OLG München 29. Januar 2007
32 Wx 9/07
BGB § 883

Vormerkung kann schuldrechtlichen Anspruch nur sichern, aber nicht begründen

DNotIDeutsches Notarinstitut
Dokumentnummer: 32wx9_07
letzte Aktualisierung: 30.01.2007
OLG München, 30.01.2007 - 32 Wx 9/07
BGB § 883
Vormerkung kann schuldrechtlichen Anspruch nur sichern, aber nicht begründen
1. Eine Vormerkung ist nur geeignet, einen schuldrechtlichen Anspruch auf dingliche Rechtsänderung zu sichern, nicht aber, ihn zu begründen. Das Grundbuchamt darf deswegen eine
Vormerkung auf Bestellung einer Reallast, die den jeweiligen Eigentümer verpflichtet, nicht
eintragen.
2. Eintragungsfähig ist jedoch eine Vormerkung, die lediglich den Anspruch gegen den derzeitigen Eigentümer sichert, auch wenn diese im Ergebnis wegen §§ 888 Abs.1, 883 Abs.2 BGB
den jeweiligen Eigentümer bindet.


Leitsatz:
BGB § 883
1. Eine Vormerkung ist nur geeignet, einen schuldrechtlichen Anspruch auf
dingliche Rechtsänderung zu sichern, nicht aber, ihn zu begründen. Das
Grundbuchamt darf deswegen eine Vormerkung auf Bestellung einer Reallast, die den jeweiligen Eigentümer verpflichtet, nicht eintragen.
2. Eintragungsfähig ist jedoch eine Vormerkung, die lediglich den Anspruch
gegen den derzeitigen Eigentümer sichert, auch wenn diese im Ergebnis
wegen §§ 888 Abs.1, 883 Abs.2 BGB den jeweiligen Eigentümer bindet.
OLG München, Beschluss vom 30.1.2007 - 32 Wx 9/07
Sachverhalt:
Die Beteiligten zu 1 bestellten zur Urkunde ihres verfahrensbevollmächtigten Notars
dem Beteiligten zu 2 eine Grunddienstbarkeit an ihrem Grundbesitz. Dieser bestellte
im Gegenzug zugunsten der jeweiligen Eigentümer des gegenwärtig im Eigentum der
Beteiligten zu 1 stehenden Grundstücks eine Reallast. Hierzu gab er folgende Bewilligung ab:
„Zur dinglichen Sicherung der vorstehend vereinbarten Rechte bestellt hiermit Herr H. zugunsten des jeweiligen Eigentümers des herrschenden Grundstücks
Fl.St.Nr. 135/2 der Gemarkung S. je eine Reallast bezüglich der beiden alljährlich zu zahlenden Beträge
von 100 € und 300 € an den Grundstücken Fl.St.
136/2 und 136/3 der Gemarkung S..
Die Eintragung dieser Reallasten im Range nach den
an diesen Grundstücken eingetragenen Belastungen,
notfalls an der nächstoffenen Rangstelle, wird bewilligt
und
beantragt.
Sollten die Reallasten dadurch erlöschen, dass sie im
Falle einer Zwangsversteigerung der belasteten
Grundstücke nicht in das geringste Gebot aufgenommen werden, ist der Eigentümer der belasteten
Grundstücke verpflichtet, zu Gunsten des jeweiligen
Eigentümers des Grundstücks Fl.St. 135/2 je eine
Reallast gleichen Inhalts an der selben Rangstelle
neu zu bestellen. Die Verpflichtung besteht auch bei
wiederholtem Erlöschen. Die Beteiligten
bewilligen und beantragen,
Eigentümers des Grundstücks Fl.St. 135/2 auf (u. U.
mehrmalige) Bestellung je einer Reallast vor den vorstehend bestellten Reallasten Vormerkungen einzutragen.“
Das Amtsgericht erließ eine Zwischenverfügung, die es darauf stützte, dass die Vormerkung mit Wirkung „gegen den jeweiligen Eigentümer“ nicht eintragbar sei. Weiter
führte es aus, dass die auf Grund der Vormerkung neu einzutragende Reallast kraft
Gesetzes den Rang der Vormerkung erhalte und demnach nicht im Range hinter einer
ggfs. bestehen bleibenden Vormerkung stehen könne. Schließlich sichere eine Vormerkung auch nur eine einmalige Neubestellung der Reallast, nicht eine wiederholte.
