericht – in Lüdenscheid (Az. 5 F 1397/16) vom 12.12.2016 (Anlage K 1 zum
Schriftsatz vom 29.12.2017, Bl. 374 ff. d.A.) zumindest mitursächlich dafür, dass das
Gewaltschutzverfahren vom Kläger eingeleitet wurde.

(2)
Auch hat die Beklagte den Vorwurf des Klägers, sie blockiere – zu Unrecht – eine
Umbaumaßnahme im vom Wohnungsrecht umfassten und vom Kläger bewohnten Bereich
des Hauses, nicht zu entkräften vermocht.

(a)
Nach Anhörung der Parteien im Senatstermin am 28.11.2022 ist unstreitig geblieben, dass
der Kläger die Zusage einer Übernahme der Kosten für den behindertengerechten Umbau
eines in den von seinem Wohnrecht umfassten Zimmern gelegenen Waschraums von
seiner Versicherung und dem Sozialamt erhalten hat. Dieser Umbau soll u.a. den Einbau
einer barrierefreien Dusche umfassen. Unstreitig geblieben ist weiter, dass der Umbau
bislang nicht erfolgen konnte, weil es an einer – von der Behörde bei der Betreuerin des
Klägers eingeforderten – Zustimmung der Beklagten als Eigentümerin des Hauses fehlt.

(b)
Die Beklagte hat plausible Gründe, weshalb die Zustimmung bislang nicht erteilt worden
ist, nicht darzulegen vermocht.

Ihre – vom Dolmetscher übersetzten – Angaben hierzu blieben trotz wiederholter
Nachfragen vage und in sich widersprüchlich. So hat die Beklagte im Rahmen ihrer
Anhörung im Senatstermin am 28.11.2022 zunächst angegeben, sie und ihr Mann seien
seinerzeit mit dem Umbau einverstanden gewesen und hätten ohnehin ein anderes Bad
nutzen wollen. Auf weitere Nachfrage hat die Beklagte dann aber im weiteren Verlauf ihrer
Anhörung erklärt, sie sei gar nicht gefragt worden, ob sie mit dem Umbau einverstanden
sei, und habe auch nicht gewusst, dass überhaupt ein Umbau stattfinden solle. Dies steht
jedoch in Widerspruch zu ihrer vorangegangenen Angabe, sie sei mit dem Umbau
einverstanden gewesen, denn wenn sie von dem geplanten Umbau nichts gewusst haben
will, hätte sie naturgemäß mit einem solchen auch nicht einverstanden sein können.
Schließlich steht die Angabe, sie habe von dem Umbau nichts gewusst, in Widerspruch zu
ihrer späteren Angabe im Rahmen ihrer Anhörung, sie habe Kontakt zu der Ehefrau des
Handwerkers – eines Cousins – gehabt, der den Umbau habe durchführen sollen. Ihre
widersprüchlichen Angaben hat die Beklagte auch auf nochmalige Nachfrage des Senats
nicht plausibel zu erklären und aufzulösen vermocht.

Der Senat sieht auch im Übrigen keinen plausiblen Grund, der die Beklagte berechtigen
würde, die Zustimmung zu dem behindertengerechten Umbau des Bades zu verweigern.
Zwar ist der Wohnrechtsinhaber nach §§ 1093, 1037 BGB – ohne Zustimmung des
Eigentümers – grundsätzlich nicht berechtigt, bauliche Veränderung an den vom
Wohnungsrecht umfassten Räumen vorzunehmen, worunter auch der Umbau eines
Waschraums fällt. Allerdings ist in diesem Zusammenhang die Wertung des im
Wohnungsmietrecht geregelten § 554 BGB zu berücksichtigen, wonach der Vermieter
grundsätzlich bauliche Veränderungen der Mietsache erlauben muss, die dem Gebrauch
durch Menschen mit Behinderungen dienen, es sei denn, dass die bauliche Veränderung
dem Vermieter auch unter Würdigung der Interessen des Mieters nicht zugemutet werden
kann. Der Senat hält die Interessenlage im Falle des behindertengerechten Umbaus der
von einem Wohnungsrecht umfassten Räume für vergleichbar mit derjenigen im
Wohnungsmietrecht. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang, dass mit dem –
aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers, der derzeit unstreitig in Pflegegrad 3
eingestuft ist – notwendigen behindertengerechten Umbau, abgesehen von den mit der
Durchführung der Baumaßnahmen eintretenden Unannehmlichkeiten wie Baulärm oder
Verschmutzungen, keine wirtschaftlichen Nachteile für die Beklagte verbunden sind.
Vielmehr würde der von dem Umbau betroffene Waschraum, der nach den
übereinstimmenden Angaben der Parteien im Termin bisher nur über rudimentäre sanitäre
Anlagen verfügt, mit dem Einbau einer Dusche eine für die Beklagte kostenlose
„Aufwertung“ erfahren.

