OLG Karlsruhe 03. Juli 2003
12 U 24/03
BeurkG § 17 Abs. 1; BGB § 839

Keine Aufklärungspflicht des Notars über Lasten von zur Zeit des Grundstückskaufs geplanten, aber noch nicht durchgeführten Erschließungsmaßnahmen

Inhalt des Beschlusses abstellt, also die Berufung auf
Mångel im registergerichtlichen Verfahren ausschließt.
b) Auch eine Læschung der Verschmelzung nach § 142
FGG kommt nicht in Betracht. Dabei kann offen bleiben,
ob die Eintragung, wie § 142 Abs. 1 FGG voraussetzt,
wegen Mangels einer wesentlichen Voraussetzung unzulåssig war. Denn § 144 Abs. 2 FGG schließt als lex
specialis eine Læschung von Amts wegen nach § 142 FGG
aus. Nach ganz herrschender Meinung, der sich der Senat
anschließt, sollen Hauptversammlungsbeschlçsse der
AG nur unter den engen Voraussetzungen des § 144
FGG gelæscht werden kænnen (OLG Karlsruhe Rpfleger
2001, 498; OLG Hamm NJW-RR 1994, 548, 549; Keidel/
Kuntze/Winkler, § 144 FGG Rn. 5; Bassenge/Herbst,
§ 144 FGG Rn. 1; GroßKomm/K. Schmidt, § 241 AktG
Rn. 78). Fçr diese Auffassung spricht, dass es aus Sicht
der Aktionåre, die fçr die Verschmelzung gestimmt haben, schwer hinnehmbar wåre, wenn der Beschluss allein
wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gelæscht
werden kænnte. Nach anderer Ansicht (MçnchKomm/
Hçffer, § 241 AktG Rn. 81) gilt der Ausschluss zwar im
Grundsatz, jedoch soll eine Læschung bei wesentlichen
Mångeln im Registerverfahren (z. B. Fehlen einer Anmeldung, Anmeldung durch Unbefugte) nach § 142 FGG
mæglich sein. Auch nach dieser Ansicht wåre die Læschung ausgeschlossen, denn die Fehleinschåtzung çber
die Reichweite einer Negativerklårung ist mit den genannten Fehlern nicht gleichzustellen. Es kann auch
nicht davon ausgegangen werden, dass das Registergericht çber die Anfechtungsklage informiert war; denn die
Eintragung erfolgte am 20. 8. 2002, wåhrend die Mitteilung des Prozessbevollmåchtigten der klagenden Aktionåre erst am Abend des 20. 8. 2002, 20.27 Uhr, einging.
Der Ausschluss der Læschung nach § 142 FGG durch die
Spezialregelung in § 144 Abs. 2 FGG verletzt die Ast.
auch nicht in ihren Verfassungsrechten (vgl. OLG Karlsruhe Rpfleger 2001, 498). Ein Verstoß gegen Art. 14
Abs. 1 GG liegt nicht vor; bei von der Hauptversammlung beschlossenen Strukturmaßnahmen muss es
der Minderheitsaktionår hinnehmen, dass er sein Anteilsrecht gegen Abfindung in Aktien oder in Geld verliert. Soweit es um die Hæhe der Entschådigung geht,
steht ihm das Spruchverfahren zur Verfçgung. Auch ein
Verstoß gegen die Rechtsschutzgarantie des Art. 19
Abs. 4 GG ist nicht gegeben; denn die Eintragung des
Verschmelzungsbeschlusses und die sich daraus ergebenden Folgen hindern die Ast. nicht, die Fehlerhaftigkeit des Beschlusses durch Nichtigkeits- oder Anfechtungsklage oder auch im Wege des Schadensersatzes geltend zu machen.
8. Notarrecht – Keine Aufklårungspflicht des Notars
çber Lasten von zur Zeit des Grundstçckskaufs geplanten, aber noch nicht durchgefçhrten Erschließungsmaßnahmen
(OLG Karlsruhe, Urteil vom 3. 7. 2003 – 12 U 24/03)
BeurkG § 17 Abs. 1
BGB § 839
1. Die Subsidiaritåtsklausel des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB
greift auch dann ein, wenn der Geschådigte eine frçher vorhandene, anderweitige Ersatzmæglichkeit
schuldhaft versåumt hat.
