Verbrauchereigenschaft; Klärung durch Notar; Zwei-Wochen-Frist; sicherster Weg
letzte Aktualisierung: 10.07.2020
BGH, Urt. v. 28.5.2020 – III ZR 58/19
Verbrauchereigenschaft; Klärung durch Notar; Zwei-Wochen-Frist; sicherster Weg
a) Der Notar muss, wenn er um Beurkundung einer auf einen Vertragsschluss gerichteten
Willenserklärung ersucht wird, klären, ob es sich um einen Verbrauchervertrag im Sinne des § 17
Abs. 2a BeurkG handelt, sofern der Status des Urkundsbeteiligten nicht offensichtlich ist.
b) Verbleiben hiernach Zweifel an der Verbrauchereigenschaft des Urkundsbeteiligten, muss der
Notar den sichersten Weg wählen und den Beteiligten wie einen Verbraucher behandeln. Auf die
Einhaltung der Wartefrist des
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung
des angefochtenen Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache
an die Vorinstanz.
I.
Das Oberlandesgericht hat - soweit im dritten Rechtszug noch von Bedeutung
- seine Entscheidung wie folgt begründet:
Dem Kläger fehle bereits die Verbrauchereigenschaft, weshalb § 17
Abs. 2a Satz 2 BeurkG nicht anwendbar sei. Der vollfinanzierte Erwerb von vier
Eigentumswohnungen sei nicht mehr im Rahmen privater Vermögensverwaltung,
sondern in Ausübung einer gewerblichen Nebentätigkeit erfolgt. Es sei
dem Kläger - anders als erstinstanzlich vorgetragen - nicht um eine Maßnahme
zur Altersvorsorge gegangen. Er habe - persönlich vor dem Berufungssenat
angehört - eingeräumt, dass das Geschäft so an ihn herangetragen worden sei,
dass die Wohnungen nach Renovierung an bereits vorgemerkte Erwerber mit
Gewinn von ca. 3.000 € hätten weiterverkauft werden sollen. Er habe "sozusagen
eine Zwischenfinanzierung des Geschäfts" vornehmen sollen. Aus der Finanzierung
hätten dann die Renovierungskosten und die ihm versprochene
Zahlung von 20.000 € bestritten werden sollen. Dieser Betrag habe sein Entgelt
für die Übernahme der Finanzierung des Geschäfts sein sollen ebenso wie ein
möglicher Erlös aus dem Weiterverkauf. Die Option, die Wohnungen nach Renovierung
gegebenenfalls zu behalten, wenn sie gut vermietet seien, sei ihm
erst später von dem Zeugen K. aufgezeigt worden.
Selbst wenn man von einem Verbrauchergeschäft ausginge, könne sich
der Beklagte mit Erfolg darauf berufen, dass der Kläger die Beurkundung nach
Ablauf der Regelfrist genauso, wie geschehen, hätte vornehmen lassen. Aus
der Anhörung des Klägers habe sich ergeben, dass er sich vollumfänglich auf
die Angaben des Zeugen K. verlassen habe, der ihm das Geschäft als "super
Anlage in einer aufstrebenden Stadt" angepriesen habe. Die Investition habe
sich selbst tragen sollen. Der Zeuge K. habe dem Kläger hiernach außerdem
erklärt, die Wohnungen hätten eine gehobene Ausstattung beziehungsweise
würden hochwertig renoviert. Ohne die Wohnungen zu besichtigen
und ohne sich näher für die Miethöhe zu interessieren, habe der Kläger den
Kaufentschluss allein aufgrund der Angaben des Zeugen K. getroffen.
