Ungültigkeit von Versammlungsbeschlüssen wegen Ladungsmangels
letzte Aktualisierung: 27.7.2022
LG Frankfurt, Urt. v. 28.4.2022 – 2-13 S 117/21
WEG a. F. § 45
Ungültigkeit von Versammlungsbeschlüssen wegen Ladungsmangels
1. Eine nach dem 1.12.2020 gegen die übrigen Eigentümer erhobene Anfechtungsklage wahrt die
Anfechtungsfrist des
2. Lädt zur Eigentümerversammlung statt der bestellten Verwalterin eine von ihr neu gegründete
Gesellschaft, ohne dass eine Umwandlung nach dem UmwG erfolgt ist, ist die Ladung fehlerhaft.
Die auf der Versammlung gefassten Beschlüsse sind aber nur dann für ungültig zu erklären, wenn
der Ladungsmangel sich kausal ausgewirkt hat.
Gründe
I.
Der Kläger, der Wohnungseigentümer mit einem MEA von 764/10.000 ist, begehrt die Ungültigerklärung
sämtlicher auf der Versammlung vom 13.11.2020 gefassten Beschlüsse. Auf der
Versammlung waren 4.251/10.000 MEA vertreten, die Beschlüsse wurden bis auf TOP 5, der
mehrheitlich gefasst wurde, einstimmig gefasst.
Der Kläger hat am 13. Dezember 2020 seine Anfechtungsklage ausdrücklich gegen die übrigen
Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft erhoben. Zur Begründung stützt er
sich (nur) darauf, dass die Einladung nicht ordnungsgemäß sei, denn eingeladen habe eine S.
Immobilien GmbH, zur Verwalterin bestellt sei allerdings Frau S. Nach Hinweis des Amtsgerichts
vom 18.12.2020, dass die „Passivlegitimation“ nicht zutreffend sei, hat der Kläger mit
Schriftsatz vom 7. Januar 2021 die Klage ausdrücklichen „umgestellt“ auf die Wohnungseigentümergemeinschaft.
Dieser ist sodann, zu Händen des Verwalters, die Klage zugestellt
worden.
Das Amtsgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen im Übrigen Bezug genommen wird,
hat die Klage abgewiesen, da die Anfechtungsfrist nicht eingehalten sei, denn die Klage sei
nicht gegen die richtige Beklagte erhoben worden. Eine Klage gegen die Eigentümer wahre
die Anfechtungsfrist nicht. Hiergegen richtet sich die Berufung, mit der der Kläger seinen
erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt. Er vertritt nun die Auffassung, es handele sich
lediglich um eine Rubrumsänderung und nicht um einen Parteiwechsel.
Nach Hinweis der Kammer hat die Beklagte die notarielle Urkunde zur Gründung der GmbH
der Verwalterin vorgelegt und mitgeteilt, dass eine Umwandlung nach dem UmwG nicht stattgefunden
habe.
II.
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg. Das Amtsgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen,
da die Anfechtungsfrist des § 45 S. 1 HS. 1 WEG nicht eingehalten wurde.
1. Die im - Übrigen fristgerecht – am 13.12.2020 beim Amtsgericht eingegangene Klage gegen
die übrigen Eigentümer, richtete sich gegen die falsche Beklagte und konnte daher die
Anfechtungsfrist des
die WEG ist außerhalb der Anfechtungsfrist erfolgt.
a) Entgegen der Ansicht der Berufung handelt es sich bei dem Schriftsatz vom 8.1.2021 nicht
um eine Anregung auf eine Rubrumsberichtigung. Vielmehr hat der Bundesgerichtshof bereits
für den umgekehrten Fall des Übergangs von einer Klage gegen den Verband zu einer Klage
gegen seine übrigen Mitglieder entschieden, dass es sich hierbei um einen Parteiwechsel handelt
(vgl. BGH,
von den übrigen Mitgliedern des Verbands auf den Verband gelten muss. Denn es handelt
sich um unterschiedliche Personen, so dass eine Rubrumsberichtigung erfordern würde, dass
von Vorneherein klar ist, gegen wen sich die Klage richtet. Hieran fehlt es aber, wenn der
Kläger die Eigentümer verklagt, die Klage aber gegen den Verband zu richten ist (vgl. BGH
worden. Für eine Auslegung dahingehend, dass von Anfang an die WEG verklagt werden
sollte, ist dabei kein Raum. Denn aus der Klageschrift geht eindeutig hervor, dass der
Kläger - wie bis zur WEG Reform nötig - die übrigen Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft
verklagen wollte, zumal es sich – gerichtsbekannt - um einen Kläger handelt, der
in der Vergangenheit bereits häufig derartige Gerichtsverfahren geführt hat. Auch im Übrigen
ergibt sich aus der Klageschrift nichts, was darauf hindeuten würde, dass – nun anders als in
den bisherigen Anfechtungsverfahren – die Wohnungseigentümergemeinschaft die Beklagte
sein sollte. Dieses zeigt sich etwa daran, dass der Kläger mitteilt, Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft
- und damit eben nicht der Beklagten - zu sein.
