OLG München 24. Januar 2024
34 Wx 9/24 e
BGB §§ 890, 1018; GBO § 19

Grunddienstbarkeit; Zuschreibung eines herrschenden Grundstücks als Bestandteil eines anderen Grundstücks; keine nachteilige Veränderung der Dienstbarkeit

letzte Aktualisierung: 23.4.2024
OLG München, Beschl. v. 24.1.2024 – 34 Wx 9/24 e

BGB §§ 890, 1018; GBO § 19
Grunddienstbarkeit; Zuschreibung eines herrschenden Grundstücks als Bestandteil eines anderen Grundstücks; keine
nachteilige Veränderung der Dienstbarkeit

1. Die Bestandteilszuschreibung des herrschenden Grundstücks einer Grunddienstbarkeit in Form
eines Geh- und Fahrtrechts zu einem anderen Grundstück führt zu keiner nachteiligen rechtlichen
Veränderung des Inhalts oder des Umfangs der Dienstbarkeit.
2. Die Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks ist für den grundbuchrechtlichen
Vollzug der Bestandteilszuschreibung in diesem Fall nicht erforderlich.

Gründe

I.
Die Beteiligte zu 2 ist im Grundbuch in Bl. 11... als Eigentümerin der Fl.Nr. 70/3 eingetragen. Am 30.3.2022
wurde die Zerlegung des Flurstücks in die Fl.Nrn. 70/3 und 70/7 im Grundbuch eingetragen.
Die Beteiligte zu 1 ist im Grundbuch in Bl. 4... als Eigentümerin der Fl.Nr. 70 eingetragen. Am 30.3.2022
wurde die Zerlegung von Flurstück 70 in die Fl.Nrn. 70 und 70/6 im Grundbuch eingetragen.
In Bl. 6... sind zur Fl.Nr. 60 in Abt. II unter den laufenden Nrn. 2 und 5 Geh- und Fahrtrechte für den
jeweiligen Eigentümer des Grundstücks Blatt 4..., Fl.Nr. 70, eingetragen. In Bl. 4... sind im
Bestandsverzeichnis bei Fl.Nr. 70 entsprechende Herrschvermerke eingetragen.

Mit notariellem Tauschvertrag vom 7.7.2022 vereinbarten die Beteiligten einen Tausch des Grundstücks
Fl.Nr. 70/6 an die Beteiligte zu 2 und des Grundstücks Fl.Nr. 70/7 an die Beteiligte zu 1 jeweils mit allen
Rechten, Bestandteilen und gesetzlichem Zubehör. In einer Anlage zu dem notariellen Tauschvertrag
erklärten die Beteiligten ferner die Auflassung und bewilligten und beantragten die Eintragung des
Eigentumsübergangs im Grundbuch. Ferner beantragten sie, die Fl.Nr. 70/6 dem Grundstück Fl.Nr. 70/3 als
Bestandteil zuzuschreiben sowie die Fl.Nr. 70/7 dem Grundstück Fl.Nr. 70 als Bestandteil zuzuschreiben.
Mit Schreiben vom 13.1.2023, eingegangen beim Grundbuchamt am 17.1.2023, reichte der Urkundsnotar
gemäß § 15 GBO namens aller Antragsberechtigter die Auflassungsurkunde zur Eigentumsumschreibung
ein.

Mit Schreiben vom 24.8.2023 teilte das Grundbuchamt dem Notar mit, dass eine Bestandteilszuschreibung
von Flst. 70/6 zu Flst. 70/3 nicht möglich sei. Aus den Herrschvermerken ergebe sich, dass Flst. 70/6
hinsichtlich zweier Dienstbarkeiten berechtigt sei. Herrschend könne nur ein ganzes Grundstück sein.
Denkbar wäre eine Antragsrücknahme hinsichtlich der Bestandteilszuschreibung oder Löschung der
Dienstbarkeit. Mit Bewilligung des Eigentümers des dienenden Grundstücks wäre auch eine Erweiterung der
Dienstbarkeit theoretisch möglich.

