Keine entsprechende Anwendung des § 179a AktG auf Publikums-KG
letzte Aktualisierung: 10.10.2025
BGH, Urt. v. 8.7.2025 – II ZR 137/23
AktG § 179a
Keine entsprechende Anwendung des
nicht entsprechend anwendbar (Ergänzung von BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 – II ZR 235/20,
Entscheidungsgründe:
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Revision des Klägers hat
Erfolg. Sie führt unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Zurückverwei-
sung der Sache an das Berufungsgericht.
A. Die Revision des Klägers ist unbeschränkt zulässig.
Die Beschränkung der Zulassung der Revision durch das Berufungsge-
richt ist unwirksam. Die Revision ist damit unbeschränkt zugelassen (vgl. BGH,
Urteil vom 6. Dezember 2022 - II ZR 187/21,
vom Kläger parallel eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegenstandslos (vgl.
BGH, Urteil vom 19. April 2013 - V ZR 113/12,
Beschluss vom 16. Dezember 2021 - I ZR 186/20, juris Rn. 12; Urteil vom
13. Dezember 2022 - II ZR 14/21,
Die Beschränkung der Revisionszulassung auf einzelne Rechtsfragen ist
grundsätzlich unzulässig. Eine Ausnahme gilt zwar, wenn die Rechtsfrage, zu
deren Klärung das Berufungsgericht die Revision zugelassen hat, sich auf einen
rechtlich selbständigen, abtrennbaren Teil des Streitstoffs bezieht, auf den die
Zulassungsentscheidung wirksam beschränkt werden könnte (vgl. dazu BGH,
Urteil vom 13. Dezember 2022 - II ZR 14/21,
Voraussetzung dafür ist eine Selbständigkeit des von der Zulassungsbeschrän-
kung erfassten Teils des Streitstoffs in dem Sinn, dass dieser in tatsächlicher und
rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem übrigen Prozessstoff beurteilt werden
und auch im Falle einer Zurückverweisung kein Widerspruch zum nicht anfecht-
baren Teil des Streitstoffs auftreten kann (vgl. BGH, Urteil vom 6. Dezember 2022
- II ZR 187/21,
erfüllt.
Das Berufungsgericht hat seine Einschränkung damit begründet, dass es
sich bei seinem Urteil hinsichtlich der übrigen Gründe, die der Kläger für die Er-
forderlichkeit eines Quorums von 75 % geltend gemacht habe, um eine Einzel-
fallentscheidung auf Grundlage des konkreten Gesellschaftsvertrags ohne Zulas-
sungsrelevanz handele. Diese "übrigen Gründe" des Klägers, die das Berufungs-
gericht in seiner Entscheidung behandelt hat, ergeben sich jedoch aus keinem
(anderen) abgrenzbaren Teil des Streitstoffs. Es handelt sich lediglich um weitere
rechtliche Argumente des Klägers dafür, dass der angefochtene Beschluss einer
Mehrheit von 75 % bedurft habe, denen auch in tatsächlicher Hinsicht kein eige-
ner, abtrennbarer Sachverhalt zugrunde liegt.
B. In der Sache hat die Revision Erfolg.
I. Das Berufungsgericht (OLG Frankfurt am Main,
Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
Der Beschluss vom 23. April 2021 sei wirksam mit einfacher Mehrheit ge-
fasst worden. Nach § 11 Nr. 10 Satz 1 GV bedürften Beschlüsse der Gesellschaf-
terversammlung, vorbehaltlich einer anderen Bestimmung durch Gesetz oder
den Gesellschaftsvertrag, grundsätzlich der einfachen Mehrheit der abgegebe-
nen Stimmen. Davon sehe § 11 Nr. 10 Satz 3 GV eine Ausnahme für Beschlüsse
nach § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. f) bis h) und j) GV vor, woraus im Umkehrschluss
folge, dass für Beschlüsse nach § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. a) bis e) und i) GV und
damit auch für die von § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. a) i.V.m. § 10 Nr. 4 Buchst. b)
GV erfasste Zustimmung zum Erwerb und zur Veräußerung von Grundstücken
und grundstücksgleichen Rechten die einfache Mehrheit genüge.
Selbst wenn man noch eine Auslegung des Gesellschaftsvertrags hin-
sichtlich des erforderlichen Quorums für erforderlich halte, führe diese zu keinem
anderen Ergebnis. Eine der im Gesellschaftsvertrag genannten enumerativen
Ausnahmen eines Quorums von 75 % liege nicht vor. Insbesondere sei mit dem
Beschluss weder eine Änderung des Gesellschaftsvertrags (§ 11 Nr. 10 Satz 3
i.V.m. § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. f) GV) noch die Auflösung der Gesellschaft (§ 11
Nr. 10 Satz 3 i.V.m. § 11 Nr. 7 Satz 2 j) GV; § 24 Nr. 1 GV) beschlossen worden.
Dass die Veräußerung der einzigen Fondsimmobilie von hervorgehobener Be-
deutung für die Beklagte gewesen sei und wirtschaftlich einer Änderung oder Ab-
weichung vom Investitionsplan gleichstehen möge, gebe keinen Anlass zu einer
- angesichts der ausdrücklichen enumerativen Auflistung ersichtlich gerade nicht
gewollten - Erweiterung der in § 11 Nr. 10 Satz 3 GV genannten Ausnahmen um
eine Fallgruppe für Geschäfte von wirtschaftlich, rechtlich oder tatsächlich diesen
Ausnahmen gleichstehender Bedeutung.
Schließlich sei auch
AktG auf die Beklagte nicht analog anwendbar. Eine analoge Anwendung dieser
Vorschrift auf Publikumskommanditgesellschaften komme jedenfalls dann nicht
in Betracht, wenn die Gesellschafter - wie hier - der Übertragung des ganzen
Gesellschaftsvermögens zustimmen müssten, weil damit der durch
intendierte materielle Schutz der Gesellschafter vor einer ohne ihre Beteiligung
vorgenommenen Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens bereits ge-
sellschaftsvertraglich hinreichend gesichert sei.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat
zwar zu Recht die formelle Wirksamkeit des Beschlusses vom 23. April 2021 be-
jaht. Es hat aber fehlerhaft keine inhaltliche Prüfung des Beschlusses vorgenom-
men.
1. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Beschluss
vom 23. April 2021 gemäß § 11 Nr. 10 Satz 1 GV wirksam mit einfacher Mehrheit
gefasst werden konnte.
a) Enthält der Gesellschaftsvertrag einer Personengesellschaft, wie hier in
§ 11 Nr. 10 Satz 1 und 3 GV sowie § 24 Nr. 1 Satz 1 GV, für Beschlussfassungen
der Gesellschafterversammlung abweichend von dem gesetzlich grundsätzlich
vorgesehenen, aber dispositiven Einstimmigkeitsprinzip (siehe § 709 Abs. 1 und
2 BGB aF,
§ 109 Abs. 3 und 4, § 161 Abs. 2 HGB) die Vereinbarung des Mehrheitsprinzips,
ist zunächst, gegebenenfalls durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags, zu prü-
fen, ob der betreffende Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung
unterworfen ist (BGH, Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16, ZIP 2018,
2024 Rn. 17 mwN).
Diese Auslegung richtet sich nach allgemeinen Grundsätzen. Danach
kann sich die Mehrheitsbefugnis aus jeder Vereinbarung der Gesellschafter er-
geben, die einer dahingehenden Auslegung zugänglich ist, also von der aus-
drücklichen Aufführung des betreffenden Beschlussgegenstands in einem Kata-
log von Beschlussgegenständen über eine umfassende oder auslegungsfähige
Mehrheitsklausel im (schriftlichen) Gesellschaftsvertrag bis hin zu einer konklu-
denten Vereinbarung der Mehrheitszuständigkeit (BGH, Urteil vom 15. Januar
2007 - II ZR 245/05,
- II ZR 116/08,
15. November 2011 - II ZR 266/09,
21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
Bestimmtheitsgrundsatz auch nicht in Gestalt einer Auslegungsregel derart zu
berücksichtigen, dass allgemeine Mehrheitsklauseln restriktiv auszulegen sind
oder Beschlussgegenstände, die die Grundlagen der Gesellschaft betreffen oder
ungewöhnliche Geschäfte beinhalten, jedenfalls von allgemeinen Mehrheitsklau-
seln, die außerhalb eines konkreten Anlasses vereinbart wurden, regelmäßig
nicht erfasst werden (BGH, Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09,
2024 Rn. 17). Die (formelle) Reichweite allgemeiner Mehrheitsklauseln ist weder
durch den Bestimmtheitsgrundsatz noch aus anderen Gründen auf gewöhnliche
Geschäfte beschränkt (BGH, Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09,
77 Rn. 13 ff.; Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16,
Rn. 17).
b) Nach der umfassenden Regelung in § 11 Nr. 10 Satz 1 GV ("alle Be-
schlüsse") genügt für Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten
grundsätzlich die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen, soweit nicht
durch Gesetz oder in diesem Vertrag etwas anderes bestimmt ist. Beide Ausnah-
men hat das Berufungsgericht für den am 23. April 2021 gefassten Beschluss
rechtsfehlerfrei verneint.
aa) Eine vorrangige gesetzliche Regelung, nach der für den Beschluss
vom 23. April 2021 eine qualifizierte Mehrheit oder gar Einstimmigkeit der Gesell-
schafter zwingend (vgl. BGH, Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16,
insbesondere nicht aus einer entsprechenden Anwendung von § 179a Abs. 1
Satz 1 AktG i.V.m. § 179 Abs. 2 Satz 1 AktG.
gesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft nicht entsprechend
anwendbar.
(1) Der Senat hat bereits entschieden, dass
schaft mit beschränkter Haftung (BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18,
15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
früheren Rechtsprechung) nicht analog anwendbar ist. Dabei hat er ausdrücklich
dahinstehen lassen, ob eine entsprechende Anwendung von
Kommanditgesellschaft auch bei Publikumsgesellschaften ausscheidet, bei
denen die Struktur einer Aktiengesellschaft angenähert ist und die Einwirkungs-
möglichkeiten des Kommanditisten denjenigen eines Aktionärs vergleichbar ge-
ring sind (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
Rn. 36).
(2) Im Schrifttum ist die analoge Anwendung von
Publikumskommanditgesellschaft umstritten.
(a) Ein Teil des Schrifttums lehnt die analoge Anwendung von
auf Publikumspersonengesellschaften generell, d.h. unabhängig von der inneren
Ausgestaltung der Gesellschaft, ab (Ebbinghaus/Metzen,
Keller/Schümmer,
Reiff, AG 2024, R44-R45; Wagner/Bärenreuther,
Teils wird sowohl die für eine Analogie erforderliche planwidrige Rege-
lungslücke als auch eine vergleichbare Interessenlage verneint (Keller/
Schümmer,
(Wagner/Bärenreuther,
bare Interessenlage bejaht (Ebbinghaus/Metzen,
Analogie aber gleichwohl wegen des überwiegenden Grundsatzes der Unbe-
schränkbarkeit der Vertretungsmacht im Außenverhältnis (§ 126 Abs. 2 HGB aF
[jetzt § 124 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB], § 161 Abs. 2 HGB) abgelehnt. Begründet
wird dies damit, dass bei Einordnung von Gesamtvermögensgeschäften als au-
ßergewöhnliche Geschäftsführungsmaßnahmen und dem, bei Publikumsgesell-
schaften typischen, Ausschluss von § 116 Abs. 2, § 164 Satz 1 Halbs. 2 HGB aF
(jetzt § 116 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2, § 164 Halbs. 2 HGB) zwar durchaus eine der
Aktiengesellschaft ähnliche Binnenstruktur gegeben sei, der Grundsatz der Un-
beschränkbarkeit der Vertretungsmacht im Außenverhältnis aber nicht zwischen
einer gesetzestypischen und einer Publikumskommanditgesellschaft unter-
scheide und wegen der nur eingeschränkten Bilanzpublizität von Personenge-
sellschaften von besonderer Bedeutung sei. Der danach gebotene Schutz des
redlichen Rechtsverkehrs könne nicht von den konkreten faktischen Verhältnis-
sen einer Publikumskommanditgesellschaft abhängig gemacht werden, zumal
auch
terscheide (Prochnau/Reiff, CB 2022, 387, 391 f.).