2. Der einen Grundstçckskaufvertrag protokollierende
Notar ist nicht verpflichtet, auf aus dem Bebauungsplan sich ergebende zukçnftige, aber noch nicht umgesetzte Erschließungsmaßnahmen und die damit
verbundenen Lasten hinzuweisen. Hierzu muss der
Erwerber, der das Grundstçck kauft „wie es steht und
liegt“, grundsåtzlich selbst die notwendigen Erkundigungen einholen.
Zum Sachverhalt:
Der Kl. verlangt von dem bekl. Land Schadensersatz wegen einer angeblichen Amtspflichtverletzung des Notars anlåsslich
der Beurkundung eines Grundstçckskaufvertrages.
Der Kl. erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 27. 8. 1993
von X. das seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts mit
einem Wohnhaus bebaute Grundstçck in S. zu einem Kaufpreis
von 500 000,– DM. Beurkundet wurde der Vertrag durch den
Notar. In § 5 des Kaufvertrages wurde u. a. vereinbart, dass die
Ûbergabe von Besitz und Nutzungen sofort erfolgt und der Kl.
ab 1. 10. 1993 die æffentlichen Lasten und Abgaben trågt. Zum
Zeitpunkt des Vertragsabschlusses waren die vorgesehenen Erschließungsmaßnahmen nur teilweise durchgefçhrt worden. Die
am Grundstçck vorbeifçhrende Straße war mit einer Teerschicht versehen, und es bestand eine Straßenbeleuchtung.
Weitere Erschließungsmaßnahmen wie die Anlage von Gehwegen und die Verlegung der Kanalisation erfolgten im Jahr
1996. Die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses vorhandenen
Erschließungsanlagen waren durch die Gemeinde S. noch nicht
gegençber den Grundstçckseigentçmern abgerechnet worden,
was der Verkåuferin X. bekannt war. Ebenso wusste sie, dass
noch weitere Erschließungsmaßnahmen von der Gemeinde S.
beabsichtigt waren. Hierçber wurde der Kl. von der Verkåuferin X. nicht aufgeklårt.
Am 10./11 8. 1996 erfuhr der Kl. von einem Nachbarn, dass in
nåchster Zeit mit der Zustellung von Erschließungs- und Beitragsbescheiden zu rechnen sei. Der Kl. erhielt am 17. 9. 1997
von der Gemeinde S. einen Vorauszahlungsbescheid auf die Erschließungskosten in Hæhe von 42 828,75 DM. Der hiergegen
eingelegte Widerspruch blieb erfolglos. Von der gerichtlichen
Ûberprçfung des Bescheids nahm der Kl. abstand, da er keine
Erfolgsaussichten in einem solchen Vorgehen sah. Durch Beitragsbescheide wurde der Kl. zwischenzeitlich zu Erschließungskosten – seinem Vortrag in zweiter Instanz zufolge –
von insgesamt 74 983,50 DM herangezogen.
Das LG hat die Klage mit der Begrçndung abgewiesen, dass
eine anderweitige Ersatzmæglichkeit – vorliegend gegençber
der Verkåuferin bzw. deren Erben – bestehe.
Hiergegen hat der Kl. Berufung eingelegt und wurde zunåchst
auf Antrag beider Parteien wegen des zwischenzeitlich anhångigen Rechtsstreits gegen die Erben der Verkåuferseite vor
dem LG/OLG D. das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit
Urteil des OLG D. hat das OLG die Berufung des Kl. gegen das
klageabweisende Urteil der Einzelrichterin beim LG D. im
Verfahren des Kl. gegen die Erbin zurçckgewiesen. Der Kl. hat
daraufhin das hiesige Verfahren wieder anberufen. Der Senat
hat mit Zwischenurteil erkannt, dass die Berufung des Kl. zulåssig ist.
Aus den Grçnden:
Die Berufung des Kl. ist zulåssig, in der Sache hat sie
keinen Erfolg.
