BGH 09. Januar 2024
II ZR 220/22
HGB § 15 Abs. 1; GmbHG § 50 Abs. 3 S. 1; AktG § 179a

Publizität des Handelsregisters; Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund nur bei positiver Kenntnis; keine Berufung auf fehlende Eintragung; Anwendung der Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht; Selbsthilferecht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung; keine Anwendung des § 179a AktG auf die GmbH

letzte Aktualisierung: 11.3.2024
BGH, Urt. v. 9.1.2024 – II ZR 220/22

HGB § 15 Abs. 1; GmbHG § 50 Abs. 3 S. 1; AktG § 179a
Publizität des Handelsregisters; Abberufung eines Geschäftsführers aus wichtigem Grund nur
bei positiver Kenntnis; keine Berufung auf fehlende Eintragung; Anwendung der Grundsätze
des Missbrauchs der Vertretungsmacht; Selbsthilferecht zur Einberufung der Gesellschafterversammlung;
keine Anwendung des § 179a AktG auf die GmbH

a) Die Berufung auf die fehlende Eintragung einer eintragungspflichtigen Tatsache ist dem Dritten
gemäß § 15 Abs. 1 HGB nur dann verwehrt, wenn er positive Kenntnis von der einzutragenden
Tatsache hat; ein Kennenmüssen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis genügen demgegenüber
nicht.
b) Die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht gelten auch im Anwendungsbereich des
Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB.

Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht (KG, NZG 2023, 413 ff.) hat, soweit für das
Revisionsverfahren von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Die Klägerin sei bei der Beurkundung des Grundstückskaufvertrags wirksam
durch ihren Geschäftsführer D. vertreten worden. Der auf der Gesellschafterversammlung
der Klägerin vom 14. Juni 2018 gefasste Abberufungsbeschluss
stehe seiner fortbestehenden organschaftlichen Vertretungsmacht
nicht entgegen, weil der Beschluss nichtig und die Abberufung damit wirkungslos
sei. Der Mehrheitsgesellschafterin habe nämlich kein Selbsthilferecht zur Einberufung
der Gesellschafterversammlung gemäß § 50 Abs. 3 GmbHG zugestanden,
nachdem der Geschäftsführer dem Verlangen der Mehrheitsgesellschafterin
Rechnung getragen und seinerseits eine Versammlung einberufen habe. Dass
die Einberufung durch den Geschäftsführer unter Formfehlern gelitten habe, sei
für die Frage nach dem Bestand des Selbsthilferechts ebenso unerheblich wie
der Umstand, dass der Geschäftsführer die von ihm einberufene Versammlung
später abgesetzt habe.

Jedenfalls habe sich die Beklagte gemäß § 15 Abs. 1 HGB auf den
Rechtsschein der fortwährenden Eintragung D. als Geschäftsführer der
Klägerin im Handelsregister berufen können. Die Beklagte sei nicht bösgläubig
gewesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich nämlich schon
eine Kenntnis der Beklagten von der Existenz des Abberufungsbeschlusses nicht
feststellen. Selbst wenn man zugunsten der Klägerin unterstelle, der Beklagten
sei die Abberufung D. mitgeteilt worden, begründe dies keine Bösgläubigkeit,
weil die Wirksamkeit der Abberufung streitig und der Verlust des
Geschäftsführeramts im Zeitpunkt der Beurkundung noch nicht im Handelsregister
eingetragen gewesen sei.

Ebenso wenig ergebe sich aus der Anwendung der Grundsätze des Missbrauchs
der Vertretungsmacht die Unwirksamkeit des Kaufvertrags: Zwar hätte
es entgegen der Ansicht des Landgerichts im Innenverhältnis eines Zustimmungsbeschlusses
der Gesellschafter der Klägerin bedurft. Doch habe die Klägerin
nicht den Nachweis geführt, dass der Beklagten die Notwendigkeit eines
solchen Gesellschafterbeschlusses bekannt gewesen wäre oder sich ihr hätte
aufdrängen müssen. Gegen einen evidenten Missbrauch der Vertretungsmacht
spreche insbesondere, dass der beurkundende Notar sowie ein bei der Beurkundungsverhandlung
anwesender Rechtsanwalt im Verlaufe der Beurkundung
übereinstimmend zur Einschätzung gelangt seien, das Fehlen eines Gesellschafterbeschlusses
sei unschädlich. Auf diese Unbedenklichkeitserklärung habe sich
die Beklagte verlassen dürfen. Dies gelte selbst dann, wenn sie gewusst oder es
sich ihr hätte aufdrängen müssen, dass die Mehrheitsgesellschafterin mit dem
Geschäft nicht einverstanden gewesen sei, was sich indes schon nicht feststellen
lasse. Die Gesamtumstände der Anbahnung und Durchführung der Beurkundung
geböten keine andere Bewertung.

muss sich die Klägerin gemäß § 15 Abs. 1 HGB so behandeln lassen, als habe
die Vertretungsmacht beim Vertragsschluss noch fortbestanden (dazu unten b)).

a) Im Zeitpunkt der Beurkundung war D. nicht mehr vertretungsberechtigt
im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, weil seine Bestellung als
Geschäftsführer auf der Gesellschafterversammlung am 14. Juni 2018 wirksam
widerrufen worden war (§ 38 Abs. 1 GmbHG). Die Abberufung des Geschäftsführers
bleibt zwar ohne Wirkung, wenn der ihr zugrunde liegende Beschluss der
Gesellschafterversammlung nichtig ist (hierzu Belz in Rowedder/Pentz, GmbHG,
7. Aufl., § 38 Rn. 21; Paefgen in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 38
Rn. 194). Dies ist hier aber entgegen der Annahme des Berufungsgerichts nicht
der Fall.