Die gegen diese Zwischenverfügung eingelegte Beschwerde des Urkundsnotars namens der Beteiligten wies das Landgericht zurück. Gegen den zurückweisenden Beschluss richtete sich die weitere Beschwerde der Beteiligten, die sich vorwiegend darauf berufen, das von ihnen angestrebte Verfahren entspreche einem Vorschlag des
Bundesgerichtshofes (BGHZ 156, 274). Die gemäß § 78 Abs. 1 GBO statthafte und
auch im Übrigen zulässige Beschwerde erwies sich als begründet.
Aus den Gründen:
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Der Anspruch auf Neueintragung der Reallast könne nicht Inhalt einer Vormerkung
sein, weil bei der Neueintragung einer Reallast im Falle der Zwangsversteigerung der
herrschenden Grundstücke es sich um einen künftigen Anspruch handelt. Derartige
künftige Ansprüche seien nur vormerkbar, wenn für die Entstehung schon eine feste
Rechtsgrundlage geschaffen sei und die Entstehungsvoraussetzungen bestimmbar
sind. Hieran fehle es im vorliegenden Fall.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand:
a) Die beantragte Eintragung scheitert nicht schon daran, dass für die Entstehung
eines künftigen Anspruchs eine feste Rechtsgrundlage nicht geschaffen sei und
die Entstehungsvoraussetzungen nicht bestimmbar sind. Maßgeblich dafür ist,
dass eine Vormerkung nur dann eingetragen werden kann, wenn bereits der
Rechtsboden für die Entstehung des künftigen Anspruchs vorbereitet ist (BGHZ
134, 182/184). Es bestehen zwar unterschiedliche Rechtsauffassungen hinsichtlich
der Frage, ob es erforderlich sei, dass die Entstehung des Anspruchs nur noch
jedoch dann offen bleiben, wenn es sich nicht nur um einen künftigen, sondern
auch um einen bedingten Anspruch handelt, der hier gesichert werden soll. Ist ein
Anspruch bedingt, so kann er im Prinzip von Anfang an eine gesicherte Grundlage
für die Eintragung einer Vormerkung bieten (BayObLGZ 1977, 247/249). Lediglich
für Bedingungen, deren Eintritt ausschließlich vom Belieben des Verpflichteten abhängt, kann u. U. etwas anderes gelten (BayObLG a.a.O.).
b) Den Ausführungen in der zunächst angefochtenen Zwischenverfügung ist grundsätzlich insofern zuzustimmen, als dort beanstandet wird, mit der vertraglichen
Vereinbarung werde ein (unzulässiger) Vertrag zu Lasten Dritter geschaffen. Dies
musste das Grundbuchamt schon deswegen beachten, weil es nicht daran mitwirken darf, dass das Grundbuch unrichtig wird (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 13.Auflage, Rn. 1514 m. w. N. in Fn. 150). Die Vormerkung sollte wirksam
werden, wenn nach Durchführung der Zwangsversteigerung, bei der die Reallast
nicht in das geringste Gebot fällt, der Ersteher Eigentum kraft Zuschlags erwirbt.
Damit richtet sich die Vormerkung eigentlich gegen den jeweiligen Eigentümer des
Grundstücks. Ein solcher Anspruch ist nicht durch Vormerkung sicherbar (BGH
NJW 1993, 324/326; MüKo/Wacke, 4. Aufl. 2004, Rn. 18 zu § 883 BGB m.w.N.;
Staudinger, Neubearbeitung 2002, Rn. 60 zu § 883).
Eine Vormerkung nach § 883 BGB ist geeignet, einen schuldrechtlichen Anspruch
auf dingliche Rechtsänderung zu sichern, nicht aber, ihn zu begründen. Das jedoch wäre notwendig, sollte sich der Anspruch - wie auf den ersten Blick von den
Beschwerdeführern gewünscht und vom Bundesgerichtshof (BGHZ 156, 274/278)
vorgeschlagen - gegen einen Sonderrechtsnachfolger wie z. B. den Ersteher im
Zwangsversteigerungsverfahren richten. Mit ihm steht der Berechtigte der Reallast
nämlich in keiner schuldrechtlichen Beziehung. Die Vormerkung ist streng akzessorisch, d. h. abhängig vom Bestand des gesicherten Anspruchs. Besteht er nicht,