Teils wird die analoge Anwendung von
manditgesellschaften auch mit der Begründung verneint, dass es des Schutzes
von
lagengeschäfte einzuordnen und damit ohnehin der Vertretungsmacht der Ge-
schäftsführung entzogen seien (Wentz,
(b) Die Gegenauffassung (Markworth, ZPG 2023, 136, 139 ff.;
Bachmann/Habighorst,
174) hält bereits die Entscheidung des Senats, nach der
Kommanditgesellschaft, die keine Publikumsgesellschaft ist, keine analoge An-
wendung findet (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232,
375 Rn. 23 ff.), für falsch.
Es sei wenig verständlich, weswegen Aktionäre einen weitergehenden
Schutz vor Alleingängen der Geschäftsführung genießen sollten als GmbH-Ge-
sellschafter und Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft (Heckschen,
einer Personengesellschaft analog anwendbar, weil solche Geschäfte die Grund-
lagen der Gesellschaft ebenso aushöhlten wie ein Grundlagengeschäft, für das
der Geschäftsführung von vorneherein keine Vertretungsmacht zukomme
(Markworth, ZPG 2023, 136, 139 ff. unter eingehender Auseinandersetzung mit
der Argumentation des Senats). Außerdem wird eingewandt, die Entscheidung
des Senats übergehe, dass
schafter gebiete, sondern eine solche mit ¾-Mehrheit mit Außenwirkung, wes-
halb sich sein Zweck nicht nur in irgendeiner internen Kontrolle erschöpfe
(Bachmann/Habighorst,
sich ein hinreichender Minderheitenschutz nur durch das Erfordernis einer quali-
fizierten Mehrheit erreichen lasse (von Prittwitz,
OLG Düsseldorf,
Schließlich wird unter Verweis auf die Holzmüller-Rechtsprechung des Se-
nats zur Aktiengesellschaft (BGH, Urteil vom 25. Februar 1982 - II ZR 174/80,
zuwenden, im Außenverhältnis aber außerhalb des Anwendungsbereichs des
Aktiengesetzes dem Grundsatz der Abstraktheit der Vertretungsmacht Vorrang
zu gewähren (so Weitnauer,
(c) Eine vermittelnde Ansicht befürwortet die analoge Anwendung von
Nach einem Teil dieser Auffassung gilt dies generell wegen der strukturel-
len Vergleichbarkeit einer Publikumskommanditgesellschaft mit der Aktiengesell-
schaft (Staub/Habersack, HGB, 6. Aufl., § 124 Rn. 80) bzw. der vergleichbaren
Schutzbedürftigkeit von Gesellschaftern einer Publikumspersonengesellschaft
und Aktionären, aufgrund derer hier eine Regelungslücke und vergleichbare In-
teressenlage bestehe (Hitzel,
247, 250; Witt,
PersGesR, § 109 Rn. 54). Nach anderer Auffassung (Oetker/Lieder, HGB,
8. Aufl., § 116 Rn. 16) hängt die analoge Anwendung von
konkreten Ausgestaltung im Innenverhältnis der Publikumskommanditgesell-
schaft ab, weil kein Anlass zu einer Analogie bestehe, wenn sich die Gesellschaf-
ter einer Publikumsgesellschaft, wenn auch nur aufgrund einer Mehrheitsent-
scheidung, an der Entscheidungsfindung über ein (als außergewöhnliche Ge-
schäftsführungsmaßnahme anzusehendes) Gesamtvermögensgeschäft beteili-
gen könnten.
(3) Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend.
Publikumsgesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft unabhän-
gig von ihrer Struktur nicht analog anwendbar.
Eine Analogie setzt voraus, dass das Gesetz eine planwidrige Regelungs-
lücke aufweist und der zu beurteilende Sachverhalt in rechtlicher Hinsicht soweit
mit dem Tatbestand, den der Gesetzgeber geregelt hat, vergleichbar ist, dass
angenommen werden kann, der Gesetzgeber wäre bei einer Interessenabwä-
gung, bei der er sich von den gleichen Grundsätzen hätte leiten lassen wie bei
dem Erlass der herangezogenen Gesetzesvorschrift, zu dem gleichen Abwä-
gungsergebnis gekommen (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
957 mwN). Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
(a) Es ist bereits fraglich, ob eine planwidrige Regelungslücke vorliegt.
Dagegen spricht, dass der Gesetzgeber im Zuge der Gesetzgebung zum
Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) bei Regelung der Investmentkommanditge-
sellschaften, die zugleich die Merkmale einer Publikumskommanditgesellschaft
erfüllen, die Regelungen des Handelsgesetzbuchs für anwendbar erklärt hat
(§ 124 Abs. 1,
Gesellschafter vor Gesamtvermögensgeschäften zu erlassen. Auch bei seiner
umfassenden Neuregelung insbesondere des Beschlussmängelrechts für Perso-
nenhandelsgesellschaften durch das Gesetz zur Modernisierung des Personen-
gesellschaftsrechts (MoPeG) hat er keine Vorschriften zum Schutz von Komman-
ditisten vor Gesamtvermögensgeschäften geschaffen, obwohl ihm in beiden Fäl-
len die Materie der Publikumskommanditgesellschaften und die damit verbunde-
nen Besonderheiten bekannt waren (vgl. Keller/Schümmer,
1628 f.).
Auch wenn man dieses Schweigen der Gesetzgebungsmaterialien zu ei-
ner möglichen Regelung nicht für ausreichend hält, um anzunehmen, der Ge-
setzgeber habe davon bewusst keinen Gebrauch gemacht (vgl. RegE eines Ge-
setzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts [MoPeG],
BT-Drucks. 19/27635, S. 144 f. [zu § 711 Abs. 1 BGB-E], 184 [zu § 736a
BGB-E], 228 [zu § 110 HGB-E]; siehe auch Wentz,
sich gegen eine planwidrige Regelungslücke für Publikumskommanditgesell-
schaften anführen, dass eine Analogie vom Standpunkt des Gesetzes selbst, d.h.
der ihm zugrunde liegenden Regelungsabsicht, der mit ihm verfolgten Zwecke
und des gesetzgeberischen Plans zu beurteilen ist. Danach ist grundsätzlich
allein die dem Gesetz zugrundeliegende typisierende Betrachtung maßgeblich,
so dass es, da auch
Aktiengesellschaft unterscheidet, für die Frage einer gesetzlichen Regelungs-
lücke bei der Kommanditgesellschaft auch auf deren konkrete Ausgestaltung
nicht ankommen kann (vgl. Meier,
sequenterweise auch bei einer personalistischen Kommanditgesellschaft darauf
abstellen, inwieweit diese im konkreten Fall tatsächlich gesetzestypisch oder
davon abweichend ausgestaltet ist.