Eine Beschlussnichtigkeit wäre in entsprechender Anwendung der
§ 121 Abs. 2, § 241 Nr. 1 AktG zwar anzunehmen, wenn die Versammlung von
einer hierzu nicht berechtigten Person einberufen worden wäre (BGH, Urteil vom
8. November 2016 - II ZR 304/15, BGHZ 212, 342 Rn. 13), etwa weil die Voraussetzungen
des Selbsthilferechts des Gesellschafters für die Einberufung nach
§ 50 Abs. 3 GmbHG nicht vorgelegen hätten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Dezember
1953 - II ZR 167/52, BGHZ 11, 231, 236 f.; Urteil vom 7. Februar 1983
- II ZR 14/82, BGHZ 87, 1, 3; Urteil vom 28. Januar 1985 - II ZR 79/84, WM 1985,
567, 568; Urteil vom 15. Juni 1998 - II ZR 318/96, BGHZ 139, 89, 94). Allerdings
beruht die Annahme des Berufungsgerichts, der Mehrheitsgesellschafterin habe
hinsichtlich der Gesellschafterversammlung vom 14. Juni 2018 kein Einberufungsrecht
zugestanden, auf einem Rechtsfehler. Die Mehrheitsgesellschafterin
war zur Einberufung der Versammlung befugt, weil die Voraussetzungen des
Selbsthilferechts nach § 50 Abs. 3 Satz 1 Fall 1 GmbHG vorlagen.

aa) Nach dieser Vorschrift kann ein Gesellschafter, der, wie die Klägerin,
mindestens 10 von Hundert des Stammkapitals der GmbH hält, die Einberufung
einer Gesellschafterversammlung selbst bewirken, wenn seinem Verlangen auf
Einberufung nach § 50 Abs. 1 GmbHG zuvor nicht entsprochen wurde. Dies ist
anzunehmen, wenn dem Verlangen überhaupt nicht, nicht rechtzeitig, nicht vollständig
oder nicht ordnungsgemäß nachgekommen wurde (vgl. BGH, Urteil vom
7. Februar 1983 - II ZR 14/82, BGHZ 87, 1, 2; Urteil vom 28. Januar 1985
- II ZR 79/84, WM 1985, 567, 568; Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe,
GmbHG, 3. Aufl., § 50 Rn. 21; Römermann in Michalski/Heidinger/Leible/
J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 50 Rn. 127 ff.; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl.,
§ 50 Rn. 23; Teichmann in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 50 Rn. 12).
Letzteres war hier der Fall. Im Zeitpunkt der Einberufung der Gesellschafterversammlung
durch die Mehrheitsgesellschafterin am 14. Juni 2018 war der
Geschäftsführer der Klägerin diesem Einberufungsverlangen noch nicht nachgekommen.

(1) Die Mehrheitsgesellschafterin richtete am 16. April 2018 an den zur
Einberufung befugten Geschäftsführer der Klägerin (§ 49 Abs. 1 GmbHG) ein
Verlangen unter Angabe des Zwecks und der Gründe der Versammlung.

(2) Dem Verlangen kam der Geschäftsführer nicht in ordnungsgemäßer
Art und Weise nach.

Die vom Geschäftsführer veranlasste Einberufung zur Gesellschafterversammlung
am 28. Mai 2018 genügte nämlich mangels Unterschrift nicht der erforderlichen
Schriftform und war daher formell fehlerhaft. Dieser Einberufungsfehler
hatte wiederum zur Folge, dass auf der Versammlung gefasste Beschlüsse
entsprechend § 241 Nr. 1 AktG nichtig gewesen wären (hierzu BGH, Urteil vom
17. Oktober 1988 - II ZR 18/88, ZIP 1989, 634, 636; Beschluss vom 24. März
2016 - IX ZB 32/15, NZG 2016, 552 Rn. 21). Die Annahme des Berufungsgerichts,
dieser Formmangel in der Einberufung stehe einer gehörigen Erfüllung des
Verlangens nicht entgegen, weil die Minderheitsgesellschafterin erklärt habe,
sich auf Formfehler nicht zu berufen, greift zu kurz. Denn ein solcher Verzicht ist
zwar auch im Vorfeld der Versammlung möglich (Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl.,
§ 51 Rn. 23; Hüffer/Schäfer in Habersack/Casper/Löbbe, GmbHG, 3. Aufl., § 51
Rn. 34; MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 51 Rn. 67), kann aber bis zur
Beschlussfassung frei widerrufen werden (Noack in Noack/Servatius/Haas,
GmbHG, 23. Aufl., § 51 Rn. 29; BeckOK GmbHG/Schindler, Stand: 1.8.2023,
§ 51 Rn. 65). Daher vermag ein vor der Versammlung erklärter Verzicht der
übrigen Gesellschafter die durch den Einberufungsfehler des Geschäftsführers
bedingte Gefahr der Beschlussunwirksamkeit nicht zu beseitigen.

Dass der Geschäftsführer, wie das Berufungsgericht meint, sein eigenes
Versäumnis der Mehrheitsgesellschafterin nicht hätte "entgegenhalten" dürfen,
ist für die Frage der ordnungsgemäßen Anspruchserfüllung ebenfalls unerheblich.
Denn für die aus Sicht der Mehrheitsgesellschafterin entscheidende Frage
nach der Wirksamkeit der auf der Versammlung zu fassenden Beschlüsse spielt
dieser Gesichtspunkt erkennbar keine Rolle.

Die Mehrheitsgesellschafterin war hier auch nicht gehalten, nach der fehlerhaften
Einberufung ein zweites Verlangen an den Geschäftsführer zu richten.