I. Der Kl. hat keinen Anspruch gemåß § 839 BGB,
Art. 34 GG. Soweit der Kl. Erstattung der Kosten fçr
Rechtsprechung RNotZ 2004, Heft 1–2 43


RNotZ 2004, Heft 1–2
Erschließungsmaßnahmen beansprucht, die erst weit
nach Abschluss des Kaufvertrages ab dem Jahre 1996
durchgefçhrt worden sind, fehlt es an einem pflichtwidrigen Verhalten des Notars in Form einer Amtspflichtverletzung im Rahmen seiner Beurkundungspflichten bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages am
27. 8. 1993. Soweit der Kl. meint, in den geltend gemachten Kosten fçr Erschließungsmaßnahmen seien
auch solche enthalten, die bereits vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages angefallen und durchgefçhrt
worden seien, besteht nach Auffassung des Senats insoweit eine anderweitige Erstattungsmæglichkeit gegençber den Erben der verstorbenen Verkåuferin X. Darçber hinaus wurden – wie unten auszufçhren sein wird –
solche Kosten schon nicht substantiiert und damit çberprçfbar dargelegt.
1. Die Ansprçche des Kl. sind allerdings entgegen der
Auffassung des bekl. Landes nicht verjåhrt. Denn die
dreijåhrige Verjåhrungsfrist gemåß § 852 BGB a. F., der
der Anspruch bis 31. 12. 2001 unterlag, setzt als Verjåhrungsbeginn die Kenntnis des Kl. von dem Schaden und
der Person des Ersatzpflichtigen voraus sowie das Wissen, dass keine den Schaden vollståndig deckende anderweitige Ersatzmæglichkeit vorhanden ist (BGHZ 102,
246 = DNotZ 1988, 388). Die Kenntnis des Kl. kann erst
mit Erhalt des Erschließungskostenbescheids vom
17. 9. 1997 angenommen werden. Der Mahnbescheid
wurde vor Ablauf der Verjåhrungsfrist am 30. 7. 1999 beantragt und dem bekl. Land am 16. 8. 1999 zugestellt. Die
Verjåhrung des Anspruchs wurde damit in unverjåhrter
Zeit (Verjåhrungsablauf: 17. 9. 2000) unterbrochen
(§ 209 Abs. 2 Ziff. 1 BGB a. F.). Mit Inkrafttreten des
Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts hat die
Unterbrechung der Verjåhrung zum 31. 12. 2001 geendet
und trat nach Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB Hemmung von
sechs Monaten ein, die mangels Betreibens des Verfahrens – mit Beschluss des Senats vom 24. 7. 2001 wurde das
Ruhen des Verfahrens angeordnet – am 30. 6. 2002 (§ 204
Abs. 2 BGB in der Fassung ab 1. 1. 2002) endete. Ab
1. 7. 2002 begann die zum Zeitpunkt der Einleitung des
gerichtlichen Mahnverfahrens gegen das bekl. Land noch
nicht verstrichene Verjåhrungszeit wieder zu laufen. Das
bedeutet, dass am 2. 8. 2003 die Verjåhrungsfrist (nicht
verbrauchte Zeit der Unterbrechung ab Zustellung des
Mahnbescheids am 16. 8. 1999 bis Ablauf der Drei-Jahres-Frist am 17. 9. 2000) abgelaufen gewesen wåre. Das
Verfahren wurde rechtzeitig vor Ablauf der Verjåhrungsfrist bereits am 18. 2. 2003 vor dem Senat wieder
angerufen.
2. Ein Anspruch auf Ersatz von Erschließungskosten, die
bereits vor Abschluss des notariellen Kaufvertrages vom
27. 8. 1993 durchgefçhrt, aber von der Gemeinde S. noch
nicht gegençber der Verkåuferin X. abgerechnet waren,
besteht aus zwei Grçnden nicht. Zum einen scheitert ein
Anspruch des Kl. daran, dass dem Kl. insoweit ein Anspruch aus vorvertraglicher Pflichtverletzung (c. i. c.) gegençber der ehemaligen Verkåuferin zusteht und der Kl.