(b) Jedenfalls fehlt es an der für eine Analogie erforderlichen vergleichba-
ren Interessenlage.
schäftsführung bei Gesamtvermögensgeschäften durch die Beteiligung der Ge-
sellschafter gewährleisten. Diesem Interesse wird auch bei einer Publikumskom-
manditgesellschaft ohne entsprechende Anwendung des
einen gesetzlich verankerten Beschlussvorbehalt hinreichend Rechnung getra-
gen.
(aa) Auch bei Publikumspersonengesellschaften gilt im Grundsatz, dass
die Geschäftsleitung gemäß § 116 Abs. 2, § 119 Abs. 1, § 161 Abs. 2, § 164
HGB zur Vornahme eines über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes
der Gesellschaft hinausgehenden Geschäfts, wozu die Verpflichtung zur Über-
tragung des gesamten Gesellschaftsvermögens in aller Regel zu rechnen ist (vgl.
BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
einen zustimmenden Beschluss sämtlicher Gesellschafter unter Einschluss der
Kommanditisten einholen muss, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrag eine
Mehrheitsentscheidung zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022
- II ZR 235/20,
Gesellschafter wird dadurch sichergestellt, dass die Geschäftsleitung das Ge-
schäft den Kommanditisten gegenüber vor dem Abschluss offenzulegen und de-
ren Stellungnahme abzuwarten hat (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022
- II ZR 235/20,
Nichts anderes würde gelten, wenn man - wie teilweise in der Literatur
vertreten - ein Gesamtvermögensgeschäft als Grundlagengeschäft einordnen
würde, da auch ein Grundlagengeschäft einen Beschluss aller Gesellschafter
voraussetzt, sofern nicht nach dem Gesellschaftsvertrag eine Mehrheitsentschei-
dung zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
Dieses Beschlusserfordernis sichert nicht nur das Kontrollrecht der Gesell-
schafterversammlung in ihrer Gesamtheit, sondern schützt zudem Minderheits-
gesellschafter vor einer unangemessenen Vertragsgestaltung oder einer Selbst-
bedienung des Mehrheitsgesellschafters. Der Minderheitsgesellschafter kann
einen vom Mehrheitsgesellschafter gefassten Beschluss durch Klage gerichtlich
überprüfen lassen und versuchen, den Vollzug eines nachteiligen Geschäfts zu
verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20, BGHZ 232,
375 Rn. 30).
(bb) Zutreffend ist zwar, dass diese Mitwirkungsrechte der Kommanditis-
ten und damit ihre Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung bei Gesamt-
vermögensgeschäften bei Publikumskommanditgesellschaften meist durch ver-
tragliche Mehrheitsklauseln und/oder Stimmrechtsbeschränkungen bzw. -aus-
schlüsse weitgehend eingeschränkt werden. Anders als bei der durch Satzungs-
strenge geprägten Aktiengesellschaft (§ 23 Abs. 5 AktG) werden die Beziehun-
gen zwischen den Gesellschaftern bei Personengesellschaften jedoch grund-
sätzlich maßgeblich durch die individuellen Regelungen des jeweiligen Gesell-
schaftsvertrags bestimmt. Diesen Regelungen hat der Kommanditist sich mit sei-
nem Beitritt zu einer solchen Gesellschaft und Abschluss des Gesellschaftsver-
trags sehenden Auges unterworfen, so dass er - mangels existierender entspre-
chender gesetzlicher Regelung für die Kommanditgesellschaft - auch keinen
oder verlangen kann.
Überdies wird seinem Schutz bei Gesamtvermögensgeschäften auch bei
einer solchen Vertragsgestaltung immer noch dadurch hinreichend Rechnung
getragen, dass er als Minderheitsgesellschafter gegen einen von der Mehrheit
gefassten Beschluss gerichtlich vorgehen kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar
2022 - II ZR 235/20,
liche Beschlusskontrolle umfasst auf der zweiten Stufe eine materielle Überprü-
fung, insbesondere unter dem Aspekt einer etwaigen Verletzung der gesell-
schafterlichen Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit (vgl. BGH,
Urteil vom 15. Januar 2007 - II ZR 245/05,
vom 24. November 2008 - II ZR 116/08,
schaftsvertrag II; Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
Rn. 13 ff.).
(cc) Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung zur Kommanditgesell-
schaft (BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
Rn. 31 ff.) ausgeführt hat, ergibt sich zudem aus den Einflussmöglichkeiten der
Gesellschafter auf die Geschäftsführung, soweit man diesen Gesichtspunkt nicht
ohnehin als nachrangig ansieht (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022
- II ZR 235/20,
zu der auf Machtbalance der einzelnen Organe abzielenden und die Aktionäre
von der unmittelbaren Einflussnahme auf die Geschäftsführung ausschließenden
Verfassung der Aktiengesellschaft eine geringere Schutzbedürftigkeit der Kom-
manditisten als der Aktionäre. Das gilt auch für eine Publikumskommanditgesell-
schaft. Mit der Neuregelung des § 166 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 HGB durch das
MoPeG sind die Informationsrechte des Kommanditisten - auch einer Publikums-
gesellschaft - überdies gesetzlich gestärkt worden, indem sein bisher von der
Rechtsprechung entwickeltes allgemeines Informationsrecht kodifiziert und ge-
setzlich zwingend ausgestaltet worden ist (siehe dazu RegE zum MoPeG,
BT-Drucks. 19/27635, S. 253 f.; Gummert in Henssler/Strohn, GesR, 6. Aufl.,
6. Aufl., § 166 Rn. 28 ff.; Oepen in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 166
Rn. 16 ff.; Schanze,
(dd) Ein weitergehender Minderheitenschutz dahingehend, dass die Un-
terschreitung einer 75 %-Mehrheit bei Gesamtvermögensgeschäften stets be-
reits auf der ersten (formellen) Stufe der Beschlussprüfung die Unwirksamkeit
des Beschlusses zur Folge hätte, ist danach auch unter Berücksichtigung der
Interessenlage bei einer Publikumspersonengesellschaft nicht geboten. Dass der
Gesetzgeber bei der Aktiengesellschaft mit
legung eines (formalen) Mindestquorums bei Gesamtvermögensgeschäften für
erforderlich gehalten hat, obwohl auch bei der aktienrechtlichen Beschlussmän-
gelprüfung im Rahmen von § 243 Abs. 1 AktG die Verletzung von zwischen den
Aktionären bestehenden Treuepflichten geprüft wird (vgl. Drescher in Henssler/
Strohn, GesR, 6. Aufl., § 243 AktG Rn. 22 f.; Koch, AktG, 19. Aufl., § 243 Rn. 5,
21 ff.; § 53a Rn. 14, 16, 20, 21b; MünchKommAktG/Schäfer, 5. Aufl. § 243 Rn. 54,
57; jeweils mwN), gibt keinen Anlass zu einer anderen Bewertung. Die struktu-
rellen Unterschiede zu einer Aktiengesellschaft sind auch bei einer Publikums-
personengesellschaft aufgrund ihrer grundsätzlich personalistischen Konzeption
immer noch derart ausgeprägt, dass angesichts des besonderen Gewichts der
Treu- und Rücksichtnahmepflichten von Gesellschaftern einer Personengesell-
schaft, aber auch in Anbetracht der Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter
(auch der Kommanditisten) auf die Geschäftsführung (vgl. dazu BGH, Urteil vom
15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
Anwendung von
(c) Gegen eine Analogie zu
likumskommanditgesellschaft, dass damit ohne unmittelbare gesetzliche Grund-
lage ein tragendes Prinzip des Rechts der Handelsgesellschaften gefährdet
würde (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
Rn. 34 f.).