Beruft der Geschäftsführer die Versammlung nicht ordnungsgemäß ein, so darf
der Gesellschafter sein Selbsthilferecht vielmehr sogleich ausüben, ohne dass er
den Geschäftsführer zuvor um Nachbesserung der Einberufung ersuchen muss
(Rauch/Schnüttgen, Die Gesellschafterversammlung der GmbH, 2012, Rn. 163).
Eine entsprechende Pflicht des Gesellschafters gegenüber dem Geschäftsführer
findet im Gesetz schon keine Stütze. Hinzu kommt, dass dem Gesellschafter die
mit einem zweiten Verlangen verbundene Verzögerung nicht zuzumuten ist, zumal
die Geschäftsführung auf diese Weise die Einberufung durch fehlerhafte
Ladungen verzögern könnte.

bb) Das Selbsthilferecht der Mehrheitsgesellschafterin war bei der Einberufung
auf den 14. Juni 2018 auch nicht verbraucht. Zwar hat die Mehrheitsgesellschafterin
zunächst auf eine Versammlung am 15. Mai 2018 geladen. Auf dieser
konnten mangels Beschlussfähigkeit infolge Nichterscheinens der Minderheitsgesellschafterin
keine Beschlüsse gefasst werden (vgl. § 6 Nr. 6 der
Satzung). In diesem Fall tritt kein Verbrauch ein. Das Selbsthilferecht ist erst verbraucht,
wenn die Gesellschafterversammlung sich mit den mit der Einberufung
mitgeteilten Beschlussgegenständen befasst hat (vgl. zur aktienrechtlichen
Parallelvorschrift des § 122 Abs. 3 AktG BGH, Bes Mai 2012
- II ZB 17/11, NZG 2012, 793 Rn. 8, Urteil vom 30. Juni 2015 - II ZR 142/14,
BGHZ 206, 143 Rn. 27; Urteil vom 10. Oktober 2017 - II ZR 375/15, BGHZ 216,
110 Rn. 68; Urteil vom 14. Juli 2020 - II ZR 255/18, BGHZ 226, 224 Rn. 21)

b) Allerdings muss sich die Klägerin so behandeln lassen, als bestehe die
Vertretungsmacht D. fort. Das Berufungsgericht hat zu Recht angenommen,
dass sich die Beklagte auf § 15 Abs. 1 HGB berufen kann.

aa) Die Abberufung des Geschäftsführers ist nach § 39 Abs. 1 Fall 2
GmbHG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden und dort einzutragen.
Solange die Eintragung nicht erfolgt ist, wird der Rechtsverkehr durch § 15
Abs. 1 HGB geschützt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1982 - II ZR 110/82,
BGHZ 86, 177, 182 f.; Urteil vom 1. Juli 1991 - II ZR 292/90, BGHZ 115, 78, 80;
Urteil vom 14. Mai 2019 - II ZR 299/17, BGHZ 222, 32 Rn. 34).

bb) Ob die Annahme des Berufungsgerichts, bereits die von der Klägerin
behauptete Kenntnis der Beklagten von der Existenz des in seiner Wirksamkeit
streitigen Abberufungsbeschlusses sei nicht bewiesen, den Angriffen der
Revision standhält, vor allem, ob das Berufungsgericht diese Feststellung hätte
treffen dürfen, ohne den Zeugen D. erneut zu vernehmen (§ 398 Abs. 1
ZPO), kann hier auf sich beruhen. Denn die Beklagte verlöre, wie das Berufungsgericht
in seiner Alternativbegründung mit Recht angenommen hat, auch im Fall
unterstellter Kenntnis des Abberufungsbeschlusses nicht den Schutz des § 15
Abs. 1 HGB. Die Würdigung des Berufungsgerichts, der Hinweis D. auf
diesbezügliche Meinungsverschiedenheiten gegenüber der Beklagten im Verbund
mit seiner Einschätzung, die Abberufung sei unwirksam, schlösse ihre
Kenntnis von der Tatsache der Abberufung im Sinne von § 15 Abs. 1 HGB aus,
verkennt weder den Begriff der Kenntnis noch begegnet die tatrichterliche Würdigung
der festgestellten Umstände des Einzelfalls revisionsrechtlichen Bedenken.

(1) Die Berufung auf die fehlende Eintragung einer eintragungspflichtigen
Tatsache ist dem Dritten gemäß § 15 Abs. 1 HGB nur dann verwehrt, wenn er
positive Kenntnis von der einzutragenden Tatsache, hier also der wirksamen Abberufung,
hat. Ein Kennenmüssen oder eine grob fahrlässige Unkenntnis genügen
demgegenüber nicht (RGZ 144, 199, 204; OLG Oldenburg, ZIP 2011, 175,
176; Gehrlein in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 15 Rn. 12; Koch/Harnos in:
Staub Handelsgesetzbuch Großkommentar, 6. Aufl., § 15 HGB Rn. 59;
MünchKommHGB/Krebs, 5. Aufl., § 15 Rn. 50; Hopt/Merkt, HGB, 42. Aufl., § 15
Rn. 7; BeckOK HGB/Müther, Stand: 1.7.2023, § 15 Rn. 13; Oetker/Preuß, HGB,
8. Aufl., § 15 Rn. 23; Ries in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas/Mock/
Wöstmann, HGB, 6. Aufl., § 15 Rn. 16; Roth/Stelmaszczyk in Koller/Kindler/
Roth/Drüen, HGB, 10. Aufl., § 15 Rn. 12; BeckOGK HGB/Schaal,
Stand: 15.9.2019, § 15 Rn. 51; Schall in Heidel/Schall, 4. Aufl., HGB § 15 Rn. 35).

Dabei unterliegt die tatrichterliche Beurteilung (§ 286 ZPO), ob eine Partei
positive Kenntnis von einer eintragungspflichtigen Tatsache hat oder ihr nur der
Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis zu machen ist, der Nachprüfung durch das
Revisionsgericht nur dahin, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und
ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (vgl. BGH,
Urteil vom 20. März 2001 - XI ZR 157/00, ZIP 2001, 781, 782, in BGHZ 147, 145
insoweit nicht abgedruckt; vgl. auch Urteil vom 17. Juni 2016 - V ZR 134/15,
NJW 2017, 248 Rn. 11; Urteil vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11, BGHZ 196,
233 Rn. 32; Urteil vom 10. Februar 2022 - VII ZR 396/21, MDR 2022, 558 Rn. 22).
Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabs hält die Alternativbegründung
des Berufungsgerichts der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand.