es schuldhaft versåumt hat, eine frçher vorhandene, anderweitige Ersatzmæglichkeit (§ 839 Abs. 1. S. 2 BGB)
auszuschæpfen. Die Unmæglichkeit, anderweit Ersatz zu
verlangen, bildet einen Teil des Tatbestandes, aus dem
der Amtshaftungsanspruch hergeleitet wird. Dementsprechend hat der Verletzte das Vorliegen dieser zur
Rechtsprechung
Klagebegrçndung gehærenden Voraussetzungen des
Amtshaftungsanspruches darzulegen und im Streitfall zu
beweisen (BGH NJW 2002, 1266; Staudinger, Kommentar zum BGB, 2002, § 839 BGB Rn. 301). Die bestehende
Mæglichkeit, auf andere Weise Ersatz zu erlangen, verhindert – anders ausgedrçckt – materiellrechtlich die
Entstehung eines Amtshaftungsanspruchs. Solange noch
eine realisierbare anderweitige Ersatzmæglichkeit besteht, ist der Beamte çberhaupt nicht ersatzpflichtig mit
der Folge, dass nicht nur eine Leistungs-, sondern auch
eine Feststellungsklage unbegrçndet ist, solange der –
unverschuldete (s. unten) – Ausfall nicht feststeht
(Staudinger, a.a.O.). So liegt der Fall hier. Der Senat teilt
die Auffassung des LG, dass die Veråußerin X. verpflichtet gewesen wåre, çber bei Abschluss des notariellen Kaufvertrages im Jahre 1993 bereits durchgefçhrte,
aber noch nicht abgerechnete Erschließungsmaßnahmen
aufzuklåren. Der Kl. hat in dem vor dem OLG D. gegen
die Erben der Veråußerin gefçhrten Rechtsstreit bereits
bei Kaufvertragsabschluss durchgefçhrte, aber noch
nicht abgerechnete Erschließungskosten nicht substantiiert und çberprçfbar dargelegt, weshalb seine Berufung gegen das klagabweisende Urteil des LG D. durch
Urteil des OLG D. mittlerweile rechtskråftig abgewiesen
worden ist.
Der Kl. hat damit eine vorhandene, anderweitige Ersatzmæglichkeit nicht ausgeschæpft, indem er in dem gegen die Erben der Veråußerin gefçhrten Rechtsstreit die
Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches fçr
bereits durchgefçhrte Erschließungsmaßnahmen nicht
substantiiert und çberprçfbar dargestellt hat. Der Geschådigte kann sich nåmlich der Verweisung (§ 839
Abs. 1 S. 2 BGB) nicht dadurch entziehen, dass er
schuldhaft die anderweitige Ersatzmæglichkeit versåumt.
Vielmehr greift die Subsidiaritåtsklausel auch dann ein,
wenn der Geschådigte eine frçher vorhandene, anderweitige Ersatzmæglichkeit schuldhaft versåumt hat.
Eine Abwågung des beiderseitigen Verschuldens findet
nicht statt. Dies fçhrt dazu, dass – im Extremfall schon
die leicht fahrlåssige – Versåumung zum Totalverlust des
Amtshaftungsanspruchs selbst bei grob fahrlåssigen
Amtspflichtverletzungen fçhrt (Staudinger, a.a.O., § 839
BGB Rn. 299).
Zum anderen scheitert ein Anspruch auf Erstattung solcher Kosten aber auch daran, dass der Kl. auch im hiesigen Verfahren wie schon in dem bis zum OLG D. gegen
die Erbin der Verkåuferin gefçhrten Rechtsstreit die
Kosten fçr Erschließungsmaßnahmen, die vor Kaufvertragsabschluss bereits durchgefçhrt, aber noch nicht
abgerechnet waren, nicht nachvollziehbar und damit
nicht çberprçfbar dargestellt hat. Aus diesem Grund hat
das OLG D. letztlich die Frage, ob die Verkåuferin çber
solche Kosten fçr Erschließungsmaßnahmen çberhaupt
aufzuklåren hatte, offen gelassen.