Dass der Kläger die Überlegungsfrist des
genutzt hätte, den Vertragsentwurf durch einen Rechtsanwalt prüfen zu lassen,
sei nicht wahrscheinlich. Zwar habe er angegeben, er hätte in jedem Fall
anwaltlichen Rat eingeholt. Dagegen spreche jedoch sein überwiegend passives
Verhalten. Auch nachdem dem Kläger - nachvertraglich - klar geworden sei,
dass die Investition sich nicht tragen würde, habe er anwaltliche Hilfe zunächst
nicht, sondern erstmals im Jahr 2013 in Anspruch genommen, obwohl der
Schuldendienst für die Wohnung schon 2011 begonnen habe. Eine Vernehmung
der Ehefrau des Klägers als Zeugin dazu, dass dieser darüber gesprochen
habe, er hätte den Vertragsentwurf durch einen Rechtsanwalt prüfen lassen,
sei nicht erforderlich gewesen. Der Berufungssenat gehe davon aus, dass
der Kläger dies seiner Ehefrau gegenüber geäußert habe. Er habe aber einge-
räumt, dass solche Überlegungen nicht zeitnah zur notariellen Beurkundung
angestellt worden seien, sondern dies erst erörtert worden sei, als er erkannt
habe, dass die Zusagen nicht vollständig eingehalten würden. Noch im Februar/
März 2011 sei er davon ausgegangen, "etwas Tolles" gemacht zu haben.
Des Weiteren habe er damals finanziellen Bedarf im Bereich seiner privaten
Lebensführung gehabt.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht stand. Mit der
vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich der vom Kläger geltend
gemachte Schadensersatzanspruch gemäß
nicht ablehnen.
1. Der Beklagte verstieß gegen seine Amtspflichten als Notar, weil er es
unterließ, den Sachverhalt in Bezug auf die Frage, ob der Kläger als Verbraucher
handelte, zu klären. Bereits dann, wenn nach einer solchen Klärung Zweifel
in Bezug auf die Verbrauchereigenschaft verblieben wären, hätte er gemäß
September 2013 geltenden Fassung des OLG-Vertretungsänderungsgesetzes
vom 23. Juli 2002 [BGBl. I S. 2850], a.F.) verfahren müssen. Hierzu sind bislang
keine Feststellungen getroffen worden.
a) Gemäß
darauf hinwirken, dass der Verbraucher ausreichend Gelegenheit
erhält, sich vorab mit dem Gegenstand der Beurkundung auseinanderzusetzen;
bei Verbraucherverträgen, die der Beurkundungspflicht nach § 311b
Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 BGB unterliegen, geschieht dies in der Regel dadurch,
dass dem Verbraucher der beabsichtigte Text des Rechtsgeschäfts zwei Wochen
vor der Beurkundung zur Verfügung gestellt wird.
b) Der Notar muss, wenn er um Beurkundung einer auf einen Vertragsschluss
gerichteten Willenserklärung ersucht wird, klären, ob es sich um einen
Verbrauchervertrag im Sinne des § 17 Abs. 2a BeurkG handelt, sofern der Status
des Urkundsbeteiligten nicht offensichtlich ist (vgl. Armbrüster in Armbrüster/
Preuß/Renner, Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für Notarinnen und
Notare, 8. Aufl., § 17 Rn. 200 f; BeckOGK/Regler [Stand: 1. April 2020], § 17
BeurkG Rn. 153; Winkler, Beurkundungsgesetz, 19. Aufl., § 17 Rn. 99). Dazu
muss er versuchen, den Zweck des Vertragsschlusses zu erkunden. Führt dies
zu keinem eindeutigen Ergebnis, hat er, dem Gebot des sichersten Weges folgend,
die Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers - wie § 17 Abs. 2a Satz 2
Nr. 2 BeurkG - zu beachten (Armbrüster in Armbrüster/Preuß/Renner aaO
Rn. 201; ders. in Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, S. 287, 296; Regler
aaO; Sorge,
c) Für eine solche Klärung hatte der Beklagte Anlass, da er allein aufgrund
der Tatsache, dass der Kläger eine für ein durchschnittliches Privatgeschäft
unübliche Anzahl von Wohnungen erwarb, nicht als offensichtlich annehmen
durfte, dass kein Verbrauchergeschäft vorlag. Die Abgrenzung, ob ein
Verbrauchervertrag - das heißt ein Vertrag zwischen einem Verbraucher (§ 13
BGB) und einem Unternehmer (§ 14 BGB) - oder ein Vertrag zwischen Unternehmern
vorliegt, richtet sich vielmehr nach den folgenden Kriterien.