Soweit teilweise die Auffassung vertreten wird, etwa aus dem Hinweis auf eine „Beklagte“ im
klägerischen Rubrum, was auch hier verwandt wird, könne geschlussfolgert werden, dass die
Wohnungseigentümergemeinschaft verklagt werden solle (AG Essen
Elzer; ähnlich großzügig Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020, Rn. 1892 ff.), folgt in
dem die Kammer nicht, denn insoweit kann diese Bezeichnung auch auf eine Mehrzahl im
Nominativ tiefhindeuten, was sich vorliegend besonders daran zeigt, dass es auch „Kläger“
und nicht „Klägers“ heißt. Die hier vertretene Auffassung wird auch in der Instanzrechtsprechung
überwiegend geteilt (AG Suhl ZMR 2022,83; AG Hamburg-St. Georg ZMR 2021,849).
b) Die Klagefrist ist auch nicht dadurch eingehalten worden, dass die Klage fristgerecht gegen
die übrigen Eigentümer eingereicht wurde, so dass insoweit eine Klagezustellung demnächst
iSv § 167 ZPO hätte erfolgen können.
Allerdings wahrte nach der Rechtsprechung des BGH bis zur WEG-Reform durch das WEMoG
(grdl. BGH
Klage gegen den Verband die Klagefrist für die Anfechtungsklage gegen die übrigen Eigentümer,
wenn innerhalb der Klagefrist der Verwalter angegeben und die namentliche Bezeichnung
der richtigerweise zu verklagenden übrigen Wohnungseigentümer einschließlich der
Nennung einer ladungsfähigen Anschrift (BGH
mündlichen Verhandlung nachgeholt wurde. Dem stand auch ein Parteiwechsel vom Verband
auf die übrigen Eigentümer nicht entgegen.
Der BGH näherte damit in ihren praktischen Auswirkungen schon die bisherige Beschlussklage
dem Verbandsprozess an, insbesondere, weil sowohl die gegen den Verband gerichtete
Klage, als auch die gegen die übrigen Eigentümer zu erhebenden Anfechtungsklagen (§ 45
WEG aF) an den Verwalter zuzustellen war, der auch im letzten Fall die Verteidigung zu koordinieren
hatte. Daher sah der BGH die Interessen an der Verteidigung auch dann gewahrt,
wenn die Klage der WEG zugestellt wurde (BGH
Hieran kann allerdings nicht festgehalten werden (Dötsch/Schultzky/Zschieschack, WEGRecht
2021, Kap. 14 Rdnr. 110 mwN; Elzer in BeckOK, WEG, Hogenschurz § 45, Rdnr. 24
mwN; BeckOK BGB/Zschieschack/Orthmann, 61. Ed. 1.2.2022, WEG § 45 Rn. 24; AG Berlin
Charlottenburg
nicht mehr, so dass eine Klage gegen die übrigen Eigentümer, wenn eine wirksame Zustellung
erfolgen soll, jedem Eigentümer unmittelbar zugestellt werden muss. Damit ist aber
mangels Beteiligung des Verwalters – anders als im alten Recht – nicht sichergestellt, dass
eine Organisation der Verteidigung in der Sache erfolgt. Sollte die Klage gegen die übrigen
Eigentümer dem Verwalter zugestellt werden, ist die Zustellung mangels eines Vertretungsverhältnisses
unwirksam und begründet ein Prozessrechtsverhältnis weder mit den übrigen
Eigentümern (noch dem Verband). Für eine Heilung nach
der Verwalter alle Eigentümer von der Klage informiert, sondern diese müssen zumindest eine
Kopie der Klageschrift erhalten (vgl. Zöller/Schultzky, § 189, Rdnr.4). Daher wahrt nach
neuem Recht nur eine Klage gegen die Gemeinschaft die Klagefrist des
c) Eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist, die jedenfalls bei einer – wie hier - anwaltlich
nicht vertretenen Partei in Betracht käme, ist nicht beantragt worden. Zwar kann nach
voraus, dass die, die Wiedereinsetzung rechtfertigenden Umstände, aktenkundig oder sonst
offenkundig sind.
Die unverschuldete Fristversäumung muss entweder offensichtlich sein oder innerhalb der
Wiedereinsetzungsfrist glaubhaft gemacht werden (MüKoZPO/Stackmann, 6. Aufl. 2020, ZPO
§ 236 Rn. 24; BGH
7.1.2021 auf die Mitteilung der fehlerhaften Parteibezeichnung durch das Gericht beschränkt
sich auf die Mitteilung der Klageänderung. Auch der kurz danach eingereichte erstmalige
Schriftsatz des Klägervertreters, mit dem dieser sich zur Akte meldete, vom 12.01.2021 beschränkt
sich darauf, dass die angekündigten Anträge gestellt werden, wobei spätestens jetzt
Anlass bestanden hätte, einen Wiedereinsetzungsantrag zu stellen. Daher kann nicht festge-
stellt werden, ob ein unverschuldetes Fristversäumnis vorliegt, zumal der Kläger gerichtsbekannt
durch zahlreiche WEG-Verfahren, die er – wie auch hier – in erster Instanz teils selber
führt, mit der Materie hinreichend vertraut sein dürfte und daher nicht ohne Weiteres unterstellt
werden kann, er habe vom Inkrafttreten der WEG-Reform und der damit verbundenen
Änderungen keine Kenntnis gehabt.