(aa) § 126 Abs. 2 HGB aF bzw. § 124 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB, § 161
Abs. 2 HGB, der die Unbeschränktheit und Unbeschränkbarkeit der Vertretungs-
befugnis des Geschäftsführers im Außenverhältnis statuiert, ist wie die parallelen
Vorschriften § 37 Abs. 2 GmbHG, § 82 Abs. 1 AktG, § 27 Abs. 2 GenG oder § 50
Abs. 1 HGB sowie Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2, Abs. 2 der Richtlinie (EU) 2017/1132
des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Juni 2017 über bestimmte
Aspekte des Gesellschaftsrechts (Abl. (EU) L 169/46 [Gesellschaftsrechts-Richt-
linie]) Ausdruck des Prinzips, dass der Handelsverkehr auf dem Gebiet der
rechtsgeschäftlichen und organschaftlichen Vertretungsbefugnis klare Verhält-
nisse erfordert. Für den Dritten, der mit einem Vertreter einer Handelsgesellschaft
ein Rechtsgeschäft abschließt oder Erklärungen entgegennimmt, ist es, wenn
nicht praktisch undurchführbar, so jedenfalls unzumutbar, sich in jedem Einzelfall
über den Umfang der Vertretungsbefugnis des anderen Teils zu informieren. Aus
diesem Grund hat der Gesetzgeber gerade bei den Handelsgesellschaften den
Umfang der organschaftlichen Vertretungsbefugnis zwingend festgelegt (BGH,
Urteil vom 20. September 1962 - II ZR 209/61,
23. Juni 1997 - II ZR 353/95,
- I ZR 6/16,
- II ZR 364/18,
(bb) Dieser Gedanke erlangt bei der Kommanditgesellschaft besonderes
Gewicht, weil der jeweilige Vertragspartner der Gesellschaft das Vorliegen eines
Gesamtvermögensgeschäfts in der Regel nicht zuverlässig beurteilen kann. Eine
quantitative Abgrenzung nach dem Wertverhältnis des zu übertragenden und des
verbleibenden Vermögens der Gesellschaft ist erschwert, weil die Vermögenssi-
tuation der Personengesellschaft und der Wert ihrer Vermögensgegenstände
aufgrund der geringeren Bilanzpublizität nur eingeschränkt offengelegt werden.
Hinzu kommt, dass der Rechtsverkehr bei den Personengesellschaften typi-
scherweise von einer engeren internen Abstimmung zwischen Geschäftsführern
und Gesellschaftern als bei einer Aktiengesellschaft ausgehen kann, was in die
Abwägung mit dem Schutzbedürfnis der Gesellschafter einzustellen ist (vgl.
BGH, Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
Die in der Literatur dagegen erhobenen Einwände erschöpfen sich im Kern in
einer anderen Gewichtung der gegeneinander abzuwägenden Interessen, ohne
neue, vom Senat noch nicht berücksichtigte Gesichtspunkte aufzuzeigen.
Auch der Einwand des Klägers, dass die Vorschrift des
im Recht der Aktiengesellschaft letztlich systemfremd sei, weil auch die Vertre-
tungsbefugnis des Vorstands nach § 82 Abs. 1 AktG unbeschränkbar sei, gibt
keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Dass der Zustimmungsbeschluss
der Hauptversammlung nach
und der überwiegenden Auffassung im Schrifttum (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar
2019 - II ZR 364/18,
Voraussetzung für die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Übertragungsvertrags
im Außenverhältnis ist, ist eine Frage der Rechtsfolgen einer Anwendung von
die Voraussetzungen für eine analoge Anwendung dieser Vorschrift vorliegen.
Maßgeblich ist daher nicht, dass der Senat einen solche "Systemwidrigkeit" bei
der Aktiengesellschaft für gerechtfertigt gehalten hat, sondern ob sie (auch) bei
der Kommanditgesellschaft gerechtfertigt wäre. Das aber ist - wie oben ausge-
führt - nicht der Fall.
(cc) Für die Publikumspersonengesellschaft gilt nichts anderes.
§ 126 Abs. 2 HGB aF bzw. § 124 Abs. 4 Satz 2 und 3 HGB, § 161 Abs. 2
HGB unterscheiden nicht nach der Ausgestaltung der jeweiligen Gesellschaft.