aa) Nach
12. Juni 2014 geltenden Fassung der Bekanntmachung der Neufassung des
Bürgerlichen Gesetzbuchs vom 2. Januar 2002, BGBl. I S. 42) ist Verbraucher
jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der
weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet
werden kann, wohingegen der Unternehmerbegriff in § 14 Abs. 1 BGB
als das kontradiktorische Gegenteil des Verbraucherbegriffs ausgestaltet ist.
Nach dem Wortlaut der Verbraucherdefinition in
bestimmende - Zweckrichtung des Rechtsgeschäfts entscheidend (Senat, Beschluss
vom 24. Februar 2005 - III ZB 36/04,
vom 18. Oktober 2017 - VIII ZR 32/16,
September 2017 - VIII ZR 271/16,
darauf an, ob das Verhalten der Sache nach dem privaten - dann Verbraucherhandeln
- oder dem gewerblich-beruflichen Bereich - dann unternehmerisches
Handeln - zuzuordnen ist (Senat aaO). Dabei fällt auch eine nebenberufliche
Tätigkeit unter den Unternehmerbegriff des § 14 BGB (OLG Celle, NJW-RR
2004, 1645, 1646; Erman/Saenger, BGB, 15. Aufl., § 13 Rn. 14; Martinek in
Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK, 8. Aufl., § 14 Rn. 21).
Für die Abgrenzung maßgeblich sind die jeweiligen Umstände des Einzelfalls,
insbesondere das Verhalten der Vertragsparteien (BGH aaO). Abzustellen
ist auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses beziehungsweise der Abgabe
der auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts gerichteten Willenserklärung
(vgl. MüKoBGB/Micklitz, 8. Aufl., § 13 Rn. 36 f; Erman/Saenger aaO Rn. 19).
bb) Unter einer gewerblichen Tätigkeit versteht man ein planmäßiges,
auf eine gewisse Dauer angelegtes Anbieten entgeltlicher Leistungen am Markt
unter Teilnahme am Wettbewerb (zB BGH, Urteile vom 27. September 2017
aaO Rn. 40; vom 29. März 2006 - VIII ZR 173/05,
vom 23. Oktober 2001 - XI ZR 63/01,
ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 27. September 2017 aaO).
Dabei setzt ein solchermaßen planvolles Handeln einen gewissen organisatorischen
Mindestaufwand voraus (Micklitz aaO § 14 Rn. 20; Martinek aaO Rn. 13).
Die hier in Rede stehende Verwaltung eigenen Vermögens stellt hingegen
regelmäßig keine gewerbliche Tätigkeit dar, sondern ist dem privaten Bereich
zuzuordnen (zB BGH, Urteile vom 3. März 2020 - XI ZR 461/18, WM
2020, 781 Rn. 12; vom 20. Februar 2018 - XI ZR 445/17,
und vom 23. Oktober 2001 aaO S. 86 f; jew. mwN). Dazu gehört auch der Erwerb
oder die Verwaltung einer Immobilie (BGH jew. aaO). Die Höhe der verwalteten
Werte ist ebenso wenig maßgeblich wie der Umfang der Fremdfinanzierung,
die beim Immobilienerwerb regelmäßig zur ordnungsgemäßen Verwaltung
gehören kann (BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 13; vom 20. Februar
2018 aaO Rn. 21 f und vom 23. Oktober 2001 aaO). Die Aufnahme von
Fremdmitteln lässt daher für sich genommen nicht auf ein Gewerbe schließen
(BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 12; vom 20. Februar 2018 aaO; vom
23. Oktober 2001 aaO und vom 23. September 1992 - IV ZR 196/91, BGHZ
119, 252, 256; Armbrüster in Festschrift 25 Jahre Deutsches Notarinstitut, S.