Der Beitragsbescheid der Gemeinde S. çber Erschließungsmaßnahmen (Vorauszahlung im engeren
Sinne) çber 42 828,75 DM vom 17. 9. 1997 hebt ausdrçcklich hervor, dass es sich um Maßnahmen handelt,
die 1996 begonnen wurden. Bezçglich dieses Betrags
standen bei Abschluss des Kaufvertrages im Jahre 1993
mithin noch keine Erschließungskosten an. Fçr den beurkundenden Notar bestand deshalb – wie auch fçr die
ehemalige Grundstçckseigentçmerin und Verkåuferin
keine irgendwie geartete Belehrungs- oder Mitteilungspflicht im Rahmen von § 17 Abs. 1 BeurkG.
Dass in diesem Bescheid dennoch der Aufwand frçherer
Maßnahmen (z. B. Straßenbau und Beleuchtung vor
1993) mit einbezogen sein mçsste, hat der Kl. auch im
Berufungsverfahren nicht nachvollziehbar dargestellt.
Seine Ausfçhrungen hierzu stellen eine reine, durch
nichts belegte Vermutung dar.
Auch die çbrigen Kosten fçr den Anschluss an den
Schmutz- und Abwasserkanal in Hæhe von 16 179,75 DM
gemåß Bescheid vom 17. 9. 1997 sowie die als weiteren
Aufwand bezeichneten 15 000,– DM und 975,– DM fçr
die Verlegung der Stromversorgung stehen in keinem
Zusammenhang mit Erschließungsmaßnahmen, die vor
Abschluss des notariellen Kaufvertrages bereits durchgefçhrt waren. Das Grundstçck entsorgte bis 1996 seine
Abwåsser in eine Sickergrube. Die Stromversorgung erfolgte çber Ûberlandleitungen. Dies ist dem Kl. seit Abschluss des Kaufvertrages und Inbesitznahme des
Grundstçckes in 1993 auch bekannt gewesen. Der Kanal
und die Stromleitungen wurden erst 1996/1997 verlegt, so
dass çber diese zukçnftigen Erschließungsmaßnahmen
als bereits erfolgt, aber noch nicht abgerechnet seitens
des Notars auch nicht belehrt werden konnte.
3. Der Notar war – wie die Grundstçckseigentçmerin –
auch nicht verpflichtet, auf aus den Bebauungsplånen der
Gemeinde S. sich (noch) ergebende, aber bei Abschluss
des notariellen Kaufvertrages noch nicht umgesetzte Erschließungsmaßnahmen hinzuweisen. Hierzu muss der
Erwerber eines Grundstçcks, der das Grundstçck kauft
„wie es steht und liegt“ und der wie hier die tatsåchlich
nur vorhandene Sickergrube und die Stromversorgung
mit Ûberlandleitungen kannte, grundsåtzlich selbst die
notwendigen Erkundigungen einholen und sich bei den
zuståndigen Stellen der Gemeinde informieren.
Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht gemåß
§ 17 Abs. 1 BeurkG. Zwar muss der Notar gemåß § 17
Abs. 1 BeurkG bei der Beurkundung eines Rechtsgeschåftes den Willen der Bet. erforschen, den Sachverhalt klåren, die Bet. çber die rechtliche Tragweite des
Geschåfts belehren und ihre Erklårungen klar und unzweideutig in der Niederschrift wiedergeben. Dabei soll
er darauf achten, dass Irrtçmer und Zweifel vermieden
sowie unerfahrene und ungewandte Bet. nicht benachteiligt werden. Die Vorschrift soll gewåhrleisten, dass der
Notar eine rechtswirksame Urkunde errichtet, die den
wahren Willen der Bet. vollståndig und unzweideutig in
der fçr das beabsichtigte Rechtsgeschåft richtigen Form
wiedergibt. Daraus folgt, dass der Notar die Bet. insoweit
befragen und belehren muss, als es notwendig ist, eine
ihrem wahren Willen entsprechende rechtswirksame Urkunde zu errichten. Wichtig ist in diesem Zusammenhang, dass der Notar sich nicht darauf beschrånken darf,
in der Urkunde nur die Hauptleistungspflichten der Bet.
zu regeln. Er schuldet vielmehr eine umfassende, ausgewogene und interessengerechte Vertragsgestaltung.