(c)
Der Senat kann auf Grundlage der Angaben der Parteien nicht ausschließen, dass auch
der vorgenannte Vorfall, der sowohl schriftsätzlich als auch im Rahmen der beiden
Senatstermine zur Sprache gekommen ist, zu dem Zerwürfnis der Parteien beigetragen
hat.

d.
Der Kläger kann die Auflösung des Vertrags nach § 313 Abs. 3 S. 2 BGB verlangen. Eine
– insoweit vorrangige – Vertragsanpassung ist dem Kläger nicht zumutbar (§ 313 Abs. 3
Satz 1 BGB).

aa.
Der Senat ist nach Anhörung der Parteien im Senatstermin davon überzeugt, dass dem
Kläger eine Vertragsanpassung aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beklagten
nicht zumutbar ist (§ 313 Abs. 3 Satz 1 BGB).

(1)
Nach den bindenden Vorgaben im Revisionsurteil hat der Senat zu prüfen, ob eine
Vertragsanpassung durch Geldzahlung der Beklagten anstelle der Sach- und
Dienstleistungen in Betracht kommt, entweder in Form einer Rentenzahlung, wenn sie
gesichert ist, oder in Form eines Kapitalbetrags, was die Zahlung eines „nachträglichen
Kaufpreises“ bedeuten würde.

(2)
Nach den Angaben der Beklagten im Senatstermin, wonach sie lediglich eine Witwenrente
in Höhe von 360,00 Euro monatlich bezieht, wäre ihr eine Zahlung an den Kläger weder in
Form einer Rente noch in Form eines Kapitalbetrags als „nachträglicher Kaufpreis“
möglich. Eine derartige Zahlungsverpflichtung würde das wirtschaftliche
Leistungsvermögen der Beklagten erheblich überschreiten und wäre nicht gesichert.
Zwar mag die Beklagte von ihren Kindern und ihrem Schwiegersohn finanziell unterstützt
werden, insbesondere, was das Haus betreffende Ausgaben angeht. Es mag auch sein,
dass ihre Kinder und ihr Schwiegersohn aufgrund ihres Einkommens wirtschaftlich in der
Lage wären, Zahlungen an den Kläger in Form einer Rentenzahlung oder eines
Kapitalbetrages zu erbringen, und dass ihre Tochter und ihr Schwiegersohn sich hierzu
gegenüber der Beklagten ausdrücklich bereit erklärt haben. Dieser Umstand muss jedoch
bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Beklagten und der
Zumutbarkeit einer Vertragsanpassung für den Kläger außer Betracht bleiben. Denn in
einem etwaigen Urteil des Senats könnte allein eine materiell-rechtliche Zahlungspflicht
der Beklagten festgestellt werden, so dass eine etwaige Zwangsvollstreckung auch nur in
ihr Vermögen erfolgen könnte. Selbst wenn sich die Tochter und der Schwiegersohn
materiell-rechtlich verpflichten würden, für eine Zahlungsverpflichtung der Beklagten
einzustehen, etwa im Wege einer Schuld(mit)übernahme i.S.v. §§ 414 ff. BGB, würde
dieser Umstand nichts daran ändern, dass der Kläger aus einem etwaigen Urteil des
Senats ihnen gegenüber nicht vollstrecken könnte, sondern erneut klagen müsste, wenn
die Verwandten nicht zahlen. Dass dem Kläger das Eingehen eines solchen Risikos nicht
zumutbar wäre, liegt auf der Hand.