so ist auch die Vormerkung wirkungslos (BGH NJW 2002, 2313/2314).
Das Recht auf Neubestellung einer Reallast gehört auch nicht zu den im Gesetz
zugelassenen anspruchsbegründenden dinglichen Rechten wie z. B. das Vordessen Erben binden, niemals aber die Sonderrechtsnachfolger des Eigentümers.
Dies musste das Grundbuchamt auch berücksichtigen, weil es eine ihm bekannte,
aus der Eintragungsbewiligung selbst sich ergebende Unwirksamkeit zu beachten
hat.
c) Der Eintragungsantrag kann jedoch in der Weise reduzierend ausgelegt werden,
dass durch ihn nur der jetzige Eigentümer und seine Gesamtrechtsnachfolger betroffen sein sollten, der Sonderrechtsnachfolger aber wegen §§ 883 Abs.2, 888
BGB verpflichtet werde, einer Reallastbestellung durch den (dann früheren) Eigentümer zuzustimmen (vgl. zur Konstruktion Amann, DNotZ. 1995, 252/257 und Oppermann, RhNotZ 2004, 84/87). Gegen eine solche Auslegung spricht zwar zunächst der gewählte Wortlaut des Antrags „Der Eigentümer …“. Soweit es sich um
eine Eintragungsbewilligung handelt, kann der Senat sie selbst auslegen und ist
nicht an die Auslegung durch das Landgericht gebunden (vgl. Demharter, GBO,
25.Auflage, Rn. 9 zu § 78 GBO). Aber auch die schuldrechtlichen Bestimmungen
des Vertrages kann der Senat deswegen auslegen, weil eine Auslegung durch das
Landgericht unterblieben ist (BayObLGZ 1984, 155/158).
Die einzig sachgerechte Auslegung der Eintragungsbewilligung und des ihr
zugrunde liegenden Vertrags sieht der Senat darin, dass durch die Auflassungsvormerkung nur der gegenwärtige Eigentümer und seine Gesamtrechtsnachfolger
gebunden werden (vgl. MüKo/Wacke, Rn. 18 zu § 883 BGB und Fn. 86 und BGH
NJW 1993, 324/326); allerdings sind Sonderrechtsnachfolger wie der Ersteher indirekt gemäß § 883 Abs.2 und 3, 888 BGB hierdurch verpflichtet. Diese Konstruktion
ist jedenfalls geeignet, den von den Rechtsbeschwerdeführern gewünschten Erfolg
zu zeitigen, wenn auch der damit verbundene Kosten- und Beurkundungsaufwand
erheblich größer ist (vgl. Amann, DNotZ 2004, 599/601 ff.).
d) Nach Eintritt des in der Vormerkung vorgesehenen Falles erhält die dann neu einzutragende Reallast grundsätzlich den Rang der jetzt eingetragenen Vormerkung,
§ 883 BGB. Dies ist jedoch nicht zwingend, wie sich aus §§ 879 Abs.3, 880 BGB
ergibt. Den Beteiligten ist es unbenommen, schon jetzt zu vereinbaren, dass das
dass durch Erfüllung des vormerkungsweise gesicherten Anspruchs die Wirkung
der Vormerkung erlischt. Im Grundbuch ist sie ohnehin erst zu löschen, wenn ein
entsprechender Antrag und eine Bewilligung vorliegen bzw. die Unrichtigkeit der
Vormerkung im Sinne des § 22 GBO nachgewiesen ist. Jedenfalls steht es den
Beteiligten frei, zu vereinbaren, dass die Erfüllung die Vormerkungswirkung nicht
beseitigen soll (vg. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rn. 1539 a. E. m. w. N.).
e) Durch die Vormerkung werden zwar mehrere zeitlich aufeinander folgende Ansprüche gesichert, doch handelt es sich dem Wesen nach nur um einen Anspruch,
weil die zeitlich aufeinander folgenden Ansprüche auf demselben Lebensvorgang
beruhen (vgl. BayObLG DNotZ 2002, 293). Dafür spricht auch, dass die Ansprüche
inhaltlich identisch sind. Unter diesen Umständen genügt die Sicherung durch eine
einzige Vormerkung (vgl. BayObLG NJW -RR 2003, 450/451).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

29.01.2007

Aktenzeichen:

32 Wx 9/07

Rechtsgebiete:

Vormerkung

Erschienen in:

RNotZ 2007, 273-275

Normen in Titel:

BGB § 883