Mit Schreiben vom 4.9.2023 teilte der Notar mit, dass auch eine weitere Variante möglich sei. Es sei auch
zulässig, die Ausübung der Dienstbarkeit zum Vorteil eines realen Teils des herrschenden Grundstücks ohne
Verselbständigung dieses Teils zu beschränken. So, wie ohne vertragliche Inhaltsänderung eine „reale
Teilflächenbelastung“ bei Dienstbarkeiten möglich sei, sei auf diese Weise eine „reale
Teilflächenberechtigung“ bei Dienstbarkeiten möglich. Er bitte daher in der Veränderungsspalte Zug um Zug
mit der Eintragung der Bestandteilszuschreibung zu vermerken, dass die bestehende Dienstbarkeit nur dem
zugeschriebenen Teil Fl.Nr. 70/6 zum Vorteil gereicht. Die Abgabe erneuter Grundbucherklärungen der
Beteiligten sei hierfür nicht erforderlich. Mit weiterem Schreiben legte er eine Stellungnahme des DNotI vor,
wonach die beantragte Bestandteilszuschreibung zulässigerweise erfolgen könne, die vom Grundbuchamt
vorgebrachten Bedenken bestünden nicht.

Mit Beschluss vom 14.11.2023 wies das Grundbuchamt den Antrag vom 17.1.2023 zurück. Es sei
grundsätzlich möglich, dass die Ausübung der Dienstbarkeit nur der derzeit herrschenden Fläche zum Vorteil
gereiche. Da es sich jedoch formalrechtlich um eine Rechtserweiterung handele (auch wenn nur eine
Teilfläche einen Vorteil habe, so sei künftig doch auch das Flst. 70/3 herrschend, welches derzeit nicht
berechtigt ist), sei – entgegen der Auffassung des Notars – die Bewilligung nach § 19 GBO des Eigentümers
des belasteten Grundstücks erforderlich. Dieser erleide durch die Erweiterung einen rechtlichen Nachteil.
Hiergegen wendet sich der Notar mit seiner für alle Beteiligten eingelegten Beschwerde vom 21.11.2023
unter Hinweis auf sein Schreiben vom 4.9.2023 und das DNotI-Gutachten. Es liege weder eine
Rechtserweiterung, noch eine Inhaltsänderung der Dienstbarkeiten vor.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 27.12.2023 nicht abgeholfen. Da nur ein ganzes Grundstück
herrschend sein könne, erweitere sich der Umfang der Berechtigung durch die Bestandteilszuschreibung
rechtlich auch auf das aufnehmende Grundstück, auch wenn der reale Ausübungsbereich eingeschränkt
werde. Dadurch habe der Eigentümer des dienenden Grundstücks einen rechtlichen Nachteil, seine
Bewilligung nach § 19 GBO fehle.

II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.

1. Das Rechtsmittel ist zulässig. Insbesondere ist sie gegen die Zurückweisung des Eintragungsantrags
statthaft, § 71 GBO. Die Beschwerde konnte durch den Urkundsnotar erhoben werden. Nachdem dieser
gemäß § 15 Abs. 2 GBO bereits für die Beteiligten die Eintragung beantragt hatte, gilt er auch als ermächtigt,
gegen die darauf ergangene Antragszurückweisung für sie Beschwerde einzulegen (Demharter GBO 33.
Aufl. § 71 Rn. 74; Schöner/Stöber GBR 16. Aufl. Rn. 189; Bauer/Schaub/Sellner GBO 5. Aufl. § 71 Rn. 17).
2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Mit den im Beschluss vom 14.11.2023 genannten Gründen
kann der Eintragungsantrag nicht zurückgewiesen werden.

a) Gemäß § 19 GBO erfolgt eine Eintragung, wenn derjenige sie bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen ist.
Ein Recht wird von der Eintragung betroffen, wenn es durch sie im Rechtssinn, nicht nur wirtschaftlich,
beeinträchtigt wird oder werden kann (BGH BwNotZ 2001, 89; Demharter § 19 Rn. 49). Es muss sich
allerdings um eine nachteilige Veränderung handeln, nicht jegliche rechtliche Auswirkung der Eintragung auf
das in Frage stehende Recht ist ausreichend (Bauer/Schaub/Kilian § 19 Rn. 122 f.). Eine „rechtliche
Beeinträchtigung“ i.S. des § 19 GBO liegt dann vor, wenn das Recht durch die bewilligte Eintragung unter
Umständen eine ungünstigere Gestaltung erfahren kann (Hügel/Holzer GBO 4. Aufl. § 19 Rn. 68). Nicht jede
Auswirkung auf die Buchposition ruft die Notwendigkeit einer Bewilligung hervor. Wird die Buchposition nur
ausschließlich verbessert oder bleibt sie rechtlich neutral, so bedarf es keiner Bewilligung (Meikel/Böttcher
GBO 12. Aufl. § 19 Rn. 43; Bauer/Schaub/Kilian § 19 Rn. 123).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist vorliegend eine Bewilligung des Eigentümers des dienenden
Grundstücks nicht erforderlich. Dieser erleidet durch eine Bestandteilszuschreibung des Flst. 70/6 zu dem
Flst. 70/3 keine nachteilige rechtliche Beeinträchtigung.