Vor diesem Hintergrund verfängt auch der Verweis der Beklagten auf die mögliche
dingliche Sicherung einer Rentenzahlungspflicht durch Eintragung einer Reallast im
Grundbuch nicht. Eine derartige Vertragsanpassung wäre dem Kläger ebenfalls nicht
zumutbar. Denn die Bestellung einer Reallast vermag eine fehlende wirtschaftliche
Leistungsfähigkeit der Beklagten nicht zu ersetzen. Sie gewährt dem Kläger lediglich einen
dinglichen Anspruch auf Befriedigung wegen jeder einzelnen Leistung, der § 1147 BGB
(analog) durch Zwangsvollstreckung in das Grundstück geltend zu machen ist (vgl.
Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 9. April 1981 – BReg 2 Z 21/81 –,
Rn. 24, juris; MüKoBGB/Mohr, 8. Aufl. 2020, BGB § 1107 Rn. 13). Eine mögliche
Zwangsvollstreckung in das Grundstück mit der Folge einer etwaigen
Zwangsversteigerung würde jedoch dem Interesse des Klägers am Erhalt des
Hausgrundstücks und seiner „eigenen vier Wände“, in denen er nach eigenen Angaben
„seinen Lebensabend verbringen“ will, zuwiderlaufen, zumal der Kläger, der – unbestritten
– lediglich eine Rente in Höhe von monatlich 610,00 Euro bezieht und dem im Übrigen
ratenfreie Prozesskostenhilfe gewährt worden ist, offensichtlich nicht über die finanziellen
Mittel verfügt, das Hausgrundstück selbst zu erstehen.

bb.
Nach alledem ist der Vertrag – unter Zugrundelegung der für den Senat bindenden
Ausführungen des Bundesgerichtshofs im Revisionsurteil – aufgrund der den Charakter
des Vertrages prägenden, als Dauerschuldverhältnis einzuordnenden Pflegeverpflichtung
– mit Wirkung ex nunc aufzulösen (§ 313 Abs. 3 Satz 2 BGB). Folge ist, dass die Beklagte
an den Kläger das Grundstück zurückzuübertragen hat und von ihrer Pflegeverpflichtung
befreit wird (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 2021 – V ZR 30/20 –, Rn. 16, juris).

(1)
Die insoweit notwendige Kündigungserklärung des Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juni
1987 – V ZR 91/86 –, BGHZ 101, 143-153, Rn. 28) liegt vor.

Zwar hat der Kläger gegenüber der Beklagten nie ausdrücklich eine „Kündigung“ erklärt,
sondern – mit Schreiben vom 25.03.2014 (Bl. 21 d.A.) – den „Rücktritt“ vom
Übertragungsvertrag und – mit weiterem Schreiben vom 28.08.2014 (Bl. 22 ff. d.A.) – die
„Anfechtung“ und den „Widerruf wegen groben Undanks“. Eine ausdrückliche
Kündigungserklärung ist auch während des laufenden Rechtsstreits nicht erfolgt.
Allerdings hat der Kläger bereits vorgerichtlich zu verstehen gegeben, dass er an den
Rechtsfolgen des mit der Beklagten geschlossenen notariellen Vertrages nicht festhalten
möchte und die Rückauflassung des Grundstücks begehrt. Die Erklärungen des Klägers
können daher gemäß §§ 133, 157 BGB dahingehend ausgelegt werden, dass die –
gegenüber einer Rückabwicklung des Vertrages aufgrund Rücktritts, Anfechtung oder
Widerrufs weniger einschneidenden – Rechtsfolgen einer Vertragsauslösung von dem
Willen des Klägers (mit) umfasst sind. Sein diesbezügliches Begehren hat der Kläger mit
Antragstellung im Senatstermin am 28.11.2022, in der nach den vorgenannten Maßstäben
eine (nochmalige) konkludente Kündigungserklärung enthalten ist, bekräftigt.

(2)
Die Abwicklung des Vertrages richtet sich nach den für eine Kündigung (aus besonderem
Grund) geltenden Abwicklungsfolgen und -wirkungen (vgl. Böttcher in: Erman BGB,
Kommentar, § 313 Störung der Geschäftsgrundlage, Rn. 44b m.w.N.). Danach sind,
worauf auch der Bundesgerichtshof im Revisionsurteil für den Senat bindend verwiesen
hat, die Rücktrittsregelungen nicht entsprechend anwendbar. Die vom V. Zivilsenat des
Bundesgerichtshofs als einschlägig angesehene Kündigung führt dazu, dass die vor der
Kündigungserklärung erbrachten Leistungen sowie die bereits vor der Kündigung fällig
gewordenen, noch nicht erloschenen Ansprüche unberührt bleiben. Für diese Leistungen
bleibt auch der Rechtsgrund des gekündigten Schuldverhältnisses bestehen, so dass sie
grundsätzlich nicht nach Bereicherungsrecht zurückzugewähren sind (vgl. Böttcher in:
Erman BGB, Kommentar, § 314 Kündigung von Dauerschuldverhältnissen aus wichtigem
Grund, Rn. 20; BeckOGK/Martens, 1.10.2022, BGB § 313 Rn. 148; MüKoBGB/Gaier, 9.
Aufl. 2022, BGB § 314 Rn. 48).