(2) Die Revision lässt den Kern der Alternativbegründung des Berufungsgerichts
außer Acht, wonach zwischen der Kenntnis vom Abberufungsbeschluss
und der Kenntnis von der wirksamen Abberufung zu differenzieren ist. Das Berufungsgericht
geht insbesondere zutreffend davon aus, dass es nicht darauf ankommt,
ob im Zeitpunkt der Beurkundung der Willenserklärung eines in Wahrheit
abberufenen, jedoch fortwährend in das Handelsregister eingetragenen
Geschäftsführers bereits eine noch mögliche Beschlussmängelklage gegen
einen umstrittenen Abberufungsbeschluss anhängig war (vgl. OLG Oldenburg,
ZIP 2011, 175, 176) oder, wie hier, eine solche erst später erhoben wurde. Entscheidend
ist vielmehr, ob die erlangte Kenntnis der Umstände im Einzelfall geeignet
ist, zwingend positive Kenntnis der Unrichtigkeit der Eintragung zu vermitteln,
was die Klägerin zu beweisen hätte. Dies hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei
verneint. Zweifel an der Wirksamkeit der kundgemachten Abberufung,
die eine Kenntnis von der wirksamen Abberufung ausschließen, können schon
daraus resultieren, dass sich der abberufene Geschäftsführer gerichtlich gegen
die Abberufung wehrt oder mitteilt, sich zur Wehr setzen zu wollen, gleichviel, ob
er dies später tut oder unterlässt. Aber auch die Kenntnis des Dritten von
zwischen den Gesellschaftern bestehenden Meinungsverschiedenheiten über
die Wirksamkeit der Abberufung, die typischerweise, und so auch hier, eine
Beschlussmängelklage nach sich ziehen, vermag die Aussagekraft der erlangten
Information über den Abberufungsbeschluss bereits entscheidend zu entwerten,
so dass die erlangte Information nicht für sich genommen zur Annahme der Bösgläubigkeit
des auf den fortwährenden Handelsregistereintrag Vertrauenden
zwingt (vgl. Pätzold/Oberstadt, EWiR 2023, 394, 395). Gerade im hier zu beurteilenden
Fall kann es schon deswegen nicht entscheidend auf das Vertrauen in
einen schwebenden Prozess ankommen, weil zwischen der Beschlussfassung
über die Abberufung und der Beurkundung nur zwei Tage lagen.
(3) Soweit die Revision meint, jeder redlich, vom eigenen Vorteil unbeeinflusst
Denkende wisse, dass die Abberufung eines Geschäftsführers einer GmbH
nur der einfachen Mehrheit bedürfe (§ 47 Abs. 1 GmbHG), ein Mehrheitsgesellschafter
also stets in der Lage sei, die Abberufung gegen den Willen des Minderheitsgesellschafters
herbeizuführen, weshalb Meinungsverschiedenheiten mit einem
Minderheitsgesellschafter nicht geeignet seien, die Tatsache der Abberufung
zu widerlegen, zeigt sie keinen revisiblen Rechtsfehler auf. Unschädlich ist
ein Wissen von Umständen, die die Schlussfolgerung auf eine Tatsache zwar
zulassen, aber wegen der Möglichkeit einer anderen gesellschaftsvertraglichen
Gestaltung nicht gebieten (vgl. RGZ 144, 199, 204; Gehrlein in Ebenroth/
Boujong, HGB, 5. Aufl., § 15 Rn. 12; BeckOGK HGB/Schaal, Stand: 15.9.2019,
§ 15 Rn. 52). Die Satzung kann jedenfalls für die Abberufung des Geschäftsführers
ohne wichtigen Grund ein höheres Quorum als die einfache Mehrheit vorsehen
(vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1982 - II ZR 110/82, BGHZ 86, 177,
179; Urteil vom 17. Oktober 1983 - II ZR 31/83, WM 1984, 29; Beurskens in
Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 38 Rn. 35; BeckOGK GmbHG/
Dubovitskaya, Stand: 1.10.2023, § 38 Rn. 157; Kleindiek in Lutter/Hommelhoff,
GmbHG, 21. Aufl., § 38 Rn. 6; Terlau in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt,
GmbHG, 4. Aufl., § 38 Rn. 20, 57 f.). Daher zöge allein das Wissen der Beklagten
darum, dass die Mehrheitsgesellschafterin hinter seiner, D. Abberufung
gestanden und für sie gestimmt hatte, nicht notwendig und zwingend die Erkenntnis
nach sich, der Beschluss sei mit der erforderlichen Stimmenmehrheit gefasst
worden.

cc) Für den abstrakten Vertrauensschutz des § 15 Abs. 1 HGB kommt es
entgegen der Revision schließlich nicht darauf an, wieviel Zeit zwischen dem Entstehen
der eintragungspflichtigen Tatsache (hier: der Abberufung) und dem
rechtsgeschäftlichen Vorgang (hier: der Beurkundung) liegt. Die Kürze des Zeitraums
ist nicht geeignet, abweichend vom allgemeinen Grundsatz, dass § 15
Abs. 1 HGB keine Nachforschungen gebietet (zu letzterem RGZ 144, 199, 204;
Gehrlein in Ebenroth/Boujong, HGB, 5. Aufl., § 15 Rn. 12; Staub/Koch/Harnos,
HGB, 6. Aufl., § 15 Rn. 59), ausnahmsweise Erkundigungsobliegenheiten auszulösen.
Der Dritte ist selbst bei Kenntnis vom Abberufungsbeschluss nicht zu
eigenen weiteren Nachforschungen angehalten (vgl. RGZ 144, 199, 204; OLG
Oldenburg, ZIP 2011, 175, 176; Pätzold/Oberstadt, EWiR 2023, 394, 395;
Staub/Koch/Harnos, HGB, 6. Aufl., § 15 Rn. 59). Es oblag der Beklagten daher
nicht, die vom Geschäftsführer D. geäußerten Zweifel an der Wirksamkeit
der Abberufung einer Überprüfung zu unterziehen, etwa indem sie D. zu
einer näheren Darlegung der im Raum stehenden Beschlussmängel hätte auffordern
müssen.