287, 296).
Ausschlaggebende Kriterien für die Abgrenzung der privaten von der berufsmäßig
betriebenen Vermögensverwaltung sind vielmehr der Umfang, die
Komplexität und die Anzahl der damit verbundenen Vorgänge (BGH, Urteile
vom 3. März 2020 aaO Rn. 13 und vom 20. Februar 2018 aaO Rn. 21 f). Erfordern
diese einen planmäßigen Geschäftsbetrieb - wie etwa die Unterhaltung
eines Büros oder einer Organisation - so liegt eine gewerbliche Betätigung vor
(zB BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 12; vom 20. Februar 2018 aaO
Rn. 21; vom 23. Oktober 2001 aaO; vom 23. September 1992 aaO S. 256 f und
vom 25. April 1988 - II ZR 185/87,
mögensverwaltung verbundene organisatorische und zeitliche Aufwand das Bild
eines planmäßigen Geschäftsbetriebes vermittelt, ist eine Frage des Einzelfalls
(BGH, Urteile vom 3. März 2020 aaO Rn. 13; vom 20. Februar 2018 aaO Rn. 22
und vom 23. Oktober 2001 aaO). Die Anzahl der erworbenen Immobilien ist für
sich betrachtet nicht maßgeblich (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2001 aaO S.
86 f).
Auch der Weiterverkauf erworbenen Grundbesitzes fällt grundsätzlich
in den Bereich privater Vermögensverwaltung; ein unternehmerischer Grundstückshandel
kommt erst dann in Betracht, wenn ein bestimmtes Maß überschritten
wird (Struck,
295). Ob ein bei Erwerb einer oder mehrerer Immobilien bereits geplanter oder
potentiell in Betracht gezogener Verkauf - im Gegensatz zur Vermietung - einen
gewerbsmäßigen Grundstückshandel darstellen kann, beurteilt sich ebenfalls
nach den Umständen des Einzelfalls und insoweit vor allem nach dem erforderlichen
Aufwand und der Notwendigkeit einer geschäftsmäßigen Organisation.
cc) Auf die Beurteilung des Gewerbebegriffs in anderen Rechtsgebieten
kann demgegenüber nicht zurückgegriffen werden.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und anderer oberster
Gerichtshöfe des Bundes ist er vielmehr für jedes Gesetz selbständig nach Inhalt
und Zweck der jeweiligen Vorschrift und unabhängig von dem Verständnis
des Begriffs in anderen Rechtsgebieten zu bestimmen (BGH, Urteile vom 16.
März 2000 - VII ZR 324/99,
215/59,
1977, 772 f;
Insbesondere können entgegen der Ansicht des Beklagten die zu § 15
EStG und § 2 GewStG entwickelten Maßstäbe nicht auf die Abgrenzung zwischen
Verbraucher und Unternehmer im Sinne der §§ 13, 14 BGB beziehungsweise
des auf dieser Unterscheidung beruhenden § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2
BeurkG übertragen werden (ähnlich LG Kleve, Beschluss vom 25. August 2014
- 4 OH 2/14, juris Rn. 12, insoweit nicht abgedruckt in
in Blümich, EStG KStG GewStG, 15. Aufl.,
2018]; Krumm in Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 19. Aufl., § 15 Rn. 13; vgl.
auch BGH, Urteil vom 3. März 2020 aaO Rn. 16 zu der autonomen Auslegung
von
angewandte so genannte Drei-Objekt-Grenze, nach der steuerlich ein gewerbsmäßiger
Grundstückshandel indiziert wird, wenn der Steuerpflichtige binnen
eines Zeitraums von regelmäßig fünf Jahren seit dem Erwerb mehr als drei
Grundstücke oder Eigentumswohnungen wieder veräußert (ständige Rechtsprechung:
zB BFH/NV 2010, 212, 213 f;
240, 243 f;
Im Steuerrecht geht es um die fiskalische Erfassung von Einkünften und
deren Besteuerung (Struck aaO S. 261). Die "Drei-Objekte-Grenze" dient der
Vereinfachung (vgl. BFHE 148 aaO). Damit schafft sie zugleich Rechtssicherheit
bei der Besteuerung.