(a)
Der Kläger kann von der Beklagten die Rückübertragung des der Beklagten zugewendeten
Eigentums an dem Hausgrundstück verlangen. Jedenfalls hat er zu weiteren etwaigen
Ansprüchen nichts vorgetragen.

(b)
Die Beklagte ist wegen der Beendigung des Vertrages aufgrund Kündigung nicht mehr zur
Pflege und Betreuung des Klägers verpflichtet.

(c)
Weitere – im Rahmen eines konkludent geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts nach
§ 273 BGB zu berücksichtigenden – Ansprüche der Beklagten gegenüber dem Kläger
bestehen demgegenüber nicht.

(aa)
Die seitens der Beklagten geltend gemachten, mit dem Grunderwerb verbundenen Kosten
(Notarkosten und Grundbuchkosten) sind nicht erstattungsfähig.

Zwar mag auch im Falle einer Vertragsauflösung mit Wirkung ex nunc grundsätzlich die
Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht ausgeschlossen sein, was
ausdrücklich aus der Wertung des § 314 Abs. 4 BGB folgt. Hielte man § 314 Abs. 4 BGB
im vorliegenden Fall für anwendbar, würden Schadens- oder
Aufwendungsersatzansprüche der Beklagten gegenüber dem Kläger jedoch ausscheiden.
Denn § 314 Abs. 4 BGB regelt den Fall, dass dem Kündigenden, hier also dem Kläger,
Schadens- oder Aufwendungsersatzansprüche gegenüber dem Kündigungsgegner, hier
der Beklagten, zustehen, insbesondere dann, wenn letztere(r) durch die Verletzung
vertraglicher Pflichten – schuldhaft – den wichtigen Grund für die Kündigung gesetzt hat
(sog. „Auflösungsverschulden“, vgl. MüKoBGB/Gaier, 9. Aufl. 2022, BGB § 314 Rn. 49;
BeckOGK/Martens, 1.10.2022, BGB § 314 Rn. 84). Im vorliegenden Fall verlangt jedoch –
umgekehrt – die Beklagte Schadens- und Aufwendungsersatz vom Kläger. Selbst wenn
man in diesem Falle § 314 Abs. 4 BGB für einschlägig erachten würde, wären Schadensoder
Aufwendungsersatzansprüche der Beklagten dennoch ausgeschlossen. Denn ist bei
beiderseitiger Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses die Kündigung des
Dauerschuldverhältnisses durch einen Vertragsteil wirksam, hat der andere Teil, der am
Vertrag festhält, wegen des ihm durch die Kündigung entstandenen Schadens keinen
Ersatzanspruch; seinem Schadensersatzverlangen steht der Einwand treuwidrigen
Verhaltens (§ 242 BGB) entgegen (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 1965 – VII ZR
202/63 –, BGHZ 44, 271-279, Rn. 29 – 32; BGH, Urteil vom 11. Februar 1981 – VIII ZR
312/79 –, Rn. 46, juris MüKoBGB/Gaier, 9. Aufl. 2022, BGB § 314 Rn. 50). Wie oben
dargelegt, ist vorliegend davon auszugehen, dass beide Parteien einen Anteil an dem
eingetretenen Zerwürfnis zu tragen haben; eine alleinige Verantwortlichkeit des Klägers
hat die Beklagte nicht darzulegen vermocht. Dieses Ergebnis entspricht auch der – für den
Senat bindenden – Wertung des Bundesgerichtshofs im Revisionsurteil, wonach ein
Wegfall der Geschäftsgrundlage bei einem Übertragungsvertrag mit Pflegeverpflichtung im
Falle einer eingetretenen Zerrüttung der Parteien grundsätzlich anzunehmen ist, ohne
dass es darauf ankäme, welche Vertragspartei welchen Anteil an dem Zerwürfnis trägt, es
sei denn, eine Vertragspartei wäre aufgrund feststehender alleiniger Verantwortung
ausnahmsweise nicht schutzwürdig. Dieser Grundsatz würde unterlaufen, würde man den
Parteien im Rahmen der Rechtsfolge gegenseitige Schadens- oder
Aufwendungsersatzansprüche (aus § 314 Abs. 4 BGB) auch dann zugestehen, wenn – wie
hier – beide Parteien die Zerrüttung zu verantworten haben.