3. Einer rechtlichen Prüfung nicht stand hält allerdings die Annahme des
Berufungsgerichts, ein Missbrauch der Vertretungsmacht lasse sich nicht feststellen.
Zwar hat das Berufungsgericht zu Recht angenommen, dass der ehemalige
Geschäftsführer der Klägerin mit dem Abschluss des Grundstückskaufvertrags
ohne Gesellschafterbeschluss die im Innenverhältnis bestehenden Gren-
zen seiner nach § 15 Abs. 1 HGB als fortbestehend anzusehenden Vertretungsmacht
missachtet hat; die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Missachtung
dieser Grenzen schlage hier nach den Umständen des Falls nicht auf das
Außenverhältnis durch, beruht indes auf einem Rechtsfehler.

a) Die Geschäftsführer vertreten die Gesellschaft nach § 35 Abs. 1 Satz 1
GmbHG gerichtlich und außergerichtlich. Diese Vertretungsmacht ist grundsätzlich
unbeschränkt und unbeschränkbar (§ 37 Abs. 2 GmbHG). Schranken ergeben
sich aber - auch mit Wirkung gegenüber Dritten (§ 242 BGB) - aus den
Grundsätzen des Missbrauchs der Vertretungsmacht (vgl. BGH, Beschluss vom
10. April 2006 - II ZR 337/05, ZIP 2006, 1391 Rn. 2; Urteil vom 9. Januar 2019
- II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 40; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 37
Rn. 40; Buck-Heeb in Gehrlein/Born/Simon, GmbHG, 6. Aufl., § 37 Rn. 35;
Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 21. Aufl., § 35 Rn. 22; Lenz in
Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, GmbHG, 4. Aufl., § 37 Rn. 41;
Scholz/Uwe H. Schneider/Sven H. Schneider, GmbHG, 12. Aufl., § 35 Rn. 187;
MünchKommGmbHG/Stephan/Tieves, 4. Aufl., § 37 Rn. 182).

aa) Handelt der Vertreter im Rahmen seiner Vertretungsmacht, führt dies
grundsätzlich zu einer rechtsgeschäftlichen Bindung des Vertretenen. Das Risiko
einer missbräuchlichen Verwendung der Vertretungsmacht hat grundsätzlich der
Vertretene zu tragen. Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus
dem Innenverhältnis des Vertreters zum Vertretenen ergeben, wirkt sich erst
dann im Außenverhältnis aus, wenn die Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten
werden (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 - IX ZR 212/19, WM 2020,
2287 Rn. 9). Das Vertrauen des Geschäftsgegners in den Bestand des Geschäfts
ist nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder wenn es sich ihm geradezu aufdrängen
muss, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbraucht. Das ist insbesondere
dann der Fall, wenn Vertreter und Geschäftsgegner bewusst zum Nachteil
des Vertretenen zusammenwirken oder wenn der Missbrauch der Vertretungsmacht
dem Geschäftsgegner bekannt ist oder wegen Evidenz des Missbrauchs
hätte bekannt sein müssen (BGH, Beschluss vom 10. April 2006 - II ZR 337/05,
ZIP 2006, 1391 Rn. 2; Urteil vom 9. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354
Rn. 40). Der Vertretene ist gegen einen erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht
im Verhältnis zum Vertragspartner dann geschützt, wenn der Vertreter
von seiner Vertretungsmacht in ersichtlich verdächtiger Weise Gebrauch gemacht
hat, so dass beim Vertragspartner begründete Zweifel bestehen mussten,
ob nicht ein Treueverstoß des Vertreters gegenüber dem Vertretenen vorliege.
Notwendig ist dabei eine massive Verdachtsmomente voraussetzende objektive
Evidenz des Missbrauchs. Die objektive Evidenz ist insbesondere dann gegeben,
wenn sich nach den gegebenen Umständen die Notwendigkeit einer Rückfrage
des Geschäftsgegners bei dem Vertretenen geradezu aufdrängt (BGH, Urteil
vom 11. Mai 2017 - IX ZR 238/15, WM 2018, 391 Rn. 20). In einem solchen Fall
des Missbrauchs der Vertretungsmacht kann der Geschäftsgegner aus dem formal
durch die Vertretungsmacht gedeckten Geschäft keine vertraglichen Rechte
herleiten (BGH, Urteil vom 9. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 40).

bb) Die Grundsätze des Missbrauchs der Vertretungsmacht gelten auch
im Anwendungsbereich des Rechtsscheintatbestands des § 15 Abs. 1 HGB. Die
Rechtsscheinregeln bewirken, dass sich derjenige, der den Rechtsschein zurechenbar
gesetzt hat, dem gutgläubigen Dritten gegenüber, der sich bei seinem
geschäftlichen Verhalten auf den Rechtsschein verlassen hat, nicht auf die wahre
Rechtslage berufen kann. Aus Rechtsscheingrundsätzen können indes keine
weitergehenden Rechte hergeleitet werden, als sie bestünden, wenn der Rechtsschein
zuträfe (BGH, Urteil vom 20. Januar 1954 - II ZR 155/52, BGHZ 12, 105,
110; Urteil vom 11. März 1955 - I ZR 82/53, BGHZ 17, 13, 17; Urteil
2012 - X ZR 154/11, WM 2013, 1142 Rn. 20).