Auch bei der Publikumskommanditgesellschaft besteht eine nur eingeschränkte
Bilanzpublizität, so dass der demnach auch hier gebotene Schutz des redlichen
Rechtsverkehrs nicht von der konkreten Ausgestaltung und den faktischen Ver-
hältnissen der jeweiligen Gesellschaft abhängig gemacht werden kann. Die Folge
wäre eine übermäßige Beeinträchtigung des Rechtsverkehrs, weil ein Dritter, der
mit der Gesellschaft einen Kauf- und Übertragungsvertrag über einen wesentli-
chen Vermögensgegenstand der Gesellschaft schließt, bei analoger Anwendung
des
das "ganze Gesellschaftsvermögen" im Sinn von
auch, ob seine Vertragspartnerin eine Publikumskommanditgesellschaft und/
oder ihre Struktur derjenigen einer Aktiengesellschaft angenähert ist. Demgegen-
über besteht auch bei einer Publikumspersonengesellschaft im Außenverhältnis
ein hinreichender Schutz der Gesellschafter vor Vermögensverlagerungen durch
Gesamtvermögensgeschäfte in Form des Missbrauchs der Vertretungsmacht
(vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 2019 - II ZR 364/18,
[zur GmbH]; Urteil vom 15. Februar 2022 - II ZR 235/20,
zur Kommanditgesellschaft; kritisch Götze,
(d) Aus den oben genannten Gründen ist auch der Auffassung des Klägers
nicht zu folgen, dass zumindest die Voraussetzungen für eine auf das Innenver-
hältnis beschränkte analoge Anwendung von
dazu Weitnauer,
erforderlichen Vergleichbarkeit der Interessenlage. Die Minderheitsgesellschaf-
ter werden entgegen der Ansicht des Klägers ohne Analogie nicht "im Ergebnis
rechtlos" gestellt. Ihre Interessen werden hinreichend dadurch gewahrt, dass
ihnen mit der Möglichkeit, eine gerichtliche Überprüfung des Beschlusses und in
deren Rahmen auch die Ausübung der Mehrheitsmacht im konkreten Fall auf der
zweiten (materiellen) Stufe der Beschlussprüfung insbesondere hinsichtlich einer
etwaigen Treuwidrigkeit zu veranlassen, ein ausreichender Rechtsschutz zur
Verfügung steht.
bb) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht festgestellt, dass auch
nach dem Gesellschaftsvertrag der Beklagten für den am 23. April 2021 gefass-
ten Beschluss keine qualifizierte Mehrheit erforderlich war.
(1) Nicht zu folgen ist allerdings der Ansicht des Berufungsgerichts, der
Gesellschaftsvertrag sei überhaupt nicht auslegungsbedürftig, weil sich im Um-
kehrschluss aus § 11 Nr. 10 Satz 3 GV eindeutig ergebe, dass die Veräußerung
von Grundstücken mit einfacher Mehrheit erfolgen könne. Dass § 11 Nr. 10
Satz 3 GV für die nach § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. a) i.V.m. § 10 Nr. 4 Buchst. b)
GV zustimmungsbedürftige "Veräußerung von Grundstücken" keine Mehrheit
von 75 % vorschreibt, schließt nicht aus, dass der Beschluss über die Veräuße-
rung einer Fondsimmobilie von einem der übrigen in § 11 Nr. 7 Satz 2 GV ge-
nannten Fälle erfasst wird, für die nach § 11 Nr. 10 Satz 3 GV eine qualifizierte
Mehrheit erforderlich ist. Dass ein Beschlussgegenstand ausschließlich einem
einzigen der in § 11 Nr. 7 Satz 2 GV genannten Fälle zugeordnet werden könnte,
ist dem Gesellschaftsvertrag nicht zu entnehmen.
(2) Die vom Berufungsgericht gleichwohl vorgenommene Auslegung des
Gesellschaftsvertrags ist jedoch zutreffend.
(a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der Ge-
sellschaftsvertrag der Beklagten als einer Publikumsgesellschaft grundsätzlich
nach seinem objektiven Erklärungsbefund nur anhand des schriftlichen Vertrags
auszulegen (vgl. BGH, Urteil vom 19. März 2007 - II ZR 73/06,
Rn. 8; Urteil vom 11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 322 Rn. 12; Urteil vom
15. November 2011 - II ZR 266/09,
18. September 2012 - II ZR 201/10,
2013 - II ZR 73/11,
- II ZR 348/14,
- II ZR 64/23, juris Rn. 28) und die Angabe im Emissionsprospekt, maßgebliche
Beschlüsse wie z.B. Erwerb und Veräußerung von Immobilien bedürften einer
Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen, bei der Auslegung mithin nicht
zu berücksichtigen ist. Der Emissionsprospekt kann im Rahmen der objektiven
Auslegung nur dann zur Auslegung des Gesellschaftsvertrags herangezogen
werden, wenn er im Vertrag in Bezug genommen worden ist (vgl. BGH, Urteil
vom 4. Juli 2005 - II ZR 354/03,
2015 - II ZR 420/13,
(b) Ausgehend davon hat das Berufungsgericht zutreffend angenommen,
dass mit dem Beschluss nicht gegen den Gesellschaftsvertrag der Beklagten ver-
stoßen wurde, weil die Veräußerung der Fondsimmobilie von dem in § 3 GV
definierten Gegenstand der Gesellschaft mit umfasst war. Es kann damit auf sich
beruhen, ob anderenfalls in dem Beschluss neben einem Verstoß gegen den Ge-
sellschaftsvertrag zugleich eine (konkludente) Änderung desselben gesehen
werden könnte, die nach § 11 Nr. 7 Satz 2 Buchst. f) GV, § 11 Nr. 10 GV eine
Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen erfordert hätte.
(aa) Die Veräußerung von Grundstücken und grundstücksgleichen Rech-
ten wird bei der Angabe des Gesellschaftsgegenstands in § 3 Abs. 1 GV zwar
nicht ausdrücklich genannt, sondern nur der Erwerb, die Bebauung, Vermietung,
Verpachtung und Verwaltung von Grundstücken. Das Berufungsgericht hat aber
rechtsfehlerfrei angenommen, dass sich die Einbeziehung von Grundstücks-
veräußerungen in den Gesellschaftsgegenstand aus dem Gesamtkontext der
vertraglichen Regelungen, namentlich der Regelung der Geschäftsführung und
Vertretung in § 10 Nr. 4 Buchst. b) GV, ergibt. Danach bedarf die Geschäftsfüh-
rung u.a. für die Veräußerung von Grundstücken und grundstückgleichen Rech-
ten der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. Diese Regelung hätte, wie
das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, auch aus Sicht eines - insoweit
maßgeblichen - verständigen Publikumspersonengesellschafters keinen Sinn,
wenn die Veräußerung eines Grundstücks von vorneherein nicht vom Gegen-
stand der Gesellschaft umfasst wäre. Hinzu kommt, dass § 3 Nr. 1 GV seinem
Wortlaut nach nicht auf ein einzelnes Grundstück/Objekt beschränkt ist, sondern
lediglich "insbesondere" die "Errichtung von Verwaltungsgebäuden in E. an-
führt. Auch das spricht dafür, dass im Rahmen des Gesellschaftsgegenstands
nicht nur der Erwerb, die Errichtung und die Verwaltung von Immobilien möglich
sein sollte, sondern auch, sofern dies diesem Gesellschaftsgegenstand dienlich
war, die Veräußerung von Immobilien, etwa um ein nicht mehr rentables Objekt
abzustoßen und den Erlös anderweitig zu investieren.