Ansprüche aus §§ 994, 996 BGB scheiden schon deshalb aus, weil die Beklagte zum
Zeitpunkt der Verwendungsvornahme Eigentümerin des streitgegenständlichen
Hausgrundstücks war und das Eigentum nicht rückwirkend, sondern, wie oben dargelegt,
mit Wirkung ex nunc verliert. In diesem Falle fehlt es an dem Vorliegen einer notwendigen
Vindikationslage (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 1984 – IVa ZR 75/83 –, Rn. 18, juris;
vgl. Grüneberg/Herrler, BGB, 81. Auflage 2022, vor § 994, Rn. 2).

(bb)
Soweit die Beklagte Erstattung der Kosten für den Austausch des Brauchwasserspeichers
der Zentralheizung in Höhe von 3.380,67 Euro geltend macht, besteht – aus den
genannten Gründen – ebenfalls kein Anspruch, zumal die Beklagte als Eigentümerin –
auch gegenüber dem Kläger – zum Austausch des Speichers auf eigene Kosten
verpflichtet war.

(cc)
Schließlich besteht kein Anspruch der Beklagten gegenüber dem Kläger auf Erstattung der
seit 2014 angefallenen verbrauchsanhängigen Betriebskosten.
Zwar mag der Kläger, wie bereits oben dargelegt, zur Zahlung der auf die vom Wohnrecht
betroffenen Räume entfallenden verbrauchsabhängigen Betriebskosten grundsätzlich
verpflichtet sein. Allerdings hat die Beklagte die Höhe der auf den Kläger entfallenden
Betriebskosten nicht substantiiert dargelegt. Da in dem Gebäude – unstreitig – keine
entsprechenden Messeinrichtungen vorhanden sind, wäre konkreter Vortrag dazu
notwendig gewesen, welche angefallenen Betriebskosten in welcher Höhe auf welcher
Grundlage dem Kläger zuzurechnen sind. Diesen Anforderungen ist die Beklagte indes
nicht ansatzweise gerecht geworden; sie hat die Kosten lediglich pauschal auf „über
14.000,00 Euro“ geschätzt, ohne dem Senat entsprechende Schätzungsgrundlagen
mitzuteilen. Der Senat hat mit Verfügung vom 16.05.2022 ausdrücklich darauf
hingewiesen, dass der bisherige Sachvortrag der Parteien zu etwaigen
Ausgleichsforderungen und wechselseitigen Verpflichtungen aus dem
streitgegenständlichen Vertrag den Anforderungen nicht genügt und Gelegenheit zur
abschließenden Stellungnahme eingeräumt. Mit Terminsverfügung vom 25.08.2022 ist
ihnen unter Fristsetzung aufgegeben worden, abschließend unter Vorlage von Belegen zu
etwaigen Ausgleichsforderungen vorzutragen. Konkretisierender Vortrag der Beklagten ist
jedoch daraufhin nicht erfolgt; vielmehr hat die Beklagte im Schriftsatz vom 25.10.2022 die
Ansicht vertreten, weiterer Sachvortrag hierzu sei nicht veranlasst.

Überdies kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Beklagte seit 2014 ihrerseits einen
überwiegenden Teil der Wohnfläche des Hauses zusammen mit ihren Familienmitgliedern
– kostenlos – bewohnt und insoweit Nutzungen i.S. eines erheblichen Wohnvorteils aus
dem übertragenen Eigentum gezogen hat (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 1994 – V
ZR 113/93 –, Rn. 17, juris). Der Wert dieser Nutzungen würde die von der Beklagten
geltend gemachten Betriebskostenzahlungen der Höhe nach erheblich übersteigen, was
im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des Grundsatzes von Treu
und Glauben (§ 242 BGB) zu einem Ausschluss der entsprechenden Nachforderung
führen würde.

e.
Die Entscheidung des Senats ist aufgrund der Bindungswirkungen des Revisionsurteils
veranlasst.