aa) Die Vereinigung samt Verschmelzung mehrerer Grundstücke, von denen bisher nur eines das
herrschende Grundstück aus einer Dienstbarkeit ist, ist ohne weiteres zulässig. Die Dienstbarkeit bleibt im
bisherigen Umfang bestehen, d.h. sie verbleibt dem Gesamtgrundstück, jedoch unter Beschränkung der
Ausübung für den Grundstücksteil, der früher herrschendes Grundstück war (Schöner/Stöber Rn. 639a). Die
Vereinigung des herrschenden Grundstücks einer Grunddienstbarkeit mit einem anderen Grundstück lässt
den Bestand und den Umfang der subjektiv-dinglichen Berechtigung selbst unberührt (BayObLG Rpfleger
1974, 148/150; Staudinger/Herrler BGB (2019) § 890 Rn. 33). Bei einer Vereinigung des herrschenden
Grundstücks mit einem anderen Grundstück erstreckt sich die Berechtigung zwar formal auf den jeweiligen
Eigentümer des neuen Gesamtgrundstücks. Die Ausübung der Berechtigung ist aber zu Gunsten des Teils
des Gesamtgrundstücks beschränkt, der früher das herrschende Grundstück bildete (BayObLG NJW-RR
2003, 451; Staudinger/Herrler a.a.O.; BeckOGK/Hertel Stand: 15.4.2021 § 890 BGB Rn. 63; BeckOGK/
Kazele Stand: 1.11.2023 § 1018 BGB Rn. 140; MüKoBGB/Mohr 9. Aufl. § 1018 Rn. 24). Entsprechendes gilt
bei der Bestandteilszuschreibung (Schöner/Stöber Rn. 652).

bb) Die an dem Grundstück Fl.Nr. 60 bestellten Dienstbarkeiten in Form von Geh- und Fahrtrechten erfahren
somit durch die Bestandteilszuschreibung keine nachteilige Veränderung. Weder werden die Geh- und
Fahrtrechte räumlich noch sonst inhaltlich verändert. Sie dürfen auch künftig nur zugunsten des
Grundtücksteils ausgeübt werden, der bisher herrschendes Grundstück war. Weil die Ausübung der
Berechtigung aus der Dienstbarkeit auf das früher herrschende Grundstück beschränkt bleibt, bringt die
Grunddienstbarkeit dem durch die Zuschreibung entstehenden Grundstück keinen Vorteil (BayObLG NJWRR
2003, 451/452). Umgekehrt entsteht dem dienenden Grundstück auch kein Nachteil. Zutreffend ist zwar
die Feststellung des Grundbuchamtes, dass künftig das gesamte Grundstück Fl.Nr. 70/3 das herrschende
Grundstück darstellt, aufgrund der Ausübungsbeschränkung liegt aber keine nachteilige rechtliche
Beeinträchtigung für den Eigentümer des dienenden Grundstücks vor.

3. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens unterbleibt, weil die Beteiligten diese als
Beschwerdeführer zunächst gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG schon von Gesetzes wegen zu tragen haben und
ihre diesbezügliche Haftung aufgrund des Erfolgs des Rechtsmittels gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG ebenfalls
von Gesetzes wegen erloschen ist. Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

OLG München

Erscheinungsdatum:

24.01.2024

Aktenzeichen:

34 Wx 9/24 e

Rechtsgebiete:

Sachenrecht allgemein
Grundbuchrecht
Kostenrecht
Dienstbarkeiten und Nießbrauch

Normen in Titel:

BGB §§ 890, 1018; GBO § 19