b) Das Berufungsgericht ist im Ergebnis noch zutreffend davon ausgegangen,
dass D. als Geschäftsführer nach den Umständen des vorliegenden
Falls dazu verpflichtet gewesen wäre, vor Abschluss des Kaufvertrags mit der
Beklagten einen zustimmenden Gesellschafterbeschluss herbeizuführen. Das
hat er nicht getan und damit die im Innenverhältnis maßgeblichen Grenzen seiner
nach Rechtsscheingrundsätzen als fortbestehend fingierten organschaftlichen
Vertretungsmacht überschritten.

aa) Die Notwendigkeit eines Zustimmungsbeschlusses ergab sich zwar
nicht aus dem gegenüber der Mehrheitsgesellschafterin abgegebenen "Letter of
guarantee" vom 23. Oktober 2017. Die hierin enthaltene Selbstverpflichtung
D. vermag schon deshalb nicht mit konstitutiver Wirkung einen Zustimmungsvorbehalt
zugunsten der Gesellschafterversammlung zu begründen, weil
§ 37 Abs. 1 GmbHG für Beschränkungen der Befugnisse des Geschäftsführers
korporationsrechtliche Anordnungen durch Satzung oder Gesellschafterbeschluss
verlangt und einseitige Erklärungen des Geschäftsführers gegenüber einem
einzelnen Gesellschafter nicht genügen lässt. Anders mag der hier nicht gegebene
Fall einer Erklärung des Geschäftsführers gegenüber sämtlichen Gesellschaftern
zu beurteilen sein, soweit im Einzelfall die Entgegennahme durch die
Gesellschafter als konkludente Beschlussweisung auslegt werden kann.
bb) Die Zustimmungsbedürftigkeit des Grundstücksgeschäfts folgte, wie
das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, aus § 49 Abs. 2 GmbHG, auch
wenn die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die Rechtslage sei insoweit
im Zeitpunkt der Beurkundung umstritten gewesen, nicht zutrifft. Dem Geschäftsführer
einer GmbH kommt, vorbehaltlich gesetzlicher Pflichten, Geschäftsführungsbefugnis
nur dann und insoweit zu, als die Gesellschafterversammlung von
ihrer Geschäftsführungskompetenz weder durch Regelung im Gesellschaftsvertrag
noch durch Beschlussweisung an den Geschäftsführer Gebrauch macht
(BGH, Urteil vom 9. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354 Rn. 37;
Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rn. 3; MünchKommGmbHG/Stephan/
Tieves, 4. Aufl., § 37 Rn. 69 115 ff.; Wicke, GmbHG, 4. Aufl., § 37 Rn. 4;
Eschwey, MittBayNot 2018, 299, 308 f.). Namentlich ist der Geschäftsführer bei
besonders bedeutsamen Geschäften angehalten, die Zustimmung der Gesellschafterversammlung
von sich aus einzuholen, § 49 Abs. 2 GmbHG (BGH, Urteil
vom 29. März 1973 - II ZR 139/70, WM 1973, 510, 511; Urteil vom 5. Dezember
1983 - II ZR 56/82, ZIP 1984, 310, 311; Urteil vom 25. Februar 1991
- II ZR 76/90, ZIP 1991, 509, 510 f.; Urteil vom 30. Mai 2005 - II ZR 236/03,
DStR 2005, 1066; Urteil vom 9. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354
Rn. 37; MünchKommGmbHG/Liebscher, 4. Aufl., § 49 Rn. 54; Noack in
Noack/Servatius/Haas, GmbHG, 23. Aufl., § 49 Rn. 17; BeckOK GmbHG/
Schindler, Stand: 1.8.2023, § 49 Rn. 39; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 49
Rn. 20, 22). Die Verpflichtung zur Übertragung des ganzen Gesellschaftsvermögens
einer GmbH ist ein solchermaßen besonders bedeutsames Geschäft, zu
dessen Vornahme der Geschäftsführer einen zustimmenden Beschluss der Gesellschafterversammlung
herbeiführen muss, selbst wenn der Gesellschaftsvertrag,
wie im vorliegenden Fall, einen entsprechenden Zustimmungsvorbehalt
nicht ausdrücklich enthält (vgl. BGH, Urteil vom 9. Januar 2019 - II ZR 364/18,
BGHZ 220, 354 Rn. 36; Altmeppen, GmbHG, 11. Aufl., § 37 Rn. 24; BeckOGK
GmbHG/Born, Stand: 15.9.2023, § 53 Rn. 401; MünchKommGmbHG/
Stephan/Tieves, 4. Aufl., § 37 Rn. 153; Dietlein/Klomfaß, NZG 2022, 339 f.;
Prochnau/Reiff, CB 2022, 387, 388 f.; v. Prittwitz, DStR 2019, 1265, 1268;
Wachter, DB 2019, 1078, 1079). Dies gilt auch dann, wenn das übertragene Gesellschaftsvermögen
im Wesentlichen aus einem Grundstück besteht und der
Gegenstand des Unternehmens den Verkauf von Grundstücken umfasst. Das die
Kontrollbefugnisse der Gesellschafterversammlung in ihrer Gesamtheit sowie
den Minderheitenschutz sichernde Erfordernis eines Gesellschafterbeschlusses
resultiert aus dem innergesellschaftlichen Kompetenzgefüge der GmbH, weshalb
ein solcher Zustimmungsbeschluss unabhängig von der Ausgestaltung des Unternehmensgegenstands
der Klägerin notwendig ist.

c) Nicht frei von Rechtsfehlern ist aber die Begründung des Berufungsgerichts,
mit der es einen für die Beklagte erkennbaren Missbrauch der Vertretungsmacht
verneint hat.