Demgegenüber unterliegen die §§ 13 und 14 BGB von vornherein einer
anderen Zielrichtung. Zweck dieser zur Vereinheitlichung der Begrifflichkeiten
der in den Allgemeinen Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingefügten Verbraucherschutzvorschriften
(vgl. BT-Drs. 14/2658 S. 47; 14/3195 S. 32) ist es,
in Verbindung mit den sonstigen dem Schutz des Verbrauchers dienenden
Bestimmungen (hier
wirtschaftliche Ungleichheit des Verbrauchers auszugleichen, um ihn als weni-
ger geschäftserfahrenen - strukturell unterlegenen - Teilnehmer am Rechtsverkehr
im Verhältnis zu seinem Vertragspartner zu schützen (vgl. zB BGH, Urteil
vom 3. März 2020 aaO Rn. 17; Erman/Saenger aaO § 14 Rn. 17; Micklitz aaO
§ 14 Rn. 20; Struck aaO S. 262).
Bei der hier inmitten stehenden Frage der Anwendbarkeit der Verbraucherschutzvorschrift
des
dass es - anders als bei der Beurteilung steuerbarer Vorgänge, die in Fällen
einer bei Erwerb von Grundbesitz nur bedingt bestehenden Veräußerungsabsicht
von einer retrospektiven Betrachtung geprägt sein kann - allein auf eine
Einschätzung im Zeitpunkt der in Aussicht genommenen Beurkundung ankommt.
d) Die vom Berufungsgericht für die Abgrenzung des Verbraucher- vom
Unternehmergeschäft herangezogenen Umstände sind hiernach nicht maßgeblich.
Dies betrifft sowohl die Absicht des Klägers, das Wohnungsgeschäft als
Altersvorsorge zu tätigen, als auch die Erwartung eines Gewinns durch die baldige
Weiterveräußerung nach einem Zwischenerwerb, die versprochene "Kickback-
Zahlung" von 20.000 € und die Option, die Wohnungen nach Renovierung
zu behalten, falls sie attraktiv vermietet sein sollten. All diese Gesichtspunkte
sind auch mit der nichtunternehmerischen Verwaltung von Privatvermögen vereinbar.
e) Dementsprechend sind Feststellungen dazu nachzuholen, ob der Beklagte,
hätte er eine pflichtgemäße, an den vorstehenden Kriterien ausgerichtete
Klärung des Status des Klägers vorgenommen, aus seiner Sicht zum Zeitpunkt
des Beurkundungsersuchens zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass
der Kläger bei Abgabe seiner Willenserklärung nicht als Verbraucher handelte.
Wenn hieran auch nur Zweifel verblieben wären, hätte der Beklagte nach § 17
Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG (a.F.) verfahren müssen. Hierauf kommt es allerdings
nur an, wenn die Schadensersatzforderung nicht ohnedies an anderen
Anspruchsvoraussetzungen scheitert.
2. Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig
dar (
a) Auf die allgemeine Richtlinie, dass einen Amtsträger in der Regel kein
Verschulden trifft, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht
die Amtstätigkeit als objektiv rechtmäßig angesehen hat (siehe dazu zB
Senat, Urteile vom 21. Februar 2019 - III ZR 115/18,
vom 2. August 2018 - III ZR 466/16,
2017 - III ZR 618/16,
241/95,
genannte Kollegialgerichtsrichtlinie greift nicht ein, wenn das Gericht eine gesetzliche
Bestimmung "handgreiflich falsch" ausgelegt hat, ferner, wenn und
soweit es für die Beurteilung des Falles wesentliche Gesichtspunkte unberücksichtigt
gelassen hat oder sich bereits in seinem rechtlichen Ausgangspunkt von
einer rechtlich verfehlten Betrachtungsweise nicht hat freimachen können (Senat,
Urteile vom 21. Februar 2019; vom 2. August 2018 und vom 6. Februar
1997; jew. aaO). Jedenfalls Letzteres liegt hier vor. Das Berufungsgericht hat im
Ausgangspunkt seiner Beurteilung einer Amtspflichtverletzung des Beklagten
die bereits seit langer Zeit gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
zu den bürgerlich-rechtlichen Kriterien der Abgrenzung der privaten von der
unternehmerischen Vermögensverwaltung (siehe oben unter 1 c bb und insbesondere
bereits BGH, Urteile vom 25. April 1988 - II ZR 185/87, BGHZ 104,
205, 208 und vom 23. September 1992 - IV ZR 196/91,
übersehen.
b) Das Berufungsurteil ist auch mit Blick auf die Hilfserwägung, der Kläger
hätte - unterstellt, er hätte als Verbraucher gehandelt - die Beurkundung
auch bei Einhaltung der Wartefrist genauso, wie geschehen, vornehmen lassen,
nicht im Ergebnis richtig (
Berufungsgericht insoweit prozessrechtswidrig entscheidungserheblichen
Sachvortrag des Klägers als widerlegt angesehen und einen Beweisantritt hierzu
unberücksichtigt gelassen hat.
Nach der Rechtsprechung des Senats bewirkt bereits die Beurkundung
eines Vertrags unter Missachtung der Wartefrist den in dem - für den beteiligten
Verbraucher - nachteiligen Vertrag liegenden Schaden (vgl. Senat, Urteil vom
25. Juni 2015 - III ZR 292/14,
darauf berufen, der Käufer hätte, wenn er die Beurkundung abgelehnt hätte,
diese nach Ablauf der Regelfrist genauso - wie geschehen - vornehmen lassen.
Für diesen hypothetischen Verlauf trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast,
weshalb Zweifel zu seinen Lasten gehen (Senat aaO). Dabei dürfen die
Anforderungen an die Beweisführung aber nicht überspannt werden; es gilt
- zugunsten des Schädigers - das herabgesetzte Beweismaß des
(Senat aaO mwN). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
gebietet ferner der Grundsatz von Treu und Glauben eine sekundäre Darlegungslast
des Gegners, wenn die darlegungs- und beweisbelastete Partei
außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine
Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozessgegner
angesichts des unterschiedlichen Informationsstands beider Parteien
zumutbar nähere Angaben machen kann (zB Senat, Urteil vom 19. Mai 2016
- III ZR 274/15,
Der hiernach sekundär darlegungsbelastete Kläger hat insoweit vorgetragen,
dass er, hätte er rechtzeitig vor dem Beurkundungstermin einen Vertragsentwurf
erhalten, diesen auch auf Drängen seiner zur Vorsicht neigenden
Ehefrau durch einen Rechtsanwalt hätte prüfen lassen, welcher dann von einem
Vertragsschluss abgeraten hätte (Schriftsatz vom 20. April 2017, S. 9, Berufungsbegründung
vom 9. Januar 2018, S. 7 und nachgelassener Schriftsatz
vom 26. März 2019, S. 4 f). Hierfür hat er Beweis angetreten durch Benennung
seiner Ehefrau als Zeugin. Das Berufungsgericht hat die Richtigkeit dieser Behauptung
für unwahrscheinlich gehalten und deshalb von der beantragten Zeugenvernehmung
abgesehen. Der Kläger habe vollständig auf den Zeugen
K. vertraut und selbst, nachdem sich herausgestellt habe, dass sich die
Investition anders als versprochen entwickelt habe, zunächst keine anwaltliche
Hilfe in Anspruch genommen. Hierbei handelt es sich - unbeschadet der Frage,
ob das Berufungsgericht mit seinen Ausführungen die Beweislast verkannt hat,
wozu die Revision ebenfalls Rügen erhebt - jedenfalls um eine unzulässige
vorweggenommene Beweiswürdigung. Denn die Vorinstanz hat die Beurteilung
der von ihr selbst zutreffend als erheblich erachteten Tatsachenbehauptung
vorgenommen, ohne den dazu angebotenen Beweis zu erheben.