2. Allerdings hätte – die Rechtzeitigkeit der Klageerhebung unterstellt – die Klage auch in der
Sache keinen Erfolg gehabt. Voranzustellen ist, dass insoweit nur Anfechtungsgründe, die innerhalb
der Begründungsfrist des
sind. Dies ist hier nur der formale Mangel der Einladung durch einen Nichtberechtigten.
Zwar ist zutreffend, dass die neugegründete GmbH nicht Verwalterin war, da ein Übergang
der Verwalterstellung nach
410). Ein Übergang des Verwalteramtes bei einer gewillkürten Übertragung außerhalb der
Regeln des UmwG ist demgegenüber nicht möglich, zumal es auch nach einem Hinweis der
Kammer an Vortrag dazu fehlt, wie ein derartiger Übergang überhaupt vorgenommen worden
sein soll.
Allerdings handelt es sich insoweit, da kein außenstehender Dritter eingeladen hat, sondern
aus der Einladung erkennbar war, dass die bisherige Verwalterin nun unter der Bezeichnung
einer GmbH einlädt, lediglich um einen formellen Mangel. Insoweit ist, da der Mangel weder
die Teilnahme- und Mitwirkungsrechte der Eigentümer in gravierender Weise aushebelt, noch
eine systematische – sondern nur einmalige – Missachtung der Regeln der Verwaltung vorliegt,
eine Kausalität des Ladungsmangels erforderlich (vgl. BGH
Hieran fehlt es.
Selbst wenn man dem Vortrag des Klägers noch entnehmen kann, dass er aufgrund der Einladung
nicht bei der Versammlung erschienen ist, steht angesichts der Mehrheitsverhältnisse
fest, dass auch bei einem Erscheinen die Abstimmungen identisch ausgefallen wären. Der
Kläger hat die Beschlüsse auch weder inhaltlich angegriffen, noch Vortrag dazu gehalten,
dass er bei einer Einladung durch die Verwalterin auf der Versammlung erschienen wäre und
etwa durch Wortäußerungen Einfluss auf das Meinungsbild genommen hätte (vgl. Vandenhouten
in Niedenführ/Schmidt-Räntsch/Vandenhouten, WEG, 13. Aufl., § 24 Rn. 6, 17; Bärmann/
Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 23 Rn. 185; LG Düsseldorf
davon ausgegangen werden, dass selbst bei einer Anwesenheit des Klägers inhaltsgleiche Beschlüsse
gefasst worden wären (
3. Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Die Nebenentscheidungen
haben ihre Rechtsgrundlagen in
liegen nicht vor. Zwar mag die Frage der Fristwahrung bezüglich der Klageänderung
Grundsatzbedeutung haben (
ausgeführt – nicht entscheidungserheblich.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 49 GKG, da die Anfechtung nach neuem Recht erfolgte.
Bezüglich der TOP 4, 5 und 6 richtet sich das Interesse nach dem Anteil der Kosten, die auf
den Kläger entfallen. Für den Streitwert maßgeblich ist der 7,5 fache Wert, dies hat das
Amtsgericht zutreffend mit 14.083 € ermittelt. Maßgeblich für die Jahresabrechnung und den
Wirtschaftsplan ist aber nur der auf den Kläger entfallende Anteil. Da hier die maßgeblichen
Beschlüsse noch vor dem 1.12.2020 gefasst worden sind und daher der Beschluss der Abrechnung
und des Wirtschaftsplans sich noch nach altem Recht richtete, ist weiter die Rechtsprechung
des BGH (
der auf den Kläger entfallende Abrechnungsbetrag ist. Ob hieran unter Geltung des neuen
WEG-Rechts festzuhalten ist (so LG Frankfurt, Beschluss vom 8.3.2022 – 2-09 S 45/21) be-
darf daher keiner Entscheidung. Allerdings ist insoweit § 49 GKG anzuwenden, so dass der
7,5 fache Wert des klägerischen Interesses den Streitwert bildet. Dies führt zu den ausgewiesenen
Streitwerten. Eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 5 WEG auch insoweit (vgl. BGH
nicht in Betracht. Für die erste Instanz macht die Kammer von
Entscheidung, Urteil
Gericht:LG Frankfurt
Erscheinungsdatum:28.04.2022
Aktenzeichen:2-13 S 117/21
Rechtsgebiete:
Umwandlungsrecht
WEG
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
Zwangsvollstreckung (insbes. vollstreckbare Urkunde und Vollstreckungsklausel)
WEG a. F. § 45