aa) Das Berufungsgericht hat hierzu ausgeführt, der Beklagten sei zwar
bekannt gewesen, dass die Klägerin ihren gesamten Immobilienbestand ohne
einen dies legitimierenden Gesellschafterbeschluss veräußere, doch habe sie,
die Beklagte, sich, was die Notwendigkeit einer Zustimmung der Gesellschafter
anbelange, in einer Weise getäuscht, die der Annahme eines evidenten Missbrauchs
der Vertretungsmacht entgegenstehe. Im konkreten Einzelfall sei die
Beklagte schutzbedürftig, weil die Frage der Notwendigkeit der Beschlussfassung
durch die Gesellschafter in der Beurkundungsverhandlung diskutiert worden
sei und der Notar die "Zweifelsfrage" schließlich, nachdem es auf Betreiben
D. zu der vom Notar vorgeschlagenen Rücksprache mit der Mehrheitsgesellschafterin
nicht gekommen sei, in dem Sinne beantwortet habe, eines
Beschlusses bedürfe es nicht, auch wenn sich die Rechtsansicht des Notars später
als falsch herausgestellt haben möge.

bb) Zutreffend ist der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts,
dass dem Dritten auch bei positiver Kenntnis vom Fehlen eines objektiv notwendigen
Gesellschafterbeschlusses nicht zwingend das Vertrauen auf den Bestand
der Vertretungsmacht des daher pflichtwidrig handelnden Geschäftsführers zu
versagen ist.

Bei besonders bedeutenden Geschäften ist ein Dritter als Vertragspartner
zwar auch unterhalb der Schwelle des kollusiven Zusammenwirkens grundsätzlich
nicht schutzwürdig, wenn es sich ihm den Umständen nach aufdrängen
muss, dass der Geschäftsführer ohne Zustimmungsbeschluss der Gesellschafterversammlung
seine Vertretungsmacht überschreitet und er zugleich weiß oder
es sich ihm ebenfalls aufdrängen muss, dass ein zustimmender Beschluss nicht
vorliegt. Ersteres wird man, wie der Senat bereits entschieden hat, häufig annehmen
können, wenn das gesamte Unternehmen in einem Gesamtvermögensgeschäft
als solches übertragen werden soll. Einem verständigen Vertragspartner
muss nämlich grundsätzlich klar sein, dass der Geschäftsführer die GmbH nicht
ohne Zustimmung der Gesellschafter unternehmenslos stellen kann. Aber auch
wenn, wie vorliegend, mit einer Immobilie nur ein einzelner Vermögensgegenstand
übertragen werden soll, kann es sich nach den Umständen des Einzelfalls
aufdrängen, dass der Geschäftsführer das Geschäft wegen seiner Bedeutung für
die Gesellschaft nicht ohne Rückversicherung bei den Gesellschaftern vornehmen
kann (BGH, Urteil vom 9. Januar 2019 - II ZR 364/18, BGHZ 220, 354
Rn. 41). Das gilt vor allem, wenn bereits die Firma der Gesellschaft, wie hier, in
nach außen offensichtlicher Weise darauf hinweist, dass die Immobilie ihr alleiniger
oder zumindest wesentlicher Vermögensgegenstand ist.

Befindet sich der Dritte jedoch in einem Rechtsirrtum über das
Beschlusserfordernis im Sinne der Notwendigkeit einer Rückversicherung bei
den Gesellschaftern, so kann er trotz positiver Kenntnis vom Fehlen des
Beschlusses dennoch schutzbedürftig sein, sofern sich ihm die Notwendigkeit
eines zustimmenden Beschlusses nicht aufdrängen musste. Ein auf einfacher
Fahrlässigkeit beruhender Irrtum ist hierfür noch unschädlich; die Schutzbedürftigkeit
des Dritten entfällt aber, wenn er einem evidenten Rechtsirrtum unterliegt.
Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht angenommen, der Dritte könne
sich grundsätzlich auf den ausdrücklichen, die Entbehrlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses
attestierenden Rat des beurkundenden Notars verlassen, solange
der Rat weder erkennbar fehlerhaft noch offensichtlich auf falschen bzw.
unzureichenden Grundlagen erteilt wurde.

cc) Soweit das Berufungsgericht allerdings zu dem Ergebnis gelangt, die
Beklagte habe im Vertrauen auf die rechtliche Einschätzung des Notars hinsichtlich
der Entbehrlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses gehandelt und sei daher
einem ihre Schutzbedürftigkeit nicht ausschließenden Rechtsirrtum unterlegen
gewesen, beruht dies auf einer unvollständigen und revisionsrechtlich zu beanstandenden
Würdigung des Prozessstoffs.

Das Revisionsgericht ist zwar nach § 559 Abs. 2 ZPO grundsätzlich an die
Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden. Es ist gemäß § 286 ZPO Sache
des Tatrichters, unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen
und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung
zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder nicht wahr zu
erachten ist. Die wesentlichen Grundlagen der Beweiswürdigung müssen dazu
im Berufungsurteil, gegebenenfalls durch (ergänzende) Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe
des erstinstanzlichen Urteils, nachvollziehbar dargelegt werden.
Das Revisionsgericht kann nur prüfen, ob sich der Tatrichter mit dem Prozessstoff
umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Würdigung
also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze oder
Erfahrungssätze verstößt (st. Rspr.; BGH, Beschluss vom 11. Mai 2021
- II ZR 56/20, WM 2021, 1692 Rn 32; Urteil vom 27. November 2021
- VII ZR 257/20, WM 2022, 87 Rn. 32).