(bb) Der streitgegenständliche Veräußerungsbeschluss ist auch nicht des-
halb als Verstoß gegen den Gesellschaftsvertrag anzusehen, weil er die (derzeit)
einzige Immobilie der Beklagten betraf. Entgegen der Ansicht des Klägers
machte es diese Beschlussfassung nicht faktisch unmöglich, den in § 3 GV defi-
nierten Gesellschaftsgegenstand weiter zu verfolgen. Da als Gesellschaftsge-
genstand in § 3 Nr. 1 GV lediglich "insbesondere" allgemein die "Errichtung von
Verwaltungsgebäuden in E. " angegeben wurde, konnte die Beklagte auch bei
Veräußerung ihrer einzigen Immobilie ihrem Gesellschaftsgegenstand entspre-
chend als werbende Gesellschaft fortbestehen, wenn der aus der Veräußerung
erzielte Erlös nicht in Liquidation der Gesellschaft unter den Gesellschaftern ver-
teilt, sondern zum Erwerb einer anderen Immobilie oder grundstückgleicher
Rechte eingesetzt wurde. Dass der Emissionsprospekt allein und ausschließlich
auf das "Finanzzentrum E. " zugeschnitten gewesen sein mag, ist - wie oben
ausgeführt - für die Auslegung der gesellschaftsvertraglichen Regelungen einer
Publikumsgesellschaft nicht relevant.
(c) Zu Recht hat das Berufungsgericht auch angenommen, dass mit dem
Beschluss keine Auflösung der Gesellschaft im Sinn von § 11 Nr. 7 Satz 2
Buchst. j) bzw. § 24 Nr. 1 Satz 1 GV beschlossen wurde, weshalb es der hierfür
erforderlichen Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen nicht bedurfte.
(aa) Der Beschluss ist nach den für Gesellschaftsverträge von Publikums-
gesellschaften geltenden Grundsätzen, d.h. nach seinem objektiven Erklärungs-
befund auszulegen (BGH, Urteil vom 6. März 2018 - II ZR 1/17,
Rn. 16 f.).
(bb) Nach diesen Maßstäben ist die Feststellung des Berufungsgerichts,
dass mit dem - seinem Wortlaut nach auf die Genehmigung des notariellen Kauf-
vertrags beschränkten - Beschluss vom 23. April 2021 nicht konkludent zugleich
über die Auflösung der Gesellschaft beschlossen wurde, nicht zu beanstanden.
Die Beschlussvorlage und das Stimmformular enthielten nur die Geneh-
migung des notariellen Kaufvertrags, die Beschlussvorlage zudem den abschlie-
ßenden Vermerk "Weitere Beschlüsse sind nicht zu fassen". Selbst wenn man
die von den Parteien und dem Berufungsgericht herangezogenen weiteren Un-
terlagen (Einladungsschreiben mit Rückflussbetrachtungen) bei der Auslegung
des Beschlusses berücksichtigt, mag sich daraus zwar ergeben, dass die Ge-
schäftsführung der Beklagten nach bzw. mit der Veräußerung der Immobilie die
Liquidation der Gesellschaft angestrebt hat. Auch dann stand die beschlossene
Veräußerung aber weder rechtlich noch tatsächlich von vorneherein einer Auflö-
sung der Beklagten gleich, weil im Rahmen des Gesellschaftsgegenstands auch
nach der Veräußerung eine Fortsetzung der werbenden Gesellschaft durch
Re-Investition des erzielten Veräußerungserlöses in ein anderes Objekt noch
möglich war. So ergab sich auch aus dem Einladungsschreiben vom
9. Dezember 2019, dass die Geschäftsführung der Beklagten selbst noch einen
gesonderten "Liquidationsbeschluss" für erforderlich erachtete. Dementspre-
chend hat auch der Kläger im Revisionsverfahren ausgeführt, dass es sich bei
der Veräußerung der einzigen Immobilie nur um ein - wenn auch "unmittelbar" -
der "Vorbereitung" der Liquidation der Gesellschaft dienendes Gesamtvermö-
gensgeschäft gehandelt habe. Dass bereits feststand, dass der Erlös zur Bedie-
nung von Verbindlichkeiten der Gesellschaft aufgebraucht werden würde/sollte
und eine Re-Investition damit von vorneherein ausgeschlossen gewesen wäre,
wird nicht geltend gemacht und ist nach der den Gesellschaftern avisierten Aus-
zahlung nach Veräußerung auch nicht anzunehmen. Dass für den Erwerb einer
neuen Immobilie möglicherweise nach
che Strukturmaßnahmen erforderlich sein könnten, hat das Berufungsgericht zu
Recht mit Verweis darauf als unerheblich angesehen, dass darüber frühestens
mit der Entscheidung über die Verwendung des Verkaufserlöses zu entscheiden
gewesen wäre.
(d) Schließlich hat das Berufungsgericht zu Recht auch eine erweiternde
Auslegung des Gesellschaftsvertrags über die dort enumerativ genannten Fälle
einer erforderlichen Mehrheit von 75 % hinaus auf andere Beschlüsse, deren
wirtschaftliche, rechtliche oder tatsächliche Bedeutung den ausdrücklich genann-
ten Fällen gleichkommt, abgelehnt.
Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die enumerative
Auflistung der Ausnahmen von der allgemeinen einfachen Mehrheitsklausel dafür
spricht, dass eine Ausweitung dieser Fallgruppen auf ungeschriebene weitere
Fälle nicht gewollt war, zumal einer solchen Ausweitung auch die damit verbun-
denen Abgrenzungsschwierigkeiten entgegenstünden.