Die zugrunde liegende Rechtsauffassung des Revisionsgerichts überzeugt den Senat
indessen nicht:

Die Annahme des Revisionsgerichts, dass bei einem Grundstücksübertragungsvertrag mit
Pflegevereinbarung „typischerweise beide Vertragsparteien mit ihrem Verhalten zu der
Zerrüttung des Verhältnisses beitragen und ein eindeutiger Schwerpunkt der Verursachung
hierfür auch durch eine Beweisaufnahme regelmäßig nicht bestimmt werden kann“,
begegnet nach den Erfahrungen des Senats als Tatsachengericht erheblichen Bedenken.
Danach ist der Übertragende im Falle eines Übertragungsvertrags mit Pflegeverpflichtung
zumeist eine zumindest absehbar hilfsbedürftige, oftmals auch (hoch)betagte Person. Die
zur Entscheidung angestandenen Sachverhalte haben wiederholt zu Tage treten lassen,
dass pflegebedürftige Personen mit steigendem Alter starrsinnig, zunehmend realitätsfern
und – für den Pflegenden – schwerer zugänglich werden und/oder sich von diesem
entfremden. Zumeist werden sie leichter beeinflussbar durch Dritte, die von außen auf sie
einwirken und sie in dem in ihnen aufkommenden Wunsch, sich vom Vertrag mit dem
Pflegenden zu lösen, unterstützen.

Die Auffassung des Revisionsgerichts, der Übernehmende müsse den „Ausnahmefall“
beweisen, dass die Zerrüttung dem Übertragenden „allein anzulasten“ sei, trägt den
vorgenannten Umständen nicht genügend Rechnung. Vielmehr wird sie letztlich dazu
führen, dass eine zur Vertragsauflösung führende Zerrüttung vom Übernehmenden,
möglicherweise veranlasst und gelenkt durch Dritte, im Falle eigener Vertragsreue
praktisch risikolos „provoziert“ werden kann. Denn es wird angesichts der vom
Revisionsgericht vertretenen Beweislast in der Praxis der Ausnahmefall sein, dass wegen
eines zur Überzeugung des Gerichts feststehenden alleinigen Verschuldens des
Übertragenden die Anwendung des § 313 Abs. 3 BGB ausgeschlossen ist.
Nach Ansicht des Senats findet die Auffassung des Revisionsgerichts auch keine
hinreichende gesetzliche Stütze. So ist im Falle des Bestehens eines Rücktrittsrechts ein
Rücktritt nach § 323 Abs. 6 BGB nur dann ausgeschlossen, wenn der Schuldner
nachweist, dass der Gläubiger allein oder „weit überwiegend“ verantwortlich ist (vgl. hierzu
etwa BeckOGK/Looschelder BGB § 323 Rn. 333); eine alleinige Verantwortung des
Gläubigers ist also gerade nicht erforderlich.

Die vom Revisionsgericht befürwortete Beweislastverteilung steht zudem im Widerspruch
zu der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Falle des Widerrufs einer Schenkung
wegen groben Undanks nach §§ 530 ff. BGB, die einen Sonderfall des Wegfalls der
Geschäftsgrundlage regeln (vgl. BGH, Urteil vom 21. Dezember 2005 - X ZR 108/03; NJWRR
2006, 699, beck-online, Rn. 18). Im Falle des Schenkungswiderrufs ist der Schenker
als Anspruchsteller für die Umstände, aus denen der grobe Undank hergeleitet werden
kann, also ein dem Beschenkten anzulastendes Fehlverhalten, darlegungs- und
beweispflichtig (vgl. nur BGH, Urteil vom 11. Juli 2000 - X ZR 89/98 -, NJW 2000, 3201,
beck-online). Dabei ist zu sehen, dass ein Schenkungsvertrag – anders als der
vorliegende Übertragungsvertrag mit Pflegeverpflichtung – keine Gegenleistung des
Beschenkten vorsieht. Es stellt aus Sicht des Senats einen auch mit
Billigkeitsgesichtspunkten nicht aufzulösenden Wertungswiderspruch dar, wenn die
Anforderungen, die an die Darlegungs- und Beweislasten für den Wegfall der
Geschäftsgrundlage im Falle eines mit gegenseitigen Leistungspflichten belegten
Vertrages für den jeweiligen Anspruchssteller gestellt werden, deutlich geringer sein sollen
als diejenigen des Anspruchsstellers im Falle einer – unentgeltlichen – Schenkung, soweit
es – wie vorliegend allein streitgegenständlich – um die Rückforderung des
Übertragungsgegenstandes (und nicht um die bloße Anpassung des Vertrages) geht.
Hinzu kommt, dass bei einem Schenkungswiderruf wegen groben Undanks in die
Gesamtwürdigung auch die persönlichen Lebensumstände und ein Fehlverhalten des
Schenkers einzubeziehen sind. Aus diesem Grunde kann nach den Umständen des
Einzelfalls selbst eine tätliche Auseinandersetzung zwischen Schenker und Beschenktem
nicht genügen, um einen Schenkungswiderruf zu begründen (vgl. BGH, Urteil vom 22.
Oktober 2019 – X ZR 48/17, beck-online, Rn. 36 – 41).