Eine regelungsbedçrftige Frage, die der Notar nach den
aufgezeigten Grundsåtzen bei der Beurteilung eines
Grundstçcksvertrages von sich aus ansprechen muss, ist
danach auch die Problematik der Erschließungskosten.
Wenn der Vertrag keine Regelung dieser Frage vorsieht,
RNotZ 2004, Heft 1–2
hat gemåß §§ 446, 103 BGB der Kåufer die nach Ûbergabe des Grundstçcks fållig werdenden Erschließungsbeitråge zu tragen. Das entspricht in aller Regel nicht
dem wahren Willen der Bet., wenn die zugrundeliegenden Erschließungsmaßnahmen bereits vor Vertragsschluss ausgefçhrt waren. Durchschnittliche, im
Grundstçcksgeschåft nicht besonders erfahrene Vertragsparteien gehen in der Regel davon aus, dass der
vereinbarte Kaufpreis das abschließende Entgelt fçr das
Grundstçck, wie es steht und liegt, darstellt. Sie sind mithin der Meinung, dass bei Kaufabschluss vorhandene
Erschließungsmaßnahmen mit dem Kaufpreis abgegolten sind und nicht mehr nach Jahr und Tag dem Kåufer hierfçr noch oft nicht unbetråchtliche Kosten auferlegt werden kænnen (BGH NJW 1992, 1287; NJW 1994,
2283 = DNotZ 1995, 403; Haug, Die Amtshaftung des
Notars, 2. Aufl., Rn. 557, 558).
Der Notar ist danach im Umkehrschluss aber nicht verpflichtet, çber erst nach dem Kaufvertrag und damit erst
in der Zukunft in Betracht kommende und damit erst
noch vorzunehmende Erschließungsmaßnahmen aufzuklåren. Denn die Amtspflicht des Notars beschrånkt
sich aus den oben dargestellten Grundsåtzen auf bereits
vor Abschluss des Kaufvertrages durchgefçhrte, aber
noch nicht abgerechnete Erschließungskosten, wobei
der Notar keine Erkundigungen çber die Hæhe eventuell noch nicht abgerechneter Erschließungsbeitråge anstellen muss, sondern den Kl. nur allgemein auf die
Problematik noch ausstehender Erschließungskosten
hinweisen muss (BGH NJW 1994, 2283 = DNotZ 1995,
403). Dies gilt im vorliegenden Fall auch insbesondere
deshalb, weil die Abwåsser des Grundstçckes unstreitig
und dem Kl. auch bekannt in einer Sickergrube entsorgt
wurden und die Stromversorgung çber Ûberlandleitungen erfolgte. Der Kanal und die Stromleitungen,
fçr die ein Anschlusszwang bestand, wurden aber erst
1996/1997 verlegt. Ûber diese zukçnftigen Maßnahmen
konnte der Notar 1993 nicht als bereits durchgefçhrte,
aber noch nicht abgerechnete Erschließungsmaßnahmen belehren.
4. Darçber hinaus fehlt es auch an hinreichenden Ausfçhrungen des Kl., dass eine etwaige Pflichtverletzung
des Notars fçr den geltend gemachten Schaden kausal
gewesen ist. Der Kl. fçhrt hierzu nur aus, dass er das
Grundstçck nicht erworben håtte. Insoweit fehlt es an
Ausfçhrungen dazu, wie der Kl. bei Abschluss des Kaufvertrages in Erfahrung gebracht håtte, dass er noch ca.
38 000,– E Erschließungskosten wçrde zahlen mçssen.
Der Notar war bei pflichtgemåßem Verhalten zu einer
derartigen Mitteilung nicht verpflichtet. Er brauchte –
wie bereits oben ausgefçhrt – keine Erkundigungen çber
die Hæhe eventuell noch nicht abgerechneter Erschließungsbeitråge anzustellen. Der Notar ist nur verpflichtet gewesen, allgemein auf die Problematik noch
ausstehender Erschließungskosten hinzuweisen. Es ist
dann Sache des Kl., welche Folgerungen er aus einem
solchen Hinweis zog. Hierfçr ist er ebenfalls darlegungsund beweispflichtig (BGH NJW 1994, 2283 = DNotZ
1995, 403; NJW-RR 1996, 781).
5. Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus
dem Schreiben vom 19. 11. 1964 – unterstellt, dass dieses
dem Notar vor Abschluss des Kaufvertrages von der
RNotZ 2004, Heft 1–2
ehemaligen Eigentçmerin fçr die Vorbereitung des
Kaufvertrages çberlassen worden ist. Dort wird lediglich
die damalige Rechtslage wiedergegeben, dass nåmlich
nach dem Ausbau der Straße die Kosten auf die Anlieger
quotenmåßig umgelegt werden. Hieraus låsst sich keine
weitere Aufklårungs- und Belehrungspflicht fçr das Jahr
1993 çber noch ausstehende Erschließungsmaßnahmen
ableiten.
II. Die Klage auf Freistellung von weiteren, zukçnftigen
Erschließungsbeitragskosten ist zulåssig (§§ 523, 264
Nr. 2 ZPO a. F.). Sie ist ebenfalls unbegrçndet.
Ein Anspruch auf Schadensersatz wegen noch nicht bezifferbarer Erschließungskosten fçr Maßnahmen vor
Abschluss des Kaufvertrags besteht aus den oben dargelegten Grçnden ebenfalls nicht. Das OLG D. hat die
diesbezçgliche Feststellungsklage des Kl. gegen die Erben rechtskråftig mangels konkreten Vortrags abgewiesen.
Ûber die Lasten erst danach begonnener Erschließungsmaßnahmen musste – wie oben ausgefçhrt – der Notar
nicht belehren. Ihn trifft deshalb auch keine Verpflichtung, fçr die bei der endgçltigen Herstellung und Abrechnung noch entstehenden Beitråge zu haften.
Rechtsprechung
Gemåß § 2 des Mittelverwendungs-Treuhandvertrags hatte der
Bekl. als Treuhånder çber das Zeichnungskapital gemåß dem
Mittelverwendungsplan fçr die Gesellschaft zu verfçgen. Dabei
hatte der Bekl. die Rechnungen eines Lieferanten oder Dienstleistungsunternehmens çber erbrachte Leistungen zu prçfen,
ferner dass bestimmte Mittel, deren Einsatz durch den Investitionsplan gedeckt sind, innerhalb der nåchsten 10 bis 30 Tage zur
Zahlung an Dritte zur Verfçgung stehen mçssen. Gemåß § 2
Ziff. 4 des Mittelverwendungs-Treuhandvertrags musste er allerdings die Mittel nicht proportional entsprechend der Aufstellung çber die vorgesehene Mittelverwendung zur Auszahlung bringen, sondern einzelne Positionen des Investitionsplanes konnten entsprechend dem Geschåftsablauf frçher als
andere bedient werden. Nach § 2 Ziff. 5 des Vertrags hatte die
Geschåftsfçhrung der Gesellschaft gemåß den Angaben im Beteiligungsprospekt das Recht, die Erlæse aus der Platzierung neu
zu verteilen, um auf Verånderungen des Marktes oder der Geschåftspolitik im Interesse der Anleger eingehen zu kænnen. Die
Geschåftsfçhrung war lediglich verpflichtet, dem Treuhånder in
geeigneter Weise die Plausibilitåt der Kostenverschiebung
nachzuweisen.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Es hat ausgefçhrt, der Bekl.
hafte dem Kl. gemåß § 19 Abs. 1 BNotO wegen schuldhafter
Amtspflichtverletzung fçr einen durch die Auszahlung pflichtwidrig angenommener 90 000,– DM entstandenen Schaden.
Dagegen wendet sich der Bekl. mit seiner Berufung.
Aus den Grçnden:
9. Notarrecht – Abgrenzung zwischen der notariellen
und anwaltlichen Tåtigkeit des Anwaltsnotars
(OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 17. 9. 2003 – 4 U 12/
03 – mitgeteilt von Notar Thomas Wachter, Osterhofen)
BeurkG § 54 a
BNotO §§ 19 Abs. 1; 23; 24
1. Ein Rechtsanwalt und Notar wird immer dann als
Notar tåtig, wenn er Handlungen vornimmt, die dazu
bestimmt sind, Amtsgeschåfte i. S. der §§ 20–23
BNotO bezeichneten Art vorzubereiten oder auszufçhren. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist
im Zweifel anzunehmen, er sei lediglich als Rechtsanwalt tåtig geworden. Wenn jedoch nach den objektiven Umstånden, insbesondere nach der Art der
Tåtigkeit, eine Aufgabe zu erfçllen war, die in den
Bereich notarieller Amtståtigkeit fållt, bestehen solche Zweifel nicht.