Für eine erweiternde Auslegung lässt sich auch hier nicht der Rechtsge-
danke des
sung in der Aktiengesellschaft anführen, nach der bei fundamentalen Struktur-
maßnahmen, die an die Kernkompetenz der Hauptversammlung, über die Ver-
fassung der Aktiengesellschaft zu bestimmen rühren, weil sie Veränderungen
nach sich ziehen, die diejenigen zumindest nahekommen, welche allein durch
eine Satzungsänderung herbeigeführt werden können, eine ungeschriebene Mit-
wirkungsbefugnis der Hauptversammlung besteht, deren Zustimmung wegen der
Bedeutung für die Aktionäre einer Dreiviertel-Mehrheit bedarf (BGH, Urteil vom
25. Februar 1982 - II ZR 174/80,
26. April 2004 - II ZR 155/02,
2004 - II ZR 154/02,
Strohn, GesR, 6. Aufl., § 119 AktG Rn. 12 ff.; Spindler in Schmidt/Lutter, AktG,
5. Aufl., § 119 Rn. 26 ff., 30, 46). Das widerspräche wiederum der ständigen
Senatsrechtsprechung zur Prüfung von Mehrheitsbeschlüssen einer Personen-
gesellschaft. Danach ist auf der ersten Stufe nur die formelle Legitimation für
Mehrheitsentscheidungen auf der Grundlage einer Mehrheitsklausel zu prüfen,
die auch bei außergewöhnlichen und Grundlagengeschäften gegeben sein kann,
wenn sich aus der Auslegung des Gesellschaftsvertrags ergibt, dass dieser
Beschlussgegenstand einer Mehrheitsentscheidung unterworfen ist (BGH, Urteil
vom 15. Januar 2007 - II ZR 245/05,
24. November 2008 - II ZR 116/08,
schaftsvertrag II; Urteil vom 15. November 2011 - II ZR 266/09,
Rn. 16; Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
vom 11. September 2018 - II ZR 307/16,
und die Auswirkungen des Beschlusses für die Gesellschafter kommen dagegen
erst auf der zweiten, materiellen Stufe der Prüfung zum Tragen.
2. Das Berufungsgericht hat jedoch rechtsfehlerhaft im Weiteren keine in-
haltliche Prüfung des Beschlusses vorgenommen.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Wirksam-
keit einer Mehrheitsentscheidung bei allen Beschlussgegenständen sowohl eine
Prüfung ihrer formellen Legitimation durch eine Mehrheitsklausel auf der ersten
Stufe als auch eine inhaltliche Prüfung auf der zweiten Stufe (materielle Legiti-
mation) unter dem Aspekt einer etwaigen Verletzung der gesellschafterlichen
Treuepflicht der Mehrheit gegenüber der Minderheit voraus (vgl. BGH, Urteil vom
21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
Stufe ist zu prüfen, ob der Beschluss in schlechthin unverzichtbare oder in "relativ
unentziehbare", d.h. in nur mit Zustimmung des einzelnen Gesellschafters oder
aus wichtigem Grund entziehbare Mitgliedschaftsrechte eingreift. Liegt ein Ein-
griff in absolut oder relativ unentziehbare Rechte vor, ist regelmäßig eine treu-
pflichtwidrige Ausübung der Mehrheitsmacht anzunehmen, während in den sons-
tigen Fällen die Minderheit den Nachweis einer treupflichtwidrigen Mehrheitsent-
scheidung zu führen hat (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
die individuelle Rechtsstellung des Gesellschafters, d.h. seine rechtliche und ver-
mögensmäßige Position in der Gesellschaft betreffen, kommt es letztlich maßge-
bend immer darauf an, ob der Eingriff im Interesse der Gesellschaft geboten und
dem betroffenen Gesellschafter unter Berücksichtigung seiner eigenen schutz-
werten Belange zumutbar ist (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR
84/13,
b) Diese Prüfung in inhaltlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht rechts-
fehlerhaft vollständig unterlassen.
Soweit die Beklagte meint, zu einer solchen Prüfung habe kein Anlass be-
standen, weil keine Tatsachen festgestellt oder vom Kläger vorgetragen seien,
die für einen treuwidrigen Missbrauch der Mehrheitsmacht sprechen könnten,
trifft das nicht zu. Eine Treuwidrigkeit der Beschlussfassung über die Veräuße-
rung der Fondsimmobilie könnte sich hier daraus ergeben, dass damit in der Ab-
sicht, das für einen Auflösungsbeschluss erforderliche qualifizierte Mehrheitser-
fordernis zu umgehen, mit einfacher Mehrheit bereits Tatsachen geschaffen wer-
den sollten, die die Liquidation der Gesellschaft unumkehrbar einleiteten und in
der erst nachträglichen Beschlussfassung über die angestrebte Auflösung das
dafür erforderliche Quorum zu erreichen. Ob dies der Fall war, vermag der Senat
auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen nicht abschließend zu beurtei-
len. Dafür könnten einerseits die Einladungsschreiben und Beschlussvorlagen
nebst Rückflussbetrachtungen zu den Beschlussfassungen zur Veräußerung der
Immobilie sprechen; andererseits hat die Beklagte vorgetragen, dass sie über ein
Bankguthaben von rund 18,8 Mio. € verfüge, mit dem sie ihren Gesellschaftsge-
genstand unproblematisch weiterverfolgen könne, aufgrund der Rechtsstreite um
die Wirksamkeit der Veräußerungsbeschlüsse jedoch aus Gründen kaufmänni-
scher Vorsicht an einer Entscheidung über die weitere Verwendung ihres Vermö-
gens gehindert sei; ob die Gesellschaft fortgesetzt oder aufgelöst werden solle,
obliege der Entscheidung der Gesellschafter.
III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist, da sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist, an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen (
gung des widerstreitenden Vortrags und ggf. ergänzendem Vorbringen der Par-
teien die Prüfung der inhaltlichen Wirksamkeit des Beschlusses vom 23. April
2021 nachholen kann.
Entscheidung, Urteil
Gericht:BGH
Erscheinungsdatum:08.07.2025
Aktenzeichen:II ZR 137/23
Rechtsgebiete:
Unternehmenskauf
Genossenschaft
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Kommanditgesellschaft (KG)
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
OHG
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)
AktG § 179a