Es erschließt sich dem Senat nicht, warum in der streitgegenständlichen Konstellation
demgegenüber gewichtige, das Gebot wechselseitiger Rücksichtnahme offensichtlich
verletzende Handlungsweisen des Klägers, die der Senat im aufgehobenen Urteil
festgestellt hat (vgl. dort 2 b) bb) (2) (c)), der Anwendung des § 313 Abs. 3 BGB nicht
entgegen stehen sollen.

2.
Trotz des Unterliegens des Klägers mit dem Hauptantrag sind die Kosten des Rechtsstreits
einschließlich des Revisionsverfahrens nach § 91 Abs. 1 ZPO vollständig der Beklagten
aufzuerlegen.

Ein Teilunterliegen des Klägers insoweit, als der Hauptantrag abgewiesen worden ist und
er nur mit dem Hilfsantrag Erfolg hat, liegt nicht vor, weil Haupt- und Hilfsantrag denselben
Gegenstand i.S.v. § 45 Abs. 1 S. 3 GKG betreffen (vgl. BeckOK ZPO/Jaspersen, 46. Ed.
1.9.2022, ZPO § 91 Rn. 64).

Für die Festsetzung des Streitwerts hatte keine Zusammenrechnung des hilfsweise
geltend gemachten Anspruchs mit dem Hauptanspruch nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG zu
erfolgen. Denn eine Zusammenrechnung scheidet nach § 45 Abs. 1 Satz 3 GKG aus,
wenn Haupt- und Hilfsanspruch denselben Gegenstand betreffen, in diesem Fall ist nur der
Wert des höheren Anspruchs maßgebend. Bei dem Begriff des Gegenstands in § 45 Abs.
1 Satz 3 GKG handelt es sich um einen selbständigen kostenrechtlichen Begriff, der eine
wirtschaftliche Betrachtung erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2004 - IV ZR
287/03 -, NJW-RR 2005, 506). Eine Zusammenrechnung hat dort zu erfolgen, wo eine
wirtschaftliche Werthäufung entsteht und nicht ein wirtschaftlich identisches Interesse
betroffen ist (BGH, Beschluss vom 12. April 2010 - II ZR 34/07 - juris Rn. 4). Nach der in
der Rechtsprechung entwickelten „Identitätsformel“ besteht zwischen dem Gegenstand
des Haupt- und eines Hilfsantrags wirtschaftliche Identität, wenn beiden, das durch die
Antragstellung hergestellte Eventualverhältnis hinweggedacht, nicht gleichzeitig
stattgegeben werden könnte, sondern die Verurteilung nach dem einen Antrag
notwendigerweise die Abweisung des anderen nach sich zöge (vgl. BGH, Urteil vom
8.August 2017 – X ZR 101/16, NJW-RR 2017, 1453, beck-online). So liegt der Fall hier, da
dem Kläger entweder die mit Hauptantrag geltend gemachte Grundbuchberichtigung
(wegen Nichtigkeit der Auflassungserklärung des Klägers) oder aber die mit Hilfsantrag
geltend gemachte Rückauflassung hätte zugesprochen werden können, so dass die
Verurteilung nach dem einen Antrag – das Eventualverhältnis hinweggedacht –
notwendigerweise die Abweisung des anderen Antrags gefolgt wäre. Beide Anträge
betreffen daher – gebührenrechtlich – denselben Gegenstand.

3.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Hamm

Erscheinungsdatum:

19.12.2022

Aktenzeichen:

22 U 97/17

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Allgemeines Schuldrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch
Miete
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Grundpfandrechte
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
Grundstücksübergabe, Überlassungsvertrag

Normen in Titel:

BGB § 313