2. Ein Notar darf nur dann als Treuhånder tåtig werden,
wenn ein objektives Sicherungsinteresse fçr die Anleger an der Verwahrung von Geld durch einen Notar
besteht. Liegt der Treuhandtåtigkeit ein Mittelverwendungs-Treuhandvertrag zugrunde, so kann
dieser geeignet sein, einen ordnungsgemåßen Sicherungszweck zugunsten der Anleger zu erfçllen. Voraussetzung ist allerdings, dass der Notar ausreichenden Einfluss auf die Einhaltung des Mittelverwendungsplans hat.
(Leitsåtze nicht amtlich)
Zum Sachverhalt:
I. Der Kl. verlangt von dem Bekl. in Hæhe von 46 016,27 E
Schadensersatz gemåß § 19 Abs. 1 BNotO wegen schuldhafter
Verletzung von Amtspflichten aus einem Treuhandvertrag.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte und rechtzeitig
begrçndete Berufung, çber die gemåß § 249 Abs. 3 ZPO
trotz der Unterbrechung zu entscheiden ist, ist zulåssig,
hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Der Kl. hat gemåß § 19 Abs. 1 BNotO in Verbindung mit
§§ 23, 24 BNotO gegen den Bekl. einen Anspruch auf
Schadensersatz in Hæhe der erstinstanzlich zugesprochenen 46 016,27 E (entsprechend 90 000,– DM)
wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung als Notar.
Zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass der Bekl.
als Notar tåtig geworden ist, indem er das vom Kl. eingezahlte Geld verwahrt und spåter darçber verfçgt hat.
Nach § 24 Abs. 2 S. 1 BNotO ist anzunehmen, dass ein
Rechtsanwalt und Notar immer dann als Notar tåtig wird,
wenn er Handlungen der in § 24 Abs. 1 BNotO bezeichneten Art vornimmt, die dazu bestimmt sind, Amtsgeschåfte der in §§ 20–23 BNotO bezeichneten Art vorzubereiten oder auszufçhren. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, ist nach § 24 Abs. 2 S. 2 BNotO im
Zweifel anzunehmen, dass er lediglich als Rechtsanwalt
tåtig geworden ist. Wenn jedoch nach den objektiven
Umstånden, insbesondere nach der Art der Tåtigkeit,
eine Aufgabe zu erfçllen ist, die in den Bereich notarieller Amtståtigkeit fållt, bestehen solche Zweifel nicht
(BGH NJW-RR 2001, 1639, 1640; BGH, Urteil vom
21. 11. 1996, XIV ZR 192/95). Vorliegend hat der Bekl.
den Eindruck erweckt, als habe er ein notarielles Verwahrungsgeschåft çbernommen, in dem er als „Rechtsanwalt und Notar“ sowie als Treuhånder aufgetreten ist.
Daran åndert nichts, dass der Bekl. diese Erklårungen
nicht ausschließlich als „Notar“, sondern unter beiden
Berufsbezeichnungen abgegeben hat (BGHZ 134, 100 f.
unter II. 1. b = DNotZ 1997, 221). Entscheidend ist nåmlich auf die Sicht des Empfångers der abgegebenen Erklårungen abzustellen (BGH a.a.O.), wobei es darauf
ankommt, dass nicht eine einseitige Interessenwahrnehmung in Rede steht, sondern eine neutrale unpartei

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG Karlsruhe

Erscheinungsdatum:

03.07.2003

Aktenzeichen:

12 U 24/03

Rechtsgebiete:

Beurkundungsverfahren

Erschienen in:

RNotZ 2004, 43-46

Normen in Titel:

BeurkG § 17 Abs. 1; BGB § 839