Einer an diesem Maßstab ausgerichteten Prüfung hält die Beweiswürdigung
des Berufungsgerichts nicht stand. Es hat sich bei der Frage, ob die fehlende
Befugnis des Geschäftsführers, ohne erforderliche Rückversicherung bei
der Mehrheitsgesellschafterin den Kaufvertrag abzuschließen, für die Beklagte
offensichtlich war, maßgeblich auf die Aussage des vom Landgericht als Zeugen
vernommenen Notars M. gestützt, der das Fehlen eines Zustimmungsbeschlusses
der Gesellschafter im Rahmen des Beurkundungstermins in Gegenwart
der Parteien für unschädlich gehalten habe. Es hat sich aber nicht damit
auseinandergesetzt, dass der Zeuge K. , der damalige Geschäftsführer
der Beklagten, auf dessen Kenntnis es entsprechend § 31 BGB bzw. nach § 166
Abs. 1 BGB maßgeblich ankommt, im Rahmen seiner Zeugenvernehmung vor
dem Landgericht bekundet hat, über ein Beschlusserfordernis sei im Beurkundungstermin
überhaupt nicht gesprochen worden bzw. er könne sich daran nicht
erinnern, wobei das Landgericht den Widerspruch nicht durch Nachfrage weiter
aufgeklärt hat. Denkt man die Wahrnehmung des notariellen Rats zur Entbehrlichkeit
eines Gesellschafterbeschlusses auf Seiten der Beklagten hinweg, hätte
hier nach Lage des Falles die Beschlussnotwendigkeit angesichts der evidenten
Veräußerung des wesentlichen Vermögensgegenstands auch für einen juristischen
Laien auf der Hand gelegen. Unter diesen Umständen bedurfte es daher
eines "gegenläufigen" (rechtsirrigen) Rechtsrats durch eine juristische Vertrauensperson,
um dennoch ein Sich aufdrängen der auf der Hand liegenden Zustimmungsnotwendigkeit
abzulehnen.

Den Umstand der möglicherweise fehlenden Wahrnehmung des Rechtsrats
durch die Beklagte hat das Berufungsgericht bei seinen Feststellungen nicht
berücksichtigt, wie die Revision zu Recht rügt. Das Berufungsgericht wird deshalb
die Auseinandersetzung mit den Angriffen der Revision gegen seine
Beweiswürdigung nachzuholen haben (§ 286 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Soweit sich
die Richtigkeit der Bekundungen der zur Erteilung des Rechtsrats vor dem Landgericht
vernommenen Zeugen nicht zuverlässig aus objektiven, nicht mit der
Glaubwürdigkeit der Zeugen unmittelbar in Zusammenhang stehenden Umständen
ergibt, wird das Berufungsgericht die Zeugen erneut vernehmen müssen
(hierzu BGH, Urteil vom 19. Juni 1991 - VIII ZR 116/90, MDR 1991, 1089).

III. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die
Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, weil sie
noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO).

1. Eine Entscheidungsreife ergibt sich nicht im Hinblick auf die von der
Klägerin reklamierte Formnichtigkeit des beurkundeten Kaufvertrags. In
revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Berufungsgericht davon
ausgegangen, das Löschungsbegehren sei nicht deswegen begründet, weil die
zwischen den Parteien beurkundete Vereinbarung wegen Nichtbeurkundung der
Provisionsabrede unwirksam wäre (§§ 125, 139, 311b BGB). Werden, wie hier,
zwei Verträge äußerlich getrennt voneinander abgeschlossen, begründet dies
eine tatsächliche Vermutung dafür, dass sie nach dem Parteiwillen auch unabhängig
voneinander gewollt sind und dies durch die Trennung zum Ausdruck gebracht
werden sollte (vgl. RGZ 103, 295, 297; BGH, Urteil vom 10. Oktober 1986
- V ZR 247/85, NJW 1987, 1069; Urteil vom 7. Dezember 1988 - VII ZR 343/87,
NJW-RR 1990, 340, 341). Diese Vermutung kann zwar entkräftet werden. Hierzu
bedarf es aber genügender Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Verträge
ungeachtet der äußerlichen Trennung nach dem Willen der Parteien eine rechtliche
Einheit bilden sollten (vgl. BGH, Urteil vom 9. Juli 1993 - V ZR 144/91,
NJW-RR 1993, 1421, 1422; Urteil vom 13. Februar 2003 - IX ZR 76/99,
NJW-RR 2003, 1565, 1566). Solche Anhaltspunkte hat das Berufungsgericht
nicht feststellen können. Hieran ist der Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO in Ermangelung
eines zulässigen und begründeten Revisionsangriffs gebunden. Das
Berufungsgericht ist vertretbar davon ausgegangen, dass die konkreten Abläufe
dagegensprächen, dass das Grundstücksgeschäft ohne die von der Klägerin behauptete
Provisionsvereinbarung nicht abgeschlossen worden wäre.

2. Das Berufungsgericht hat ebenfalls ohne Rechtsfehler eine Nichtigkeit
des Kaufvertrags gemäß § 138 Abs. 1 BGB wegen sittenwidriger Kollusion abgelehnt.
Entgegen der Annahme der Revision hat es dabei nicht die Darlegungslast
der Klägerin verkannt. Zwar trifft den Schädiger die sekundäre Darlegungslast für
die Behauptung, kollusives Verhalten liege nicht vor, wenn der Geschädigte konkrete
Tatsachen für den Verdacht vorbringt, mehrere Personen hätten kollusiv
zusammengewirkt (BGH, Urteil vom 22. Februar 2019 - V ZR 244/17, WM 2019,
1356 Rn. 47). Doch ist das Berufungsgericht revisionsrechtlich beanstandungsfrei
davon ausgegangen, dass die Klägerin Indizien, die einen solchen Verdacht
begründeten, nicht vorgetragen habe. Die hiergegen erhobenen Einwände der
Revision hat der Senat geprüft und erachtet sie nicht für durchgreifend. Auf eine
weitergehende Begründung wird verzichtet (§ 564 Satz 1 ZPO).

Art:

Entscheidung, Urteil

Gericht:

BGH

Erscheinungsdatum:

09.01.2024

Aktenzeichen:

II ZR 220/22

Rechtsgebiete:

Unternehmenskauf
Verein
Handelsregisterrecht und allgemeines Gesellschaftsrecht
Vollmacht, Genehmigung, Ermächtigung
Allgemeines Schuldrecht
Aktiengesellschaft (AG)
GmbH
Beurkundungserfordernis
Verfahrensrecht allgemein (ZPO, FamFG etc.)

Normen in Titel:

HGB § 15 Abs. 1; GmbHG § 50 Abs. 3 S. 1; AktG § 179a