Da die Würdigung des Berufungsgerichts schon aus dem vorstehenden
Grund rechtsfehlerhaft ist, braucht der Senat auf die weiteren Revisionsangriffe
nicht mehr einzugehen.
III.
Da die Sache wegen der nachzuholenden tatrichterlichen Feststellungen
noch nicht zur Endentscheidung reif ist, ist das angefochtene Urteil aufzuheben
und das Verfahren an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1,
§ 563 Abs. 1 ZPO).
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf Folgendes hin:
Sollte der Beklagte infolge der Verletzung seiner Aufklärungspflicht gegen
b, c und e), sich demgegenüber bei einer objektiven ex post-Betrachtung aber
ergeben, dass der Kläger als Unternehmer handelte, fiele der verursachte
Schaden nicht in den Schutzbereich der verletzten Norm.
Die Haftung des Notars für einen von ihm durch eine Amtspflichtverletzung
verursachten Schaden - hier: der Abschluss des dem Kläger nachteiligen
Vertrages infolge der Verletzung der Pflicht des Beklagten zur Sachverhaltsaufklärung
und nachfolgend von
wie allgemein im Schadensersatzrecht, nur in Betracht, wenn ihm dieser bei
wertender Betrachtung zugerechnet werden kann. Auch im Notarhaftungsrecht
kann Ersatz nur für solche Schadensfolgen verlangt werden, die im Schutzbereich
der verletzten Norm liegen. Es muss sich mithin um Folgen handeln, die in
den Bereich der Gefahren fallen, um derentwillen die Rechtsnorm erlassen
wurde (vgl. Senat, Urteil vom 4. April 2019 - III ZR 338/17,
Der Zweck der vorstehend erörterten Aufklärungspflicht besteht darin,
dass der Notar erkennt, ob die zum Schutz des Verbrauchers gebotene Wartefrist
des
unternehmerisch tätigen Urkundsbeteiligten kommt diese Wartefrist aber nicht
zugute. Beurkundet ein Notar den Vertrag zwischen zwei Unternehmern, ohne
vorher die gebotene Klärung des Status der Beteiligten vorgenommen zu haben
und gemäß der oben ausgeführten Zweifelsregel (siehe oben II 1 b) die Wartefrist
einzuhalten, liegt ein etwaiger ihnen durch den Abschluss eines nachteili-
gen Geschäfts entstandener Schaden nicht im Schutzbereich der verletzten
Amtspflicht. Denn ein nach dem Zweck der Wartefrist des § 17 Abs. 2a Satz 2
Nr. 2 BeurkG auszugleichendes typisches wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen
den Vertragspartnern besteht in diesen Fällen nicht. Dem Beklagten wäre
der vom Kläger geltend gemachte Schaden daher nicht zuzurechnen, wenn
dieser objektiv in Ausübung eines - gegebenenfalls erst in Aussicht genommenen
(vgl. Senat, Beschluss vom 24. Februar 2005 - III ZB 36/04, BGHZ 162,
253, 256) - Nebenerwerbsgeschäfts tätig war.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:28.05.2020
Aktenzeichen:III ZR 58/19
Rechtsgebiete:
Einkommens- und Körperschaftssteuer
Unternehmenskauf
Umsatzsteuer
Notarielles Berufsrecht
Beurkundungsverfahren
Allgemeines Schuldrecht
AGB, Verbraucherschutz
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
RNotZ 2020, 408-413
BWNotZ 2020, 242-247
NJW 2020, 3786-3790
NotBZ 2021, 28-29
BeurkG § 17 Abs. 2a; BGB §§ 13, 14